Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Feb. 2015 - 5 AZR 486/13

ECLI:ECLI:DE:BAG:2015:250215.U.5AZR486.13.0
bei uns veröffentlicht am25.02.2015

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2012 - 2 Sa 1114/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Tarifentgelterhöhungen, tarifliche Einmalzahlungen und einen Stufenaufstieg zum 1. Oktober 2008.

2

Der 1976 geborene Kläger ist seit dem 15. Juli 2002 bei der Beklagten, die nicht tarifgebunden und deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt M ist, als Techniker beschäftigt. Die Beklagte betreibt die Halle M und führt im Interesse der Stadt M und der Gemeinden des M Veranstaltungen aller Art - darunter auch Feste, Märkte, Ausstellungen und Messen - im eigenen und fremden Namen durch.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der Formulararbeitsvertrag vom 23. Januar 2003, der ua. regelt:

        

㤠2

        

Herr K erhält eine Vergütung nach Lohngruppe IV. Der Stundenlohn beträgt z.Z. 10,95 € - brutto -.

        

§ 3

        

Die vertragschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die H jeweils gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist.“

4

In einer Betriebsvereinbarung vom 8. Februar 2001 (im Folgenden BV) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Anwendung von Tarifverträgen

        

(1)     

Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000 sowie NGG in der Fassung vom 01.01.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt:

                 

A. Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich:

                 

…       

                 

b)    

Arbeiter BMT-G

                 

Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 8 (Vergütung), § 9 (Allgemeine Pflichten), § 10 (Ärztliche Untersuchung), § 11 (Nebenbeschäftigungen), § 11a (Personalakten), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 28 (Sicherung des Lohnstandes bei Leistungsminderung), § 29 (Lohnfortzahlung bei persönlicher Arbeitsverhinderung), § 32 (1) (hier nur Reisekostenvergütung), § 36 (Forderungsübergang bei Dritthaftung), § 39 (Sterbegeld), § 40 (Beihilfen), §§ 41 - 48 (Erholungsurlaub, Sonderurlaub), §§ 49 - 51 und §§ 53 - 57 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), §§ 58 - 60 (Übergangsgeld), § 63 (Ausschlußfrist) und § 67 (Begriffsbestimmungen des Bundesmantel-Tarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G)).

                 

…       

        

§ 3

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Für die Arbeitszeit der Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich gelten die §§ 15 bis 16 a BAT bzw. die §§ 14 und 15 BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000.“

5

Bis September 2005 vollzog die Beklagte die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst nach. Der Kläger erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 12,34 Euro brutto. Außerdem gewährte ihm die Beklagte eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 90 % des durchschnittlichen Entgelts der Monate Juli bis September. Nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum 1. Oktober 2005 ordnete die Beklagte den Kläger - bei einem von ihr gebildeten Vergleichsentgelt von 1.925,51 Euro brutto - der Entgeltgruppe 6/Stufe 3 TVöD mit einem Bruttomonatsentgelt von 2.060,00 Euro zu. Tatsächlich erhielt der Kläger im Streitzeitraum weiterhin einen Bruttostundenlohn von 12,34 Euro. Die nach der Tarifsukzession vereinbarten prozentualen Tariferhöhungen und Einmalzahlungen im öffentlichen Dienst der Kommunen gab die Beklagte nicht mehr weiter. Ebenso wenig vollzog sie einen Stufenaufstieg.

6

In einem Schreiben vom 21. Februar 2007 teilte die Geschäftsführerin der Beklagten den Beschäftigten mit:

        

„Betriebsvereinbarung

        

Sehr geehrte Damen und Herren,

        

anlässlich des Inkrafttretens des TVöD auf kommunaler Ebene sowie auf Bundesebene am 01.10.2005 sowie anlässlich des Inkrafttretens des Tarifvertrages der Länder in Nordrhein-Westfalen am 01.11.2006 hatte ich angestrebt, die zwischen H und dem Betriebsrat der H bestehende Betriebsvereinbarung vom 08.02.2001 in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu überarbeiten und auf die neuen tariflichen Bestimmungen anzupassen. In der Vorbereitung dieser Anpassungsmaßnahmen habe ich mich juristisch beraten lassen. Dabei wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die vor meiner Amtszeit mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam ist. …

        

Ich möchte daher ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die H GmbH sich an die Betriebsvereinbarung ab sofort nicht mehr gebunden sieht. Sie wird lediglich einstweilen, namentlich bis zur Bekanntgabe einer neuen Regelung, angewendet. Dies geschieht allerdings ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Bindungswirkung für die Zukunft und ausschließlich für die Übergangszeit bis zur Bekanntgabe dessen, was zukünftig für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gelten soll.

        

…“    

7

Daraufhin wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 10. März 2007 an die Belegschaft wie folgt:

        

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

        

wir nehmen Bezug auf das Schreiben von Frau Dr. P vom 21.02.2007. Darin geht die Geschäftsleitung davon aus, dass die am 08.02.2001 geschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass sich die H GmbH ab sofort nicht mehr an diese Vereinbarung gebunden sieht.

        

Wir als Betriebsrat der H haben in dieser Angelegenheit ebenfalls eine Rechtsauskunft eingeholt. Hier die wichtigsten Aussagen:

        

1.    

Unsere Betriebsvereinbarung vom 08.02.2001 ist weiterhin wirksam.

        

2.    

In unseren Arbeitsverträgen wird regelmäßig auf unsere Betriebsvereinbarung verwiesen. Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit bleiben die darin enthaltenen Regelungen rechtsverbindlicher Bestandteil unserer Arbeitsverträge.

        

…“    

        
8

Mit Schreiben vom 27. September 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erfolglos, die „Ergebnisse der Tarifeinigung“ vom 27. Februar 2010 auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

9

Mit der am 29. Dezember 2010 eingereichten Klage hat der Kläger zum 1. Oktober 2008 einen Stufenaufstieg nach Stufe 4 der Entgeltgruppe 6 TVöD, die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen in den Jahren 2008 bis 2010, die in den Jahren 2007 und 2009 zu leistenden tariflichen Einmalzahlungen sowie entsprechend höhere Jahressonderzahlungen verlangt. Er hat geltend gemacht, § 2 Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Inbezugnahme der Tarifentgelte, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasse. Ausschlussfristen habe er nicht einhalten müssen. Die BV sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Es sei zudem rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf eine Ausschlussfrist in einer von ihr selbst für unwirksam gehaltenen Betriebsvereinbarung berufe.

10

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.001,82 Euro brutto und weitere 360,29 Euro an steuerfreien Zuschlägen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 50,00 Euro seit dem 1. Januar 2008, aus weiteren 1.963,82 Euro seit dem 1. Januar 2009, aus weiteren 3.801,51 Euro seit dem 1. Januar 2010 und aus weiteren 5.546,78 Euro seit dem 1. Januar 2011 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Vergütungsabrede enthalte keine dynamische Inbezugnahme des TVöD. Zumindest sei ein entsprechendes Entgelt anteilig der Verlängerung der Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens von 38,5 auf 39 Stunden ab Juli 2008 zu kürzen. Zudem seien mögliche Ansprüche des Klägers nach § 63 BMT-G bzw. § 37 TVöD wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Die entsprechende Regelung der BV gölte trotz deren Unwirksamkeit individualrechtlich fort.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet.

14

I. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 23. Januar 2003 eine dynamische Vergütung vereinbart, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasst. Das ergibt die - ergänzende - Auslegung des § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag, wonach der Kläger eine Vergütung „nach Lohngruppe IV“ erhält. Bei dieser Klausel handelt es sich nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zB BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 17 mwN) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von der Revision nicht angegriffen wird, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB).

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme (vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 23 mwN). Hiervon ausgehend haben die Parteien mit § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag die Vergütung zeitlich dynamisch, orientiert an der in Bezug genommenen tariflichen Vergütungsgruppe gestaltet, denn an Hinweisen auf eine statische Bezugnahme fehlt es. Das bestätigt die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die unstreitig bis zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst die dortigen Tariferhöhungen weitergegeben hat.

16

Dass die Vergütungsabrede dynamisch zu verstehen ist, unterstreicht § 2 Satz 2 Arbeitsvertrag, wenn dort festgehalten ist, der Stundenlohn betrage „z.Z.“ 10,95 Euro brutto. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf die Formulierung „zurzeit“ redlicher Weise so verstehen, dass der als Stundenlohn festgehaltene Euro-Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend der in Bezug genommenen Lohngruppe entwickeln soll (vgl. BAG 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 17). Ein Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, den Zusatz „zurzeit“ unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass sich der festgehaltene Stundenlohn nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird.

17

2. Anders als in Parallelfällen von Angestellten, in denen in der Vergütungsabrede das Tarifwerk, nach dessen Vergütungsgruppen sich die Vergütung richten soll, benannt ist („BAT“), fehlt beim Kläger - und anderen als „Arbeiter“ bei der Beklagten Beschäftigten - eine solche ausdrückliche Benennung der in Bezug genommenen Vergütungsordnung. Dass es die des BMT-G ist, ergibt aber die Auslegung der Klausel. Die Beklagte kann im weitesten Sinne aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafterin und ihren Aufgaben dem kommunalen öffentlichen Dienst zugerechnet werden. Ihr durchschnittlicher Vertragspartner darf deshalb davon ausgehen, dass sich mit einer Klausel wie die dem Kläger gestellte die Vergütung nach der festgehaltenen Lohngruppe des im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Tarifwerks, also dem BMT-G, richten soll. Ein Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - ein anderes Bezugsobjekt in der Klausel benennen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er trotz seiner Nähe zum öffentlichen Dienst nicht die dort geltende Vergütungsordnung zur Anwendung bringen will. Die Anknüpfung der Vergütungsabrede an eine Lohngruppe des BMT-G bestätigt die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die unstreitig bis zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen die dortigen Tariferhöhungen weitergegeben und zudem den Kläger aus Anlass der Tarifsukzession in eine Entgeltgruppe des TVöD übergeleitet hat. Wegen des objektiven Maßstabs bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt es nicht darauf an, ob die Beklage bei der Klausel des § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag möglicherweise ein anderes Bezugsobjekt im Auge hatte.

18

3. Die Vergütung des Klägers richtet sich seit dem 1. Oktober 2005 nach dem TVöD und dem TVÜ-VKA. Das ergibt eine ergänzende Vertragsauslegung.

19

a) Der Wortlaut des § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag trägt eine Erstreckung auf den TVöD nicht. Dieser ist nicht identisch mit dem BMT-G. Ein Zusatz, dass auch die den „BMT-G ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, fehlt. § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag ist damit zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet(vgl. BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 15 f.).

20

b) Durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst ist jedoch nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist. Dazu ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 18 ff., seither st. Rspr.).

21

Dabei ergibt sich aus der dynamischen Ausgestaltung der Vergütungsregelung zum einen der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst auszurichten. Deshalb hätten die Parteien für den Fall einer Tarifsukzession das dem der Vergütungsabrede zugrunde liegende tarifliche Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk als Bezugsobjekt der Vergütung vereinbart, weil ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach.

22

Zum anderen haben sich die Parteien mit der dynamischen Ausgestaltung der Vergütung für die Zukunft insoweit der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf die Vergütungsabrede ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des in der Vergütungsabrede benannten oder ihr zugrunde liegenden Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BMT-G reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten.

23

c) Durch ergänzende Vertragsauslegung ist weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung des Klägers nach § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag maßgebend sein soll. Es ist zu fragen, welches Tarifwerk die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten. Dies ist der TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung, weil die Beklagte aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafterin und ihren Aufgaben am ehesten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dementsprechend hat die Beklagte, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden könnte, selbst eine Überleitung in die Entgeltgruppen des TVöD nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA) vorgenommen.

24

d) Die durch ergänzende Auslegung der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede zu ermittelnde Vergütung erfasst auch den weiteren Stufenaufstieg nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA iVm. § 16 TVöD.

25

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA werden Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des BMT-G entsprechend ihrer Beschäftigungszeit der Stufe der gemäß § 4 bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle des TVöD bereits seit Beginn ihrer Beschäftigungszeit gegolten hätte (sog. erstmalige Stufenzuordnung). Das ist - wie die Beklagte in ihrer Überleitung richtig ermittelt hat - bei der Beschäftigungszeit des Klägers zum Zeitpunkt der Tarifsukzession die Stufe 3 der Entgeltgruppe 6. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA bestimmt sodann, dass sich der weitere Stufenaufstieg nach den Regelungen des TVöD richtet. Gemäß § 16 Abs. 3 TVöD beträgt die Stufenlaufzeit in Stufe 3 drei Jahre, die in vollem Umfang nach dem 1. Oktober 2005 zurückgelegt werden müssen (BAG 13. August 2009 - 6 AZR 177/08 - Rn. 14 mwN). Danach hat der Kläger zum 1. Oktober 2008 die Stufe 4 der Entgeltgruppe 6 erreicht. Mit der Verankerung des weiteren Stufenaufstiegs im Überleitungsrecht umfasst die Vervollständigung des der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede zugrunde liegenden Regelungsplans auch die „Dynamik“ innerhalb der nach verschiedenen Stufen aufgebauten Entgeltgruppe.

