Amtsgericht Unna Beschluss, 24. Jan. 2014 - 7 XVII 339/11
Gericht
Tenor
Wird die für die Betroffene geführte Betreuung aufrechterhalten mit folgender Maßgabe:
Der Aufgabenkreis des Betreuers X wird erweitert und umfasst: Vermögensangelegenheiten und Vertretung vor Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern und Widerruf der durch den Notar X am19.07.2004 beurkundeten Vorsorgevollmacht betreffend die Aufgabenkreise "Vermögensangelegenheiten und Vertretung vor Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern".
Die Betreuung durch X wird aufgehoben.
Das Gericht wird spätestens bis zum 23.01.2017 erneut prüfen, ob die Hilfe durch Betreuung weiter erforderlich ist.
1
Gründe:
2Nach der Stellungnahme des Sachverständigen Herrn Dr. X vom 16.10.2013 leidet X an einer hirnorganischen Veränderung bei Zustand nach Hirninfarkt. Desweiteren leidet sie an einer Demenz mit der Folge mnestischen Einschränkungen und mangelnder Kritik- und Urteilsfähigkeit.
3Danach und nach dem Ergebnis der Anhörung ist X auch künftig gehindert, in den oben genannten Bereichen eigene Angelegenheiten interessengerecht zu regeln und benötigt deshalb weiterhin Hilfe durch Betreuung.
4Gemäß § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ist eine Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
5Allerdings folgt dies nicht bereits daraus, dass die notariell beurkundete Vorsorgevollmacht vom 19.07.2004 bereits widerrufen wurde. Ein wirksamer Widerruf seitens der Betroffenen kann nicht festgestellt werden.
6Soweit der zuvor als Betreuer eingesetzte X mit am 18. April 2011 eingegangenem Schriftsatz (BI. 65 d. A.) mitgeteilt hat, dass die Betroffene die Vollmacht etwa im März oder April 2010 X entzogen habe, kann diesseits nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die Betroffene zu diesem Zeitpunkt noch über die für einen Widerruf einer Vollmacht erforderliche Geschäftsfähigkeit verfügte. Die Betreuungsbehörde berichtet bereits betreffend eines Gesprächs mit der Betroffenen am 08.07.2010 von deutlichen Einschränkungen der Orientierung der Betroffenen. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie bereits das aktuelle Datum nicht benennen; auch biografische Daten wurden nach diesem Bericht nicht erinnert oder nur vage.
7Sofern der seinerseits eingesetzte Betreuer X mit Schreiben vom 20.02.2012 (BI. 112 d. A.) bzw. 01.03.2012 (BI. 123 d. A.) gegenüber X den Widerruf der Vollmacht erklärte, so ist dies unwirksam, weil diesem die Befugnis zum Widerruf der Vollmacht fehlte.
8Ein Betreuer ist nur dann zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht befugt, wenn ihm sämtliche Angelegenheiten des Betroffenen oder wenigstens auch der Aufgabenkreis Geltendmachung von Rechten des Beteuten gegenüber dem Betreuer oder Widerruf der Vollmacht übertragen worden ist (KG, FGPrax 2009, 108; KG, FamRZ 2007, 1041 m.w.N.).
9Eine entsprechende Aufgabenübertragung auf X war seinerzeit nicht erfolgt.
10Dennoch ist in den im Tenor aufgeführten Aufgabenbereichen eine gesetzliche Betreuung einzurichten, da betreffend dieser Bereiche X - der durch die notariell beurkundete Vorsorgevollmacht vom 19.07.2004 Bevollmächtigte - ungeeignet ist, um die Interessen der Betroffenen insoweit ebenso gut wie ein Betreuer zu regeln.
11Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen (BGH, NJW-RR 2012, 772 m.w.N.).
12Vorliegend wäre das Wohl der Betroffenen gefährdet, wenn der X die Betroffene auch in den im Tenor aufgeführten Aufgabenkreisen vertreten würde. Die Betroffene ist aufgrund ihrer körperlichen Situation gezwungen, in einer Heimeinrichtung zu leben. Ein Teil der Heimkosten wird nicht durch das Einkommen der Betroffenen gedeckt. Einziges Vermögen der Betroffenen ist der Besitz eines Hausgrundstücks, an welchem X ein aufschiebend mit dem Tod der Betroffenen bedingtes Nießbrauchsrecht zusteht. Die Umstände, die zu dieser Niesbrauchsbestellung geführt haben, sind weiterhin ungeklärt. Es ist vor diesem Hintergrund weiterhin zu prüfen, ob Ansprüche der Betroffenen gegen X auf Löschung dieses Nießbrauchsrechts bestehen und ob diese geltend zu machen sind. Darüber hinaus ist aufgrund des Umstandes der teilweise ungedeckten Heimkosten ein Hausverkauf oder aber die Renovierung und sodann Vermietung des Hauses zu prüfen.
13Aufgrund des ihm zustehenden aufschiebend bedingten Nießbrauchsrechtes hat X ein eigenes Interesse daran, dass der Grundbesitz im Eigentum der Betroffenen verbleibt. Er kann daher die oben aufgeführten Prüfungen nicht ohne eine erhebliche Interessenkollision vornehmen.
14Die dem Berufsbetreuer X übertragenen Aufgabenkreise
15stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorgenannten Problematik und waren ihm daher zu übertragen.
16Zur Klarstellung auch gegenüber Dritten ist X auch der Aufgabenkreis "Widerruf der durch den Notar X am 19.07.2004 beurkundeten Vorsorgevollmacht in Bezug auf die Aufgabenkreise Vermögensangelegenheiten und Vertretung vor Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern" zu übertragen.
17Wenn der Widerruf der Vollmacht nur betreffend dieser Bereiche ausgesprochen wird, führt dies auch nicht zu Unklarheiten. Der Betreuer hat dann die Möglichkeit gemäß § 175 BGB ‚Vorlage der notariellen Vollmachtsurkunde im Original von X zu verlangen; um das teilweise Erlöschen der Vollmacht zu vermerken (Jürgens, Betreuungsrechts, 4. Aufl. 2010, § 175, Rdnr 2).
18Vorstehende Regelung widerspricht auch nicht dem Willen der Betroffenen. Diese hat in der gerichtlichen Anhörung vom 08. November 2013 u. a: erklärt, dass die Weiterführung der Befreiung durch X in seinen Aufgabenbereichen für sie in Ordnung sei.
19Die Frist zur erneuten Überprüfung ist auf diese Dauer festgesetzt, weil nach den Umständen und der Art der Behinderung eine wesentliche Änderung der Betreuungsbedürftigkeit vor Ablauf dieser Frist mit Sicherheit nicht zu erwarten ist.
20Rechtsmittelbelehrung:
21Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einem Monat beim Amtsgericht Unna, FriedrichEbert-Str. 65a, 59425 Unna durch Einreichung einer Beschwerdeschrift in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Während einer Unterbringung kann die Betroffene die Beschwerde fristwahrend auch bei dem am Unterbringungsort zuständigen Amtsgericht einlegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe der Entscheidung an den jeweiligen Beschwerdeführer. Wenn an ihn eine schriftliche Bekanntgabe nicht erfolgen konnte, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
22Die Beschwerdeschrift muss die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird und sie muss den angefochtenen Beschluss bezeichnen. Auch ist sie vom Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.
Annotations
Nach dem Erlöschen der Vollmacht hat der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben; ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu.