Amtsgericht Castrop-Rauxel Beschluss, 12. Juli 2016 - 6 OWi-252 Js 234/16-23/16
Gericht
Tenor
Der Terminsverlegungsantrag des Verteidigers vom 30.06.2016 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2Der Antrag des Verteidigers auf Terminsverlegung ist unbegründet.
3Nach § 213 StPO wird der Termin zur Hauptverhandlung von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt. Über § 46 Abs. 1 OwiG findet § 213 StPO auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Anwendung. Auf eine Verlegung des Termins haben die Prozessbeteiligten grundsätzlich keinen Anspruch. Der Vorsitzende entscheidet über solche Anträge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der Terminsplanung des Gerichts (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 213 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen insbesondere zur Rechtsprechung). Zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ist dabei dem Verteidiger zuzumuten, substantiiert zu einem kollidierenden Termin vorzutragen und das Gericht so in die Lage zu versetzen, nicht nur den Termin zu überprüfen, sondern überdies weitere abwägungsrelevante, entscheidungserhebliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen, etwa ob die Terminskollision aufgrund einer kurzfristigen Mandatierung des Verteidigers in anderer Sache nach der eigenen Terminsladung entstanden ist (OLG Schleswig, Beschluss vom 15.07.2014 - Aktenzeichen 1 Ss OWi 116/14 (133/14), BeckRS 2015, 04651, beck-online). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass der Verteidiger ohne weitere Substantiierung behauptet, sechseinhalb Wochen in den Sommerferien urlaubsabwesend zu sein. Weil der Verteidiger hier lediglich mit Schriftsatz vom 07.07.2016 ohne nähere Begründung anwaltlich versichert hat, in den Sommerferien urlaubsabwesend sein, war der Terminsverlegungsantrag zurückzuweisen.
4Das Gericht hat bei seiner Ermessensentscheidung folgende Aspekte berücksichtigt:
5Im vorliegenden Verfahren geht es um einen so genannten „qualifizierten“ Rotlichtverstoß, d.h. das Rotlicht dauerte möglicherweise länger als eine Sekunde. Als mögliche Rechtsfolge droht dem Betroffenen im Falle einer Verurteilung ein einmonatiges Fahrverbot. Es wurde bereits ein Sachverständigengutachten durch den Sachverständigen G. eingeholt. Der Sachverständige G. ist Sachverständiger im Sachverständigenbüro S. und B.. Dieses Büro und auch der Sachverständige G. sind gerichtsbekannt überregional tätig, was zu langen Bearbeitungszeiten bei diesem Büro führen kann. Aufgrund der Terminsdichte des Sachverständigen G. muss bei einer erneuten Verlegung des Hauptverhandlungstermins mit einem Terminsverlegungsantrag des Sachverständigen und in der Folge mit einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens gerechnet werden. Das wird schon daran deutlich, dass der Sachverständige G. bzgl. des Termins am 15.07.2016 mit Schreiben vom 24.06.2016 wegen eines Termins am Landgericht Münster um Terminsverlegung bitten musste (vgl. Bl. 159 d.A.).
6Ferner ist zu berücksichtigen, dass zum Hauptverhandlungstermin neben dem Sachverständigen G. auch noch die drei beteiligten Polizeibeamten als Zeugen zu laden sind, bei denen gegebenenfalls auch mit Terminsverlegungsanträgen zu rechnen ist. Für den Termin am 29.07.2016 wäre hingegen allen drei Zeugen und dem Sachverständigen das Erscheinen zum Gerichtstermin möglich.
