Amtsgericht Pinneberg Beschluss, 19. Dez. 2003 - 68 II 93/02 WEG

ECLI:ECLI:DE:AGPINNE:2003:1219.68II93.02WEG.0A
bei uns veröffentlicht am19.12.2003

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Beschluss, mit welchem ihrer Abberufung als Wohnungseigentumsverwalterin sowie die Kündigung des Verwaltervertrags beschlossen wurde.

2

Die Antragstellerin war seit dem 01.01.2000 Verwalterin des Wohnungseigentums der Antragsgegner. Auf dem Inhalt des Verwaltervertrags wird Bezug genommen (Anlage B 3, Bl. 157 d.A.).

3

Dem Wohnungseigentum liegt die Teilungserklärung vom 30.05.1975 (Anlage B1, Bl. 66 d.A.) zugrunde. Das Wohnungseigentum steht den Teilabschnitten/Teilgemeinschaften Th. II, III, IV und EKZ.

4

Für das Jahr 2000 erstellte die Antragstellerin die Jahresabrechnungen für die Teilgemeinschaften. Die in den Teilgemeinschaften Th. II und III ergangenen bestätigenden Beschlüssen wurden angefochten und durch das Amtsgericht Pinneberg in den Verfahren 68 II 101/01 WEG und 68 II 92/01 WEG für ungültig erklärt. Die Teilgemeinschaft Th. IV beschloss die Abrechnung von vornherein nicht.

5

Nachdem die Verwaltungsbeiratsmitglieder seit Januar 2002 Belegeinsicht von der Antragstellerin forderten, benannte diese Termine zur Belegprüfung. Der Umfang der Belege beträgt acht Leitz-Ordner. Am 27.03.2002 fand die mündliche Verhandlung in den Vorgängen 68 II 101/01 WEG und 68 II 92/01 WEG vor dem Amtsgericht Pinneberg statt. Am selben Tag richtete die Antragstellerin Schreiben mit folgendem Inhalt die Vorsitzende des Verwaltungsbeirat S.:

6

„...da Regelungen und Klärungen für die Zusammenarbeit einzelner Mitglieder des Beirates und der Verwaltung für die Zukunft zu treffen sind, insbesondere im Hinblick auf die am heutigen Tage stattgefundenen Verhandlungen am Amtsgericht Pinneberg i. S.: Beschlussanfechtungen H. und V., wo die von außen gesteuerte, vertrauensschädigende Intriganz einzelner Eigentümer und Beiratsmitglieder wieder einmal offensichtlich wurde, verschieben wir die Ihnen genannten Termine der Belegprüfung bis auf Weiteres.

7

Wir laden Sie statt dessen zu einer Aussprache in Ihrem Kommunikations-Zentrum am 04.02.2002 um 18:30 Uhr ein.“

8

Die Verwaltungsbeirätin S. antwortete hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 04.04.2002 (Anlage B 12, Bl. 176 ff. d. A.). In diesem Schreiben forderte sie die Antragstellerin auf, „unverzüglich, und zwar binnen einer Woche, neue Termine für die Belegprüfung zu benennen, weil diese Termine so rechtzeitig stattfinden müssen, dass ihre (der Antragstellerin) Pflicht gemäß § 4 Ziffer 4 des Verwaltervertrages, die Aufstellung einer Jahresabrechnung bis zum 30.04.2002, erfüllt werden kann.“ Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

9

Am 04.04.2002 und im Kommunikations-Zentrum des Wohnungseigentumsobjektes eine Besprechung zwischen dem Komplementär der Antragstellerin, H., den Zeugen G. sowie mehreren Beiratsmitgliedern. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Beteiligten streitig.

10

Mit Schreiben vom 15.04.2002 forderte der Antragsgegner V. die Antragstellerin auf, ihm für Freitag den 19.04. oder für Montag den 22.04.2002 einen Termin zur Einsichtnahme in die Unterlagen der Eigentümergemeinschaften Th. II bis IV zu geben. Mit Fax vom 19.04.2002 forderte die Verwaltungsbeirätin S. die Antragstellerin auf, ihr eine Kopie des aktuellen Kontostandes per 31.03.2002 hinsichtlich der Rücklagen zu geben. Unter dem 14.05.2002 (Anlage B 13, Bl. 180 d. A.) bat die Antragstellerin in einem Schreiben an die Verwaltungsbeirätin S., das Vertragsverhältnis kurzfristig im gegenseitigen Einvernehmen aufzuheben. Mit dem Schreiben legte die Antragstellerin eine Termingeldmitteilung über 34.506,38 € bei. Die Beiratsmitglieder A., B., S., H. und Sa. schrieben unter dem 31.05.2002 (Anlage B 7, Bl. 167 d. A.) an die Antragstellerin und baten insbesondere, die darin benannten Unterlagen zu Verfügung zu stellen.

