Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Beschluss, 9. Juni 2022 - 5 StR 407/21 von Dirk Streifler
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Bundesgerichtshof Beschluss, 9. Juni 2022 - 5 StR 407/21
Tenor
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Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Februar 2021 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
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Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
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Ergänzend bemerkt der Senat:
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1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die im Rahmen der „Firmenbestattungen“ vorgenommenen Handlungen den Tatbestand des Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StBG erfüllen.
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a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erwarb der als gewerblicher Firmenabwickler tätige, in Deutschland für etwaige Gläubiger nicht greifbare Angeklagte G. von dem nicht revidierenden Mitangeklagten K. über eine zu diesem Zweck gegründete GmbH i.G. zum Schein die Geschäftsanteile der Alleingesellschafterin der inmitten stehenden (zahlungsunfähigen) Reiseunternehmensgesellschaften; dadurch wurde er deren mittelbarer Alleingesellschafter. Er bestellte sich zudem zum Alleingeschäftsführer der Reiseunternehmen, deren Geschäftssitze schon zuvor – ohne die Absicht, die Unternehmen fortzuführen – von H. nach N. verlegt worden waren. Tatsächlich wurden die Gesellschaften von H. aus geleitet, wobei der Mitangeklagte K. intern die Entscheidungshoheit behielt. Es sollte so nach außen – unter anderem durch Verhandlungen mit Gläubigern – eine Sanierung der Gesellschaften vorgetäuscht werden, um insbesondere für K. eine möglichst kostengünstige und geräuschlose Abwicklung („milde“ Insolvenz) der Gesellschaften zu erreichen und für ihn „zu retten, was zu retten war“.
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b) Danach liegt eine Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB vor.
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Mit dem Merkmal der „geschäftlichen Verhältnisse“ sind über die Vermögensverhältnisse im engeren Sinn hinaus diejenigen Umstände angesprochen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschleierns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Vermögensverhältnisse. Zu den geschäftlichen Verhältnissen zählt aber auch die (geplante) zukünftige Entwicklung des Unternehmens (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12, NJW 2013, 1892, 1893; LK/Tiedemann, 12. Aufl., StGB, § 283 Rn. 173).
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Darüber wurden die Gläubiger hier getäuscht. Denn durch den Wechsel des Gesellschafters und des Geschäftsführers verbunden mit der Verlegung des Geschäftssitzes ohne die Absicht, die Unternehmen fortzuführen, wurde verschleiert, dass die Gesellschaften tatsächlich von den Angeklagten liquidiert wurden und mangels jeglicher weiterer unternehmerischer Tätigkeit bereits feststand, dass sie die entstandenen Verbindlichkeiten auf keinen Fall würden begleichen können und dies auch nicht wollten. Maßnahmen, wie sie hier im Rahmen von „Firmenbestattungen“ vorgenommen wurden, unterfallen mithin dem Verschleierungstatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12 aaO; vom 24. März 2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; MüKo-StGB/Petermann, 3. Aufl., § 283 Rn. 64; SSW-StGB/Bosch, 5. Aufl., § 283 Rn. 32; Schönke/Schröder/ Heine/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 283 Rn. 49; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 283 Rn. 30b).
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c) Auch die übrigen Tatbestandsmerkmale liegen vor. Insbesondere waren die Handlungen grob wirtschaftswidrig, weil sie nicht lediglich Bagatellverstöße, sondern einen groben Widerspruch gegen die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft darstellten und mit ihnen das Ziel der Gläubigerbenachteiligung verfolgt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12 aaO; GJW/Reinhardt, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 283 StGB, Rn. 62). Entgegen der Auffassung des Angeklagten L. ist es für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB rechtlich ohne Belang, ob die Zahlungen vor oder nach den im Rahmen der „Firmenbestattungen“ verübten Verschleierungshandlungen eingestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2018 – 5 StR 381/18, BGHR StGB § 283 Abs. 6 Zahlungseinstellung 1).
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2. Die Verurteilung des Angeklagten L. wegen Beihilfe zum Bankrott und zur Insolvenzverschleppung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung auch in subjektiver Hinsicht stand.
