1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Sparanteil aller Beitragszahlungen des Klägers auf die ...-Rentenversicherung Nr. ... bis zum Ende der Beitragszahlungsverpflichtung am 30.11.2049 mit dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % jährlich zu verzinsen hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.08.2017 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
Die Parteien streiten über die Höhe des garantierten Rechnungszinses einer ...-Rentenversicherung.
Der Kläger schloss am 30.11.2007 bei der Beklagten eine ...-Rentenversicherung ab, als Vertragsbeginn war der 01.01.2007 vereinbart (K3, K4). Gegenstand des Versicherungsangebotes war u.a. eine „Musterrechnung“ für eine Rentenversicherung als Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz. Danach betrug der garantierte Rechnungszins 2,25 % jährlich (Anlage K1).
Der Versicherungsschein wurde von der Beklagten zusammen mit einem Schreiben vom 30.11.2007 (K3) an den Kläger übersandt. Sowohl die Musterrechnung als auch die ABAVV 2007 mit Anhang waren dem Schreiben als Anlagen beigefügt (K3 S. 2 unten).
Im Versicherungsschein wurde der monatliche Eigenbeitrag für die Jahre 2008 und 2009 auf 5,00 € monatlich festgesetzt (Anlage K4). Nach Beendigung seiner Ausbildung im Jahre 2009 erhöhte der sich vom Kläger zu zahlende Eigenbeitrag entsprechend der gesetzlichen Vorschriften auf 3 % des Bruttoarbeitseinkommens, das im Vorjahr erzielt worden war. Bis Ende des Jahres 2016 wurden die Sparanteile aller vom Kläger einbezahlten Beiträge mit dem Rechnungszins von 2,25 % jährlich verzinst.
Der Kläger teilte der Beklagten jeweils sein Vorjahresbruttoeinkommen mit, die Beklagte errechnete hieraus den Gesamtbeitrag, abzüglich der staatlichen Zulage sowie des sich hieraus ergebenden monatlich zu zahlenden Eigenbeitrages des Klägers.
In der Standmitteilung für das Jahr 2015, die dem Kläger mit Schreiben vom 24.02.2016 übermittelt wurde, wurde auf Seite 6 zur zukünftigen Wertentwicklung des Vertrages mitgeteilt:
„Die Mindestleistungen ergeben sich durch die Verzinsung mit dem über die gesamte Aufschubzeit garantierten Rechnungszins (2,25 % bei Ihrem Vertrag).“ (Anlage K5).
Mit Schreiben vom 10.03.2017 übermittelte die Beklagte dem Kläger wie in den Vorjahren einen Nachtrag zum Versicherungsschein, aus dem sich ergab, dass sich der Eigenbeitrag des Klägers ab dem 01.01.2017 auf monatlich 119,37 € belaufen sollte (Anlage K8, K9). In diesem Nachtrag wies die Beklagte erstmals darauf hin, dass auf den Betrag, um den der Beitrag im Jahre 2017 gegenüber dem Versicherungsbeitrag aus dem Jahre 2016 erhöht werden würde, auf der Grundlage eines „neuen Tarifs“ nun ein Rechnungszins von 0,9 % jährlich entrichtet werde (Seite 1 des Nachtrags zum Versicherungsschein K9).
Mit Schreiben vom 22.03.2017 beantragte der Kläger, den Versicherungsbeitrag wiederum auf 98,57 € zu reduzieren (Anlage K10). Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 31.03.2017 die Rückgängigmachung der Beitragsanpassung und wies zugleich darauf hin, dass der Garantiezins von jährlich 2,25 % weiterhin auf den Eigenbeitrag von 98,57 € bezahlt werde (Anlage K11).
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte inbesondere auch unter Berücksichtigung der Vorschriften der Deckungsrückstellungsverordnung ihm den bei Abschluss der ...-Rentenversicherung maßgeblichen Rechnungszins von 2,25 % über die gesamte Laufzeit und auf alle von ihm einzuzahlenden Beiträge bzw. deren Sparanteile zu gewähren habe.
