Amtsgericht Singen am Hohentwiel Beschluss, 20. Feb. 2006 - 1 M 4212/05a; 1 M 4212/05b

20.02.2006

Tenor

1. Der Rechtspfleger wird angewiesen, einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über eine Forderung von Euro 430,00 zuzüglich einer Verfahrensgebühr gem. Nr. 1008, 3309 VV in Höhe von Euro 54,00, eine Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG in Höhe von Euro 10,80 zuzüglich Mehrwertsteuer und Gerichtskosten in Höhe von Euro 30,00 zu erlassen.

2. Die Schuldner tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

 
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
I.
Gem. § 788 Abs. 1 ZPO fallen notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last und sind mit dem Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Die Notwendigkeit fehlt für Kosten unzulässiger, schikanöser, überflüssiger oder offenbar aussichtsloser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen; sie fehlt ferner bei ungerechtfertigten, vermeidbaren Mehrkosten einer notwendigen Zwangsvollstreckung (Zöller, 25. Aufl., § 788 ZPO Rn.Nr. 9 a).
Die Notwendigkeit bestimmt sich mithin nach den Erfordernissen zweckentsprechender Rechtsverfolgung. Die bei dieser entstehenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts des Gläubigers, der eine notwendige Zwangsvollstreckungsmaßnahme betreibt sind erstattungsfähig (Zöller, § 788 ZPO, Rn.Nr. 9).
II.
Ausgehend hiervon handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung.
a) Ein Vollstreckungsauftrag löst eine 0,3 Verfahrensgebühr nach VV 3309 aus, bei mehreren Auftraggebern erhöht sich die Gebühr nach VV 1008 um 0,3 je Auftraggeber. Richtet sich die Vollstreckung gegen mehrere Schuldner, stellt die Vollstreckung gegen jeden einzelnen Schuldner auch dann eine eigene Angelegenheit dar, wenn nur ein einziger Vollstreckungsantrag gestellt wird (KG Berlin Jur-Büro 2004, 46; Gebauer/Schneider RVG Kommentar, § 18 Rn.Nr. 48).
b) Ausgehend hiervon handelt es sich bei der infolge zweier Vollstreckungsaufträge angefallenen 1,2 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309, 1008 VV RVG um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Es ist insbesondere nicht dafür ersichtlich, dass die Kosten nicht im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sind. Vielmehr ist mit Gebauer/Schneider davon auszugehen, dass dem Gläubiger nicht zugemutet werden kann, zur Niedrighaltung der Kosten zunächst nur gegen einen einzelnen Schuldner eine Vollstreckung durchzuführen. Insoweit besteht die Gefahr, dass die Vollstreckung fruchtlos verläuft und bei der dann möglicherweise anschließenden Vollstreckung gegen den anderen Schuldner bei diesem kein pfändbares Vermögen mehr vorhanden ist. Es entspricht daher der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, gegen beide Schuldner für beide Gläubiger ein Vollstreckungsverfahren einzuleiten, sodass die dabei anfallenden Kosten auch notwendige Kosten sind.
Soweit der Rechtspfleger auf die Kommentierung unter Gebauer/Schneider Rn.Nr. 48 verweist, bezieht sich diese – wie sich aus dem Zusammenhang ergibt – auf den Sonderfall, dass ein Gläubiger von vorneherein weiß, dass die Vollstreckung gegen einen der Schuldner fruchtlos verlaufen wird; erteilt er in einem solchen Falle trotz Aufklärung durch den Rechtsanwalt den Vollstreckungsauftrag gegen alle Schuldner, handelt es sich bei den dabei anfallenden Kosten nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, da Kosten offenbar aussichtslose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (vergl. Zöller A.A.O. Rn.Nr. 9 a) nicht als notwendige Kosten erstattet werden. Für einen solchen Ausnahmefall ist im vorliegenden Sachverhalt indes nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 788 Kosten der Zwangsvollstreckung


(1) Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der

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(1) Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils. Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner; § 100 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

(2) Auf Antrag setzt das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten gemäß § 103 Abs. 2, den §§ 104, 107 fest. Im Falle einer Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 887, 888 und 890 entscheidet das Prozessgericht des ersten Rechtszuges.

(3) Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird.

(4) Die Kosten eines Verfahrens nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 851a, 851b, 900 und 904 bis 907 kann das Gericht ganz oder teilweise dem Gläubiger auferlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.