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Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen beriet der spätere Insolvenzverwalter die Angeklagten bereits vor der Stellung der Insolvenzanträge. Er stellte eine „milde“ Insolvenz in Aussicht, wodurch er den Entschluss des Mitangeklagten K. verstärkte und verfestigte, die fälligen Insolvenzanträge nicht innerhalb der gesetzlichen Frist zu stellen. Da ihn der nicht revidierende Mitangeklagte J. in Vorgesprächen umfassend über die finanzielle Situation der Gesellschaften und daher über deren Zahlungsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt hatte, war ihm schon zu diesem Zeitpunkt „bewusst“, dass die Gesellschaften nicht mehr in der Lage waren, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten im Wesentlichen zu erfüllen. Er wusste auch, dass die Insolvenzanträge in Umsetzung des geplanten Vorgehens „absichtlich“ nicht sofort und auch nicht innerhalb der nächsten drei Wochen gestellt werden würden. Er war sich ferner „im Klaren“, dass trotz der formellen Sitzverlegungen nach N. die Geschäfte tatsächlich weiter in H. geführt und die Gesellschaften kontrolliert auf die Durchführung des Insolvenzverfahrens hingesteuert werden sollten, wodurch Dritte betriebswirtschaftlich und rechtlich unvertretbar irregeführt werden würden. Das Landgericht ist in der rechtlichen Würdigung deshalb rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bei seinen Tatbeiträgen in Form von Beratungsleistungen „Kenntnis“ von der bestehenden Insolvenzantragspflicht hatte und „wusste“, dass die bereits umgesetzten und geplanten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen die Gläubiger und Geschäftspartner täuschen sollten.
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Danach wusste der Angeklagte positiv, dass das Handeln der mitangeklagten Haupttäter auf die Begehung von Insolvenzstraftaten abzielte. Auch an sich berufstypische „neutrale“ Beratungshandlungen verlieren dann ihren – einen Gehilfenvorsatz ausschließenden – „Alltagscharakter“ (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – 3 StR 454/99, wistra 2000, 459; Beschluss vom 20. September 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht der Verwirklichung der inneren Tatseite nicht entgegen, dass das Landgericht festgestellt hat, der Angeklagte habe dies auch „billigend in Kauf“ genommen. Denn weiß der Gehilfe wie hier positiv, dass das Handeln der Haupttäter auf die Begehung von Straftaten abzielt, ist der Beihilfevorsatz auch bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen gegeben.
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Es kann daher dahinstehen, ob überhaupt eine berufstypische „neutrale“ Handlung des Angeklagten vorlag. Hiergegen könnten die konkreten Beratungsleistungen gegenüber den Schuldnern im Vorfeld der Insolvenzantragstellung sprechen, in deren Rahmen der Angeklagte auch einen Weg aufzeigte, wie der Bestellung anderer Insolvenzverwalter vorgebeugt werden konnte, um selbst als solcher bestellt zu werden, und bei deren Kenntnis das Insolvenzgericht Zweifel an seiner notwendigen Unabhängigkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO hätte hegen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2016 − IX AR (VZ) 1/15, NZI 2016, 508, 511 f., Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 56 Rn. 25).
Tatbestand der Verschleierung der geschäftlichen Verhältnisse
Der Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB umfasst Handlungen, die geeignet sind, die wirklichen geschäftlichen Verhältnisse eines Unternehmens zu verschleiern. Der BGH hebt hervor, dass sich dieser Begriff nicht nur auf die Vermögensverhältnisse im engeren Sinne bezieht, sondern auch auf andere Umstände, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Schuldners von Bedeutung sind. Dazu zählt die geplante zukünftige Entwicklung des Unternehmens.
Im vorliegenden Fall sah der BGH die Handlungen – wie die Verlegung des Geschäftssitzes, den Wechsel von Geschäftsführern und Gesellschaftern ohne Fortführungsabsicht – als Verschleierungstaten. Diese zielten darauf ab, den tatsächlichen Zustand der Gesellschaften vor Gläubigern zu verschleiern, insbesondere um eine „milde“ Abwicklung der Insolvenz zugunsten der Hauptverantwortlichen zu erreichen.
Entscheidend ist dabei, dass der Tatbestand keine Bagatellverstöße umfasst. Die Handlungen müssen grob wirtschaftswidrig sein, also in einem deutlichen Widerspruch zu den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft stehen. Im Einklang mit früherer Rechtsprechung (z. B. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12) stellte der Senat klar, dass auch Maßnahmen, die die Gläubiger nur täuschen, bereits die Strafbarkeit begründen. Es ist rechtlich unerheblich, ob die Zahlungen vor oder nach den Verschleierungshandlungen eingestellt wurden.
Beihilfe durch anwaltliche Beratung
Ein zentraler Aspekt des Beschlusses ist die Abgrenzung zwischen strafbarer Beihilfe und berufsneutralen Beratungshandlungen eines Rechtsanwalts. Der BGH stellte klar, dass auch berufstypische Handlungen wie rechtliche Beratung ihren neutralen Charakter verlieren können, wenn der Berater positive Kenntnis davon hat, dass seine Unterstützung auf die Begehung von Straftaten abzielt.
Im vorliegenden Fall war der beratende Rechtsanwalt umfassend über die finanziellen Verhältnisse der Unternehmen informiert und wusste, dass die geplanten Maßnahmen auf die Täuschung von Gläubigern und die Verschleierung von Zahlungsunfähigkeit abzielten. Damit lagen die subjektiven Voraussetzungen des Beihilfevorsatzes vor. Die bloße Möglichkeit, dass ein Rechtsanwalt „billigend in Kauf“ nimmt, dass seine Beratung zur Begehung einer Straftat beiträgt, genügt nicht – erforderlich ist positive Kenntnis oder ein bewusstes Fördern der strafbaren Handlung.
Lernpunkte und Bedeutung des Beschlusses
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Erweiterter Tatbestand des § 283 StGB
Der Beschluss unterstreicht die weite Auslegung des Begriffs der „geschäftlichen Verhältnisse“ und verdeutlicht, dass der Tatbestand der Verschleierung nicht nur auf die Vermögensverhältnisse, sondern auch auf die Kreditwürdigkeit und die künftige Entwicklung eines Unternehmens abzielt. -
Klarheit bei Beihilfevorsatz
Anwälte und Berater sind sich bewusst, dass ihre berufstypischen Handlungen strafrechtlich relevant werden können, wenn sie positiv wissen, dass ihre Unterstützung auf die Begehung von Straftaten abzielt. Der Beschluss verdeutlicht die Abgrenzung zwischen neutraler Rechtsberatung und strafbarer Beihilfe. -
Kein Schutz durch formale Neutralität
Beratungsleistungen, die der Täuschung oder Verschleierung dienen, können auch dann strafbar sein, wenn sie äußerlich als „neutrale Handlungen“ erscheinen. Der BGH setzt hier klare Grenzen, insbesondere im Hinblick auf wirtschaftsstrafrechtlich relevante Kontexte.
Abweichende Meinungen und Problemkreise
Es gibt in der Rechtswissenschaft Diskussionen darüber, wie weit die Strafbarkeit anwaltlicher Beratungshandlungen reichen darf. Kritiker argumentieren, dass eine Ausweitung des Beihilfevorsatzes zu Unsicherheiten bei Anwälten führen kann, da diese sich zunehmend in einem Spannungsfeld zwischen Mandantenschutz und strafrechtlicher Verantwortlichkeit bewegen.
Andere Rechtsprechung (z. B. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – 3 StR 454/99) hat betont, dass der Schutz der Berufsausübung gewährleistet sein muss und der Vorsatz nur bei klarer Kenntnis der strafbaren Absicht vorliegt. Der aktuelle Beschluss verdeutlicht jedoch, dass die Grenze dort verläuft, wo Anwälte bewusst in betrügerische Strategien eingebunden sind.
Fazit
Der Beschluss des BGH stärkt den Schutz von Gläubigern vor täuschenden Insolvenztaktiken und setzt klare Maßstäbe für die Abgrenzung von erlaubten Beratungsleistungen und strafbarer Beihilfe. Er betont die Bedeutung von Transparenz und ordnungsgemäßem Verhalten in der Wirtschaft, auch und gerade in Krisensituationen. Zugleich zeigt er, dass juristische Berater eine besondere Verantwortung tragen, sich nicht für rechtswidrige Strategien instrumentalisieren zu lassen.
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Annotations
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert , dass er der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott sowie zum Betrug in acht Fällen schuldig ist; die im Fall A.V.8 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten entfällt.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und P. sowie die Revision des Angeklagten M. werden verworfen.
4. Die Beschwerdeführer M. und P. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts in jeweils vier Fällen sowie wegen Betruges in 21 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten B. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts in jeweils zwei Fällen sowie wegen Betruges in zwölf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie den Angeklagten P. wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott sowie zum Betrug in neun Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es jeweils Teile der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen für vollstreckt erklärt. Dagegen richten sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Die Angeklagten M. und B. rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts, der Angeklagte P. erhebt die allgemeine Sachrüge.