Der Kläger ist der Meinung, dass die hier maßgeblichen AVB, die ABAVV 2007 keine Vorschrift enthielten, die eine Relativierung des Rechnungs- bzw. Garantiezinses zuließen. § 7 AVB könne nicht als Rechtsgrundlage dienen, da diese Vorschrift den Rechnungszins nicht einmal erwähne und im Übrigen intransparent sei. Aufgrund der dem Kläger gegebenen Zusage zum Rechnungszins von 2,25 % im Jahre 2007 habe für den Kläger auch überhaupt keine Veranlassung bestanden, in den AVB der Beklagten nach Regelungen zu suchen, die eine Reduzierung des Rechnungszinses ermöglichten. Eine solche Klausel wäre, wäre sie in den AVB tatsächlich enthalten und transparent formuliert, jedenfalls überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB und damit unwirksam.
Die Beklagte sehe ihr Bedingungswerk offensichtlich selbst als intransparent an, da sie zwischenzeitlich für neue ...-Rentenversicherungsverträge ein neues Bedingungswerk, die ABAVV 04/2017, verwende. In dem dortigen § 2, der die Thematik der früher in § 7 geregelten Beitragsherabsetzung Beitragserhöhungen regele, heiße es nun wörtlich: „(...). Das bedeutet, dass ein anderer Rechnungszins und eine andere Sterbetafel als zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendet werden können. (...).“
Der Kläger ist im Übrigen der Ansicht, dass keine Veranlassung bestehe, die Rechte von Versicherungsnehmern wie den Kläger aus zwischenzeitlich zehn Jahre alten Versicherungsverträgen zu beschneiden, da es der Beklagten unbenommen bleibe, mit neuen Versicherungsnehmern andere Bedingungen zu vereinbaren.
Der Kläger beantragt:
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1.Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Sparanteil aller Beitragszahlungen des Klägers auf die ...-Rentenversicherung Nr. ... bis zum Ende der Beitragszahlungsverpflichtung am 30.11.2049 mit dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % jährlich zu verzinsen hat.
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2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zählen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger lediglich für die bis einschließlich des Jahres 2016 gezahlten Eigenbeträge von monatlich 98,57 € den garantierten Zins von 2,25 % auch zukünftig, ggf. bis in das Jahr 2049 erhalte, während er für den im Jahre 2017 erhöhten Eigenbeitrag von 20,80 € lediglich den im Jahre 2017 laut Tarif ermittelten Garantiezins von 0,9 % erhalte.
Sie ist der Auffassung, dass sich dies aus § 7 (2) der ABAVV 2007 ergebe (Anlage K15). Damit sei vereinbart, dass die Erhöhung der Versicherungsleistungen sich nach dem Geburtstag des Klägers, der restlichen Laufzeit bis zum vereinbarten Rentenbeginn und den zum jeweiligen Erhöhungstermin gültigen Tarif errechnet werde. Sie ist der Ansicht, dass aus dieser Regelung deutlich werde, dass Jahr für Jahr bei erhöhten Eigenbeiträgen eine Neuberechnung u.a. des Garantiezinses erfolgen könne, wobei die Anpassung sich nur hinsichtlich des erhöhten Eigenbeitrages ergebe. Sie ist der Meinung, dass in der Musterrechnung darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei den dortigen Berechnungen nur um unverbindliche Erläuterungen handle, zudem sei darauf hingewiesen worden, dass es Anpassungen nach oben, aber eben auch nach unten geben könne bzw. wirtschaftlich gesehen auch geben müsse.
Sie ist weiter der Auffassung, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sie dauerhaft über die gesamte Vertragslaufzeit den ursprünglichen Rechnungszins für Erhöhungsbeiträge zahlen werde. Zudem werde der Kläger nicht nur für die Jahre bis 2016 begünstigt sondern für den bis dahin aufgelaufenen Eigenbeitrag von monatlich 98,52 € auch für die weitere Zukunft. Eine Rechtsgrundlage dafür, dass ihm diese freiwillige Gewährung besserer Konditionen ggf. bis in das Jahr 2049 zustehe, könne daraus nicht abgeleitet werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers- sowie des Beklagtenvertreters samt den jeweiligen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2018 und die sonstigen Aktenbestandteile verwiesen.
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
1. Der Anspruch des Klägers auf Feststellung, dass der Beklagte den Sparanteil aller Beitragszahlungen des Klägers bis zum Ende der Beitragszahlungsverpflichtung mit dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % jährlich zu verzinsen hat, ergibt sich aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 (3) Satz 2 ABAVV 2007 (K15), der Musterrechnung (K1, Seite 3) sowie der Standmitteilung vom 24.02.2016 (Seite 6).