26

e) Die zeitdynamische Verweisung umfasst außerdem tarifliche „Einmalzahlungen“, die an die Stelle einer prozentualen Erhöhung der Vergütung treten (BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 213/09 - Rn. 26 mwN). Bei der tariflichen Einmalzahlung für das Jahr 2007 handelt es sich nach § 21 Abs. 1 TVÜ-VKA aF um eine pauschalierte Vergütungserhöhung. Die Einmalzahlung 2009 ist eine zu der prozentualen Erhöhung tretende, mit dem Entgelt für Januar 2009 fällige (einmalige) Vergütung und keine von einem unmittelbaren Gegenleistungsbezug unabhängige Sonderzahlung. Sie setzt voraus, dass der Beschäftigte an mindestens einem Tag des Monats Januar 2009 Anspruch auf Entgelt hat, § 2 TV über die einmalige Sonderzahlung 2009 vom 31. März 2008.

27

4. Die Höhe der Differenzvergütung ist nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts in der Berufungsinstanz unstreitig geworden. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Kläger zur Berechnung der Differenzvergütung das tarifliche Tabellenentgelt, das ein monatliches ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 TVöD), entsprechend der Praxis der Beklagten in einen Stundenlohn umgerechnet und dabei - wiederum der Praxis der Beklagten folgend - bei einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden von 166,9 Monatsstunden ausgegangen ist, obwohl der TVöD eine Bestimmung über die Monatsarbeitszeit nicht enthält und der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts zur Ermittlung einer rechnerischen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst den Faktor 4,348 verwendet (vgl. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 621/12 - Rn. 27 mwN).

28

II. Die Vergütung des Klägers ist nicht wegen der zum 1. Juli 2008 erfolgten Verlängerung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst der Kommunen von 38,5 auf 39 Wochenstunden zu reduzieren. Denn die durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst entstandene nachträgliche Regelungslücke ist zu diesem Zeitpunkt zu schließen. Das danach ermittelte Entgelt mindert sich allein wegen der späteren Verlängerung der Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst nicht. Das hat der Senat in dem Parallelverfahren - 5 AZR 481/13 - entschieden. Auf die Begründung dieses Urteils (Rn. 24 ff.) wird verwiesen.

29

III. Die streitgegenständlichen Forderungen sind nicht verfallen. Der Kläger musste weder die Ausschlussfrist des § 37 TVöD noch die des § 63 BMT-G beachten. Auch insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils in dem Parallelverfahren - 5 AZR 481/13 - vom heutigen Tag verwiesen (Rn. 28 ff.).

30

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Zorn    

                 

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(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

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(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

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(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

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(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2012 - 2 Sa 1224/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Tarifentgelterhöhungen.

2

Der 1957 geborene Kläger ist seit dem 1. Januar 1988 bei der Beklagten, die nicht tarifgebunden und deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt M ist, als kaufmännischer Mitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte betreibt die Halle M und führt im Interesse der Stadt M und der Gemeinden des M Veranstaltungen aller Art - darunter auch Feste, Märkte, Ausstellungen und Messen - im eigenen und fremden Namen durch.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Formulararbeitsvertrag vom 9. Dezember 1987, der ua. regelt:

        

㤠3

        

Herr L erhält eine Vergütung nach BAT IV a.

        

§ 4

        

Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, daß sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die H gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist.“

4

In einer Betriebsvereinbarung vom 8. Februar 2001 (im Folgenden BV) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Anwendung von Tarifverträgen

        
        

(1)     

Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000 sowie NGG in der Fassung vom 01.01.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt:

        
                 

A. Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich:

        
                 

a)    

Angestellte (BAT)

        
                 

Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 7 (Ärztliche Untersuchung), § 8 (Allgemeine Pflichten), § 9 (Schweigepflicht), § 10 (Belohnungen und Geschenke), § 11 (Nebentätigkeit), § 13 (Personalakten), § 14 (Haftung), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 37 (Krankenbezüge), § 38 (Forderungsübergang bei Dritthaftung), § 40 (Beihilfen), § 41 (Sterbegeld), § 42 (Reisekostenvergütung), §§ 47 - 52 (Urlaub, Sonderurlaub, Arbeitsbefreiung), §§ 53 - 61 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), (§ 53 Abs. 3 findet keine Anwendung), §§ 62 - 64 (Übergangsgeld) und § 70 (Ausschlußfristen des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT)).

        
                 

…       

                 
        

§ 3

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Für die Arbeitszeit der Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich gelten die §§ 15 bis 16 a BAT bzw. die §§ 14 und 15 BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000.“

5

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis September 2005 Vergütung nach VergGr. IVa BAT bzw. - nach Bewährungsaufstieg - nach VergGr. III BAT. Dabei vollzog sie die Steigerung der Vergütung nach Lebensaltersstufen und die Tariferhöhungen nach, den Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT allerdings zwei Monate später als tariflich vorgesehen. Außerdem erhält der Kläger eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 80 % des durchschnittlichen Entgelts der Monate Juli bis September. Nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum 1. Oktober 2005 ordnete die Beklagte den Kläger der Entgeltgruppe 11/Stufe 6 TVöD zu. Er erhält seither - unter Einreihung in eine dem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe (§ 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-VKA) - ein Bruttomonatsgehalt von 3.961,66 Euro. Die nach der Tarifsukzession vereinbarten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen gab die Beklagte nicht mehr weiter.

6

In einem Schreiben vom 21. Februar 2007 teilte die Geschäftsführerin der Beklagten den Beschäftigten mit:

        

„Betriebsvereinbarung

        

Sehr geehrte Damen und Herren,

        

anlässlich des Inkrafttretens des TVöD auf kommunaler Ebene sowie auf Bundesebene am 01.10.2005 sowie anlässlich des Inkrafttretens des Tarifvertrages der Länder in Nordrhein-Westfalen am 01.11.2006 hatte ich angestrebt, die zwischen H und dem Betriebsrat der H bestehende Betriebsvereinbarung vom 08.02.2001 in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu überarbeiten und auf die neuen tariflichen Bestimmungen anzupassen. In der Vorbereitung dieser Anpassungsmaßnahmen habe ich mich juristisch beraten lassen. Dabei wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die vor meiner Amtszeit mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam ist. …

        

Ich möchte daher ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die H GmbH sich an die Betriebsvereinbarung ab sofort nicht mehr gebunden sieht. Sie wird lediglich einstweilen, namentlich bis zur Bekanntgabe einer neuen Regelung, angewendet. Dies geschieht allerdings ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Bindungswirkung für die Zukunft und ausschließlich für die Übergangszeit bis zur Bekanntgabe dessen, was zukünftig für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gelten soll.

        

…“    

7

Daraufhin wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 10. März 2007 an die Belegschaft wie folgt:

        

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

        

wir nehmen Bezug auf das Schreiben von Frau Dr. P vom 21.02.2007. Darin geht die Geschäftsleitung davon aus, dass die am 08.02.2001 geschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass sich die H GmbH ab sofort nicht mehr an diese Vereinbarung gebunden sieht.

        

Wir als Betriebsrat der H haben in dieser Angelegenheit ebenfalls eine Rechtsauskunft eingeholt. Hier die wichtigsten Aussagen:

        

1.    

Unsere Betriebsvereinbarung vom 08.02.2001 ist weiterhin wirksam.

        

2.    

In unseren Arbeitsverträgen wird regelmäßig auf unsere Betriebsvereinbarung verwiesen. Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit bleiben die darin enthaltenen Regelungen rechtsverbindlicher Bestandteil unserer Arbeitsverträge.

        

…“    

        
8

Mit Schreiben vom 27. September 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erfolglos, die „Ergebnisse der Tarifeinigung“ vom 27. Februar 2010 auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

9

Mit der am 29. Dezember 2010 eingereichten Klage hat der Kläger die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen in den Jahren 2008 bis 2010 sowie entsprechend erhöhte Jahressonderzahlungen verlangt. Er hat geltend gemacht, § 3 Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Inbezugnahme der Tarifentgelte, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasse. Ausschlussfristen habe er nicht einhalten müssen. Die BV sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Es sei zudem rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf eine Ausschlussfrist in einer von ihr selbst für unwirksam gehaltenen Betriebsvereinbarung berufe.

