Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2025 - VIII ZR 256/23 von ra.de Redaktion

published on 01.12.2025 20:30
Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2025 - VIII ZR 256/23 von ra.de Redaktion
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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2025 - VIII ZR 256/23

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BGH, Urt. v. 14. 5. 2025 – VIII ZR 256/23: Fristlose Kündigung bei fehlender Bankbürgschaft? – § 569 Abs. 2a BGB erfasst nur (teilbare) Barkautionen

Für wen ist das relevant? – Für Wohnraummietrechtler:innen auf Vermieter- und Mieterseite, Inhouse‑Jurist:innen von Wohnungsunternehmen, Hausverwaltungen und Prozessanwält:innen. Warum jetzt? – Der VIII. Zivilsenat beendet einen seit Jahren geführten Meinungsstreit zur Reichweite des § 569 Abs. 2a BGB und grenzt das Kündigungsrecht wegen „Verzugs mit einer Sicherheitsleistung“ auf Barkautionen ein. Für die Vertragsgestaltung und die forensische Praxis ist das sofort spürbar: Wer eine Bankbürgschaft vereinbart, kann bei deren Ausbleiben nicht mehr automatisch fristlos kündigen, sondern muss auf andere Kündigungsgründe ausweichen.

1. Sachverhalt und Prozessgeschichte in Kürze

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung: Der Mieter hatte – wie mietvertraglich vereinbart – statt einer Barkaution eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft zu stellen, lieferte diese aber nicht. Der Vermieter kündigte daraufhin außerordentlich unter Berufung auf § 569 Abs. 2a S. 1 BGB und erhielt zunächst vor AG und LG Frankfurt a.M. Recht. Der BGH hob auf: § 569 Abs. 2a BGB trage eine fristlose Kündigung wegen verspäteter/unterbliebenerBürgschaft nicht. Die Sache wurde zur Prüfung anderer Kündigungsgründe (u. a. § 543 Abs. 1, § 573 BGB) an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 


2. Die zentrale Rechtsfrage: Was meint „Sicherheitsleistung nach § 551 BGB“?

Streitentscheidend war die Auslegung des § 569 Abs. 2a S. 1 BGB. „Sicherheitsleistung nach § 551 BGB“ umfasst nach allgemeinem Verständnis verschiedene Sicherungsformen (Barkaution, verpfändetes Sparbuch, Bürgschaft, Kautionsversicherung). Umstritten war, ob alle diese Sicherheiten den Kündigungstatbestand auslösen oder nur die Barkaution (Geldsumme). Teile der Literatur (und einige Instanzgerichte) nahmen eine weite Erfassung an; gewichtige Stimmen begrenzten den Tatbestand auf teilbare Geldleistungen, also Barkautionen, teils mit teleologischer Reduktion. Der Senat stellt sich nun ausdrücklich auf die Seite der restriktiven Auffassung. 


3. Die Entscheidung des BGH

3.1 Wortlaut und Normtext: „… in Höhe eines Betrages

Ausgangspunkt ist nicht nur das Wort „Sicherheitsleistung“, sondern der gesamte Normtext: § 569 Abs. 2a S. 1 BGB setzt einen Verzug „in Höhe eines Betrages, der der zweifachen Monatsmiete entspricht“, voraus. Daraus leitet der Senat ab, dass die Norm nur teilbare Geldleistungen meint – mithin Barkautionen (Geldsumme), nicht aber Bürgschaften, die typischerweise als einmalige Verpflichtungserklärung gestellt werden und nicht „in Raten“ erbracht werden. Eine teleologische Reduktion sei dafür nicht erforderlich; schon der mögliche Wortsinn decke diesen Ausschluss. 

3.2 Systematik: Gleichlauf mit der Zahlungsverzugskündigung

Der Kündigungstatbestand ist – so der BGH – systematisch an § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB angelehnt und soll mit diesem „gleichlaufen“. Das zeigt sich an identischen Schwellen (Rückstand zwei Monatsmieten) sowie an Nachhol‑ und Schonfristregelungen, die auf Geldleistungen zugeschnitten sind. Auch der Bezug zu § 551 BGB trägt die Beschränkung: Dort ist nur beiGeldkautionen die Erbringung in drei Teilzahlungen vorgesehen; das wiederum korrespondiert mit der in § 569 Abs. 2a vorgesehenen Kündigungsschwelle schon bei einem Rückstandvon zwei Monatsmieten. Für Bürgschaften kennt das Gesetz keine Teilzahlung; § 266 BGB steht dem entgegen. 

3.3 Historie und Telos: Gesetzgeber wollte „Nichtzahlung der Kaution“ adressieren

Auch Entstehungsgeschichte und Zweck sprechen für den Barkautionsbezug: § 569 Abs. 2a BGB wurde eingeführt, um Vermieter vor Mietern zu schützen, die unmittelbar zu Mietbeginn ihrenZahlungsverpflichtungen (Barkaution) nicht nachkommen. Wer stattdessen eine Bürgschaft vereinbart, ist – anders als bei einer Barkaution – schon vor Einzug abgesichert, weil er die Schlüssel bis zur Vorlage der Bürgschaft zurückhalten kann. Ein zusätzlicher „Turbo“ in Form der fristlosen Kündigung ist dort nicht angelegt. 

3.4 Treu und Glauben: Kein „doppelt abgesicherter“ Vermieter

Besonders praxisnah: Wer trotz ausstehender Bürgschaft die Wohnung übergibt, kann sich nicht sogleich auf § 569 Abs. 2a BGB berufen; das liefe auf widersprüchliches Verhalten hinaus. Der Vermieter kann – anders als bei Barkaution – den Besitzübergang bis zur Bürgschaftserklärung verweigern; tut er es dennoch, soll ihm § 569 Abs. 2a nicht den „schnellen Rücktritt“ eröffnen. 