11

Mit Schreiben vom 03.06.2002 (Anlage B 8, Bl. 169 d. A.) forderten die Beiratsmitglieder die Antragstellerin auf, unverzüglich eine Eigentümerversammlung einzuberufen. Ferner forderten sie die Antragstellerin auf, unverzüglich, spätestens bis 11.06.2002 die bereits geforderten Unterlagen und Auskünfte zur Verfügung zu stellen.

12

Mit Schreiben vom 30.05.2002 übersandten die Antragstellerin den Rechtsanwälten T. und B. ein Schreiben, dem die darin beschriebenen Kontoauskünfte beilagen. Die Antragstellerin wollte hiermit ein Schreiben der Verwaltungsbeirätin S. beantworten. Möglicherweise wurde dieses Schreiben von den Rechtsanwälten als Antwort einer Anfrage des Wohnungseigentümers V. betrachtet.

13

Mit Schreiben vom 06.07.2002 schrieben die Beiratsmitglieder die Antragstellerin (Anlage B 5 Bl. 165 d. A.):

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„...Als Verwaltungsbeirat der o.g. Wohnungseigentümergemeinschaft fordern wir Sie auf, uns umgehend einen Termin in Ihren Geschäftsräumen aufzugeben, um sämtliche Konten der Gemeinschaft einzusehen, auf Liquidität zu prüfen und hierüber Auskunft zu erteilen. Die Einsicht muss spätestens bis zum 12.07.2002 durchführbar sein.

15

Wir bitten Sie, die entsprechenden Unterlagen zu diesem Termin bereit zu halten und werden Sie zur Terminsabsprache unverzüglich anrufen.“

16

Mit Schreiben vom 09.07.2002 (Anlage B 6, Bl. 166 d. A.) teilte die Antragstellerin der Verwaltungsbeirätin S. mit, „dass die Belegprüfung urlaubsbedingt nicht bis zum 12.07.2002 durchgeführt werden kann.“ Weiter hieß es: „Wir werden zu gegebener Zeit unaufgefordert auf Sie zukommen. Bezug nehmend auf die geplante Eigentümerversammlung am 08.08.2002 bitten wir Sie kurzfristig um Informationen, ob die TOPs erweitert werden soll.“

17

Am 10.07.2002 gegen 13:50 Uhr begaben sich die Verwaltungsbeiratsmitglieder S. und H. zur Antragstellerin und verlangten Einsicht in die Kontoauszüge. Zu dieser Zeit waren die mit der vorliegenden WEG befassten Mitarbeiter nicht anwesend. Über den Termin verfasste die Verwaltungsbeirätin S. einen Vermerk (Anlage B4, Bl. 164 d. A.).

18

Am 30.07.2002 verfassten die Beiratsmitglieder die Einladung zur außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.08.2002. Am 08.08.2002 fand die außerordentliche Eigentümerversammlung statt.

19

Die Eigentümer fassten sodann zu TOP 3 den Beschluss, die Antragstellerin als Verwalterin mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund abzuberufen und Kündigung des Verwaltervertrages mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund. Auf den Inhalt des Versammlungsprotokolls (Anlage zum Schriftsatz vom 23.10.2002, Bl. 30 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

20

Mit dem Anfechtungsantrag, beim Amtsgericht Pinneberg eingegangen am 09.09.2002, wendet sich die Antragstellerin gegen diesen Beschluss.

21

Die Antragstellerin macht geltend:

22

die Antragsgegner seien weder zur Abberufung der Antragstellerin als Verwalterin, noch zur fristlosen Kündigung des Verwaltervertrages berechtigt gewesen.

23

Die Frist zur außerordentlichen Kündigungserklärung sei nicht eingehalten.

24

Soweit sich aus dem Versammlungsprotokoll ergebe, die Anwesenden mit 6.851/10.000 Eigentumsanteilen mit insgesamt 213 anwesend gewesen seien, bestreitet die Antragstellerin dies mit Nichtwissen.

25

In den Monaten Juni und Juli 2002 habe sie - die Antragstellerin - bedingt durch Sommerurlaubszeiten ihrer Mitarbeiter keine Besprechungstermine in ihren Räumlichkeiten anbieten können.