- 2
- Die Rechtsmittel der Angeklagten B. und P. haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie - wie die Revision des Angeklagten M. - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten B. hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe die Wirkungen zu berücksichtigen , die von ihr für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die berufs- und standesrechtlichen Folgen der Strafe. Der Umstand, dass eine strafgerichtliche Verurteilung nach den Vorschriften des Beamtenrechts die Beendigung des Beamtenverhältnisses zur Folge hat, ist deshalb regelmäßig als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu erörtern (BGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 4 StR 445/09, NStZ-RR 2010, 39 mwN).
- 4
- Dies hat die Strafkammer bei dem Angeklagten B. , einem Zollbeamten , dessen Beamtenverhältnis nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG mit Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe endet, ersichtlich nicht bedacht. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung dieses Umstandes, der bereits bei der Strafrahmenwahl in den Blick zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 - 2 StR 527/87, BGHSt 35, 148), niedrigere Einzelstrafen und/oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte.
- 5
- Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrecht erhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
- 6
- 2. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten P. weist allein mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht einen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinen Ungunsten auf. Bei einer Deliktserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Bewirkt dieser, dass dadurch mehrere Tatbeiträge von Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841 mwN).
- 7
- Nach diesen Maßstäben ergeben die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte P. in den Fällen A.V.1 bis A.V.9 der Urteilsgründe in neun Fällen Beihilfe zu den Betrugstaten des Angeklagten M. geleistet hat. In den Fällen A.V.5 und A.V.8 der Urteilsgründe ist eine konkrete, die jeweiligen Betrugstaten gesondert fördernde Handlung des Angeklagten P. - anders als in den übrigen Fällen dieses Tatkomplexes - nicht festgestellt. Insoweit liegt sein Beitrag einzig darin, dass er durch die Übernahme des Amtes des Geschäftsführers der Gesellschaft in Kenntnis der betrügerischen Absichten des Angeklagten M. es diesem ermöglichte, die Fassade einer tatsächlich am Markt werbenden Spedition aufrecht zu erhalten und ihn so bei der Durchführung der Betrugstaten unterstützte. Dies stellt neben den festgestellten Beihilfehandlungen in den sieben anderen Fällen lediglich einen weiteren Fall der Beihilfe dar, so dass der Schuldspruch entsprechend auf Beihilfe zum Betrug in acht Fällen zu ändern war.
- 8
- Dies führt zum Wegfall der für den zeitlich später liegenden Fall A.V.8 verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten. Der Gesamtstrafenausspruch wird davon nicht berührt; der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtlich zutreffender Beurteilung der Konkurrenzen, die den Umfang der die Tatschuld des Angeklagten im Wesentlichen prägenden Betrugsschäden unberührt lässt, auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
- 9
- 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und P. sowie das Rechtsmittel des Angeklagten M. haben - auch mit Blick auf die von den Beschwerdeführern M. und B. umfänglich erhobenen Verfahrensrügen - aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
- 10
- Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagten M. und B. sich in den Fällen der Verurteilungen wegen Bankrotts jeweils nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 StGB strafbar gemacht haben.
