Amtsgericht Ingolstadt Beschluss, 23. Feb. 2017 - VI 2789/16

published on 23/02/2017 00:00
Amtsgericht Ingolstadt Beschluss, 23. Feb. 2017 - VI 2789/16
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Gericht

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Tenor

1. Die zur Begründung des Antrags vom 13.12.2016 der Beteiligten M. H., geb. auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.  

2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt.

Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.  

Gründe

I.

Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit dem am … vorverstorbenen P. M.. Diese Ehe blieb kinderlos. Aus der ersten Ehe des P. M. ging hervor der am … verstorbene H. M.. Der Beteiligte M. M., geb. ist dessen Sohn.

Die Erblasserin hat zwei Geschwister. Zum einen die am … vorverstorbene U. O.. Deren Nachkömmlinge sind die Beteiligten M. H. und G. L.. Desweiteren hinterließ sie einen Bruder, S. S., geb. ..

Am 21.03.1976 verfasste die Erblasserin mit ihrem Ehemann P. M. ein gemeinschaftliches Testament, überschrieben mit „Erbvertrag“. Darin setzten sie sich gegenseitig als alleinige Erben in der Weise ein, dass der Überlebende Vollerbe sein soll. Der Überlebende solle vom Sohn des P. M., von H. M. beerbt werden.

Ersatzerben wurden nicht eingesetzt.

Nach dem Tod des P. M. nahm die Erblasserin als Überlebende die Erbschaft ihres Mannes an.

Mit Testament vom 28.10.2007 setzte die Erblasserin ihren Bruder S. S. sowie ihre Nichte M. H. zu Erben zu je 1/2 ein.

Mit weiterem Testament vom 12.06.2016 erklärte sie ihr erstes Testament für ungültig und benannte ihre Nichte M. H. als Alleinerbin.

Aufgrund dieses Testaments hat die Beteiligte M. H. Antrag auf Erteilung eines Erbscheins beim Amtsgericht Ingolstadt gestellt, der sie als Alleinerbin ausweist. Hiergegen wendet sich der Beteiligte M. M. unter Bezugnahme auf das gemeinschaftliche Testament vom 21.03.1976. Er trägt vor, es hätte dem Willen seines Großvaters P. M. entsprochen, dass er als Enkel Ersatzerbe des vorverstorbenen Vaters sei. Es läge damit eine Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 BGB vor, über die sich die Erblasserin durch Bestimmung anderweitiger Erben nicht hätte hinwegsetzen können. Das zuletzt von ihr am 12.06.2016 verfasste Testament sei wegen der Wechselbezüglichkeit des gemeinschaftlichen Testaments unwirksam. Im Rahmen der Auslegung ist er als Abkömmling des Schlusserben als Ersatzerbe zu sehen.

Die Beteiligte M. H. hält ihren Erbscheinsantrag aufrecht.

II.

Die Erblasserin war mangels Bestimmung eines Ersatzschlusserben im gemeinschaftlichen Testaments und vorzeitigen Versterbens des Schlusserben berechtigt anderweitig zu testieren. Sie war nicht mehr an die Wechselbezüglichkeit des Testamentes vom 21.03.1976 nach § 2270 BGB gebunden.

Bevor Auslegungsregeln zum Zuge kommen, ist vorrangig eine individuelle Auslegung des Testierwillens zu prüfen. Dem Testament ist ein Wille dahingehend, den Enkel als Ersatzschlusserben einzusetzen, nicht zu entnehmen. Von einem Ersatzschlusserben ist dort nicht die Rede. Dabei ist gerade zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Testamentserstellung 1976 der Beteiligte M. M. bereits geboren war. Den testierenden Eheleuten war somit bereits bekannt, dass der Ehemann der Erblasserin einen Enkel hatte. Auch haben beide Eheleute den Tod des Sohnes des P. M. erlebt. Gleichwohl erfolgte keine Bestimmung eines Ersatzschlusserben bzw. eine gemeinschaftliche Änderung des gemeinschaftlichen Testaments oder aber seitens des P. M. ein einseitiger Widerruf im Sinne des § 2271 BGB. Dieses Verhalten spricht gerade dafür, dass entweder die Einsetzung eines Ersatzschlusserben oder aber nach dem Tod des Sohnes die Einsetzung des Enkels als Schlusserbe nicht gewollt war. Es kommt dabei auch nicht auf den alleinigen Willen des Großvaters des Beteiligten M. M. an. Maßgeblich ist der Wille der gemeinschaftlich Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung 1976 (vgl. BGH Beschluss vom 16.01.2002 Az.: IV ZB 20/01). Bezüglich der Frage, ob für die Erblasserin H. M. durch das gemeinschaftliche Testament noch eine bindende Wechselbezüglichkeit vorgelegen hat und damit eine anderweitige Testierung ausgeschlossen war, kommt es auf beider Vorstellungen zum Zeitpunkt der Testierung an. Der Wechselbezüglichkeit liegt die Vorstellung zugrunde, dass unter Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Alleinerben und damit unter Ausschluss der nächsten Verwandten und unter Einsetzung gerade dieser Verwandten als Schlusserben nach dem längstlebenden Ehegatten typischerweise ein Gegenseitigkeitsverhältnis der Art besteht, dass die eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre, sie also miteinander stehen oder fallen (so BGH a.a.O.). Eine solche Interessenlage der Testierenden lässt sich jedoch mangels konkreter Anhaltspunkte, insbesondere im Testament, lediglich unterstellen, wenn sich derartiges im Wege ergänzender Auslegung ergibt. Für die Annahme des Enkels M. M. als Ersatzschlusserben liegen derartige Anhaltspunkte jedoch gerade nicht vor. Insbesondere ist dabei zu sehen, dass er kein Abkömmling der Erblasserin ist, sondern lediglich des vorverstorbenen Ehemannes. Eine wechselbezügliche Bindung im Hinblick auf eine Schlusserbeneinsetzung des M. M. ist damit nicht erkennbar. Infolge Vorversterbens des H. M. war die Erblasserin nicht mehr durch wechselseitige Verfügungen gebunden.

Auch die Auslegungsregeln der §§ 2069, 2270 Abs. 2 BGB führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar würde nach der Ersatzerbenregelung des § 2069 BGB der Beteiligte M. M. an die Stelle vi 2789/16 - Seite 4 seines verstorbenen Vaters treten. Die Erbeinsetzung von H. M. war jedoch gemäß der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel wechselbezüglich bindend zur Alleinerbeneinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann und konnte von der Erblasserin, die die Erbschaft nach ihrem Ehemann angenommen hat, nicht mehr einseitig geändert werden. Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.), der sich das Gericht hier anschließt, erstreckt sich diese Bindung jedoch gerade nicht auf einen nach § 2069 BGB beruhenden Ersatzerben. Allein die Auslegungsregelung des § 2069 BGB genügt nicht zur Annahme einer Wechselbezüglichkeit bezogen auf einen allein nach § 2069 BGB ermittelten Ersatzerben.

Die Erblasserin war damit nicht an das gemeinschaftliche Testament gebunden und konnte entsprechend dem Testament vom 12.06.2016 abweichend testieren.

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(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen

(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten wür
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published on 16/01/2002 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 20/01 vom 16. Januar 2002 in der Nachlaßsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja _____________________ BGB § 2270 Abs. 2 Fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlußerbe weg, ist § 2270 Abs. 2 BGB auf E
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(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

(2) Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.

(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.