Urteils-Kommentar zu Landgericht Berlin Urteil, 28. Feb. 2024 - 66 S 178/22 von Dirk Streifler
Landgericht Berlin Urteil, 28. Feb. 2024 - 66 S 178/22
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 03.06.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg (Aktenzeichen 14 C 96/21) abgeändert; die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft über die im Mietvertrag vom 26.11.2021 mit den Mietern M und K vereinbarte Miete für die Wohnung in 10967 Berlin, U.straße , 3. OG links mit einer Größe von 78,03 qm zu erteilen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
Gründe
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur noch) ein Auskunftsanspruch des Klägers, den das Amtsgericht im angefochtenen Urteil als unbegründet („unschlüssig“) abgewiesen hat.
Zwischen den Parteien bestand ursprünglich ein Mietverhältnis über eine 3-Zimmer-Wohnung in 10967 Berlin, U.straße. Nachdem die Beklagten im Juli 2015 eine Eigenbedarfskündigung zum Zweck der Überlassung der Räume an ihre Tochter erklärt hatten, erlangten sie nach Abschluss eines von ihnen betriebenen Räumungsprozesses im November 2018 die Wohnung zurück. Die Tochter der Beklagten zog nicht in die Wohnung ein; stattdessen schlossen die Beklagten im November 2021 einen Mietvertrag mit anderen Mietinteressenten und übergaben die Wohnräume an diese neuen Mieter.
Für weitere Einzelheiten des Tatbestandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen. Ergänzungen sind zum besseren Verständnis der gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten zwischen den Parteien wie folgt veranlasst (zur Wahrung der Übersicht werden durchgehend die im hier geführten Verfahren zutreffenden Bezeichnungen Kläger bzw. Beklagte beibehalten):
Das Räumungsurteil gegen den Kläger war Gegenstand eines beim Amtsgericht zum Aktenzeichen 5 C 278/15 geführten Verfahrens. Es wurde nach Zurückweisung der Berufung des Klägers (LG Berlin 66 S 100/17) rechtskräftig. Nach Entdeckung der Tatsache, dass die Tochter der Beklagten nicht in die Wohnung eingezogen war, machte der Kläger im Verfahren 3 C 107/20 (später 24 C 71/22) die ihm entstandenen Umzugskosten als Schadensersatz geltend. Die antragsgemäße Verurteilung der Beklagten zur Zahlung und die gleichzeitige Abweisung der insoweit vom Kläger auch gegen die Tochter geltend gemachten Ersatzansprüche wurden durch Berufungsurteil vom 06.04.2022 (LG Berlin 66 S 203/21) rechtskräftig.
Bereits geraume Zeit zuvor (nämlich mit Zustellung der Klageschrift im hier geführten Verfahren am 28.05.2021) verlangte der Kläger die Wiedereinräumung des Besitzes an den zu dieser Zeit nicht bewohnten Räumen. Die Beklagten ließen zunächst in der Klageerwiderung vom 10.06.2021 (u.a.) vortragen, ihre Tochter und deren Lebensgefährte hätten unverändert die Absicht, in der Wohnung dauerhaft zu wohnen. Sodann teilten sie allerdings im Schriftsatz vom 06.12.2021 mit, dass „im November 2021“ die Wohnung an neue Mieter vermietet worden war, weshalb die Einräumung des Besitzes unmöglich sei. Nach der am Folgetag stattfindenden mündlichen Verhandlung gab das Amtsgericht den Beklagten auf, eine Kopie des Mietvertrages an Gericht und Kläger zu übermitteln, und fügte hinzu „Die Miethöhe soll hierbei nicht geschwärzt werden“. Die Beklagten legten mit Schriftsatz vom 21.12.2021 eine Kopie des Mietvertrages vor, in welcher die Miete gleichwohl geschwärzt worden war. Ergänzend erklärten sie, dass die Vermietung zwar wegen erforderlicher Restarbeiten erst zum 1.2.2022 erfolgt sei, gleichwohl aber die neuen Mieter schon den Schlüssel erhalten hätten.
Nachdem der Kläger in der Folgezeit vergeblich versucht hatte, das Amtsgericht zur Durchsetzung der erforderten Vorlage einer ungeschwärzten Mietzinsvereinbarung zu bewegen, machte er mit Schriftsatz vom 09.05.2022 klageändernd erstmals den mit seiner Berufung weiterverfolgten Auskunftsanspruch anhängig.
Das Amtsgericht hat die Auskunftsklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Begehren sei bereits unschlüssig, weil die aktuell von den neuen Mietern geschuldete Miethöhe zur Geltendmachung eines etwaigen Schadens (Umzugskosten, Mietdifferenzschaden) gänzlich irrelevant sei, also nicht benötigt werde. Die lediglich als Bitte des Gerichts angeregte Vorlage einer nicht geschwärzten Mietzinsvereinbarung ändere an der rechtlichen Unerheblichkeit derselben für den Kläger nichts. Insbesondere aus § 242 BGB ergebe sich kein Auskunftsanspruch des Klägers.
Der Berufungskläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, Auskunft über die am 26.11.2021 mit den Mietern M und K vereinbarte Miete für die Wohnung U, straße , 10967 Berlin, 3. OG links mit einer Größe von 78,03 qm zu erteilen.
Die Berufungsbeklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie rügen die Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil des Amtsgerichts; sie meinen, der Kläger habe bereits die Geltendmachung eines Mietdifferenzschadens angekündigt, weshalb er über die (dafür irrelevante) Auskunft offenbar lediglich seine Neugier befriedigen wolle. Zur Zeit der Neuvermietung habe zwischen den Parteien keinerlei Rechtsverhältnis bestanden; die 2018 gegen den Kläger im Wege der Zwangsvollstreckung betriebene Räumung sei allein nach den Maßstäben von § 826 BGB zu hinterfragen, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg. Der vom Kläger weiterverfolgte Auskunftsanspruch ist gemäß § 242 BGB begründet; das klageabweisende Urteil ist demgemäß abzuändern.
1.
Die Beklagten meinen zu Unrecht, dass der für das Rechtsmittel erforderliche Wert der Beschwer von mehr als 600 € (§ 511 Abs. 2 Nummer 1 ZPO) nicht erreicht sei. Dem streitgegenständlichen Auskunftsanspruch ist im Wege der Schätzung der im hier geführten Verfahren maßgebliche Wert zuzuordnen. Die Kammer bringt dabei einen Anteil von 20 % berechnet von demjenigen wirtschaftlichen Interesse in Ansatz, dessen konkreter Einschätzung und gegebenenfalls Verfolgung seitens des Klägers die eingeklagte Auskunft dienen kann. Der Kläger hat vorgetragen, Angaben zu der (neuen) Miethöhe zu benötigen, um in der Lage zu sein, mögliche Schadensersatzansprüche zu beziffern (so erstmals schon im Schriftsatz vom 10.1.2021; Bl. I 153).
Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels kommt es dann auf die Differenz zwischen der Miete, die der Kläger selbst zuletzt für die Wohnung der Beklagten gezahlt hat und derjenigen, welche die neuen Mieter an die Beklagten entrichten an. Der Betrag dieses Interesses, das der Kläger über die streitgegenständliche Auskunft beurteilen und ggf. verfolgen will, ist entsprechend § 9 Satz 1 ZPO der mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag anzusetzen. Mit einem Wertanteil von 20 % dieses Interesses erreicht der Auskunftsanspruch die erforderliche Beschwer für das Berufungsverfahren, wenn der 42-fache Differenzbetrag mindestens 3.000,01 € beträgt. Diese Voraussetzung ist gegeben.
Die monatliche Nettokaltmiete des Klägers ist ausgehend von dem Streitwert der Klageschrift mit monatlich 485 € anzusetzen. Die erforderliche Differenz wird erreicht, sobald die Neuvermietung der 78,03 m² großen Wohnung zu einem Betrag von mindestens 556,43 € monatlich erfolgt ist. Die 42-fache Differenz beträgt dann 3.000,06 €; der Wert des Auskunftsanspruchs mit 20 % davon erreicht die erforderliche Berufungsbeschwer.
Die Kammer hat die vorstehenden Werte mit den Parteien eingehend erörtert und darauf hingewiesen, dass bei einer realistischen Schätzung des Mietzinses im November 2021 für die streitgegenständliche Wohnung ein Mietzins oberhalb von 556,43 € anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus den kalkulatorisch zu berücksichtigenden ortsüblichen Vergleichsmieten nach dem Berliner Mietspiegel und unter Berücksichtigung des angespannten Wohnungsmarktes. Hinzu kommt, dass die Wohnung den neuen Mietern gemäß § 12 des Mietvertrages „in einem exzellenten Zustand“ überlassen worden ist. Anderslautender Vortrag dazu oder andere Einwände sind von beiden Seiten nicht geäußert worden.
2.
Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache erfolgreich. Der vom Kläger verfolgte Auskunftsanspruch ist unter den hier zu berücksichtigenden Umständen entsprechend § 242 BGB begründet.
a) Das Amtsgericht ist grundsätzlich mit Recht davon ausgegangen, dass der Auskunftsanspruch des Klägers sich allein aus § 242 BGB ergeben kann. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen hat es aber zu Unrecht verneint.
Auskunftsansprüche aus § 242 BGB sind für eine Vielzahl von tatbestandlich umrissenen Fallgruppen anerkannt. Ein darin ausgedrückter allgemeiner Maßstab wird überzeugend dahingehend formuliert, ein Auskunftsanspruch werde „...unter Berufung auf § 242 BGB gewährt, wenn eine besondere rechtliche Beziehung zwischen dem Auskunftsfordernden und dem Inanspruchgenommenen besteht und es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seiner Rechte im Ungewissen, der Inanspruchgenommene aber in der Lage ist, die verlangte Auskunft unschwer zu erteilen (vgl. nur Staudinger Rz. 605 zu § 242 BGB m.w.N., etwa auf BGH VersR 2018, 230).
b) Die Annahme des Amtsgerichts, die vom Kläger begehrte Auskunft sei für ihn „gänzlich irrelevant“, trifft nach Auffassung der Kammer nicht zu. Der Kläger beabsichtigt die Verfolgung der ihm zustehenden Rechte nach dem Verlust der früher von ihm genutzten Wohnung. Teilweise (hinsichtlich der Umzugskosten) sind seine Bemühungen gegenüber den Beklagten durch deren rechtskräftige Verurteilung bereits erfolgreich gewesen. Das rechtskräftige Berufungsurteil vom 6.4.2022 (LG Berlin; Az. 66 S 203/21) hat dem Kläger Ersatz für die Schadensposition der Umzugskosten auf der Grundlage einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung zugesprochen. Das demgemäß im Raum stehende Haftungsverhältnis zwischen den Parteien ist als „besondere rechtliche Beziehung“, wie ein Auskunftsbegehren nach § 242 BGBsie erfordert, anzuerkennen. Auskunftsansprüche in dieser Sonderbeziehung sind davon abhängig, ob der Kläger entschuldbar keine Kenntnis über einen Umstand besitzt, den er zur Entscheidung über das Bestehen und den Umfang seiner Rechte benötigt, und den die Beklagten unschwer offenlegen können. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der anlässlich der Neuvermietung vereinbarten Miethöhe nach Ansicht der Kammer erfüllt.
c) Dem Amtsgericht ist zwar darin zu folgen, dass bestimmte Formen der Kompensation der dem Kläger entstandenen Einbußen und Nachteile geltend gemacht werden können, ohne dass dafür eine Kenntnis von den Konditionen der von den Beklagten vorgenommenen Neuvermietung notwendig wäre. Der Kläger selbst hat dies anlässlich der Durchsetzung seines Ersatzanspruchs wegen der Umzugskosten so gehandhabt.
Die von den Beklagten mit den neuen Mietern in der Wohnung vereinbarte Miete ist aber für den Bestand und gegebenenfalls den Umfang anderer Rechte des Klägers erheblich, über die er ohne die verlangte Auskunft entschuldigt im Ungewissen ist. In der hier zu beurteilenden Konstellation ist die Rechtsstellung des Klägers nämlich nicht zwingend darauf beschränkt, Ausgleich für solche wirtschaftlichen Einbußen zu beanspruchen, die ihm durch eigene Ausgaben (also selbstfinanzierte Mehrausgaben) entstanden sind. Die „besondere rechtliche Beziehung“ zwischen den hier streitenden Parteien geht angesichts des tatsächlichen Hergangs, durch den der Kläger die früher innegehaltene Wohnung endgültig verloren hat, über Schadensersatzansprüche hinaus; sie schließt weitere Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten ein, namentlich solche aus § 285 Abs. 1 BGB.
aa)
§ 285 Abs. 1 BGB verpflichtet den Schuldner, der von seiner Pflicht zur Leistung eines geschuldeten Gegenstands nach § 275 BGB frei geworden ist, zur Herausgabe eines für den Gegenstand empfangenen Ersatzes (bzw. zur Abtretung entsprechender Ersatzansprüche). Diese Regelung schreibt nach dem Erlöschen einer primären Leistungspflicht (etwa wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB) die vor dem Eintritt der Unmöglichkeit bestehende Rechtslage fort; sie wird als Unterfall der Eingriffskondiktion und als „...mit § 816 BGB zweckverwandt...“ bezeichnet (vgl. Staudinger/Caspers; Rz. 2 zu § 285 BGB m.w.N.).