26

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, sämtliche Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 08.08.2002 für ungültig zu erklären.

27

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

28

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 08.08.2002 zu TOP 3 für ungültig zu erklären.

29

Die Antragsgegner beantragen,

30

den Antrags zurückzuweisen.

31

Die Antragsgegner haben die Anwesenheitsliste für die Versammlung in der Anlage B 2 (Bl. 80 ff. d.A.) überreicht; hierauf wird Bezug genommen. Im Übrigen machen die Antragsgegner geltend:

32

Seit Januar 2002 hätten die Verwaltungsbeiräte der drei Wohnungseigentümergemeinschaften bzw. Teileigentümergemeinschaften die Antragstellerin aufgefordert, Einsicht in die Unterlagen über die vorläufige Gesamtabrechnung 2002 sowie die vorläufige/endgültige Abrechnung für die Teilgemeinschaften zu gewähren. Ferner hätten die Beiräte die Antragstellerin aufgefordert, den Status zum 31.12.2001 mit Angabe über Girofestgeldkonten, Forderungen gegen Dritte, Wohngeldrückstände, Rücklagen, Verbindlichkeiten, Instandhaltungsrücklagen, Abgrenzungen und Ähnliches zu erstellen und vorzulegen sowie die Entwicklungen der Rücklagen vom 01.01. bis 31.12.2001 und ebenso den Status zum Stichtag 31.04.2002 darzulegen. Ferner hätten die Beiratsmitglieder die Darstellung über die Entwicklung der Rücklagen vom 01. bis 31.05.2002 erbeten. Wiederholt hätten die Verwaltungsbeiräte Einblick in alle Unterlagen, insbesondere in die Kontobelege, gefordert. Die Antragstellerin habe dies verweigert. Die Wohnungseigentümergemeinschaften seien in völliger Ungewissheit über die Kontostände und Forderungen bzw. Verbindlichkeiten der Gemeinschaften gewesen. Die Handelnden der Antragstellerin, die Herren H. und G., hätten sich geweigert, Auskunft zu erteilen. Bereits anberaumte Termine seien kurzfristig aus fadenscheinigen Gründen abgesagt und nicht wieder anberaumt worden.

33

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen N. G. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird das Sitzungsprotokoll vom 24.10.2003 (Bl. 391 ff. d. A.) Bezug genommen.

34

II. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

35

Der Antrag ist gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zulässig. Insbesondere ist er fristgemäß gestellt worden. Die Antragstellerin hat den Antrag rechtzeitig binnen in § 23 Abs. 4 WEG vorgesehenen Monatsfrist beim zuständigen Wohnungseigentumsgericht eingereicht. Fristablauf war der 08.09.2002. Hierbei handelte es sich um einen Sonntag, so dass entsprechend § 193 BGB die Stelle dieses letzten Tages der Frist der nächste Werktag tritt. Dies ist Montag, der 09.09.2002 gewesen.

36

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

37

Der Beschluss der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.08.2002 zu TOP 3 ist nicht für ungültig zu erklären. Der Beschluss ist ordnungsgemäß zustande gekommen; er ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

38

Die Antragsgegner haben durch Vorlage der Anwesenheitslisten (Anlage B 2, 80 bis 155 d. A.) nachgewiesen, dass mehr als die Hälfte der Eigentumsanteile auf der Versammlung anwesend war. Die Antragstellerin hat dies im Übrigen nach Vorlage der Anlage B 2 auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

39

Der Beschluss zu TOP 3 war auch materiell ordnungsgemäß. Sowohl die Abberufung der Antragstellerin als Verwalterin als auch die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund waren rechtmäßig.

40

Nach Auffassung des Gerichts hat ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung sowohl des Verwaltungsverhältnisses als auch des Verwaltervertrages vorgelegen.

