Amtsgericht Dortmund Urteil, 10. Sept. 2014 - 404 C 7848/13
Tenor
1.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zur Erstattung der in der Honorarvereinbarung der Praxis Dr. H. C. ausgewiesenen Heilbehandlungenkosten von
EUR 4.499,19 in tariflicher Höhe verpflichtet ist, sofern im maßgeblichen Zeitpunkt sämtliche übrigen Voraussetzungen dieser Erstattungsverpflichtung bestehen.
2.
Die Beklagte wird zur Zahlung von EUR 492,54 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2013 verurteilt.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 484,44 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 02.01.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert.
3Der Kläger begab sich in die augenärztliche Behandlung in der Praxis Dr. H. C. in München. Dort wurde folgende Fehlsichtigkeit festgestellt: RA: +2,25sph -3,0 cyl Achse 177 Grad; LA + 2,25 sph -3,75 cyl Achse 180 Grad). Die Augenarztpraxis erstellte eine Honorarvereinbarung für die Durchführung einer Lasik-Operation an beiden Augen in Höhe von 4.499,19 Euro. Die Bitte des Klägers um tarifliche Erstattung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, für den Eingriff gebe es keine medizinische Indikation.
4Der Kläger holte daraufhin ein Privatgutachten zur Frage der medizinischen Notwendigkeit ein, für das er 484,44 Euro zahlte.
5An außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wandte er 492,54 Euro auf.
6Die Parteien verhandeln
7mit den aus der Sitzungsniederschrift ersichtlichen Anträgen.
8Die Beklagte bestreitet die medizinische Notwendigkeit der Lasik-Operation. Sie meint, die Einholung eines Privatgutachtens sei überflüssig gewesen, da jedenfalls damit zu rechnen gewesen sei, dass es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt.
9Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines augenärztlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das in der Akte befindliche schriftliche Gutachten verwiesen (Bl. 81 ff.).
10Wegen des übrigen Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
12Die Klage ist begründet.
13Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, denn durch die Ausführung der Lasik Operation würde der Versicherungsfall eintreten. Dieser ist definiert als medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit.
14Eine Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf. Nach dem Ergebnis des Gutachtens liegt bei dem Kläger eine Fehlsichtigkeit von +1,5 dpt auf dem rechten Auge und 2 dpt auf dem linken Auge vor. Dies ist ein regelwidriger Körperzustand und damit eine Krankheit.
15Die Lasik Operation ist eine Heilbehandlung, denn sie beseitigt die Fehlsichtigkeit.
16Sie ist auch medizinisch notwendig, denn es ist nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen vertretbar, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Sie ist geeignet, die Fehlsichtigkeit des Klägers zu heilen. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass es sich bei der Lasik Operation um ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren handelt.
17Die Beklagte kann den Kläger nicht auf andere Formen der Heilbehandlung bzw. die Benutzung von Hilfsmitteln verweisen. Dies ergibt sich nicht aus den vereinbarten Versicherungsbedingungen.
18Diese Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, VersR 2003, 454: VersR 2003, 581/84; VersR 2003, 641/2; OLG Hamm, NJOZ 2006, 282). Danach haben zunächst bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung Kostengesichtspunkte außer Betracht zu bleiben (BGH, VersR 2003, 581), was unter den Parteien auch nicht streitig ist. Ein um Verständnis der Versicherungsbedingungen bemühter Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der auszulegenden Klausel aus und berücksichtigt ihren Zweck und den erkennbaren Sinnzusammenhang. Er kann aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 94 nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit ersehen, dass bei mehreren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Behandlung einer Krankheit sich die Erstattungsfähigkeit der zu ihrer Heilung aufgewandten Kosten auf eine bestimmte Heilbehandlung beschränkt, erst Recht nicht auf eine solche, die ihm vom Versicherer vorgegeben wird. Er wird vielmehr dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit entnehmen, dass ausschließlich vielmehr dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit entnehmen, dass ausschließlich medizinische Gesichtspunkte berücksichtigungsfähig sein sollen und damit nur solche Kriterien heranziehen, die für die Eignung der Heilbehandlung zur Heilung der Krankheit maßgebend sind. Damit bleiben andere Behandlungsmöglichkeiten, die der vom Versicherungsnehmer gewählten gleich- oder gar höherwertig sind, außer Betracht und beschränken nicht das durch die Versicherungsbedingungen eingeräumte Recht des Versicherungsnehmers, sich einer zur Heilung seiner Erkrankung geeigneten Behandlung zu unterziehen (wie hier: Egger, r+s 2006, 309/312 unter Fn. 19 zur Parallelproblematik Implantat/nicht fest sitzender Zahnersatz und r+s 2006, 353/360; Marlow/Spuhl, VersR 2006, #####/####; dieselben in Anm. zu BGH, VersR 2005, 1673).
19Die Beklagte muss dem Kläger gemäß §§ 280, 249 ff. BGB auch die Kosten für das Privatgutachten ersetzen.
20Die Beklagte hat ihre vertraglichen Pflichten dem Kläger gegenüber verletzt, als sie die Kostenübernahme für die Lasik Operation ablehnte.
21Der Kläger hat durch die Einholung des Gutachtens auch nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Beklagte hat ihre Ablehnung mit der fehlenden medizinischen Notwendigkeit begründet. Der Kläger war berechtigt, diese Argumentation durch ein Fachgutachten zu widerlegen. Er musste nicht zwingend damit rechnen, dass die Beklagte auch einem solchen Gutachten nicht nachgeben würde.
22Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten schuldet die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
23Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
24Rechtsbehelfsbelehrung:
25Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
26a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
27b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
28Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, L-Straße, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
29Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
30Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
31Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.