Trunkenheit im Verkehr: E-Bike muss kein Kraftfahrzeug mit 0,5 Promillegrenze sein

02.12.2013

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Ein E-Bike muss kein Kraftfahrzeug sein, für das die 0,5 Promillegrenze des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) gilt.
Um dies zu beurteilen bedarf es weiterer Feststellungen zu den technischen Eigenschaften des Fahrzeugs.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit der Rechtsbeschwerde eines 32 Jahre alten Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts Paderborn zum Erfolg verholfen. Dem Betroffenen wird zur Last gelegt, ein E-Bike mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille geführt und damit gegen die Vorschrift des StVG verstoßen zu haben. Dort wird das Führen eines Kraftfahrzeugs mit mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut als Ordnungswidrigkeit untersagt. Um das E-Bike des Betroffenen in Bewegung zu versetzen, muss seine Pedale getreten werden. Danach kann das E-Bike mit dem Elektromotor angetrieben und beschleunigt werden, indem ein Griff am Lenkrad gedreht wird. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das StVG zu einer Geldbuße von 750 EUR und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt.

Die gegen das Urteil vom Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das OLG hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bleibe unklar, ob der Betroffene in rechtlicher Hinsicht ein Kraftfahrzeug, oder ob er lediglich ein Fahrrad geführt habe. Die rechtliche Einordnung sog. E-Bikes als Fahrrad oder Kraftfahrzeug sei teilweise noch ungeklärt, obergerichtliche Rechtsprechung liege noch nicht vor. Das StVG ahnde nicht das Führen eines pedalgetriebenen Fahrrads, sondern nur das Führen eines Kraftfahrzeugs, weil von einem Kraftfahrzeug insbesondere wegen der erzielbaren Geschwindigkeit eine höhere Gefährlichkeit ausgehe und das Führen von Kraftfahrzeugen auch höhere Leistungsanforderungen an den Fahrer stelle. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Straftatbestands des § 316 StGB müsse deswegen das Führen eines relativ langsamen und leicht zu bedienenden Fahrzeugs nicht als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden. E-Bikes, die als Fahrräder mit einem elektrischen Hilfsantrieb gebaut seien, der sich beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h abschalte, seien daher unabhängig von einer etwaigen Anfahrhilfe nicht als Kraftfahrzeuge einzustufen. Da nicht geklärt sei, wie das E-Bike des Betroffenen einzuordnen sei, müsse die Sache vom Amtsgericht neu verhandelt und entschieden werden (OLG Hamm, 4 RBs 47/13).

Hinweis: Das Amtsgericht Paderborn hat das Bußgeldverfahren mit Beschluss vom 12.8.2013 (77 Ds 35/13) gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, weil das E-Bike des Betroffenen für weitere Feststellungen nicht zur Verfügung stand.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:


OLG Hamm Beschluss vom 28.02.2013 (Az: 4 RBs 47/13)

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.


Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,5 Promille eine Geldbuße in Höhe von 750,- € sowie ein dreimonatiges Fahrverbot festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen.

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

Gemäß § 24 a Abs. 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen bleibt unklar, ob der Betroffene zur Tatzeit tatsächlich ein Kraftfahrzeug geführt hat. Das Amtsgericht hat dazu ausgeführt:

„Das E-Bike des Angeklagten funktioniert in der Weise, dass der Angeklagte zur Beschleunigung desselben den rechten Griff des Lenkrades drehen kann. Durch die Drehung des Griffes wird das E-Bike durch den eingebauten Elektromotor angetrieben. Hierdurch kann durch die Geschwindigkeit erhöht werden, ohne die Pedale zu treten. Allerdings ist das Treten der Pedale erforderlich, um das E-Bike überhaupt in Betrieb zu setzen.“

Weiter heißt es:

„Das verfahrensgegenständliche E-Bike erfüllt die Anforderungen an ein Kraftfahrzeug nach § 1 Abs. 2 StVG. Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Hinsichtlich der Art der Maschinenkraft, welche das Landfahrzeug fortbewegt, ist es unerheblich, ob es sich bei dieser Kraft um elektrische Kraft oder beispielsweise um aus einem Verbrennungsmotor produzierte Kraft handelt. Ausreichend ist, dass - wie im vorliegenden Falle elektrische - Energie zum Antrieb des Fahrzeugs führt. Darüber hinaus ist anerkannt, dass „E-Bikes“ im Gegensatz zu bestimmten Arten von sogenannten „Pedelecs“ als Kraftfahrzeuge fahrerlaubnispflichtiger oder nicht fahrerlaubnispflichtiger Art gelten.“

Diese Feststellungen reichen für die Überprüfung, ob es sich bei dem von dem Betroffenen geführten Fahrzeug tatsächlich um ein Kraftfahrzeug - und nicht lediglich um ein Fahrrad - gehandelt hat, nicht aus.

Die rechtliche Einordnung sogenannter E-Bikes bzw. Pedelecs ist, jedenfalls teilweise, noch ungeklärt.

Obergerichtliche Rechtsprechung liegt, soweit ersichtlich, dazu noch nicht vor.

Dass § 24 a StVG eine Ahndung nur für den Fall des Führens eines Kraftfahrzeugs vorsieht, ist nach Auffassung des Senats darin begründet,

dass von einem Kraftfahrzeug, insbesondere wegen der erzielbaren Geschwindigkeit, zum einen eine höhere Gefährlichkeit ausgeht als von einem bloß pedalbetriebenen Fahrrad, zum anderen das Führen von Kraftfahrzeugen aber auch höhere Leistungsanforderungen an den Fahrer stellt. Ausgehend davon sieht der Senat kein Erfordernis, dass Führen eines relativ langsamen und einfach zu bedienenden Fahrzeugs - wenn nicht die Voraussetzungen des § 316 StGB vorliegen - als Ordnungswidrigkeit zu sanktionieren. Fahrräder mit einem elektrischen Hilfsantrieb, der sich bei Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h abschaltet, sind, unabhängig von einer etwaigen Anfahrhilfe, nach Auffassung des Senats n i c h t als Kraftfahrzeuge einzustufen.

Wie danach das Fahrzeug des Betroffenen einzuordnen ist, lässt sich den insoweit unklaren Urteilsgründen nicht entnehmen.

Das angefochtene Urteil ist daher mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen.

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(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.

(2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn durch den Bußgeldbescheid eine Geldbuße bis zu einhundert Euro verhängt worden ist und die Staatsanwaltschaft erklärt hat, sie nehme an der Hauptverhandlung nicht teil. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(3) Die Einstellung des Verfahrens darf nicht von der Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder sonstige Stelle abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang gebracht werden.

(1) Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, die auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden sollen, müssen von der zuständigen Behörde (Zulassungsbehörde) zum Verkehr zugelassen sein. Die Zulassung erfolgt auf Antrag des Verfügungsberechtigten des Fahrzeugs bei Vorliegen einer Betriebserlaubnis, Einzelgenehmigung oder EG-Typgenehmigung durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens.

(2) Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.

(3) Keine Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes sind Landfahrzeuge, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und

1.
beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher,
2.
wenn der Fahrer im Treten einhält,
unterbrochen wird. Satz 1 gilt auch dann, soweit die in Satz 1 bezeichneten Fahrzeuge zusätzlich über eine elektromotorische Anfahr- oder Schiebehilfe verfügen, die eine Beschleunigung des Fahrzeuges auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten des Fahrers, ermöglicht. Für Fahrzeuge im Sinne der Sätze 1 und 2 sind die Vorschriften über Fahrräder anzuwenden.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.