10

Der Kläger hat zuletzt - nach Teilklagerücknahme im Übrigen - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.123,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.195,84 Euro seit dem 1. Januar 2009, aus weiteren 3.644,67 Euro seit dem 1. Januar 2010 und aus weiteren 4.282,53 Euro seit dem 1. Januar 2011 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Vergütungsabrede enthalte keine dynamische Inbezugnahme des TVöD. Zumindest sei ein entsprechendes Entgelt anteilig der Erhöhung der Wochenarbeitszeit im kommunalen öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens von 38,5 auf 39 Stunden ab Juli 2008 zu kürzen. Zudem seien mögliche Ansprüche des Klägers nach § 70 BAT bzw. § 37 TVöD wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Die entsprechende Regelung der BV gölte trotz deren Unwirksamkeit individualrechtlich fort.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet.

14

I. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 9. Dezember 1987 eine dynamische Vergütung vereinbart, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasst. Das ergibt die - ergänzende - Auslegung des § 3 Arbeitsvertrag, wonach der Kläger eine Vergütung „nach BAT IV a“ erhält.

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme (vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 23 mwN). Hiervon ausgehend haben die Parteien mit § 3 Arbeitsvertrag die Vergütung zeitlich dynamisch, orientiert an der in Bezug genommenen tariflichen Vergütungsgruppe gestaltet, denn an Hinweisen auf eine statische Bezugnahme fehlt es. Das bestätigt die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die unstreitig bis zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst die dortigen Tariferhöhungen weitergegeben und sogar tarifliche (Alters-)Stufen- und Bewährungsaufstiege nachvollzogen hat.

16

2. Die Vergütung des Klägers richtet sich seit dem 1. Oktober 2005 nach dem TVöD und dem TVÜ-VKA. Das ergibt eine ergänzende Vertragsauslegung.

17

a) Der Wortlaut des § 3 Arbeitsvertrag trägt eine Erstreckung auf den TVöD nicht. Dieser ist nicht identisch mit dem BAT. Ein Zusatz, dass auch die den „BAT ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, fehlt. § 3 Arbeitsvertrag ist damit zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet(vgl. BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 15 f.).

18

b) Durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst ist jedoch nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist. Da es sich bei § 3 Arbeitsvertrag nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. zB BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 17 mwN) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von der Revision nicht angegriffen wird, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt, ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 18 ff., seither st. Rspr.).

19

Dabei ergibt sich aus der dynamischen Ausgestaltung der Vergütungsregelung zum einen der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst auszurichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall einer Tarifsukzession das dem in der Vergütungsabrede benannten tariflichen Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk als Bezugsobjekt der Vergütung vereinbart, weil ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach.

20

Zum anderen haben sich die Parteien mit der dynamischen Ausgestaltung der Vergütung für die Zukunft insoweit der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf die Vergütungsabrede ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des in der Vergütungsabrede benannten Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten.

21

c) Wegen der Aufspaltung der bis zum 30. September 2005 gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund, Ländern und Kommunen ist durch ergänzende Vertragsauslegung weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung des Klägers nach § 3 Arbeitsvertrag maßgebend sein soll. Es ist zu fragen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten. Dies ist der TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung, weil die Beklagte aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafterin und ihren Aufgaben am ehesten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dementsprechend hat die Beklagte, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden könnte, selbst eine Überleitung in die Entgeltgruppen des TVöD nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA) vorgenommen.

22

3. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger Anspruch auf die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen der Jahre 2008 bis 2010. Ebenso ist die von der Beklagten gewährte jährliche Sonderzahlung, die sich am durchschnittlichen Entgelt der Monate Juli bis September orientiert, entsprechend zu berechnen. Dabei ist die Höhe der geltend gemachten Differenzvergütung nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts in der Berufungsinstanz unstreitig geworden.

23

II. Die Vergütung des Klägers ist nicht wegen der zum 1. Juli 2008 erfolgten Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst der Kommunen von 38,5 auf 39 Wochenstunden zu reduzieren.

24

1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich eine rechnerische Korrektur zum Tabellenentgelt dadurch ergeben, dass sich vertragliche Sonderregelungen, die vor der Tarifsukzession vereinbart wurden, auf die Bestimmung des Vergleichsentgelts zum 1. Oktober 2005 auswirken (BAG 17. November 2011 - 5 AZR 409/10 - Rn. 22). Darum geht es aber im Streitfall nicht. Vielmehr zielt der Einwand der Beklagten darauf ab, das Ergebnis der zum Zeitpunkt der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vorzunehmenden ergänzenden Auslegung der Vergütungsabrede nachträglich wegen einer erst nach der Tarifsukzession erfolgten Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst der Kommunen zu korrigieren. Dafür fehlt die Rechtsgrundlage.