- 11
- a) Hierzu hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte M. , der faktischer Geschäftsführer eines in Form einer GmbH geführten Speditionsunternehmens war, im Laufe des Jahres 2002 den Plan fasste, dieses und weitere, später von ihm ebenfalls als faktischer Geschäftsführer beherrschte Gesellschaften unter Einschaltung eines sog. Firmenbestatters verdeckt zu liquidieren. Zum jeweils geplanten Ende des Unternehmens sollten Forderungen der Gläubiger - insbesondere die in betrügerischer Absicht durch Stoßbetankungen der Fahrzeuge begründeten - nicht mehr erfüllt und die unternehmerische Tätigkeit mit einer Nachfolgegesellschaft fortgeführt werden. Dazu bediente sich der Angeklagte M. eines in Berlin ansässigen Dienstleistungsunternehmens - des sog. Firmenbestatters -, das gegen ein von den Angeklagten zu zahlendes Entgelt die Abwicklung übernahm. Teil dieser Dienstleistung war es, Personen zu finden - im internen Sprachgebrauch "Strohgeschäftsführer" genannt -, auf die die Geschäftsanteile zum Kaufpreis von einem Euro übertragen wurden und die das Amt des Geschäftsführers übernahmen. Diese veräußerten die Anteile nach wenigen Wochen an im europäischen Ausland lebende Personen weiter, die sich - teilweise nach Umfirmierung der Gesellschaft, die der weiteren Verschleierung diente - wiederum als Geschäftsführer einsetzen ließen. Auch diese Personen wählte der Firmenbestatter aus und wies sie an, wie sie sich bei den notariell beurkundeten Anteilsübertragungen und Geschäftsführerbestellungen zu verhalten hatten. Bei etwaigen Nachfragen von Gläubigern bereitete der Firmenbestatter - in der Regel hinhaltende - Schreiben vor, die von den neuen Geschäftsführern unterschrieben werden mussten; zum Teil leiste- ten sie auch Blankounterschriften, die für solche Zwecke verwendet wurden. Für ihre Bereitschaft, als "Strohgeschäftsführer" zu agieren, erhielten die ausgewählten Personen, bei denen es sich regelmäßig um Rentner oder Empfänger von Arbeitslosengeld II handelte, einmalige Zahlungen in Höhe von 500 oder 1.000 €. Sie waren sämtlich nicht in der Lage, ein Speditionsunternehmen zu führen und hatten daran auch kein Interesse.
- 12
- Im Vorfeld der Anteilsübertragungen vernichteten und/oder versteckten die Angeklagten teilweise Geschäftsunterlagen, teilweise wurden diese auch an den Firmenbestatter übergeben, ohne dass sie allerdings den neuen Geschäftsführern zum Zwecke der Fortführung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden; sie sollten vielmehr dem Zugriff der Gläubiger und eines etwaigen Insolvenzverwalters dauerhaft entzogen werden. Ein Teil der Unterlagen wurde aus diesem Grund - neben denen anderer Gesellschaften - ungeordnet auf Paletten an einen der "Strohgeschäftsführer" in Griechenland versandt.
- 13
- Die Geschäfte der auf diese Weise übertragenen Gesellschaften führte ein ebenfalls von dem Angeklagten M. beherrschtes Nachfolgeunternehmen weiter, das - jedenfalls soweit erforderlich - die Fahrzeuge und das Personal und teilweise auch die Büroausstattung und die -räumlichkeiten übernahm. Mit der Liquidation dieser Unternehmenswerte waren die Angeklagten jeweils noch nach den Anteilsübertragungen befasst. Ebenso wurden die in betrügerischer Absicht eingesetzten Tankkarten der Unternehmen noch nach der Anteilsübertragung auf Weisung des Angeklagten M. verwendet, um Benzinvorräte für die Nachfolgeunternehmen in illegalen Tanklagern anzulegen bzw. weiter aufzufüllen. In einigen Fällen hoben die von dem Angeklagten M. eingesetzten früheren Geschäftsführer - auch der Angeklagte B. - nach der offiziellen Veräußerung der Gesellschaft noch die auf dem Geschäftskonto be- findlichen bzw. dort noch eingehenden Guthabenbeträge ab und gaben das Geld an ihn weiter.
- 14
- Nach diesem Muster verfuhr der Angeklagte M. bei der A. Spedition GmbH, deren nomineller Geschäftsführer bis zur Anteilsveräußerung im Oktober 2002 sein Vater gewesen war, bei der R. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im September 2004: zunächst die Lebensgefährtin des Angeklagten und sodann der gesondert Verfolgte T. ), bei der S L. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im November 2005: der Angeklagte B. ,der mit dem Angeklagten M. arbeitsteilig zusammenwirkte) und bei der I GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im Juni 2005: der Angeklagte P. ), die von vornherein in erster Linie dazu bestimmt war, Dieseltreibstoff betrügerisch zu erlangen und ansonsten keine nennenswerte Geschäftstätigkeit entfaltete. In gleicher Weise agierte der Angeklagte B. bei der von ihm auch als eingetragener Geschäftsführer geleiteten & GmbH, deren Speditionsgeschäfte die R. GmbH weiter führte.
- 15
- b) aa) Das Landgericht hat mit Blick auf die teilweise Vernichtung und letztlich vollständige Entziehung der gesamten Geschäftsunterlagen - rechtlich unbedenklich - den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB als erfüllt angesehen : Es handelte sich insoweit um Handelsbücher und sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung die durchweg in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Gesellschaften verpflichtet waren; durch ihre Unterdrückung wurde auch die Übersicht über ihren Vermögensstand erschwert.
