Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Feb. 2018 - L 10 AL 1/18 NZB

published on 06/02/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Feb. 2018 - L 10 AL 1/18 NZB
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Gericht

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Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.11.2017 - S 10 AL 83/16 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 605,80 €.

Der schwerhörige Kläger bezog Alg in Höhe von 30,29 € täglich (Bescheid vom 15.09.2015). Wegen der Verhinderung der Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses hob die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2016 die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 11.02.2016 bis 02.03.2016 auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 605,80 €. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger angegeben, er habe seine Bewerbungsunterlagen persönlich abgegeben, aber die Firma R. (Firma R) habe sich nicht mehr gemeldet. Der Mitarbeiter W. (W) der Firma R hat auf Nachfrage der Beklagten mitgeteilt, er habe die Bewerbungsunterlagen des Klägers persönlich entgegengenommen und dem Kläger einen Termin für ein Vorstellungsgespräch am 10.02.2016 bei dem für die Einstellungen zuständigen Mitarbeiter genannt. Zu diesem Termin sei der Kläger jedoch nicht erschienen. Der für den Kläger zuständige Mitarbeiter der Beklagten hat ausgeführt, die Hörschwäche des Klägers mache sich bei Gesprächen nicht bemerkbar. Der Kläger habe ihm am 25.02.2016 mitgeteilt, er habe sich bei der Firma R beworben, sei aber zum vereinbarten Termin nicht erschienen, weil er bei einer derartigen Firma nicht zu arbeiten beginne. Den Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2016 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Wegen seiner Schwerhörigkeit sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 bei ihm anerkannt. Tatsächlich habe er ab 14.03.2016 auf eigene Initiative eine Stelle gefunden. Er gehe mit seiner Behinderung nicht hausieren, das wäre für die Arbeitsuche „nachträglich“. Er habe umgehend Bewerbungsunterlagen bei der Firma R an W übergeben und auf seine Schwerhörigkeit hingewiesen, was allerdings eine Tätigkeit als Maler nicht hindere. W habe ihm bei der Abgabe der Unterlagen erklärt, man werde sich melden. Dies sei aber nicht erfolgt. Einen eventuellen Hinweis auf einen Termin am 10.02.2016 durch W habe er möglicherweise wegen seiner Schwerhörigkeit nicht vernehmen können. Er überspiele seine Hörschwäche geschickt, was aber mit einem Defizit an Kenntnisnahme einhergehe.

Der Kläger hat sich auf Nachfrage des SG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Das SG hat ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 29.11.2017 die Klage abgewiesen. Die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen einer zumutbaren Tätigkeit habe der Kläger verhindert, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Zur Überzeugung des SG habe er einen Vorstellungstermin für den 10.02.2016 von W zumindest mündlich genannt bekommen. Er sei aber zu diesem Termin nicht erschienen. Dies habe er zunächst auch gegenüber dem Arbeitsvermittler angegeben. Im Übrigen verhindere er, sobald er etwas nicht verstehe und dies in Kauf nehme, bewusst die Vertragsanbahnung. Seine Angaben im Laufe des Verfahrens seien widersprüchlich. Die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattungsforderungen seien daher rechtmäßig. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Das SG habe sich über die Angabe des Klägers, er habe keinen Vorstellungstermin für den 10.02.2016 erhalten, einfach hinweggesetzt und den Sachverhalt nicht aufgeklärt. Falls W einen Termin genannt habe, habe er dies möglicherweise wegen seiner Schwerhörigkeit nicht gehört. Das SG hätte W als Zeugen einvernehmen müssen. Auch seien die Ausführungen des Arbeitsvermittlers zu seiner Arbeitswilligkeit unrichtig.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder ein Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung sind für den Senat nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Der Kläger geht vielmehr von einem Verfahrensfehler, nämlich von der Verletzung der Amtsermittlungspflicht, durch das SG aus. Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) ist jedoch nicht verletzt. Das SG hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung - Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung stellen keinen Verfahrensmangel dar (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 144 Rn. 34a) - auf die von W im Laufe des Widerspruchsverfahrens gegenüber der Beklagten erteilten Auskunft gestützt und auch dargelegt, weshalb es den Angaben des Klägers nicht folgt. Das SG ist davon ausgegangen, dass W dem Kläger den Vorstellungstermin für den 10.02.2016 zumindest genannt habe, und es hat ausgeführt, dass die Inkaufnahme des Nichtverstehens ein bewusstes Vereiteln einer Vertragsanbahnung darstelle. Nachdem sich der Kläger auch mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatte, war ihm auch klar, dass keine weitere Beweisaufnahme durch das SG mehr erfolgen würde. Das SG hat damit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) entschieden. Die Auskunft des W im Rahmen des Widerspruchsverfahrens konnte es als Urkundenbeweis im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigen (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 103 Rn.11d).

Nach alledem war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
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published on 29/11/2017 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Der Kläger wendet sich gegen Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit mit der Folge des Ruhens des Arbeitsl
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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.