Kann das Weitergeben privater E-Mails zum Kündigungsgrund werden?

bei uns veröffentlicht am17.01.2022

Autoren

Rechtsanwalt

Helge Schubert, LL.M.

Steuerrecht
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Zusammenfassung des Autors

Wer sich auf der Arbeit um die eingehenden E-Mails an den Chef kümmert, dem ist vielleicht auch schon einmal eine untergekommen, die nicht für fremde Augen bestimmt war, sondern einzig und allein für den Chef höchstpersönlich. Was ist, wenn der Inhalt dann so interessant war, dass man ihn mit anderen teilen wollte und ihn deswegen weitergeleitet hat?

Das darf man doch bestimmt gar nicht, oder? Mit dieser Frage, und ob dieses Verhalten eine fristlose Kündigung rechtfertigt, beschäftigte sich das Landgericht Köln, als eine Arbeitnehmerin deswegen fristlos gekündigt worden ist (LAG Köln, Urteil vom 02.11.2021 - 4 Sa 290/21).

23 Jahre angestellt und jetzt die fristlose Kündigung

Die Angestellte war seit 23 Jahren für eine Kirchengemeinde im Verwaltungsbereich tätig. Für die Buchhaltung hatte sie in diesem Rahmen einen Zugang zum PC des Pastors. Auf dem Computer ging irgendwann eine Mail ein, welche die Verwaltungsmitarbeiterin scheinbar so neugierig machte, dass sie auch den Anhang einer weiteren, offensichtlich privaten, Mail durchforstete. 

In der ersten Mail wurde der Pastor auf ein gegen ihn laufendes Ermittlungsverfahren aufgrund eines Verdachts sexueller Übergriffe hingewiesen. Im Anhang der privaten zweiten Mail fand die Mitarbeiterin einen Chatverlauf, der zwischen Pastor und dem mutmaßlichen Opfer, der im Kirchenasyl lebenden Frau, stattgefunden hatte.

Mitarbeiterin erhebt Kündigungsschutzklage

Eigenen Angaben zufolge handelte sie im Gedanken der Beweissicherung, als sie den Chatverlauf auf einen USB-Stick kopierte und einige Tage später den Inhalt anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weitergab. Damit habe sie die betroffene im Kirchenasyl lebende Frau schützen wollen. 

Als die Situation bekannt wurde, hat sie von der Gemeinde die fristlose Kündigung erhalten. Das Amtsgericht Aachen gab der Kündigungsschutzklage der gekündigten Mitarbeiterin zunächst statt. Einerseits habe sie durch ihr Verhalten einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung geschaffen. Andererseits müsse das lange und bis dato ungestörte Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmerin berücksichtigt werden und in Anbetracht dessen sahen die Richter keinen Anlass für die Annahme einer Wiederholungsgefahr. 

LAG: Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nachhaltig geschädigt

Die Gemeinde ging dagegen erfolgreich in Berufung. Denn nach Ansicht des LAG Köln wurde durch das Verhalten der Arbeitnehmerin das für ihre Arbeit erforderliche Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört. 

Durch das Weiterleiten fremder persönlicher Daten an Dritte habe sie gegen Persönlichkeitsrechte sowie gegen arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflichten verstoßen. 

Ihre Aussagen bezüglich der Beweggründe, die betroffene Frau schützen zu wollen, konnten ihre Taten nicht rechtfertigen. Im Rahmen einer Interessenabwägung würde außerdem das Lösungsinteresse der Gemeinde dem Beschäftigungsinteresse der ehemaligen Verwaltungsangestellten klar überwiegen.

Darf der Chef die E-Mails der Angestellten kontrollieren?

Wie das ganze umgekehrt ausschaut, ob der Chef die empfangenen und versendeten Mails der Arbeitnehmer checken darf, das kommt darauf an, ob die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz gestattet wurde oder nicht. 

Wurde den Mitarbeitern ausdrücklich oder konkludent gestattet, dass sie in gewissem Rahmen während der Arbeitszeit auch privat im Netz surfen dürfen – und nicht etwa eine ganze Arbeitswoche dort verbringen (LAG Berlin, Urteil vom 14.01.2016 – 5 Sa 657/15) – dann ist eine Überprüfung durch den Arbeitgeber nicht rechtens im Sinne des Datenschutzes und des Fernemeldegeheimnisses. 

Wenn die Nutzung dagegen ausdrücklich verboten wurde, kann es schon vorkommen, dass der Arbeitgeber anlassbezogene Kontrollen durchführen darf.

Was lernen wir daraus? 

Die E-Mails, die offensichtlich aus privaten Gründen für den Chef bestimmt sind, sind für den Arbeitnehmer tabu, solange der Chef nicht erlaubt hat sie zu öffnen, zu beantworten oder weiterzuleiten etc. 

Ob man am Arbeitsplatz seine eigenen E-Mails checken darf, kommt darauf an, was genau im Arbeitsvertrag vereinbart oder eben nicht vereinbart wurde.

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