41

Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Verwalters besteht, wenn die Zusammenarbeit für die Wohnungseigentümer auch unter Berücksichtigung der Interessen des Verwalters nicht mehr zumutbar ist (vgl. Palandt/Bassenge, 62. Auflage, § 26 WEG Rdn. 9 m. W. M.). Für die außerordentliche fristlose Kündigung liegt ein wichtiger Grund dann vor, wenn die Fortsetzung des Verwalterverhältnisses bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit für die Wohnungseigentümer nach Treue und Glauben unzumutbar ist (vgl. BayObLG, WuM 1990, 464; 1992, 161; Staudinger/Bub, 12. Auflage, § 26 Rdn. 392). Ein wichtiger Grund - sowohl für die Verwalterabberufung als auch für die fristlose Kündigung - liegt hier in der Nichtgewährung der Einsicht in die Abrechnungsbelege gegenüber den Verwaltungsbeiratsmitgliedern für den Zeitraum Mitte April bis zum Tag der Eigentümerversammlung, dem 08.08.2003. Eine Belegeinsicht hätte unbedingt - zumindest rechtzeitig vor der Eigentümerversammlung - gewährt werden müssen. Das gilt schon deswegen, weil die Mitglieder des Verwaltungsbeirats für die pflichtgemäße Erfüllung der Beiratsaufgaben persönlich haften (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 1998, 50). Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beiratsmitglieder wird von der Rechtsprechung insbesondere dann gesehen, wenn diese eine Prüfung der Belege nicht oder nicht ordnungsgemäß vornehmen (OLG Düsseldorf, WuM 1998, 50, 54).

42

Nach der Aussage des Zeugen G. geht das Gericht davon aus, dass Belegprüfung durch die Beiratsmitglieder angesichts der Größe der Gemeinschaft der Antragsgegner fünf Arbeitstage in Anspruch nehmen würde. Der Umfang der Belege beträgt acht Leitzordner. Zudem hat der Zeuge G. auf offenbare Terminsschwierigkeiten der Antragstellerin hingewiesen. So hat er ausgeführt, dass eine Belegprüfung in der ersten Hälfte des Jahres 2000 nicht mehr zu bewerkstelligen gewesen sei, da die Antragstellerin 40 Anlagen zu betreuen habe. Dann aber muss sich die Antragstellerin ernsthaft die Frage gefallen lassen, warum sie mit Schreiben vom 27.03.2002 einen bereits angesetzten Termin für die Belegprüfung ohne triftigen Grund abgesagt hat. Angesichts der essenziellen Bedeutung der Belegprüfung für die Verwaltungsbeiratsmitglieder - gerade im Hinblick auf deren Haftungsrisiko - durfte die Antragstellerin das schwierige Verhandlungsklima in den Vorgängen 68 II 101/01 WEG und 68 II 92/01 WEG keinesfalls zum Anlass nehmen, den Beiratsmitgliedern die Belegprüfung vorzuenthalten.

43

Aber auch die dringliche Aufforderung der Beiratsvorsitzenden S. durch anwaltliches Schreiben vom 04.04.2002 hat die Antragstellerin nicht dazu bewogen, unverzüglich einen neuen Termin zur Belegprüfung zu bestimmen. Auch auf die Aufforderungen vom 23.05.2002 sowie vom 03.06.2002, vorab bestimmte Unterlagen zur Verfügung zu stellen, hat die Antragstellerin nicht entsprechend reagiert.

44

Mit Schreiben vom 06.07.2002 (Anlage B 5, Blatt 165 d. A.) hat der Beirat nochmals an die Antragstellerin geschrieben und um Aufgabe eines Termins zur Belegprüfung in den Geschäftsräumen bis spätestens 12.07.2002 gebeten. Nachdem eine Reaktion nicht erfolgt ist, hat sich die Beiratsvorsitzende S. mit anderen Beiratsmitgliedern unter dem 10.07.2002 persönlich zu den Geschäftsräumen der Antragstellerin begeben. Selbst wenn die Antragstellerin angesichts der fehlenden Vorankündigung eine sofortige Belegeinsicht nicht hat gewähren können, so wäre sie spätestens jetzt gehalten gewesen, einen kurzfristigen Termin zu nennen. Immerhin sind inzwischen seit der Absage des bereits anberaumten Termins mit Schreiben vom 25.03.2002 mehr als drei Monate vergangen gewesen.

45

Die Antragstellerin hat sich in diesem Zeitpunkt - Mitte Juli 2002 - auch nicht auf urlaubsbedingte Ausfälle zurückziehen dürfen. Angesichts der zahlreichen Aufforderungen zur Gewährung einer Belegeinsicht, hätte die Antragstellerin nunmehr andere Termine oder Betreuungstätigkeiten hinsichtlich anderer Objekte zurückstellen müssen, um endlich der längst überfälligen Pflicht zur Belegeinsicht gegenüber den Beiräten der Antragsgegner nachkommen zu können.