§ 285 Abs. 1 BGB enthält dabei selbst keine Schadensersatzregelung; die angeordnete Rechtsfolge ist insbesondere nicht von einem Verschuldenserfordernis auf der Seite des in Anspruch genommenen Schuldners abhängig. Der Anspruch auf Ersatzherausgabe stellt sich stattdessen als Parallele zum Institut der Vorteilsausgleichung dar. Wird dort der Gläubiger durch Leistung von Schadensersatz um einen (auszugleichenden) Vorteil bereichert, so geschieht entsprechendes in der Konstellation von § 285 Abs. 1 BGB auf der Seite des Schuldners, dessen Leistung der Gläubiger ursprünglich zu fordern berechtigt war (vgl. Staudinger a.a.O. Rz. 3 m.w.N.). Dasselbe Ereignis, welches das bestehende Gläubigerrecht (nach § 275 Abs. 1 BGB ebenfalls verschuldensunabhängig) erlöschen lässt, bewirkt auf der Seite des freigewordenen Schuldners einen Zuwachs. Da der wegen § 275 BGB nicht mehr geschuldete Leistungsgegenstand wirtschaftlich dem Gläubiger gebührte, realisiert § 285 Abs. 1 BGB mit dem Anspruch auf Herausgabe des Ersatzes die bestmögliche Beibehaltung der Vermögenszuordnung, die wirtschaftlich vor dem Eintritt der Unmöglichkeit bereits rechtsverbindlich begründet war.
bb)
Die von § 285 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Konstellation ist im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten eingetreten.
Der Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen fehlenden Kündigungsgrundes unwirksam ist, ist dem Mieter zum Schadensersatz verpflichtet ist, insbesondere auch dann, wenn ein vom Vermieter mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf in Wahrheit nicht besteht (BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03 –, Rn. 10, juris). Der auf der Grundlage einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung herbeigeführte Wohnungsverlust führt zunächst zum Bestehen eines Anspruchs des (früheren) Mieters auf „Wiedereinräumung der Besitz- und Mietrechte“ (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 313/08 –, juris). Der unberechtigt kündigende Vermieter ist verpflichtet, die vor dem Wohnungsverlust bestehende Rechtsstellung des Mieters wiederherzustellen, mithin eine mietvertraglich abgesicherte tatsächliche Ausübung berechtigten Besitzes an den Wohnräumen neuerlich zu ermöglichen. Die damit beschriebene Pflicht zur Überlassung unmittelbaren Mietbesitzes an der Wohnung stellt rechtlich die „Leistung eines Gegenstandes“ im Sinne von § 285 Abs. 1 BGB dar; die Verpflichtung des Vermieters unterscheidet sich insoweit nicht von derjenigen, die er nach den Maßstäben eines gänzlich neu geschlossenen Mietvertrages gegenüber seinem Vertragspartner zu erfüllen hat.
Diese Pflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger bestand bis zum November 2021, denn unstreitig war die Wohnung seit der Räumung des Klägers vorher zu keiner Zeit einem neuen Nutzer überlassen worden. Weder eine Veräußerung (vgl. dazu BGH VIII ZR 313/08) noch ein sonst eingetretener Verlust des unmittelbaren Besitzes der Beklagten an den Räumen hatte sich bis Ende 2021 ereignet.
Der Abschluss des neuen Mietvertrages am 26.11.2021 änderte an dieser Ausgangslage für sich betrachtet ebenfalls noch nichts. Im Falle einer Doppelvermietung bleibt der Vermieter ungeachtet mehrerer konkurrierender Leistungsansprüche der verschiedenen Mieter in seiner Entscheidung frei, welchen der begründeten Ansprüche er erfüllen will. Der Leistungsanspruch (eines jeden Mieters) erlischt also nicht, solange die Überlassung des geschuldeten Mietbesitzes dem Vermieter möglich bleibt; die Ansprüche bleiben so lange bestehen, bis der Vermieter seine Entscheidung, eines von mehreren Schuldverhältnissen (auf Kosten des anderen) zu erfüllen in die Tat umgesetzt hat. Selbst dann wird der Vermieter als Schuldner des Besitzverschaffungsanspruchs in dem zweiten Mietverhältnis (noch) nicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei, solange ihm die Möglichkeit offensteht, den zunächst anderweitig übertragenen Besitz wieder zurückzuerlangen.
Diese Konstellation liegt hier aber nicht vor. Es ist unstreitig geblieben, dass die von den Beklagten selbst vorgetragene unverzügliche Übergabe der Räume an die neuen Mieter nach Abschluss des Mietvertrages vom November 2021 eine dauerhafte ist, weshalb der ursprünglich vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes ihm gegenüber von den Beklagten nicht mehr erfüllt werden kann (Schriftsatz des Klägers vom 09.05.2022, S. 2 unten). In diesem Verhältnis ist damit die Rechtsfolge gemäß § 275 Abs. 1 BGB eingetreten, woraus zugunsten desjenigen, der nunmehr seinen Leistungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann, die Möglichkeit folgt, nach § 285 Abs. 1 BGB auf ein vorhandenes Surrogat zuzugreifen. Die Beklagten haben mit dem dauerhaft berechtigten Mietbesitz genau den Gegenstand, den der Kläger zu beanspruchen hatte, den neuen Mietern überlassen. Es besteht also (anders als z.B. im Falle einer Veräußerung der Wohnung) hier keine Differenz zwischen demjenigen, was dem Kläger entgangen ist gegenüber demjenigen, wofür den Beklagten als Surrogat nun der neue Mietzins zufließt.
Dem Wesen des so entstandenen Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Beklagten entspricht es, dass der Kläger ohne die Kenntnis über eine bestehende Differenz zwischen der früher und der heute für die Nutzung der identischen Räume vereinnahmten Miete nicht in die Lage versetzt ist, das Bestehen und den genauen Inhalt bzw. den Umfang seiner diesbezüglichen Rechte zu beurteilen. Der Kläger hat auch erstinstanzlich mit allen ihm offenstehenden Möglichkeiten versucht, die begehrte Information dadurch zu erhalten, dass das Amtsgericht den von diesem selbst geäußerten „Wunsch“ nach einer nicht geschwärzten Miethöhe auch tatsächlich durchsetzte; nachdem dies erfolglos blieb, ist die fortbestehende Unkenntnis des Klägers ihm nicht vorzuwerfen. Ebenso steht fest, dass die Miethöhe seitens der Beklagten mit Leichtigkeit bekannt gegeben werden kann. Die oben unter 2 a) dargestellten Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben sind damit erfüllt.
cc)
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich bereits mit einem ähnlich gelagerten Konflikt zu befassen hatte. Die Entscheidung des BGH (XII ZR 124/02 vom 10.05.2006; juris) betraf zwar noch die Rechtslage gemäß dem bis zur Zivilrechtsreform geltenden § 281 BGB a.F.; dieser entsprach aber in allen hier maßgeblichen Details dem heutigen § 285 Abs. 1 BGB, sodass die Konsequenzen aus der genannten Entscheidung auf die hier zu beurteilende Konstellation übertragbar sind.
