Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Beschluss, 3. Juli 2024 - XII ZB 506/22

bei uns veröffentlicht am07.09.2024

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Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2024 behandelt eine zentrale Frage des Versorgungsausgleichs: Wie sind Anrechte zu behandeln, die erst nach der ursprünglichen Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich entstehen? Konkret ging es um die Frage, ob solche Anrechte im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach § 51 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) berücksichtigt werden können.

Der BGH stellte klar, dass neu entstandene Anrechte grundsätzlich nicht nachträglich in das Abänderungsverfahren einbezogen werden dürfen. Dieser Beschluss verdeutlicht die Grenze zwischen dem klassischen Versorgungsausgleich und dem späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach der Scheidung.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich beantragt, die im Jahr 2005 im Rahmen der Scheidung getroffen wurde. Während der Ehe hatten sowohl er als auch seine geschiedene Ehefrau Versorgungsanrechte bei einem ärztlichen Versorgungswerk erworben. Die frühere Ehefrau erhielt ab 1992 Berufsunfähigkeitsrente und verstarb im Jahr 2010. Der Antragsteller begehrte eine Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung, dass seiner früheren Ehefrau nachträglich eine sogenannte „Mütterrente“ zugestanden hätte. Er argumentierte, diese Rente sei bei der ursprünglichen Berechnung des Versorgungsausgleichs unberücksichtigt geblieben.

 

Kernaussagen des BGH

1. Keine Berücksichtigung nachträglich entstandener Anrechte im Abänderungsverfahren:
Der BGH entschied, dass Anrechte, die erst nach der ursprünglichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich entstehen, nicht im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG berücksichtigt werden dürfen. Dies gelte auch dann, wenn das Anrecht durch eine Gesetzesänderung entsteht. Der BGH folgte hier seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach ein Abänderungsverfahren nur bei einer „wesentlichen Wertänderung“ eines bereits berücksichtigten Anrechts eingeleitet werden kann.

Der entscheidende Punkt ist, dass § 51 VersAusglG auf Anrechte beschränkt ist, die in der ursprünglichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich einbezogen waren und deren Wert sich nachträglich verändert hat. Ein Anrecht, das zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht bestand, erfülle diese Voraussetzung nicht, da es weder eine Wertänderung durchlaufen habe noch Gegenstand der ursprünglichen Entscheidung gewesen sei.

2. Neues Anrecht steht dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich offen:
Anrechte, die nach der Scheidung entstehen, können stattdessen im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach den §§ 20 ff. VersAusglG ausgeglichen werden. Der BGH stellte klar, dass ein Anrecht, das nach der ursprünglichen Entscheidung entsteht, regelmäßig als „noch nicht ausgeglichenes Anrecht“ im Sinne von § 20 Abs. 1 VersAusglG zu verstehen ist. Dies bedeutet, dass solche Anrechte für den späteren schuldrechtlichen Ausgleich zur Verfügung stehen und nicht nachträglich in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einfließen können.

Im vorliegenden Fall hätte die „Mütterrente“, wenn sie zum Zeitpunkt der Scheidung bereits existiert hätte, im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgeglichen werden können. Da sie jedoch erst durch eine spätere Gesetzesänderung entstand, unterliegt sie nun dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.


3. Unterschied zwischen nachträglich entstandenen und übersehenen Anrechten:
Ein zentraler Aspekt des Beschlusses ist die Abgrenzung zwischen nachträglich entstandenen Anrechten und solchen, die bei der ursprünglichen Entscheidung übersehen, vergessen oder verschwiegen wurden. Letztere könnten in einem Abänderungsverfahren berücksichtigt werden, sofern sie bereits zum Zeitpunkt der Erstentscheidung existierten. Im Gegensatz dazu ist ein Anrecht, das erst nachträglich durch eine Rechtsänderung entsteht, von vornherein kein Gegenstand der ursprünglichen Entscheidung und kann daher auch nicht nachträglich in diese einbezogen werden.

 

Konsequenzen für die Praxis

Der BGH-Beschluss stellt eine wichtige Klärung für die Anwendung des § 51 VersAusglG dar. Es wird deutlich, dass das Abänderungsverfahren strikt auf Anrechte beschränkt bleibt, die bereits in der Ausgangsentscheidung berücksichtigt wurden und deren Wert sich nachträglich verändert hat. Neu entstandene Anrechte, wie in diesem Fall die Mütterrente, sind von dieser Regelung ausgenommen und können nur im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ausgeglichen werden.

Für die Praxis bedeutet dies, dass nachträgliche Gesetzesänderungen, die neue Versorgungsanrechte begründen, nicht zur nachträglichen Änderung von Versorgungsausgleichsentscheidungen führen. Ehegatten müssen also darauf vorbereitet sein, solche Anrechte nach der Scheidung auf anderem Wege, insbesondere durch den schuldrechtlichen Ausgleich, geltend zu machen.

 

Fazit

Der BGH hat mit diesem Beschluss wichtige Klarstellungen zur Reichweite des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG getroffen. Neu entstandene Anrechte, die zum Zeitpunkt der Scheidung noch nicht existierten, können nicht im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nachträglich berücksichtigt werden. Dies stärkt die Rechtssicherheit der ursprünglichen Entscheidungen und trennt klar zwischen den Regelungen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs und dem schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung.

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Gesetz über den Versorgungsausgleich


Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 51 Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs


(1) Eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat, ändert das Gericht bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den

Referenzen

(1) Eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat, ändert das Gericht bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 teilt.

(2) Die Wertänderung ist wesentlich, wenn die Voraussetzungen des § 225 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorliegen, wobei es genügt, dass sich der Ausgleichswert nur eines Anrechts geändert hat.

(3) Eine Abänderung nach Absatz 1 ist auch dann zulässig, wenn sich bei Anrechten der berufsständischen, betrieblichen oder privaten Altersvorsorge (§ 1587a Abs. 3 oder 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung) der vor der Umrechnung ermittelte Wert des Ehezeitanteils wesentlich von dem dynamisierten und aktualisierten Wert unterscheidet. Die Aktualisierung erfolgt mithilfe der aktuellen Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Wertunterschied nach Satz 1 ist wesentlich, wenn er mindestens 2 Prozent der zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.

(4) Eine Abänderung nach Absatz 3 ist ausgeschlossen, wenn für das Anrecht nach einem Teilausgleich gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 geltend gemacht werden können.

(5) § 225 Abs. 4 und 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.