25

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag weder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit getroffen noch die im öffentlichen Dienst geltende Arbeitszeit dynamisch in Bezug genommen. Es ist deshalb anzunehmen, dass sie - nachdem Anhaltspunkte dafür fehlen, es sei eine der Arbeitszeit enthobene Arbeitspflicht gewollt gewesen - die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbarten. Dies entspricht dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 18 ff.). Die betriebsübliche Arbeitszeit betrug vor, bei und nach der Tarifsukzession 38,5 Wochenstunden, die die Beklagte auch unstreitig ihren Dienstplänen zugrunde legte. Insoweit hielt die Beklagte im Streitzeitraum - unbeschadet der möglichen Unwirksamkeit - an § 3 Abs. 1 BV mit seiner statischen Bezugnahme auf die am 1. August 2000 im öffentlichen Dienst der Kommunen geltenden durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BAT, § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G) fest. Der Kläger hat deshalb weiterhin Anspruch auf die Vergütung einer Vollzeitkraft (vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 45). Im Übrigen betrug zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Tarifsukzession auch für Vollzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Tarifgebiet West unverändert 38,5 Wochenstunden, § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD aF. Erst mit § 4 Nr. 4 des Änderungs-TV Nr. 2 vom 31. März 2008 wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2008 die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Bereich der VKA allgemein auf 39 Wochenstunden erhöht (vgl. zur Entstehungsgeschichte Sponer/Steinherr Stand Februar 2015 § 6 TVöD Vorbem. 1).

26

2. Von der für den Zeitpunkt der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vorzunehmenden ergänzenden Auslegung der Vergütungsklausel zu trennen ist die Frage, ob die Beklagte berechtigt (gewesen) wäre, die Arbeitszeitverlängerung im Bereich des öffentlichen Dienstes der Kommunen nachzuvollziehen. Das braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn unstreitig hat die Beklagte es im gesamten Streitzeitraum nicht unternommen, die betriebsübliche Arbeitszeit auf 39 Wochenstunden zu verlängern. Solches erfolgte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht über § 3 Arbeitsvertrag. Diese Klausel bezieht sich nur auf die Vergütung, kann aber nicht andere Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes zur Anwendung bringen. Denn die Beklagte als Klauselstellerin wollte gerade keine allgemeine Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, sondern deren - partielle - Anwendung durch Betriebsvereinbarung regeln. Diese - ihre Wirksamkeit unterstellt - enthält lediglich eine statische Bezugnahme auf die Arbeitszeitbestimmungen des BAT und des BMT-G in der am 1. August 2000 geltenden Fassung, nicht jedoch auf solche des TVöD. Weil arbeitsvertraglich die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbart ist, kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung zur Dauer der Arbeitszeit nicht in Betracht. Es fehlt an einer Regelungslücke.

27

III. Die streitgegenständlichen Forderungen sind nicht verfallen. Der Kläger musste weder die Ausschlussfrist des § 37 TVöD noch die des § 70 BAT beachten.

28

1. § 37 TVöD findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Denn es besteht weder eine beiderseitige Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG), noch ist die tarifliche Ausschlussfristenregelung arbeitsvertraglich vereinbart oder in Bezug genommen. Auch über § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ist § 37 TVöD nicht anwendbar. § 2 Abs. 1 BV nimmt lediglich statisch auf § 70 BAT in der am 1. August 2008 geltenden Fassung Bezug und kann sich deshalb nicht auf § 37 TVöD erstrecken. Zudem wäre eine dynamische Bezugnahme auf tarifliche Regelungen in einer Betriebsvereinbarung unwirksam (BAG 23. Juni 1992 - 1 ABR 9/92 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 70, 356; 28. März 2007 - 10 AZR 719/05 - Rn. 34 f.; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 24; Richardi in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 77 Rn. 35 - jeweils mwN).

29

2. Der Kläger war nicht gehalten, die Ausschlussfrist des § 70 BAT in der am 1. August 2000 geltenden Fassung zu beachten.