In dem entschiedenen Fall beanspruchte der „ausgebootete“ unter zwei konkurrierenden Nutzern einer (Parkplatz-)Fläche vom Vermieter Herausgabe des Erlöses, den der Vermieter von einem anderen Mieter vereinnahmte, welcher auf der ihm vom Vermieter überlassenen Fläche einen Markt betrieb.
In dieser Konstellation führt der BGH aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen deshalb nicht vollständig vorliegen, weil die erforderliche Identität zwischen dem vom klagenden Gläubiger eingebüßten Gegenstand und demjenigen Surrogat fehlt, das dem Schuldner von Seiten des anderen Mieters zufließt. Ein Anspruch (aus § 281 BGB a.F.) setzt danach voraus, dass der Anspruchsteller (frühere Mieter) durch Unmöglichkeit genau dasjenige eingebüßt hat, wofür der in Anspruch genommene (Vermieter) den herausverlangten Ersatz erlangt. An dieser Identität fehlt es, wenn der klagende frühere Mieter „einen Parkplatz verloren“ hat, als Ersatz vom Vermieter aber den „Mietzins für einen Marktplatz“ herausverlangt. Die damit eintretende Beschränkung des Herausgabeanspruchs (nach § 281 a.F. BGB) sei schon vom Reichsgericht als erforderlich angesehen worden, um eine allgemeine Ausgleichspflicht von unberechenbarer Tragweite zu vermeiden (BGH a.a.O. juris Rz. 29 m.w.N.). Entscheidend für die Anerkennung oder Versagung derartiger Herausgabeansprüche soll „...die von den Parteien vertraglich angestrebte Güterordnung als Maßstab für die Unrichtigkeit der auszugleichenden tatsächlichen Verteilung der Vermögenswerte...“ sein (BGH a.a.O. juris Rz. 28).
Dem Herausgabeanspruch des (früheren) Parkplatzmieters stand daher konsequenterweise der Umstand entgegen, dass ihm „...weder eine anderweitige Nutzung noch eine Untervermietung gestattet (waren). Er hätte folglich die von ihm als „Surrogat“ herausverlangte Miete der Markthändler aufgrund der ihm lediglich zur Nutzung als Parkplatz zugewiesenen Gebrauchsüberlassung nicht erzielen können...“ (BGH a.a.O. Rz. 30).
Die danach (allein) anspruchshindernd vom BGH festgestellten Besonderheiten liegen in der hier zu beurteilenden Situation zulasten des Klägers aber gerade nicht vor. Die Unmöglichkeit der Besitzverschaffung zu seinen Gunsten fiel rechtlich und tatsächlich mit der Übergabe der Wohnung von den Beklagten an die neuen Mieter zusammen. Der Kläger hatte die identische Wohnraumnutzung zu beanspruchen, die nach der Übergabe der Räume an die neuen Mieter diesen zusteht und von ihnen realisiert wird. Genau dafür (nämlich für die mietvertragliche abgesicherte dauerhafte Nutzung der Räume als Wohnung) vereinnahmen die Beklagten den heute maßgeblichen Mietzins. Die Identität zwischen demjenigen, was der Kläger über die Folgen aus § 275 Abs. 1 BGB endgültig verloren hat und demjenigen, wofür die Beklagten aktuell von den neuen Mietern Mietzins vereinnahmen, ist in der hier zu beurteilenden Konstellation gegeben.
d) Dem Auskunftsanspruch des Klägers steht auch nicht der Hinweis der Beklagten darauf entgegen, dass die Räumung des Klägers auf der Grundlage einer von den Beklagten selbst betriebenen Zwangsvollstreckung erfolgt ist. Nach Auffassung der Kammer ist es im Falle einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung dem Vermieter, der nach der Rückerlangung der Räume Schuldner von Schadensersatzansprüchen ist, nicht (wie eine Privilegierung) zugute zu halten, dass er seine unwahre Darstellung eines Eigenbedarfs außer in einem Kündigungsschreiben auch noch in einem gerichtlichen Verfahren vertreten hat. Entsprechendes gilt von einem „Erfolg“, den der unberechtigt Kündigende dadurch erzielt, dass er (auch) den zuständigen Gerichten die Richtigkeit seiner unwahren Behauptungen und Absichten überzeugend vorspiegelt.
In der hier vorliegenden Entwicklung der Ereignisse ist im Übrigen zu beachten, dass die Beklagten den im Rechtsverhältnis zum Kläger entscheidenden Schritt (die dauerhafte Überlassung der Räume an die neuen Mieter) sehenden Auges zu einer Zeit herbeigeführt haben, als bereits der Anspruch auf Wiedereinräumung des Mietbesitzes rechtshängig war. In diesem Prozess wiederholten die Beklagten im Juni 2021 ihre Behauptung, die Tochter wolle unverändert (nach Jahren eines Leerstandes in den Räumen seit 2018) mit ihrem Lebensgefährten dort einziehen. Nur wenige Monate später schufen die Beklagten dann gegenteilige Fakten durch die Neuvermietung, und zwar zu einer Zeit, als das Amtsgericht mit Urteil vom 11.08.2021 (im Verfahren zum Aktenzeichen 24 C 71/22) die (inzwischen rechtskräftige) Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz für die Umzugskosten bereits ausgesprochen hatte. Nach dieser gerichtlichen Feststellung der Schadensersatzpflicht erweckt das plötzliche Vorgehen der Beklagten im November 2021 den Eindruck, dass die Wohnung eilig beiseite geschafft werden sollte, um endgültig jede Möglichkeit des Klägers zu vereiteln, weiter einen Wiedereinräumungsanspruch zu verfolgen.
3.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Entscheidung liegt die Würdigung der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls im Rahmen eines aus § 242 BGB abgeleiteten Anspruchs zugrunde. Die hier getroffene Entscheidung steht mit der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang. Eine darüber hinausgehende generelle Klärung von Rechtsfragen macht die Entscheidung ebenso wenig erforderlich, wie eine Abweichung von tragenden Rechtssätzen einschlägiger obergerichtlicher Entscheidungen.
I. Kern der Entscheidung
Das LG Berlin urteilte, dass ein Mieter, der durch eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung seine Wohnung verloren hat, vom Vermieter Auskunft über die Miethöhe der Neuvermietung verlangen kann. Diese Auskunft dient dem Zweck, mögliche Ansprüche nach § 285 Abs. 1 BGB geltend zu machen.
- Rechtsgrundlage: Der Auskunftsanspruch basiert auf § 242 BGB (Treu und Glauben).
- Unmöglichkeit: Da der Vermieter die Wohnung bereits weitervermietet hat, ist die ursprüngliche Leistungspflicht zur Wiedereinräumung des Besitzes nach § 275 BGB unmöglich geworden.
