Strafverfahren gegen ehemalige kino.to-User

bei uns veröffentlicht am17.02.2012

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
die Staatsanwaltschaft Dresden soll auf beschlagnahmten Rechnern von kino.to die Daten von sog. Premium-Kunden gefunden haben, die für werbefreien Zugang per PayPal zahlten
Nach verschiedenen Pressemeldungen sollen nun tausende ehemalige Nutzer des Internetfilmportals "kino.to" mit einem Strafverfahren zu rechnen haben. Die Daten von sogenannten Premium-Kunden der Seite, die für einen werbefreien Zugang zu den Filmen per PayPal zahlten, habe die Staatsanwaltschaft auf den beschlagnahmten Rechnern von kino.to gefunden. Hintergrund ist, dass es sich bei der Internetseite kino.to um eine Internetseite handelte, die illegale Raubkopien von Filmen zum Online-Streaming zur Verfügung stellte. Hierbei machten sich die Betreiber der Website wegen urheberrechtswidriger Vervielfältigung strafbar.


Ist die Nutzung von Online-Streaming eine Urheberrechtsverletzung?

Ungeklärt ist jedoch, ob sich auch die Nutzer solcher Websites strafbar machen (lesen Sie hierzu den Artikel „Ist Online-Streaming illegal?“). Dies hängt von der Frage ab, ob das Online-Streaming als eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung i.S.v. § 16 UrhG zu sehen ist und ob es sich bei den Filmen um offensichtlich rechtswidrig hergestellte Raubkopien handelt. Zwar haben sich die Gerichte bezüglich der Anbieter bisher für eine Strafbarkeit ausgesprochen, jedoch ist die Rechtslage bezüglich der Nutzer solcher Websites noch höchst umstritten.

Die Staatsanwaltschaft müsste den Beweis erbringen, in welchem konkreten Fall es wann zu einer Urheberrechtsverletzung gekommen sein soll. Nur ist durch die bloße Zahlung an kino.to noch keine konkrete Urheberrechtsverletzung bewiesen.

Denkbar wäre auch, dass es zu einem Verfahren wegen Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung kommen könnte. Hier stellt sich jedoch die ausschlaggebende Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzung „Vorsatz“ gegeben ist. Ein Premium-User wollte wohl keine Urheberrechtsverletzung fördern, sondern lediglich werbefreien Zugang zum Online-Streaming-Angebot haben. Dies allein wird nur schwer ausreichen, um Vorsatz anzunehmen.

Dennoch ist es möglich, dass es in Zukunft zu Vernehmungen oder gar Hausdurchsuchungen der Premium-Kunden kommt. Da allein diese durch die Bezahlung des Permium Services ihre Daten preisgegeben haben, wäre allein bei ihnen eine Verfolgung möglich. Für eine kostenfreie Nutzung der Website war keine Hinterlegung persönlicher Daten erforderlich, die eine Ermittlung der Nutzerdaten ermöglichen würde. Daher ist deren Verfolgung z.Zt. unwahrscheinlich.


Wie verhält man sich bei einer Vernehmung?

Falls man tatsächlich zu einer Vernehmung vorgeladen werden sollte, ist es ratsam, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der den Vernehmungstermin absagen oder verschieben und der sich mithilfe einer Akteneinsicht über den aktuellen Ermittlungsstand informieren kann. Sollte man selbst zu einem Vernehmungstermin gehen - wovon wir jedoch abraten - empfehlen wir, gegenüber der Polizei keine Aussagen zu machen. Ein Beschuldigter ist nicht verpflichtet, gegenüber der Polizei auszusagen. Erfahrungsgemäß überführen sich die meisten Beschuldigten durch unüberlegte Aussagen selbst. Ohne eine belastende Aussage bleibt es Aufgabe der Polizei, eine konkrete Urheberrechtsverletzung oder die Beihilfe hierzu nachzuweisen, was sich als äußerst schwierig darstellen könnte.

Allein die Bezahlung eines Premim-Accounts beweist noch nicht, dass Urheberrechtsverletzungen begangen wurden und da es zur Zeit noch höchst umstritten ist, ob Online-Streaming überhaupt für die Nutzer strafbar ist, wird man unterstellen können, dass der Nutzer von der Legalität des Online-Streamings ausging. Das gleiche gilt für die Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung.


Wie verhält man sich bei einer Hausdurchsuchung?

Eine Hausdurchsuchung setzt einen dringenden Tatverdacht voraus. Bei Hausdurchsuchungen wird der Beschuldigte zunächst über das Bevorstehen benachrichtigt. Daher ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte den Cache (Zwischenspeicher) auf seinem Computer bereits gelöscht oder überschrieben hat. Da eine Strafvereitelung i.S.v. § 258 StGB nur für die Tat eines anderen strafbar ist, macht sich der Beschuldigte nicht strafbar, wenn er sich auf die Hausdurchsuchung entsprechend vorbereitet.

Die Polizei hat auch hier eine hinreichend konkrete Urheberrechtsverletzung oder die Beihilfe hierzu nachzuweisen. Dies wird sie versuchen, indem sie Spuren auf vorgefundenen Computern sucht. Selbst wenn ihr das gelingen sollte, muss die Polizei die Verhältnismäßigkeit wahren.

Es ist dem Beschuldigten anzuraten, bei der Polizei nachzufragen, was sie konkret sucht, ihr dann die vorhandenen Computer zu zeigen und der Mitnahme zu widersprechen. So erspart man sich die Durchsuchung der gesamten Räumlichkeiten durch die Polizei. Außerdem ist ratsam, von den vorhandenen Computern Datensicherungen anzufertigen, damit ein eventueller Datenverlust infolge der Beschlagnahmung vermieden wird. Zu der Sache selbst sollte keine Aussage gemacht werden und es sollte kein Widerstand geleistet werden. Denn auch wenn die Strafbarkeit der Nutzung von Online-Streaming fragwürdig bleibt, ändert dies nichts an der Strafbarkeit des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Sollte es sich durch höchstrichterliche Entscheidung herausstellen - was sehr wahrscheinlich ist - dass die Nutzung aufgrund der Nichtunterscheidbarkeit von Raukopie und legaler Kopie im Internet straflos bleibt, war der Aufwand der Staatsanwaltschaft und Polizei umsonst.


Warum sollte man einen Rechtsanwalt mandatieren?

Bei einer drohenden Hausdurchsuchung oder einer Vorladung zu einer Vernehmung sollte ein Rechtsanwalt mandatiert werden, um Waffengleichheit zwischen den Beteiligten über die Akteneinsicht herzustellen. Dadurch hat der Rechtsanwalt die Möglichkeit, sich umfassend über den Stand des Verfahrens und über die den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen zu informieren. Des Weiteren kann er den Vernehmungstermin absagen oder verschieben.

Die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände kann unter Umständen Jahre dauern, wobei nicht einmal sichergestellt ist, dass man z.B. Computer in unversehrtem Zustand zurückerhält. Hier kann ein Rechtsanwalt versuchen, eine schnelle Herausgabe der beschlagnahmten Computer herbeizuführen und die Widerherstellung der Daten durch entsprechende Stellen zu veranlassen.

Cand. jur. David Jerman
Rechtsanwalt Dirk Streifler


Gesetze

Gesetze

2 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 16 Vervielfältigungsrecht


(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. (2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vo

Strafgesetzbuch - StGB | § 258 Strafvereitelung


(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ode

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(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.

(2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.