4. Einordnung in den Meinungsstand

Der Senat löst einen „Gelehrtenstreit“ zugunsten der restriktiven Sicht. Er grenzt sich von Stimmen ab, die § 569 Abs. 2a BGB füralle Sicherheiten öffnen wollten (u. a. BeckOGK, BeckOK, jurisPK), und stützt die Gegenauffassung (z. B. Staudinger/Emmerich; Schmidt‑Futterer/Streyl; Grüneberg/Weidenkaff; MünchKomm/Häublein), wonach nur Geldkautionen erfasst sind. Bemerkenswert ist, dass der BGH die enge Sicht nicht erst per teleologischer Reduktion, sondern schon aus Wortlaut, Systematik und Historie herleitet – das erhöht die dogmatische Stringenz und senkt die Schwelle für die Anwendung in der Praxis. 


5. Praktische Konsequenzen

5.1 Vertragsgestaltung: Sicherheiten bewusst wählen – und den Zeitpunkt steuern

  • Wahl der Sicherheit: Wer als Vermieter die „scharfe Klinge“ des § 569 Abs. 2a BGB nutzen will, muss eineBarkaution (Geldsumme) vereinbaren. Wird eine Bürgschaft vereinbart (Bank- oder Kautionsversicherung), scheidet die fristlose Kündigung nach § 569 Abs. 2a BGB bei deren Ausbleiben aus. 

  • Zeitpunkt der Übergabe: Bei Bürgschaften besteht ein Zurückbehaltungsrecht an der Schlüsselübergabe bis zur Vorlage der Bürgschaft; das ist das effektive Druckmittel – und vermeidet späteren Streit über Treu und Glauben. Wer gleichwohl übergibt, sollte nicht auf § 569 Abs. 2a BGB zählen. 

  • Ratenkaution: Bei Barkaution gilt die Dreiteilung des § 551 Abs. 2 BGB; kündigungsrelevant wird der Rückstand erst ab zwei Monatsmieten. Das passt in den vom BGH betonten „Gleichlauf“ zur Zahlungsverzugskündigung einschließlich Schonfrist‑ und Nachholrechte. 

5.2 Prozessstrategie: Alternativen prüfen

Fällt § 569 Abs. 2a BGB weg, bleibenordentliche Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder in gravierenden Konstellationen die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 1 BGB). Welche Alternative greift, hängt von den Umständen ab (Dauer und Gewicht der Nichterfüllung, Verlässlichkeit des Mieters, ggf. Abmahnung/Fristsetzung). Der BGH verweist gerade auf diese Prüfung und hat die Sache zurückgegeben. Für Mieter heißt das spiegelbildlich: Das Ausbleiben einer Bürgschaft ist kein „Automatismus“ zur Räumung – aber risikofrei ist es nicht. 


6. Offene Punkte und Folgefragen

  • Andere Sicherungsformen: Das Urteil betrifft ausdrücklich Bankbürgschaften. Für Kautionsversicherungen bzw. Drittbürgschaften liegt die Sache regelmäßig gleich; sie sind – wie die Bankbürgschaft – nicht teilbar und werden nicht „gezahlt“. Für verpfändete Sparguthaben ist die Teilbarkeits‑ und Zahlungslogik ebenfalls leitend. Die Praxis wird hier an den vom BGH vorgegebenen Kriterien (Geldsumme/Teilbarkeit) anknüpfen. 

  • Zusammenspiel mit Schonfrist/Nachholrecht: Der Gleichlauf zur Zahlungsverzugskündigung bekräftigt, dass bei Barkautionen die Schonfristrechte greifen; bei Bürgschaften stellt sich die Frage nicht, weil § 569 Abs. 2a BGB dort nicht eröffnet ist. 

  • Treu und Glauben als Korrektiv: Der Senat deutet § 242 BGB als „gelben Zettel“ für überhastete fristlose Kündigungen nach freiwilliger Übergabe trotz fehlender Bürgschaft – ein wichtiges Signal gegen taktische „Hin‑und‑zurück“-Gestaltungen. 


7. Bewertung

Dogmatisch überzeugt der Ansatz: Der Senat liest § 569 Abs. 2a BGB im Kontext –Text („Betrag“), Systematik(Gleichlauf; Teilzahlungskonzept des § 551 Abs. 2 BGB) und Telos (Schutz bei Nichtzahlung einer Geldkaution). Diese Auslegung ist nicht nur elegant, sie ist auch praxistauglich: Sie bringt Rechtsklarheit dorthin, wo Vermieter‑ und Mieterseite bislang mit gegensätzlichen Rechtsauffassungen prozessierten. Praktisch zwingt sie zur bewussten Wahl der Sicherungsform: Wer Flexibilität am Anfang will, bleibt bei der Barkaution; wer auf die Bürgschaft setzt, muss die Übergabe professionell steuern und ggf. vor Übergabe Druck ausüben – nicht danach per § 569 Abs. 2a BGB.


8. Praxishinweise 

  1. Musterverträge prüfen: Soll § 569 Abs. 2a BGB als „Sicherheitsnetz“ dienen, Barkaution vorsehen (und Teilzahlungsmechanik des § 551 Abs. 2 BGB sauber abbilden).

  2. Übergabeprozesse anpassen: Bei Bürgschaften Schlüssel/Übergabe erst nach Vorlage der Bürgschaft; andernfalls alternative Kündigungswege vorbereiten.

  3. Klageanträge differenzieren: Bei Ausbleiben der Bürgschaft primär ordentlich (Pflichtverletzung) oder außerordentlich nach § 543 Abs. 1 BGB vorgehen; § 569 Abs. 2a BGB nicht als Automatismus einplanen.

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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