46

Zumindest nach Ablauf der mit Schreiben vom 09.07.2002 gesetzten Frist bis zum 12.07.2002 ist infolge der fehlenden Reaktion auf die zahlreichen Einsichtsgesuche das Vertrauen der Antragsgegner auf eine ordnungsgemäße Zusammenarbeit zwischen ihnen bzw. den Beiratsmitgliedern und der Antragstellerin so nachhaltig beeinträchtigt, dass den Antragsgegnern eine Fortsetzung des Verwaltungsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen ist.

47

Die Unzumutbarkeit ergibt sich zum einen aus dem Haftungsrisiko der Beiratsmitglieder, welches bei nicht erfolgter Belegeinsicht besteht. Darüber hinaus besteht bei nicht gewährter Belegeinsicht über einen so langen Zeitraum trotz mehrerer nachdrücklicher Aufforderungen für die Wohnungseigentümer die nicht ganz von der Hand zu weisenden Befürchtung, dass mit der Kontoführung irgendetwas nicht in Ordnung ist. Selbst wenn tatsächlich keinerlei Unregelmäßigkeiten bestehen, mussten die Antragsgegner bzw. die Beiratsmitglieder angesichts des monatelang geübten Ausweichens und Hinhaltens der Antragstellerin womöglich „mit dem Schlimmsten rechnen“, jedenfalls aber Unregelmäßigkeiten ernstlich in Betracht ziehen. Dann aber ist die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit erschüttert, unabhängig davon, ob tatsächlich Mängel bei der Buchhaltung bestanden haben.

48

Während für die Abberufung als WEG-Verwalter die festgestellte Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit genügt, ist für die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund die Ausübung des Kündigungsrechts innerhalb einer angemessenen Frist erforderlich. Die Frist beginnt, sobald der Verwaltungsbeirat von den für die Kündigung maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt. Eine angemessene Frist seit Kenntniserlangung ist hier nach Auffassung des Gerichts gewahrt. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien ist erst Mitte Juli 2002 restlos zerstört gewesen, nämlich nachdem die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.07.2002 der Verwaltungsbeirätin S. mitteilte, dass die Belegprüfung urlaubsbedingt nicht bis zum gesetzten Termin – dem 12.07.2002 durchgeführt werden könne – und man „zu gegebener Zeit“ unaufgefordert auf Sie zukommen werde. Zumindest war das Vertrauensverhältnis nach Ablauf der auf den 12.07.2002 gesetzten Frist trotz des Aufsuchens seitens der Beiratsmitglieder in deren Geschäftsräumen am 10.07.2002 zerstört. Nunmehr konnten die Antragsgegner nicht mehr erwarten, dass die Antragstellerin den Beiräten auf kurz oder lang einen Termin zur Belegeinsicht nennt.

49

Selbst wenn man die Vollendung des Kündigungstatbestandes wegen nicht gewährter Belegeinsicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt als gegeben ansieht, etwa zum Ablauf der mit Schreiben vom 03.06.2002 gesetzten Frist auf den 11.06.2002 (Anlage B 8, Blatt 169 d. A.), ist die außerordentliche Kündigung noch binnen angemessener Zeit erfolgt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Verwalters eines Beschlusses der Wohnungseigentümer bedarf. Der Verwaltungsbeirat muss also noch genügend Zeit haben, um eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen. Vom Zeitpunkt des Fristablaufs, dem 11.06.2002, bis zur Einberufung der außerordentlichen Eigentümerversammlung durch den Beirat am 10.07.2002 ist gerade einmal ein Monat vergangen. Die Eigentümerversammlung ist einen knappen Monat später - auf den 08.08.2002 - angesetzt worden. Diese Zeiträume sind angesichts der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft der Antragsgegner sowie der dadurch bedingten Schwierigkeit der Kommunikationsprozesse ohne wenn und aber als angemessen anzusehen.