- 16
- bb) Auch die Annahme der Strafkammer, in der Übertragung der Unternehmen auf einen zur Fortführung des Geschäfts ungeeigneten und unwilligen Strohmann liege eine Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB, hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Mit dem Merkmal der "geschäftlichen Verhältnisse" sind über die Vermögensverhältnisse im engeren Sinn hinaus die Umstände angesprochen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschleierns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Vermögensverhältnisse (BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636 mwN). Zu den geschäftlichen Verhältnissen zählen aber auch grundlegende unternehmerische Gesichtspunkte, namentlich Investitionsvorhaben, Planungsmaßnahmen und die zukünftige Entwicklung des Unternehmens (Kümmel , wistra 2012, 165, 168; LK/Tiedemann, 12. Aufl., § 283 Rn. 173). Insbesondere über letztere wurden die Gläubiger vorliegend getäuscht, weil durch den Wechsel des Gesellschafters/Geschäftsführers ohne die Absicht, das Unternehmen fortzuführen, verschleiert wurde, dass die Gesellschaften tatsächlich von den Angeklagten liquidiert wurden und mangels jeglicher weiterer unternehmerischer Tätigkeit bereits feststand, dass sie die entstandenen Verbindlichkeiten auf keinen Fall würden begleichen können und dies auch nicht wollten. Dadurch sowie durch die durchgeführten weiteren Veräußerungen und die damit verbundenen Sitzverlegungen ins Ausland konnten Gläubiger davon abgehalten werden, in Vermögensgegenstände der Gesellschaften zu vollstrecken (vgl. dazu BGH aaO). Angesichts des alleinigen Ziels der Gläubigerbenachteiligung waren diese Handlungen auch erkennbar grob wirtschaftswidrig.
- 17
- c) Allerdings hat sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst, ob die insoweit maßgeblichen Bankrotthandlungen den Angeklagten auch als täterschaftliches Handeln zugerechnet werden können. Sie stellt sich, weil es sich bei dem Tatbestand des Bankrotts nach § 283 StGB um ein Sonderdelikt des Schuldners handelt; ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so ist die Zurechnung der Schuldnereigenschaft über § 14 StGB vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2226 mwN; zu den Zurechnungskriterien nach Aufgabe der Interessentheorie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Im Ergebnis gefährden die fehlenden Ausführungen dazu den Bestand des angefochtenen Urteils aber nicht.
- 18
- aa) Die Einhaltung der außerstrafrechtlichen Aufbewahrungspflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB begründet, hatten bei den Gesellschaften deren Organe bzw. Vertretungsberechtigte zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2369), also der Angeklagte M. als faktischer und der Angeklagte B. in den ihn betreffenden Fällen als eingetragener Geschäftsführer.
- 19
- bb) Die den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB begründenden Tathandlungen begingen die Angeklagten nur zum Teil selbst, indem sie die Geschäftsanteile veräußerten. Dies allein begründet die Strafbarkeit - jedenfalls wegen vollendeten Bankrotts - indes noch nicht, weil der formelle Akt der Anteilsübertragung für sich betrachtet - auch im Zusammenhang mit dem Ziel der "Firmenbestattung" - kein vollendetes Verschleiern der geschäftlichen Verhältnisse darstellt (Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2135 f.; Kümmel, wistra 2012, 165, 168). Erst im Zusammenhang mit den weiteren Handlungen der Strohmänner , die sich nach dem Erwerb der Anteile selbst zu Geschäftsführern einsetzten und - wenn auch auf Weisung des eingeschalteten Firmenbestatters - die Gesellschaften an im Ausland lebende weitere Strohmänner veräußerten und zum Teil auch umfirmierten, wurden die Gläubiger im oben dargelegten Sinne über die geschäftlichen Verhältnisse der Unternehmen in die Irre geführt. Diese Handlungen können den Angeklagten jedoch nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Insoweit gilt:
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- Die Angeklagten blieben auch nach den jeweiligen Anteilsveräußerungen und den Bestellungen der Strohmänner zu Geschäftsführern der Gesellschaften nach § 14 StGB taugliche Täter des Bankrotts nach § 283 StGB.