7Bei dem Terminverlegungsantrag hat das Gericht zudem die Terminslage des Spruchkörpers berücksichtigt. Der erkennende Richter befindet sich in der Zeit vom 22. August bis einschließlich 09.09.2016 in Urlaub. Es sind deswegen schon Termine ab dem 20.09.2016 anberaumt, zur Zeit terminiert das Gericht für den 30.09.2016. Eine Verlegung des Termins würde also eine weitere erhebliche Verzögerung mit sich bringen. Diese ist schon deswegen nicht angezeigt ist, weil der Verteidiger mit Schriftsatz vom 16.06.2016 (Bl. 154 d.A.) dargelegt hat, dass aus seiner Sicht der Sachverständige die ihm gestellte Beweisfrage bislang nicht beantwortet hat. Es muss also davon ausgegangen werden, dass weitere Beweisanträge durch die Verteidigung gestellt werden und ggf. nach dem erneuten Hauptverhandlungstermin die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Insoweit muss bei der Terminierung aber auch den kurzen Verjährungsfristen im Ordnungswidrigkeitenrecht und den Besonderheiten der Rechtsprechung zur Angemessenheit von Fahrverboten Rechnung getragen werden. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist anerkannt, dass bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat (Datum der möglichen Tat hier: August 2015) und Urteil der erzieherische Sinn und Zweck des Fahrverbots an sich infrage gestellt sein kann (vergleiche OLG Celle, Beschluss vom 18.07.2012, Aktenzeichen: 311 SsBs 82/12; Krumm, Das Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Auflage 2014, § 6 Rn. 164 m.w.N.). Regelmäßig wird daher in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte postuliert, dass bei einer Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren ein Fahrverbot in der Regel nicht mehr angeordnet werden kann. Vor diesem Hintergrund sind Terminsverlegungsanträge in Ordnungswidrigkeitensachen, bei denen ein Fahrverbot droht, besonders kritisch zu prüfen. Vom Verteidiger kann gerade deswegen verlangt werden, substantiiert zu den Gründen eines Terminsverlegungsantrages vorzutragen.
8Demgegenüber war die anwaltliche Versicherung des Verteidigers, dass er tatsächlich die gesamten Sommerferien, d.h. sechseinhalb Wochen, urlaubsabwesend sei und keinen Gerichtstermin wahrnehmen könne, einer Ermessensprüfung nicht zugänglich. Nach der oben genannten Rechtsprechung, insbesondere des Oberlandesgerichts Schleswig, ist dem Verteidiger zuzumuten, substantiiert darzulegen, dass er über einen Zeitraum der gesamten Ferien urlaubsabwesend ist und keine Termine wahrnehmen kann. Folgte man der Rechtsansicht des Verteidigers, so hätte es die Verteidigung in der Hand, über die schlichte anwaltliche Versicherung ohne konkreten Vortrag dafür zu sorgen, dass innerhalb der Sommerferien keine Gerichtstermine in Strafsachen stattfinden könnten. Damit würde quasi „durch die Hintertür“ eine dem § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO (Ehemalige Gerichtsferien) entsprechende Regelung in die StPO eingeführt. Das hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt, eine dem § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO entsprechende Regelung findet sich in der StPO nicht.
9Im Übrigen kommt eine Terminsverlegung zum jetzigen Zeitpunkt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Betroffene ausweislich der Vollmacht vom 20.10.2015 hier zwei Wahlverteidigern, nämlich Herrn Rechtsanwalt X. und Herrn Rechtsanwalt Y. Vollmacht erteilt hat (vgl. die Vollmacht Bl. 14 d.A.).
10Das Gericht verkennt dabei nicht, dass nach einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung eine anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes ausreichend sein soll. Hier ist aber bereits eine Prüfung der Hinderungsgründe des Verteidigers durch das Gericht nicht möglich, weil der Hinderungsgrund nicht substantiiert vorgetragen wird. Insofern kommt es auf die Art der Glaubhaftmachung hier nicht an.
Annotations
(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.
(2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, soll der Vorsitzende den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter abstimmen.
(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.
(2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, soll der Vorsitzende den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter abstimmen.
(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht
- 1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; - 2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; - 3.
das Einvernehmen der Parteien allein.
(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für
- 1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen, - 2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 3.
(weggefallen) - 4.
Wechsel- oder Scheckprozesse, - 5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird, - 6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist, - 7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder - 8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.