- Surrogat: Nach § 285 Abs. 1 BGB steht dem früheren Mieter ein Anspruch auf das „Ersatzsurrogat“ zu – in diesem Fall der Mehrerlös aus der Neuvermietung. Entscheidend ist die Identität zwischen dem verloren gegangenen Gegenstand (Mietrecht) und dem Ersatz (neu erzielter Mietzins).
II. Dogmatische Einordnung und Prüfung der Entscheidung
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Der Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB
Der Anspruch auf Auskunft aus Treu und Glauben setzt eine besondere rechtliche Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Diese liegt vor, wenn der Gläubiger über seine Rechte im Unklaren ist und der Schuldner die relevanten Informationen unschwer bereitstellen kann.- Das LG Berlin hat zutreffend erkannt, dass die Eigenbedarfskündigung und die daraus resultierenden Folgen ein besonderes Haftungsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter begründen.
- Für den Mieter ist die Miethöhe der Neuvermietung von zentraler Bedeutung, um prüfen zu können, ob er einen Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses geltend machen kann.
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Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 BGB
Da der Vermieter die Wohnung an Dritte überlassen hat, wurde die Verpflichtung zur Wiedereinräumung des Besitzes unmöglich. Dies ist ein klassischer Fall von Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Das Gericht hat zu Recht festgestellt, dass die ursprüngliche Pflicht des Vermieters erloschen ist. -
Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB – Das „stellvertretende Commodum“
§ 285 BGB ermöglicht es dem Gläubiger, das „Ersatzsurrogat“ zu verlangen, das der Schuldner aufgrund des Unmöglichwerdens der Leistung erlangt hat.- Im vorliegenden Fall wurde die Wohnung, deren Besitz dem Mieter zustehen sollte, an Dritte vermietet. Die dadurch erzielte Miete ist wirtschaftlich gesehen der Ersatz für das verlorene Mietrecht des ursprünglichen Mieters.
- Anders als im bekannten „Parkplatz-Fall“ des BGH (XII ZR 124/02), bei dem keine Identität zwischen dem verloren gegangenen und dem erhaltenen Gegenstand bestand, ist hier die Identität gegeben: Der Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs (Wohnung zur Nutzung) und das Surrogat (Mietzins für die Wohnung) stimmen überein.
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Richtigkeit der Entscheidung
Das LG Berlin setzt die Grundsätze des § 285 Abs. 1 BGB konsequent um. Der besondere Schutz des Mieters bei vorgetäuschten Eigenbedarfskündigungen wird gestärkt, indem er über den klassischen Schadensersatz hinaus Zugriff auf die Vermietungsgewinne erhält. Dies steht im Einklang mit dem Ziel des § 285 BGB, einegerechte Vermögenszuordnung sicherzustellen.
III. Abweichende Meinungen und Kritikpunkte
-
Beschränkung auf Schadensersatz?
Kritiker könnten argumentieren, dass der Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses zu einer Überkompensationdes Mieters führen könnte. Die bisherige Praxis konzentrierte sich meist auf die Geltendmachung von Schadensersatz (z. B. Umzugskosten, Differenzmieten). Hier erweitert das LG Berlin den Rechtsrahmen deutlich. -
Identität des Surrogats
Die Frage der Identität zwischen dem eingebüßten Gegenstand und dem Surrogat bleibt ein zentraler Punkt. Während das LG Berlin die Identität bejaht, könnte in Fällen, in denen der Vermieter die Wohnung z.B. erheblich renoviert oder zu einem anderen Zweck vermietet, die Identitätsfrage komplexer werden. -
Praktische Umsetzbarkeit
Für die Praxis könnte die Offenlegung der Miethöhe einen erheblichen Verwaltungsaufwand für Vermieter darstellen. Zudem stellt sich die Frage, ob Mieter regelmäßig in der Lage sind, den Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses substantiiert darzulegen.
IV. Bedeutung für die Praxis
- Stärkung der Mieterrechte: Das Urteil stärkt die Position der Mieter im Kampf gegen vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen und schafft eine abschreckende Wirkung für Vermieter.
- Klarheit zu § 285 BGB: Die Entscheidung stellt klar, dass Mehrerlöse aus einer Neuvermietung als Ersatzsurrogat betrachtet werden können.
- Neue Handlungsmöglichkeiten: Mieter können künftig nicht nur Schadensersatz geltend machen, sondern auch die Herausgabe von Gewinnen aus der Neuvermietung prüfen. Dies erfordert eine frühzeitige und umfassende rechtliche Beratung.
V. Fazit: Ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit
Das Urteil des LG Berlin ist ein bedeutsamer Schritt im Mietrecht, der die Rechte der Mieter bei vorgetäuschten Eigenbedarfskündigungen erheblich stärkt. Durch die Anwendung des § 285 Abs. 1 BGB wird verhindert, dass Vermieter von ihrem eigenen Fehlverhalten profitieren.
Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung in Zukunft mit den Detailfragen umgeht, insbesondere zur Identität des Surrogats und zur Grenze der Ansprüche. Das Urteil ist richtungsweisend, wirft aber zugleich neue Fragen auf, die einer weiteren juristischen Klärung bedürfen. In jedem Fall ist es ein klares Signal: Vermieter dürfen durch missbräuchliche Kündigungen keine finanziellen Vorteile ziehen.
Annotations
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft darüber, in welchem Umfang sie das an den Kläger zur Nutzung als Parkplatz vermietete Grundstück nochmals an Dritte vermietet hat sowie Herausga- be des hieraus erzielten Erlöses. Darüber hinaus verlangt er Unterlassung der Gebrauchsüberlassung des Mietgrundstücks an Dritte und Rückgängigmachung gestatteter Gebrauchsüberlassungen.
- 2
- Der Kläger mietete mit notariell beurkundetem Mietvertrag vom 24. März 1999 von der Beklagten bis zum 23. März 2004 ein 8.000 m² großes Grundstück zur Nutzung als Parkplatz zu einer jährlichen Miete von 48.000 DM. Ohne Zustimmung des Klägers vermietete die Beklagte später Teilflächen des Mietgrundstücks an Markthändler zur Errichtung und zum Betrieb von Verkaufsständen.
- 3
- Das Landgericht hat mit Teilurteil die Beklagte verurteilt, die Nutzung des Mietgrundstücks durch Dritte zu beenden und die Gebrauchsüberlassung an Dritte zu unterlassen. Es hat außerdem in der ersten Stufe dem Auskunftsanspruch stattgegeben. Die zweite Stufe der Klage, der Zahlungsanspruch, ist noch beim Landgericht anhängig.
- 4
- Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf deren Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Revision lediglich soweit zugelassen, als die Beklagte zur Auskunft verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision ist im Umfang der Zulassung begründet.
I.