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- Nach einer in der Literatur und insbesondere in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Vordringen befindlichen Auffassung soll dies schon daraus folgen, dass sowohl die Anteilsübertragung als auch sämtliche Gesellschafterbeschlüsse , mit denen der frühere Geschäftsführer abberufen und der neue bestellt, die Firma geändert oder ihr Sitz verlegt wird, wegen der damit verbundenen und intendierten Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und deshalb - mit Blick auf die Gesellschafterbeschlüsse in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG - nichtig sind (Kilper, Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009, S. 371 ff.; Kümmel, wistra 2012, 165, 167; AG Memmingen, Beschluss vom 2. Dezember 2003 - HRB 8361, GmbHR 2004, 952, mit zust. Anm. Wachter, GmbHR 2004, 955 und Ries, Rpfleger 2004, 226; LG Potsdam, Beschluss vom 17. September 2004 - 25 Qs 11/04, wistra 2005, 193, 195 f. mwN; für Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB auch Kleindiek, ZGR 2007, 276, 291 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03, BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; aA Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2136 f. mwN).
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- Die Frage kann hier aufgrund der Besonderheiten des Falles indes offen bleiben: Der Angeklagte M. war - zum maßgeblichen Zeitpunkt - in keinem Fall eingetragener Geschäftsführer der von ihm faktisch beherrschten Gesellschaften , so dass die Frage einer Wirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse seine Strafbarkeit nicht berührt. Er war vielmehr vor den jeweiligen Anteilsveräußerungen faktischer Geschäftsführer der Gesellschaften und blieb dies auch über diesen Zeitpunkt hinaus bzw. übernahm die Stellung eines faktischen Liquidators (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34, 36; Tiedemann in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 82 Rn. 46), indem er die Gesellschaften abwickelte. Der Angeklagte B. war zwar in beiden ihn betreffenden Fällen eingetragener Geschäftsführer der Gesellschaften ; auf die zivilrechtliche Wirksamkeit seiner Abberufung kommt es aber ebenfalls nicht an, weil auch er - in einem Fall im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Angeklagten M. - diese Gesellschaften nach der Anteilsveräußerung faktisch weiter liquidierte.
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- Daher kann beiden Angeklagten über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugerechnet werden. Sie wurden in ihrer Eigenschaft als (faktisches) Organ im Geschäftskreis der Gesellschaften tätig: Soweit sie rechtsgeschäftlich handelten, etwa bei der weiteren Verwendung der Tankkarten, zeigt sich ihr organschaftliches Handeln daran, dass die Rechtsfolgen - jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht - im Außenverhältnis unmittelbar die Gesellschaften trafen. Im Übrigen - etwa bei den Barabhebungen von den Geschäftskonten - handelten die Angeklagten mit Zustimmung der (neuen) Gesellschafter/Geschäftsführer, denn wesentlicher Bestandteil der Abrede zur Firmenbestattung war gerade, dass diese die Gesellschaften nicht fortführen wollten und den Angeklagten bei deren Abwicklung freie Hand ließen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f.).
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- Die jeweils neu eingesetzten Geschäftsführer wiesen ebenfalls gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die erforderliche Schuldnereigenschaft auf, so dass sie taugliche Mittäter des Bankrotts waren und ihre täterschaftlich begangenen Beiträge zur Tatbestandverwirklichung den Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können. Sie handelten als Vertretungsberechtigte der Gesellschaft , denn ohne ihre besondere Organstellung als Geschäftsführer wären ihnen Handlungen wie Umfirmierung oder Sitzverlegung nicht möglich gewesen (vgl. BGH aaO). Auch insoweit kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit insbesondere ihrer Geschäftsführerbestellungen nicht an, denn im Falle der Unwirksamkeit wäre § 14 Abs. 1 StGB gleichwohl anzuwenden (§ 14 Abs. 3 StGB). Es kann deshalb offen bleiben, ob ihre Handlungen den Angeklagten nicht auch dann zugerechnet werden könnten, wenn die "Strohgeschäftsführer" selbst sich nur wegen Beihilfe zum Bankrott strafbar gemacht hätten, weil in ihrer Person das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nicht vorlag.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit
- 1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht, - 2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird, - 3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt, - 4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt, - 5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, - 6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert, - 7.
entgegen dem Handelsrecht - a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder - b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
- 8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.
(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Wer in den Fällen
- 1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder - 2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
(5) Wer in den Fällen
- 1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder - 2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.