Bundesarbeitsgericht Beschluss, 19. Mai 2010 - 2 AZN 281/10 (A)
Gericht
Tenor
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Dem Kläger wird ein Notanwalt zur Fortführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Februar 2010 - 6 (5) Sa 224/09 - beigeordnet.
Gründe
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Der Antrag ist begründet.
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I. Die Beiordnung eines Notanwalts für die Einlegung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde kann nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. §§ 555, 78b ZPO erfolgen, wenn die Partei nachweist, keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden zu haben, und ein Zulassungsgrund iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG in Betracht kommt. Die Rechtsverfolgung - hier also die Fortführung des Beschwerdeverfahrens - darf weder mutwillig noch aussichtslos erscheinen (BAG 28. Dezember 2007 - 9 AS 5/07 - Rn. 2, BAGE 125, 230).
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II. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen liegen vor.
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1. Der Kläger hat nachgewiesen, dass er trotz mehrerer Anfragen keinen zur Vertretung bereiten Anwalt gefunden hat.
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht aussichtslos. Es ist denkbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) vorliegt.
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a) Ein Zulassungsgrund ist allerdings nicht erkennbar, soweit das Landesarbeitsgericht die Annahme eines Restitutionsgrundes nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO abgelehnt hat. Das anzufechtende Urteil wirft weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) noch weicht es von einer Entscheidung eines divergenzfähigen Spruchkörpers iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab, noch verletzt es den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs(§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG). Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im Einklang mit dem Wortlaut von § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO und der ständigen Rechtsprechung angenommen, dass die Urkunde im Sinne dieser Vorschrift zu einem Zeitpunkt errichtet worden sein muss, in dem sie von der Partei im vorausgegangenen Verfahren noch hätte benutzt werden können. Im Streitfall ist das mit der Restitutionsklage angegriffene Urteil am 19. Januar 2005 verkündet worden. Die Urkunden, auf die sich der Kläger stützt, sind Strafurteile des Amtsgerichts vom 11. Januar 2008 und des Landgerichts vom 3. April 2009. Sie sind also deutlich nach der letzten mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit ergangen, aufgrund dessen die angegriffene Entscheidung im Kündigungsschutzprozess erging. Richtig ist zwar, dass der Bundesgerichtshof ausnahmsweise auch später errichtete Urkunden als solche iSd. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO anerkennt. Diese Ausnahmen gelten jedoch ausschließlich für Personenstandsurkunden (BGH 6. Juli 1979 - I ZR 135/77 - zu III der Gründe, NJW 1980, 1000; vgl. MünchKommZPO/Braun 3. Aufl., § 580 Rn. 49). Für Strafurteile ist eine Ausnahme nicht erörtert worden.
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b) Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG(Divergenz) kann jedoch vorliegen. Das Landesarbeitsgericht hat im anzufechtenden Urteil ausgeführt, ein Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO scheide aus, weil das angegriffene Urteil(also das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kündigungsschutzprozess vom 19. Januar 2005) nicht durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden sei. Dem liegt der Rechtssatz zugrunde, eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 6 ZPO könne nur dann Erfolg haben, wenn das mit der Restitutionsklage angegriffene Urteil durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden sei. Dieser Rechtssatz widerspricht nicht nur dem eindeutigen Wortlaut des § 580 Nr. 6 ZPO, sondern auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach nicht das mit der Restitutionsklage angegriffene Urteil, sondern ein Urteil, auf das das angegriffene Urteil lediglich gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden sein muss(vgl. etwa Senat 17. Juni 1998 - 2 AZR 519/97 - zu II 1 der Gründe; BAG 25. November 1980 - 6 AZR 210/80 - zu II 2 der Gründe, BAGE 34, 275). Ob die danach bestehende Divergenz letztlich auch entscheidungserheblich war, mag dahinstehen. Die Bestellung eines Notanwalts hat nicht erst dann zu erfolgen, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung schon sicher ist. Den Gerichten ist es verwehrt, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen (vgl. BVerfG 27. Dezember 2002 - 1 BvR 1710/02 - zu II 2 b der Gründe; 17. März 1988 - 2 BvR 233/84 - zu C 2 der Gründe, BVerfGE 78, 88). Eine Entscheidungserheblichkeit der Divergenz und damit ein Erfolg des Klägers im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls nicht von vornherein offenbar ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall ist das mit der Restitutionsklage angegriffene Urteil zwar nicht auf ein später rechtskräftig aufgehobenes Urteil gestützt. Indes macht der Kläger zu Recht geltend, dass als „Urteil eines ordentlichen Gerichts…“ iSd. § 580 Nr. 6 ZPO auch andere formelle Entscheidungen wie zB Verwaltungsakte - etwa die Zustimmung des Integrationsamts zum Ausspruch der Kündigung gegenüber einem Schwerbehinderten(vgl. Senat 17. Juni 1998 - 2 AZR 519/97 - zu II 1 der Gründe; BAG 25. November 1980 - 6 AZR 210/80 - zu II 2 der Gründe, aaO; weitere Fälle nennt MünchKommZPO/Braun 3. Aufl., § 580 Rn. 36) - angesehen werden. Ob auch das Nichtbetreiben oder die Einstellung eines Strafverfahrens - oder die irrtümliche Annahme eines solchen Sachverhalts durch das Gericht - als „Urteil“ iSd. § 580 Nr. 6 ZPO anzusehen ist, wie der Kläger geltend macht, sowie etwa sich stellende weitere Fragen mögen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde oder im Rahmen einer etwa zugelassenen Revision geklärt werden.
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III. Nach § 78c Abs. 1 ZPO kommt es nunmehr dem Senatsvorsitzenden zu, einen Rechtsanwalt auszuwählen.
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Kreft
Berger
Schmitz-Scholemann
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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
(1) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben, die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.
(2) Die Vorschriften der §§ 348 bis 350 sind nicht anzuwenden.
(3) Ein Anerkenntnisurteil ergeht nur auf gesonderten Antrag des Klägers.
(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
Die Restitutionsklage findet statt:
- 1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; - 2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; - 3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; - 4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; - 5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; - 6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; - 7.
wenn die Partei - a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder - b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
- 8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.
(1) Der nach § 78b beizuordnende Rechtsanwalt wird durch den Vorsitzenden des Gerichts aus der Zahl der in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwälte ausgewählt.
(2) Der beigeordnete Rechtsanwalt kann die Übernahme der Vertretung davon abhängig machen, dass die Partei ihm einen Vorschuss zahlt, der nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bemessen ist.
(3) Gegen eine Verfügung, die nach Absatz 1 getroffen wird, steht der Partei und dem Rechtsanwalt die sofortige Beschwerde zu. Dem Rechtsanwalt steht die sofortige Beschwerde auch zu, wenn der Vorsitzende des Gerichts den Antrag, die Beiordnung aufzuheben (§ 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung), ablehnt.