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- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLG Report Brandenburg, Dresden , Jena, Naumburg, Rostock 2002, 428 veröffentlicht ist, meint, der Kläger habe gemäß § 281 BGB a.F. (§ 285 BGB n.F.) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abführung der Mieteinnahmen aus der Doppelvermietung und könne deshalb die begehrte Auskunft über die aus der weiteren Vermietung erzielten Mieteinnahmen verlangen. Durch die Doppelvermietung und Überlassung von Teilen der vom Kläger gemieteten Flächen an Dritte sei ihr insoweit die dem Kläger geschuldete ungestörte weitere Überlassung der Mietsache unmöglich geworden. Daher könne der Kläger nach § 281 BGB a.F. (§ 285 BGB n.F.) die Herausgabe dessen verlangen, was die Beklagte als Schuldnerin infolge des Umstandes, der zur Unmöglichkeit geführt habe, als Ersatz für den geschuldeten Gegenstand erlangt habe, hier somit die durch die zweite Vermietung an die Markthändler erzielte Miete.
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- Dem könne nicht entgegengehalten werden, die mietrechtlichen Bestimmungen zum Rechtsmangel regelten dessen Folgen abschließend dahin, dass der Kläger nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung sowie Rückgängigmachung und Unterlassung der vertragswidrigen anderweitigen Vermietung verlangen könne. Führe der Rechtsmangel zur Unmöglichkeit, so bestehe kein Grund, die dem Gläubiger günstige Anwendung des § 281 BGB a.F. im Rahmen eines Mietverhältnisses auszuschließen. Der Grundgedanke des § 281 BGB a.F. liege nämlich darin, dass der Gewinn, den der Schuldner aus dem dem Gläubiger gegenüber vertragswidrigen Geschäft ziehe, nicht dem vertragsbrüchigen Schuldner bleiben, sondern dem Gläubiger zufließen solle. Die Folge, dass der Mieter auf diese Weise zusätzliche Einnahmen erwirtschafte, die er selbst nicht habe erzielen können, weil er ohne Erlaubnis des Vermieters nicht zur Untervermietung berechtigt sei, sei eher hinzunehmen als die umge- kehrte Folge, dass dem Vermieter die Vorteile seiner Vertragsverletzung verblieben.
II.
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- Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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- Auf den vorliegenden Fall finden die Vorschriften über Miete in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung und das allgemeine Schuldrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung .
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- 1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die erneute Vermietung von Teilen der bereits an den Kläger vermieteten und überlassenen Mietsache an Markthändler, die diese Flächen auch in Besitz genommen haben, einen nachträglichen Rechtsmangel begründet, der die Beklagte gegenüber dem Kläger zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet (§§ 541, 538 BGB a.F./§§ 536 Abs. 3, 536 a Abs. 1 BGB n.F.; h.M. BGH Urteile vom 11. Dezember 1961 - VIII ZR 46/61 - MDR 1962, 398; vom 7. März 1990 - VIII ZR 25/89 - NJW-RR 1990, 701; Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 8. Aufl. § 536 BGB Rdn. 254, 256).
- 11
- 2. Der Kläger hat jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Anspruch auf Abführung der Mieteinnahmen aus der Doppelvermietung gemäß § 281 BGB a.F. Er hat damit auch keinen Anspruch auf Erteilung einer diesen Anspruch vorbereitenden Auskunft.
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- a) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, § 281 BGB a.F. sei neben den Sonderregelungen der §§ 541 i.V. mit 537, 538 BGB a.F. anwendbar. Ob § 281 BGB a.F. zu den allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen gehört, die nach herrschender Meinung von den mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften als Sonderregelungen verdrängt werden (BGHZ 63, 132, 137; Senatsurteil vom 29. November 1995 - XII ZR 230/94 - NJW 1996, 714; Schmidt-Futterer/ Eisenschmid aaO § 536 Rdn. 271; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete Kap. 14 Rdn. 69, 213; Emmerich NZM 2002, 362, 364; a.A. Hilger ZMR 1988, 41, der die Anwendung des § 541 BGB auf den anfänglichen Rechtsmangel begrenzen will), ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.
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- Allerdings hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung, in der es um die Herausgabe einer vom Hauptvermieter an den Hauptmieter für die Aufhebung des Mietvertrages gezahlten Abfindung an den Untermieter ging, einen Anspruch des Untermieters aus § 281 BGB a.F. ohne Stellungnahme zu dem Konkurrenzproblem bejaht (Urteil vom 19. November 1984 - II ZR 6/84 - NJW-RR 1986, 234).
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- In der Literatur wird die Frage der Konkurrenz zwischen Gewährleistungsregeln und § 281 BGB a.F. überwiegend für die Sachmängelhaftung beim Kauf erörtert (Wiedemann EwiR 1991, 543, 544; Tiedtke NJW 1992, 3213, ders. NJW 1995, 3082; Lobinger JuS 1993, 543; Eckardt BB 1994, 1946, 1959; Teichmann/Beck JZ 1996, 103, 104; Schaper/Kandelhard NJW 1997, 837; Reinicke /Tiedtke ZiP 1997, 1093, 1094; von Ohlshausen ZGS 2002, 194; Staudinger /Löwisch (2001) § 281 BGB Rdn. 10; MünchKomm/Emmerich 3. Aufl. § 281 BGB Rdn. 7).
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- Nach einer Meinung ist die Anwendung des § 281 BGB a.F. im Regelungsbereich des Gewährleistungsrechts ausgeschlossen, weil das allgemeine Leistungsstörungsrecht dort nicht anwendbar sei (Wiedemann aaO). Nach einem Teil dieser Meinung soll aus Billigkeitsgründen eine Analogie zu § 281 BGB a.F. greifen, wenn die Parteien die Gewährleistung ausgeschlossen haben (Tiedtke NJW aaO). Eine weitere Ansicht hält § 281 BGB a.F. stets neben den Gewährleistungsansprüchen für anwendbar (Eckardt aaO, Lobinger aaO, von Ohlshausen aaO, Schaper/Kandelhard aaO, 839; Bollenberger Das stellvertretende Commodum S. 424 f.).
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- Der Bundesgerichtshof hat diese Frage für die Sachmängelhaftung beim Kaufvertrag ausdrücklich offengelassen, hat aber in Zweifel gezogen, ob der Anspruch aus § 281 BGB a.F. neben den Regeln über die Sachmängelgewährleistung überhaupt zum Zuge kommen kann (BGHZ 114, 34, 36).
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- Der Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe des sog. stellvertretenden Commodums nach § 281 BGB a.F. setzt voraus, dass der Schuldner infolge des Umstandes, der ihm die Leistung unmöglich gemacht hat, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt hat.