Bereits bei wörtlicher Auslegung des Begriffs „Garantiezins“ ergibt sich, dass es sich bei dem zugesagten jährlichen Zins von 2,25 % um eine uneingeschränkte und uneinschränkbare Zusage handelt, dass dieser Zins über die gesamte Laufzeit des Vertrages gewährt werden soll. Insbesondere auch aus der dem Vertrag beigefügten Musterrechnung (K1) ergibt sich, dass sich die Gesamtverzinsung aus dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % sowie dem lediglich beispielhaft zugrunde gelegten Zinsüberschuss zusammensetzt (K1, Seite 6 unten).
Unstreitig war sowohl die Musterrechnung als auch die ABAVV 2007 mit Anhang dem Schreiben des Beklagten vom 30.11.2007 (K3) bei Übersendung des Versicherungsscheines beigefügt. Zudem war die Musterrechnung Grundlage des Versicherungsangebotes der Beklagten vor Vertragsabschluss. Unstreitig ergibt sich bereits wörtlich aus der Standmitteilung der Beklagten vom 24.02.2016 (K5, Seite 6 unten), dass der garantierte Rechnungszins beim streitgegenständlichen Versicherungsvertrag 2,25 % beträgt.
§ 7 (2) ABAVV 2007 ermöglicht es dem Beklagten nicht, den garantierten Rechnungszins von 2,25 % p.a. zu reduzieren. Zum einen wird unter der Rubrik „Beitragserhöhung“ weder der Begriff Rechnungs- noch Garantiezins erwähnt. Zwar spricht die Regelung davon, dass die Erhöhung der Versicherungsleistungen sich nach dem Geburtsdatum des Versicherungsnehmers, der restlichen Laufzeit bis zum vereinbarten Rentenbeginn und den zum jeweiligen Erhöhungstermin gültigen Tarif errechnet. Aus dieser Formulierung ist jedenfalls nicht abzuleiten, dass der Beklagte jederzeit eigenmächtig den garantierten Rechnungszins von 2,25 % p.a. reduzieren kann, da diese Auslegung jedenfalls gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen würde.
Zu den Anforderungen an das Transparenzgebot sind insbesondere bei versicherungsvertraglichen Regelungen, die den Versicherungsnehmer wirtschaftlich belasten, sehr hohe Anforderungen zu stellen. Eine Regelung hält deshalb einer Transparenzkontrolle auch dann nicht Stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Seiten verdunkelt wird (BGH, Urteil vom 13.01.2016, Az. IV ZR 38/14, Rz. 24).
Da hier der Rechnungszins in verschiedenen, dem Kläger zur Verfügung gestellten Unterlagen benannt wurde und in den Versicherungsbedingungen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich hätte geregelt werden müssen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Beitragsanteile der Beklagte diesen Rechnungszins entgegen seiner sonstigen Mitteilungen nicht gewähren will, hält § 7 der ABAVV 2007 bei einer wie von Beklagtenseite vorgenommenen Auslegung mit der Möglichkeit zur Reduzierung des garantierten Rechnungszinses einer Transparenzkontrolle nicht Stand.
Im Übrigen hatte der Kläger keine Veranlassung, sämtliche Schriftstücke des Beklagten daraufhin zu untersuchen, ob der mitgeteilte Garantiezins von 2,25 % p.a. etwa im anderen Bedingungswerk relativiert werden würde. Insoweit wäre die Klausel in § 7 Abs. 2 ABAVV 2007 jedenfalls als überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB anzusehen und deshalb unwirksam.
Im Übrigen kann sich der Kläger auch auf Vertrauensschutz berufen, da über einen Zeitraum von über neun Jahren hinweg ohne Einschränkung für sämtliche Beitragserhöhungen der garantierte Rechnungszins von 2,25 % p.a. ohne Einschränkung gewährt wurde. Deshalb durfte er bei der Planung seiner Vermögensanlagen auf die dauerhafte Leistung des Garantiezinses vertrauen. Da es der Beklagten unbenommen bleibt, beim Abschluss neuer Verträge einen reduzierten Garantiezins anzubieten, stellt die durchgehende Zahlung des vereinbarten Garantiezinses bei Altverträgen für sie auch keine unzumutbare Härte dar.
Da sich der Anspruch des Klägers bereits aus den dargelegten Gründen ergibt, kann dahingestellt bleiben, ob § 2 Abs. 2 DeckRV als weitere Anspruchsgrundlage in Betracht kommt oder nur Fragen des Versicherungsaufsichtsrechts regelt.
2. Der Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286, 249 ff. BGB.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.