30

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger gegenüber der ihn belastenden Regelung einer Ausschlussfrist durch Betriebsvereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip auf das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung berufen könnte (zum Günstigkeitsprinzip als Kollisionsregel: vgl. BAG 14. Januar 2014 - 1 ABR 57/12 - Rn. 21 mwN; Linsenmaier RdA 2014, 336, 338) oder sich der Arbeitsvertrag der Parteien über die Klausel des § 4 als betriebsvereinbarungsoffen erweist mit der Folge, dass er hinsichtlich der Geltung von Ausschlussfristen der Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich ist(vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60). Denn jedenfalls ist § 2 Abs. 1 BV, soweit er § 70 BAT in der am 1. August 2000 geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung bringen will, unwirksam, § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

31

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien grundsätzlich eine umfassende Kompetenz zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen. Sie können durch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 23 mwN; Linsenmaier RdA 2014, 336, 337). Dazu gehören auch Regelungen über Ausschlussfristen (BAG 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - zu II 2 der Gründe, BAGE 67, 377), die die Betriebsparteien nicht selbst formulieren oder aus einem Tarifvertrag abschreiben müssen. Sie verzichten nicht auf ihr Recht und ihre Pflicht, die Arbeitsbedingungen inhaltlich zu gestalten, wenn sie statisch auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisen und damit dessen Regelung gleichsam als eigene übernehmen (BAG 23. Juni 1992 - 1 ABR 9/92 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 70, 356).

32

Die Regelungskompetenz der Betriebsparteien ist jedoch begrenzt durch § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der der Sicherung und Stärkung der Tarifautonomie dient(allgA, vgl. nur Linsenmaier RdA 2014, 336, 337 mwN). Materielle und formelle Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können - sofern es sich nicht um Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 BetrVG handelt - nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dabei hängt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ab(hM, vgl. nur BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 78; WPK/Preis BetrVG 4. Aufl. § 77 Rn. 66 f. - jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Es reicht aus, dass der fragliche Betrieb der betreffenden Branche angehört.

33

c) Nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts könnte die Beklagte aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden. Deshalb ist anzunehmen, dass der Betrieb der Beklagten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dort sind seit Jahrzehnten Ausschlussfristen tariflich geregelt, für Angestellte zunächst in § 70 BAT, nach der Tarifsukzession in § 37 TVöD. § 2 Abs. 1 BV verstößt deshalb zumindest hinsichtlich der Ausschlussfristenregelung gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist unwirksam. Davon geht auch die Revision aus.

34

3. Die Geltung der Ausschlussfristenregelung des § 70 BAT in der Fassung vom 1. August 2008 lässt sich weder über eine Umdeutung der - zumindest insoweit - unwirksamen Betriebsvereinbarung begründen noch aus § 4 Arbeitsvertrag herleiten.

35

a) Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt nach § 140 BGB das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Weil eine Betriebsvereinbarung ihrer Rechtsnatur nach ein privatrechtlicher kollektiver Normenvertrag ist (vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 37, BAGE 121, 168; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 13; WPK/Preis BetrVG 4. Aufl. § 77 Rn. 7 - jeweils mwN), wird eine Umdeutung der rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitgebers, der sich in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung zu einer Leistung an die Arbeitnehmer verpflichtet hat, in Betracht gezogen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die darin vorgesehenen Leistungen zu gewähren (BAG 23. August 1989 - 5 AZR 391/88 - zu II 2 der Gründe; 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 103, 187; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 104 ff. - jeweils mwN). Im Streitfall geht es aber nicht um eine durch Betriebsvereinbarung begründete Leistung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, sondern um eine „Ersetzung“ der - gescheiterten - normativen Verpflichtung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) der Arbeitnehmer, für die Verhinderung des Untergangs von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfristenregelung zu beachten. Für eine individualrechtliche Verpflichtung der nicht als Vertragspartner an einer Betriebsvereinbarung beteiligten Arbeitnehmer fehlt aber den Betriebsparteien die Kompetenz.

36

b) Ob § 4 Arbeitsvertrag nur wiederholt, was sich normativ aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ergibt, oder als Allgemeine Geschäftsbedingung die in Bezug genommenen Betriebsvereinbarungen im Sinne einer eigenständigen Regelung arbeitsvertraglich vereinbart werden, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn nach der Klausel sollen Grundlage des Arbeitsvertrags ausdrücklich nur die „gültigen“ Betriebsvereinbarungen sein, nicht jedoch die unwirksamen. Damit fehlt es an einer auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Ausschlussfristenregelung. Die Vereinbarung einer tariflichen Vergütung kann ohne (allgemeine) Bezugnahmeklausel eine tarifliche Ausschlussfristenregelung nicht zur Anwendung bringen.

37

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Zorn    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)