Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 22. Apr. 2014 - L 10 AL 35/14 B PKH

22.04.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG). Streitig ist dort der Erlass einer Forderung der Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Grundsicherung für den Landkreis Lüneburg (ARGE), mit deren Einziehung die Beklagte beauftragt ist.

Zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt der 1948 geborene Kläger eine Wohnung in Polen. Er bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung In Höhe von 745,40 EUR. Nach eigenen Angaben verdiene seine Ehefrau monatlich 180 EUR. Die Kaltmiete betrage 300 EUR und für Gas, Wasser, Abwasser, Strom und Müllabfuhr müsse er 160 EUR zahlen.

Mit Schreiben vom 05.09.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, eine restliche Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der ARGE vom 02.11.2009 - mit diesem war die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.01.2009 wegen zumindest grob fahrlässig gemachten falschen Angaben in Bezug auf den Aufenthalt in Deutschland aufgehoben und die Erstattung von 13.042,64 EUR gefordert worden - und Mahngebühren in Höhe von 12.283,79 EUR zu bezahlen. Der Kläger teilte hierzu mit, sein alleiniges Einkommen in Form einer Rente betrage monatlich 745,40 EUR, weshalb er die Forderung nicht begleichen könne. Es werde deren „Niederschlagung“ beantragt. Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnt die Beklagte den Erlass der Forderung mangels Unbilligkeit ab. Der Kläger lebe im Ausland und eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialgesetzbuches liege nicht vor. Insbesondere sei seine wirtschaftliche Existenz durch die Einziehung der Forderung nicht vernichtet oder ernsthaft gefährdet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Erlass komme dann nicht in Betracht, wenn eine Stundung ausreiche, um den mit der Einziehung der Forderung verbundenen „Härten“ Rechnung zu tragen. Die monatliche Rente des Klägers in Höhe von 745,40 EUR könne wie Arbeitseinkommen übertragen/verpfändet sowie gepfändet werden. Zur Ermittlung der pfändbaren Beträge seien die Werte der Tabelle zu § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) heranzuziehen. Nach der ab dem 01.07.2012 geltenden Fassung betrage die Pfändungsfreigrenze grundsätzlich 1.028,89 EUR monatlich. Im Hinblick auf den Wohnsitz in Polen sei die für den Kläger geltende Pfändungsfreigrenze nach dem Lebenshaltungsindex zu berechnen, der laut UBS für Polen 68,9% betrage. Daraus ergebe sich eine individuelle Pfändungsfreigrenze in Höhe von 708,91 EUR, die unter dem monatlichen Einkommen des Klägers liege. Aus den vorliegenden Unterlagen und auch aus den sonstigen bekannten Umständen ergebe sich keine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz.

Der Kläger hat dagegen Klage zum SG erhoben und die Bewilligung von PKH beantragt. Er bestreite seinen Lebensunterhalt derzeit mit der Rente in Höhe von 745,40 EUR. Seine Miete betrage 460 EUR, die Heizkosten und sonstige Nebenkosten 124 EUR. Mit Beschluss vom 29.01.2014 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Die Voraussetzungen für einen Erlass der Forderung lägen nicht vor. Es fehle an einer Unbilligkeit der Einziehung.

Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Pfändungsfreigrenze liege seit 01.07.2013 für eine Person bei 1.049,99 EUR und unter Berücksichtigung der Ehefrau bei 1.279,99 EUR. Die Berechnung der Kosten in Polen sei nicht mehr zeitgemäß. Es seien die Zahlen aus 2009 zugrunde gelegt worden. Auch eine Erlassunwürdigkeit sei nicht gegeben. Er sei vom Amtsgericht Lüneburg freigesprochen worden. Letztlich habe auch die ARGE nicht mit Sicherheit darlegen können, dass Leistungen zu Unrecht bezogen worden seien.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Dem Kläger ist für das erstinstanzliche Verfahren PKH zu bewilligen.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - juris - Rn. 26 = SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 73a Rn. 7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - juris - Rn. 21 = NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - Rn. 29 - juris = BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - juris - Rn. 23 = NJW 2008, 1060ff).

Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage in diesem Sinne ist nicht auszuschließen. Es erscheint fraglich, ob die von der Beklagten im Bescheid vom 12.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2013 getroffene Entscheidung rechtmäßig ist.

Nach § 44 SGB II dürfen die Leistungsträger nach dem SGB II - mithin auch die Beklagte als Leistungsträger iSv § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II - Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Es handelt sich dabei im Hinblick auf den Wortlaut („darf“) um eine Ermessensentscheidung. Der Begriff „unbillig“ kann dabei nicht losgelöst davon gewürdigt werden, dass er ein Können der Behörde zur Folge hat. Eine Aufspaltung in einen unbestimmten Rechtsbegriff (unbillig) und ein Folgeermessen (kann) würde dazu führen, dass kein Raum für eine Ermessensentscheidung der Behörde bestünde. Ist eine Unbilligkeit anzunehmen, wäre der Erlass zu gewähren, anderenfalls abzulehnen. Eine solche unlösbare Verzahnung zwingt dazu, nur eine einheitlich zu treffende Ermessensentscheidung anzunehmen (vgl. dazu eingehend BSG, Urteil vom 09.02.1995 - 7 RAr 78/93 - juris - zu § 59 Bundeshaushaltsordnung -BHO-).

Jedenfalls unter Berücksichtigung des Widerspruchsbescheides hat die Beklagte vorliegend eine Ermessensentscheidung getroffen. Für eine sachliche Unbilligkeit (vgl. dazu Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 44 Rn. 12; Pilz in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand Juni 2011, § 44 SGB II Rn. 11) gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere trägt die Beklagte kein Verschulden an der rechtswidrigen Leistungserbringung an den Kläger.

Es könnte jedoch eine persönliche Unbilligkeit vorliegen. Eine solche ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner ohne Erlass den notwendigen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.1990 - 8 C 42/88 - NJW 1991, 1073; Pilz a. a. O. Rn. 8). Dabei sind auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehegatten zu berücksichtigen (BVerwG a. a. O. mit Verweis auf BFH, Beschluss vom 31.03.1982 - I B 97/81 - BStBl. 1982 II 530). Unabhängig davon, dass - unter Berücksichtigung der Ehefrau - wohl auch unter Zugrundelegung der Berechnungsmaßstäbe der Beklagten die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO (ab 01.07.2013) im Hinblick auf das Renteneinkommen des Klägers nicht erreicht sein dürften, wäre auch unter Berücksichtigung einer Bedarfsberechnung nach dem SGB II bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von einer fehlenden Möglichkeit zur Bestreitung des Lebensunterhaltes auszugehen. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2013 - betrug der maßgebliche Regelbedarf bei Eheleuten insgesamt 690 EUR (2 x 345 EUR). Unter Berücksichtigung des Lebenshaltungskostenindex für Polen, den die Beklagte mit 68,9% angesetzt hat - dies dürfte im Hinblick auf die vergleichenden Preisniveaus von Eurostat (http://epp.eurostat.ec.europa.eu) für 2012 für Deutschland mit 101,1 und für Polen mit 56,7 nicht unrealistisch sein -, ergibt sich ein Bedarf für Polen von 475,41 EUR (68,9% von 690 EUR). Zuzüglich der Miete und der Nebenkosten von insgesamt 460 EUR (300 EUR zzgl. 160 EUR) könnte dieser Bedarf von insgesamt 935,41 EUR vom Gesamteinkommen der Eheleute in Höhe von 925,40 EUR (745,40 EUR + 180 EUR) nicht gedeckt werden. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits 65 Jahre alt ist und davon ausgegangen werden kann, dass sich seine Einkommenslage nicht nachhaltig verbessern wird. Allerdings wird das SG ggf. noch Ermittlungen zur genauen Höhe der Miete und der Nebenkosten sowie der Höhe des Einkommens der Ehefrau treffen müssen.

