Amtsgericht Wipperfürth Urteil, 25. Sept. 2014 - 9 C 379/13

Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Entscheidungsgründe:
2Die zulässige Klage ist nicht begründet.
3Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen der verweigerten Trainingstherapie zu.
4Ein Anspruch des Klägers folgt insbesondere nicht aus § 21 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Der dritte Abschnitt des AGG, welcher Ansprüche bei Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr regelt, findet vorliegend in sachlicher Hinsicht keine Anwendung.
5Gemäß § 19 Abs. 1 AGG ist eine Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig, wenn es sich bei dem Schuldverhältnis um ein Massengeschäft oder massengeschäftsähnliches Rechtsgeschäft handelt. Ein solches Massengeschäft, welches gemäß der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AGG typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt, ist vorliegend nicht gegeben.
6Ein therapeutischer Behandlungsvertrag, wie er vorliegend begehrt wurde, kommt nicht typischerweise ohne Ansehen der Person zustande. "Ohne Ansehen der Person" kommt ein Schuldverhältnis zustande, wenn es aus objektiver Sicht nur auf Beschaffungsgrenzen und Zahlungsfähigkeit ankommt (vgl. amtl. Begr., BT-Drucks. 16/1780, 41; Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, AGG § 19, Rn. 17). Eine therapeutische Behandlung wird gerade nicht mit jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person abgeschlossen. Die trainingstherapeutische Behandlung eines Menschen erfolgt vielmehr regelmäßig u.a. unter Beachtung der körperlichen Verfassung des Patienten, da nur so das Training auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse abgestimmt werden kann. Nur unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen und bestehenden Erkrankungen kann entschieden werden, ob und - wenn ja – wie der Patient therapiert werden kann. Der therapeutische Behandlungsvertrag unterscheidet sich damit entscheidend von standardisierten Dienstleistungen und anderen Vertragstypen, die regelmäßig als Massengeschäft oder massengeschäftsähnliches Rechtsgeschäft eingestuft werden (wie etwa Verträge über die Nutzung von Freizeiteinrichtungen oder Verträge im Bereich der Konsumgüterwirtschaft).
7Mangels „vergleichbarer Bedingungen“ im Sinne des § 19 Abs. 1 AGG scheidet vorliegend auch die Annahme eines massengeschäftlichen Rechtsgeschäfts aus. Therapeutische Behandlungsverträge werden nicht unter vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen, denn die Leistungspflichten des Therapeuten variieren erheblich von Patient zu Patient. Reichen bei einem Patienten etwa Massagen zur Behandlug aus, ist bei einem anderen die Erstellung von Trainingsplänen zur fachgerechten Therapie erforderlich. Von vergleichbaren Bedingungen kann man aber nur sprechen, wenn die Leistungspflichten ausnahmsweise leicht variieren (vgl. Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, AGG § 19, Rn. 33).
8Da ein Massengeschäft oder massengeschäftsähnliches Rechtsgeschäft nicht vorliegt, kann der Kläger auch keine Ansprüche aus § 21 Abs. 2 AGG auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz wegen Verletzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots verlangen. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich mit der Folge, dass die Klage abzuweisen war.
9Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
10Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
11Streitwert: 594,14 EUR

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Annotations
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
- 1.
typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder - 2.
eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 unzulässig.
(3) Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.
(4) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse.
(5) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnissen kann dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen. Die Vermietung von Wohnraum zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch ist in der Regel kein Geschäft im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1, wenn der Vermieter insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet.
(1) Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
(2) Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
(3) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt.
(4) Auf eine Vereinbarung, die von dem Benachteiligungsverbot abweicht, kann sich der Benachteiligende nicht berufen.
(5) Ein Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.