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- § 281 BGB a.F. erfordert somit zum einen, dass zwischen dem Umstand, der zur Unmöglichkeit der Leistung geführt hat, und der Erlangung des Commodums durch den Schuldner ein Kausalzusammenhang besteht; zum anderen , dass der Schuldner das Commodum gerade für den geschuldeten Gegenstand - hier: die geschuldete Gebrauchsüberlassung -, dessen Leistung ihm unmöglich geworden ist, erlangt hat (BGHZ 25, 1, 8; 46, 260, 264).
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- Das Erfordernis der Kausalität ist hier zwar erfüllt. Die Beklagte hat durch die Doppelvermietung, die ihr nach Inbesitznahme der Flächen durch die Zweitmieter die Gebrauchsüberlassung an den Kläger für die ab diesem Zeitpunkt vergangene Zeit unmöglich gemacht hat, die Miete für die zweite Vermietung erlangt.
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- Für das Vorliegen eines Anspruchs nach § 281 BGB a.F. fehlt es jedoch im vorliegenden Fall an der weiter erforderlichen Identität zwischen dem geschuldeten Gegenstand und dem, für den Ersatz erlangt worden ist.
- 22
- Zur Bestimmung der an die Identität zu stellenden Anforderungen ist auf den normativen Sinn des § 281 BGB a.F. abzustellen. Dabei ist zunächst die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu berücksichtigen.
- 23
- In dem ersten Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (E I abgedruckt in Jacobs/Schubert, Die Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978 S. 226) war die später als § 281 in das BGB eingegangene Regelung (E I § 238) zunächst auf den Fall der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit beschränkt. Der Schuldner, der infolge von ihm nicht zu vertretender Unmöglichkeit von der geschuldeten Leistung befreit war und für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz erlangte, sollte verpflichtet sein, diesen dem Gläubiger auf dessen Verlangen herauszugeben. In den Motiven (Mot. II S. 46) heißt es weiter zu dem E I § 238 zugrundeliegenden Surrogationsprinzip: "Das Prinzip beruht auf der berechtigten Unterstellung, der Verpflichtungswille sei darauf gerichtet gewesen und entspricht zweifellos der Billigkeit."
- 24
- Der Entwurf wurde später durch Beschluss der Vorkommission des Reichsjustizamtes (Jacobs/Schubert aaO S. 228) zu E I § 238 dahin abgeändert , dass die Vorschrift verallgemeinert und damit auch auf die Fälle der vom Schuldner oder Gläubiger zu vertretenden Unmöglichkeit ausgedehnt wurde. Der Entwurf ist insoweit in § 281 BGB a.F. übernommen worden.
- 25
- Das Reichsgericht hat anknüpfend an die beiden § 281 BGB a.F. zugrunde liegenden Gedanken des unterstellten Parteiwillens und der Billigkeit angenommen, § 281 BGB a.F. bezwecke, solche Vermögenswerte, die im Laufe wirtschaftlicher Vorgänge einer Person zugeflossen seien, der sie im Verhältnis zu einer anderen Person nach den maßgeblichen internen Rechtsbeziehungen nicht gebührten, jener anderen Person zugute kommen zu lassen (vgl. RGZ 120, 297, 299 f. 300; 120, 347, 349 ff.; 138, 45, 48). Die spätere Rechtsprechung und die Literatur haben sich dieser Auffassung überwiegend angeschlossen und sie weiterentwickelt (BGHZ 25, 1, 9; 99, 385, 388; BGH Urteil vom 10. Februar 1988 - IV a ZR 249/86 - NJW-RR 1988, 902, 903; s. Himmelmann , Die Ersatzherausgabe nach § 281 Abs. 1 BGB 1965 S. 9 ff.; Wieczorek, Die Erlösherausgabe bei § 281 BGB 1995 S. 60 m.w.N.; Bollenberger, Das stellvertretende Commodum 1999, 54 ff.).
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- Aus diesen Grundgedanken kann für den Inhalt des Anspruchs aus § 281 BGB a.F. und damit für die Bestimmung der erforderlichen Identität Folgendes hergeleitet werden:
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- Der unterstellte Parteiwille, der Schuldner solle sich mit der Verpflichtung zur Leistung eines konkreten Gegenstandes auch dazu verpflichten, bei zu vertretender oder nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung den für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatz an den Gläubiger herauszugeben, macht deutlich, dass § 281 BGB a.F. ein Anspruch auf Ersatz für den Verlust des Primäranspruchs, also der Forderung auf Leistung der geschuldeten Sache selbst und kein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung ist. Der Gläubiger , der infolge der Unmöglichkeit nicht den geschuldeten Gegenstand erhält, soll zumindest den für diesen vom Schuldner erlangten Ersatz fordern können (Staudinger/Löwisch aaO § 281 Rdn. 42; Bollenberger aaO S. 70 ff.). Dabei werden unter "geschuldetem Gegenstand" Sachen und Rechte verstanden (BGHZ 135, 284, 287 für die Milchreferenzmenge; MünchKomm/Emmerich aaO § 281 Rdn. 4).
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- Die weiter gewollte Verteilung der Vermögenswerte nach den internen Rechtsbeziehungen verweist - für vertragliche Schuldverhältnisse - auf die von den Parteien vertraglich angestrebte Güterordnung als Maßstab für die Unrichtigkeit der auszugleichenden tatsächlichen Verteilung der Vermögenswerte (vgl. Eckardt aaO 1949).
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- Ausgehend von diesem Zweck des § 281 BGB a.F. ist die erforderliche Identität gegeben, wenn Ersatz für den geschuldeten, dem Vermögen des anderen Vertragspartners durch den vertraglich vereinbarten Güteraustausch zugewiesenen Gegenstand erlangt worden ist. Diese Einschränkung hat die Rechtsprechung schon früh als erforderlich angesehen, um zu vermeiden, dass § 281 BGB a.F. zu einer allgemeinen Ausgleichspflicht von unberechenbarer Tragweite wird (RGZ 88, 287, 290; BGHZ 29, 1, 8 f.; 46, 260, 263 f.; Wieczorek aaO S. 89).
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- Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlt es im vorliegenden Fall an der erforderlichen Identität. Zwar schuldete die Beklagte dem Kläger eine Gebrauchsüberlassung des Grundstücks. Sie hat auch mit der Miete aus der weiteren Vermietung Ersatz für eine Gebrauchsüberlassung erlangt. Die geschuldete und die erneute Gebrauchsüberlassung sind jedoch nicht identisch, weil dem Kläger nur die geringerwertige Nutzung als Parkplatz, den Markthändlern aber die weiter gehende Nutzung zur Errichtung und zum Betrieb von Verkaufsständen erlaubt war. Demgemäß hat der Kläger auch nur eine für die Nutzung als Parkplatz von den Parteien als angemessen angesehene, deutlich geringere Miete gezahlt als die Markthändler für ihren intensiveren Gebrauch des Grundstücks als Verkaufsfläche. Dem Kläger war weder eine anderweitige Nut- zung noch eine Untervermietung gestattet. Er hätte folglich die von ihm als "Surrogat" herausverlangte Miete der Markthändler aufgrund der ihm lediglich zur Nutzung als Parkplatz zugewiesenen Gebrauchsüberlassung nicht erzielen können.
