Reiserecht: Zum Ausgleichsanspruch wegen Nichtantretens des Flugs seitens des Fluggasts

published on 17/09/2013 13:38
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Author’s summary by für Familien- und Erbrecht

Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 16.04.2013 (Az.: X ZR 83/12) folgendes entschieden:


Gründe:

Der Kläger verlangt - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - eine Ausgleichszahlung von 400 € gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/01, ABl. L 46 S. 1 (nachfolgend: Fluggastrechteverordnung).

Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von F. nach T. , der am 18. Dezember 2010 um 11.15 Uhr starten sollte. Der gebuchte Flug fand planmäßig, aber ohne den Kläger statt. Der Kläger behauptet, er sei am Abflugtag bereits um 8.00 Uhr am Flughafen erschienen, habe aber wegen einer besonders langen Warteschlange am Abfertigungsschalter erst um 14.00 Uhr Gelegenheit gehabt, sein Gepäck aufzugeben.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt.

Die Revision hat weder Aussicht auf Erfolg noch liegt ein Zulassungsgrund vor (§ 552a ZPO).

Dem Kläger steht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO nicht zu.

Der von dem Kläger gebuchte Flug wurde planmäßig durchgeführt. Es liegt weder eine Annullierung des Flugs (Art. 5 FluggastrechteVO) noch eine große Verspätung vor, die eine Ausgleichszahlung rechtfertigen könnten. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu werden von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

Dem Kläger steht auch kein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung (Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO) zu.

"Nichtbeförderung" ist nach Art. 2 Buchst. j FluggastrechteVO die Weigerung, Fluggäste zu befördern, die sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Der Fluggast, der einen Anspruch wegen Nichtbeförderung geltend machen will, muss demnach grundsätzlich am Flugsteig anwesend gewesen sein. Davon gehen sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union als auch der Bundesgerichtshof aus.

Im Streitfall ist der Kläger bis zur Beendigung des Einsteigevorgangs nicht am Flugsteig erschienen und ihm wurde weder dort noch zu einem früheren Zeitpunkt der Einstieg verweigert.

Die Fluggastrechteverordnung enthält kein umfassendes Regelwerk, das Ansprüche auf Ausgleichszahlungen, Erstattung von Entgelten und Betreuungsleistungen (Art. 7 bis Art. 9) für sämtliche Fälle vorsähe, in denen der Fluggast nicht oder nicht zu dem geschuldeten Zeitpunkt befördert wird. Durch die Verordnung werden unter den in ihr genannten Bedingungen Mindestrechte für Fluggäste in den Fällen der Nichtbeförderung gegen ihren Willen, der Annullierung des Flugs und der Verspätung des Flugs festgelegt (Art. 1 Abs. 1). Bei diesen Mindestrechten handelt es sich um gesetzliche Ansprüche, die nicht aus dem Beförderungsvertrag folgen, den der Fluggast etwa mit dem Luftverkehrsunternehmen abgeschlossen hat. Vielmehr richten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen; vertragliche Beziehungen zwischen diesem und dem Fluggast müssen nicht bestehen (Art. 2 Buchst. b). Sie spielen für die Frage, ob und mit welchem Inhalt dem Fluggast ein Anspruch nach der Verordnung zusteht, auch keine Rolle. Art. 12 Abs. 1 FluggastrechteVO überlässt es im Übrigen dem (nationalen) Vertragsrecht, ob das Luftfahrtunternehmen, das die Nichtbeförderung im Sinne der Verordnung durch sein Verhalten verursacht hat, eine weitergehende Einstandspflicht trifft.

Nach diesen Maßstäben kann deshalb im Streitfall entgegen der Auffassung der Revision eine Verweigerung der Beförderung durch die Beklagte nicht angenommen werden. Selbst wenn man, wie auch vom Bundesgerichtshof für möglich gehalten, eine vorzeitige, vor dem Eintreffen des Reisenden am Flugsteig stattfindende Beförderungsverweigerung als von der Fluggastrechteverordnung umfasst ansieht, kann eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird. Der in Art. 2 Buchst. j FluggastrechteVO gewählte Begriff "Weigerung, Fluggäste zu befördern" bedeutet, dass das Begehren des Fluggastes, an dem Flug teilzunehmen, zurückgewiesen wird. Zu einem Verhalten oder einer Äußerung der Beklagten, mit denen eine vorzeitige Zurückweisung zum Ausdruck gebracht worden wäre, hat der Kläger nichts vorgetragen. Allenfalls hätte der Kläger eine seine Beförderung ablehnende Äußerung oder ein ablehnendes Verhalten des Luftfahrtunternehmens durch eigenes Tun herbeiführen können. Hierzu hat das Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - keine Feststellungen getroffen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Die Voraussetzungen des in der Verordnung geregelten Ausgleichsanspruchs wegen Nichtbeförderung oder Beförderungsverweigerung (Art. 4 Abs. 1, 3 und Art. 7 VO) und die Definition des Begriffs Nichtbeförderung sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
 
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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.