50

Auf einen früheren Zeitpunkt kann hinsichtlich der Kenntnis des Verwaltungsbeirats vom Kündigungsgrund nicht abgestellt werden. Vor Ablauf des 11.06.2002 ist der Tatbestand einer außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen der nicht erfolgten Belegeinsicht noch nicht vollendet gewesen. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.03.2002 bereits angesetzten Termin zur Belegprüfung wieder abgesetzt hat, genügt zur außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht. Zwar mag dieses Verhalten der Antragstellerin gänzlich unangebracht gewesen sein, jedoch kann es für sich genommen keine so schwere Verfehlung darstellen, dass das Vertrauensverhältnis sofort zerstört wäre. Selbiges gilt für das Versäumen der mit anwaltlichem Schreiben vom 04.04.2002 (Anlage B 12, Bl. 177 d. A.) gesetzten Wochenfrist. Erst ein beharrliches Verweigern der Belegeinsicht über einen längeren Zeitraum kann eine außerordentliche fristlose Kündigung begründen. Insofern ist erst mit Ablauf der weiterhin gesetzten Fristen, insbesondere mit Ablauf der auf den 12.07.2002 gesetzten Frist „das Maß voll“ gewesen. Nach alledem haben die Antragsgegner die außerordentliche fristlose Kündigung innerhalb angemessener Frist nach Kenntniserlangung von der Kündigungsfrist ausgesprochen.

51

Nur am Rande weist das Gericht darauf hin, dass die Zwei-Wochen-Frist gem. § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegend nicht gelten kann. Eine so kurze Frist würde den besonderen Verhältnissen der Wohnungseigentümergemeinschaft insbesondere der langwierigen Prozesse der Willensbildung nicht gerecht (vgl. Staudinger/Bub, § 26 WEG, Rdnr. 299 m. w. N.).

52

Ob die von der Eigentümerversammlung vom 08.08.2002 zu TOP 3 erfolgte Abberufung der Antragstellerin sowie die außerordentliche fristlose Kündigung des Verwaltervertrages noch auf andere Gründe gestützt werden kann, kann damit offen bleiben.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es hat billigem Ermessen entsprochen, der unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten hat es bei dem in der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorherrschenden Grundsatz zu bleiben, dass die Beteiligten diese selbst tragen. Eine Kostenerstattung kommt nur in Betracht, wenn der Rechtsstandpunkt eines Beteiligten dergestalt neben der Sache liegt, dass es dem Gegner unzumutbar wäre, seine eigenen Anwaltskosten zu tragen. Dies ist hier nicht der Fall. Ein grobes Verschulden, insbesondere ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflichten des Verwalters ist nicht ersichtlich. Im Übrigen haben die Beteiligten vor sowie auch in der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.08.2002 über eine einvernehmliche Vertragsaufhebung verhandelt, was allerdings dann gescheitert ist. Das alles spricht jedoch dafür, es bei der grundsätzlichen Kostentragung der Beteiligten zu belassen.


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Amtsgericht Pinneberg Beschluss, 19. Dez. 2003 - 68 II 93/02 WEG zitiert 7 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


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(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Angelegenheiten, über die nach diesem Gesetz oder nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.

(2) Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist.

(3) Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.

(4) Ein Beschluss, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann, ist nichtig. Im Übrigen ist ein Beschluss gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist.

Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.

(1) Über die Bestellung und Abberufung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer.

(2) Die Bestellung kann auf höchstens fünf Jahre vorgenommen werden, im Fall der ersten Bestellung nach der Begründung von Wohnungseigentum aber auf höchstens drei Jahre. Die wiederholte Bestellung ist zulässig; sie bedarf eines erneuten Beschlusses der Wohnungseigentümer, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der Bestellungszeit gefasst werden kann.

(3) Der Verwalter kann jederzeit abberufen werden. Ein Vertrag mit dem Verwalter endet spätestens sechs Monate nach dessen Abberufung.

(4) Soweit die Verwaltereigenschaft durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden muss, genügt die Vorlage einer Niederschrift über den Bestellungsbeschluss, bei der die Unterschriften der in § 24 Absatz 6 bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt sind.

(5) Abweichungen von den Absätzen 1 bis 3 sind nicht zulässig.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Über die Bestellung und Abberufung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer.

(2) Die Bestellung kann auf höchstens fünf Jahre vorgenommen werden, im Fall der ersten Bestellung nach der Begründung von Wohnungseigentum aber auf höchstens drei Jahre. Die wiederholte Bestellung ist zulässig; sie bedarf eines erneuten Beschlusses der Wohnungseigentümer, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der Bestellungszeit gefasst werden kann.

(3) Der Verwalter kann jederzeit abberufen werden. Ein Vertrag mit dem Verwalter endet spätestens sechs Monate nach dessen Abberufung.

(4) Soweit die Verwaltereigenschaft durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden muss, genügt die Vorlage einer Niederschrift über den Bestellungsbeschluss, bei der die Unterschriften der in § 24 Absatz 6 bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt sind.

(5) Abweichungen von den Absätzen 1 bis 3 sind nicht zulässig.

Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nicht anzunehmen.