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- Für die Frage, ob der geschuldete und der ersetzte Gegenstand identisch sind, kann es keine Rolle spielen, dass der Schuldner, wie im vorliegenden Fall, die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Deshalb kann der für den Vertragsbruch entwickelte Gedanke der Sanktion eines vertragswidrigen Verhaltens des Schuldners hier nicht herangezogen werden.
- 32
- c) Eine analoge Anwendung von § 281 BGB a.F. kommt nicht in Betracht. Es kann offen bleiben, inwieweit § 281 BGB a.F. als Ausnahmevorschrift, die neben wenigen anderen Bestimmungen (§ 687 Abs. 2 BGB, § 816 BGB) die Gewinnabschöpfung gewährt, einer analogen Anwendung zugänglich ist. Das Fehlen der Identität hindert jedenfalls eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen des in § 281 BGB a.F. geregelten mit dem hier zu entscheidenden Fall.
- 34
- Der Kläger hat unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Auskehrung des Erlöses aus der Doppelvermietung und damit auch keinen diesen Anspruch vorbereitenden Auskunftsanspruch.
- 35
- a) Ein Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 666, 667 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass die Beklagte mit der Doppelvermietung an die Markthändler schon kein objektiv fremdes Geschäft geführt hat. Der Kläger hätte die von ihm zur Nutzung als Parkplatz gemieteten Flächen nicht zum Betrieb von Verkaufsständen untervermieten dür- fen. Mit der Doppelvermietung hat die Beklagte nur ihre Rechte als Eigentümerin in einer ihr nicht zustehenden Weise, nämlich unter Verletzung der dem Kläger hier geschuldeten Gebrauchsüberlassung ausgeübt (vgl. für den Fall der unberechtigten Untervermietung Senatsurteil BGHZ 131, 297, 306). Sie ist deshalb dem Kläger gemäß §§ 541 i.V. mit 538 BGB a.F. zum Schadensersatz verpflichtet, nicht aber schuldet sie Ersatz, weil sie mit der weiteren Vermietung ein Geschäft des Klägers geführt hätte.
- 36
- b) Ein Bereicherungsanspruch gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, weil die Vermietung einer Sache keine Verfügung im Sinne dieser Vorschrift ist (RGZ 105, 408, 409; BGHZ 131, aaO m.w.N.).
- 37
- c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auskehrung der durch die Doppelvermietung erzielten Mieten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion) und damit keinen Anspruch auf entsprechende Auskunft.
- 38
- Zwar stellt der rechtmäßige Besitz, in dem sich der Kläger zunächst befand , eine geschützte Rechtsposition dar, die Grundlage für eine Eingriffskondiktion sein kann (BGH Urteil vom 31. Oktober 1986 - V ZR 140/85 - NJW 1987, 771 - anders als nur der schuldrechtliche Anspruch auf dessen Einräumung -; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 249, 250 m.w.N.). Diese Rechtsposition hat der Kläger jedoch nicht durch einen Eingriff der Beklagten verloren. Die bloße erneute Vermietung von Teilen der Mietfläche durch die Beklagte an die Markthändler hatte auf den Besitz des Klägers keine Auswirkung. Die Beklagte konnte dem Kläger, nachdem sie ihm die Mietsache übergeben hatte, den Besitz vor Ablauf des Mietvertrages nicht mehr entziehen. Seinen rechtmäßigen Besitz hat der Kläger vielmehr erst dadurch verloren, dass sich die Markthändler durch verbotene Eigenmacht gegen seinen Willen den Besitz verschafft haben, wogegen er sich mit Besitzschutzansprüchen hätte zur Wehr setzen können. Die Beklagte hat die aus der Doppelvermietung erzielte Miete somit nicht unmittelbar durch einen Eingriff in eine geschützte Rechtsposition des Klägers erlangt.
- 39
- Der Kläger hätte aber selbst dann, wenn die Beklagte ihm den Besitz entzogen hätte, gegen sie keinen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB auf Herausgabe des Mieterlöses aus der Doppelvermietung. Die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten gemäß § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich nach herrschender Meinung nicht auf das, was der Bereicherungsschuldner durch besonderen Vertrag an Stelle des ursprünglich Erlangten einhandelt (BGHZ 75, 203, 206 m.w.N.; 112, 288, 295; Staudinger/Lorenz (1999) § 818 BGB Rdn. 15). Der Bereicherungsschuldner hat in einem solchen Fall vielmehr gemäß § 818 Abs. 2 BGB lediglich den objektiven Wert des erlangten Gegenstandes (BGHZ 24, 106, 110 f.), somit bei Entziehung des Besitzes den unrechtmäßig erlangten Nutzungswert zu ersetzen (Reuter/Martinek aaO S. 534; Larenz/Canaris Schuldrecht II/2 13. Aufl. § 72 II 3). Das ist hier der Wert der geschuldeten Nutzung als Parkplatz, dessen Ersatz der Kläger mit der Klage allerdings nicht verlangt und für dessen Bezifferung er auch keine Auskunft benötigt.
- 40
- Auch nach der hier aufgrund der Bösgläubigkeit der Beklagten greifenden verschärften Haftung gemäß §§ 818 Abs. 4, 819 BGB i.V. mit § 281 BGB a.F. (BGHZ 75, 203, 207) schuldet die Beklagte keine Herausgabe des Gewinns. Denn die Voraussetzungen des § 281 BGB a.F. liegen - wie oben ausgeführt - nicht vor.
- 41
- 4. Das angefochtene Teilurteil ist deshalb aufzuheben soweit die Beklagte zur Auskunft verurteilt worden ist. Die Klage ist insoweit abzuweisen.
- 42
- Der Senat sieht von der Möglichkeit ab, auch über den in erster Instanz noch anhängigen Teil der Stufenklage zu entscheiden (vgl. BGHZ 94, 268, 275; Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 22/89 - NJW-RR 1990, 390). Zum einen hat das Landgericht noch über die Kosten erster Instanz bezüglich des rechtskräftig zuerkannten Klageantrages Ziff. 1 (auf Unterlassung der ungenehmigten Doppelvermietung und Beendigung der entsprechenden Verträge) zu entscheiden, der mangels Zulassung der Revision in der Revisionsinstanz nicht angefallen ist. Zum anderen soll dem Kläger nicht die Möglichkeit genommen werden, die noch in erster Instanz in zweiter Stufe anhängige Zahlungsklage der neuen Prozesssituation anzupassen.
Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 19.07.2001 - 10 O 26/01 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 29.04.2002 - 3 U 119/01 -