Es ist derzeit ohne weitere Ermittlungen auch nicht feststellbar, ob der Kläger tatsächlich erlassunwürdig ist und deshalb ein Erlass ausscheiden könnte (vgl. dazu BFH, Urteil vom 02.03.1961 - IV 126/60 U - BFHE 73, 53; Pilz a. a. O. Rn. 10; Greiser a. a. O. Rn. 11). Eine Erlassunwürdigkeit kann bei einem Erstattungsanspruch z. B. angenommen werden, wenn die unrechtmäßige Erbringung der Leistung durch vorsätzliche Falschangaben bewirkt worden ist (Pilz a. a. O.). Ob der Kläger die falschen Angaben zu seinem Aufenthaltsort seinerzeit vorsätzlich gemacht hat, ist derzeit unklar. Der Kläger hat vorgetragen, ein entsprechendes Strafverfahren sei eingestellt worden. Aus dem zugrundeliegenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der ARGE vom 02.11.2009 geht nur hervor, dass die Angaben zumindest grob fahrlässig falsch gemacht worden sind. Ob sich hierzu weiteres aus dem gegen den Bescheid gerichteten Widerspruchs- bzw. Klageverfahren ergibt, ist nach Aktenlage nicht erkennbar. Auch scheint in Rechtsprechung und Literatur bisher offen, ob schon grob fahrlässiges Verhalten zu einer Erlassunwürdigkeit führen kann. Das SG hat sich hierzu in seinem Beschluss vom 29.01.2014 nicht eingelassen. Dort bleibt völlig offen, aus welchen Gründen das SG vom Nichtvorliegen der Erlassvoraussetzungen ausgeht.

Nach alledem kann eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage vor dem SG nicht ausgeschlossen werden. Ob hier die Beklagte über einen Erlass auch in Bezug auf die zurückgeforderten Leistungen für Unterkunft und Heizung entscheiden konnte, oder hierfür nicht - vorbehaltlich einer etwaigen Übertragung der Befugnis - vielmehr der Jobcenter (früher ARGE) bzw. der kommunale Träger der Leistungen nach dem SGB II zuständig ist, kann insofern für eine Bewilligung der PKH dahinstehen.

Dem Kläger war deshalb PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen und ihm sein Bevollmächtigter beizuordnen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung liegen vor.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 22. Apr. 2014 - L 10 AL 35/14 B PKH zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende


(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:1.die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,2.die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, für das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 un

Bundeshaushaltsordnung - BHO | § 59 Veränderung von Ansprüchen


(1) Das zuständige Bundesministerium darf Ansprüche nur 1. stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Die Stundung soll gegen angemess

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 44 Veränderung von Ansprüchen


Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Referenzen

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:

1.
die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,
2.
die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, für das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 und 2 und die Leistungen nach § 27 Absatz 3, soweit diese Leistungen für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet werden, für die Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 sowie für die Leistungen nach § 28, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger).
Zu ihrer Unterstützung können sie Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen; sie sollen einen Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch einrichten.

(2) Die Länder können bestimmen, dass und inwieweit die Kreise ihnen zugehörige Gemeinden oder Gemeindeverbände zur Durchführung der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Aufgaben nach diesem Gesetz heranziehen und ihnen dabei Weisungen erteilen können; in diesen Fällen erlassen die Kreise den Widerspruchsbescheid nach dem Sozialgerichtsgesetz. § 44b Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt. Die Sätze 1 und 2 gelten auch in den Fällen des § 6a mit der Maßgabe, dass eine Heranziehung auch für die Aufgaben nach § 6b Absatz 1 Satz 1 erfolgen kann.

(3) Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzes über die Zuständigkeit von Behörden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(1) Das zuständige Bundesministerium darf Ansprüche nur

1.
stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Die Stundung soll gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden,
2.
niederschlagen, wenn feststeht, daß die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen,
3.
erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Das gleiche gilt für die Erstattung oder Anrechnung von geleisteten Beträgen und für die Freigabe von Sicherheiten.
Das zuständige Bundesministerium kann seine Befugnisse übertragen.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen der Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen, soweit es nicht darauf verzichtet.

(3) Andere Regelungen in Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.