Kapitalmarktrecht: Positive Entscheidung des OLG München im Musterverfahren wegen fehlerhaftem Emissionsprospekt

published on 12/01/2012 12:51
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Haftung der finanzierenden Bank und der VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG auf Schadensersatz wegen Prospektfehler - OLG München vom 30.12.11 - Az: Kap 1/07
Das OLG München hat mit Urteil vom 30.12.2011 (Az: Kap 1/07) im Musterverfahren die finanzierende Bank und den Fondsinitiator des VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG zum Schadensersatz verurteilt.

Die Möglichkeit, Musterklagen zu führen, gibt es in Deutschland erst seit November 2005. Mit der Einführung des neuen Gesetzes sollte es ermöglicht werden, dass mehrere Anleger des gleichen Fonds gemeinsam klagen können. Grundsätzliche und in allen Verfahren gleiche streitige Fragen müssen somit nur einmal gerichtlich entschieden werden. Sie sind dann für alle anderen am Verfahren Beteiligten verbindlich. So müssen z.B. Zeugen nur einmal angehört werden und Sachverständigengutachten nur einmal eingeholt werden. Mit dem Ergebnis des Musterverfahrens können die anderen geschädigten Anleger dann ihre jeweiligen Verfahren einfacher führen.

Mit dem Urteil des OLG München wurde erstmals nach Inkrafttreten des KapMuG eine für die Anleger positive Entscheidung getroffen.

Im vorliegenden Musterverfahren sollte entschieden werden, ob das Wertpapierprospekt, welches den Anlegern bei Zeichnung der Beteiligung übergeben wurde, fehlerhaft war. Mit den Medienfonds wurde Geld für die Produktion von Filmen eingesammelt. Den Anlegern wurden mit der Zeichnung einerseits Renditen, darüber hinaus aber vor allen Dingen Steuervorteile versprochen. Diese Steuervorteile wurden allerdings später von den Finanzbehörden nicht anerkannt und wieder entzogen, so dass vielen Anlegern Steuernachzahlungen drohten.

Deswegen verklagten viele Anleger den Fondsgründer und die finanzierende Bank auf Schadensersatz wegen des fehlerhaften Emissionsprospektes. Das OLG München hat im Musterverfahren zu Gunsten der Anleger entschieden, dass der Prospekt ist in Teilen "unrichtig, unvollständig und irreführend" ist. Insbesondere sind das steuerrechtliche Anerkennungsrisiko, das Verlustrisiko und die Prognoserechnung fehlerhaft dargestellt. Das wiederum führt zu Schadensersatzansprüchen der Anleger.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

OLG München: Beschluss vom 12.02.2008 - Az: KAP 1/07

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K. wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.


Gründe:

Die Beklagten werden in einer Vielzahl von Verfahren vor dem Landgericht München I von Anlegern im Zusammenhang mit deren Beteiligung an der F1.- & E1. VIP Y1. 4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: VIP Y1. 4) wegen behaupteter Prospektfehler auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

In 32 Verfahren haben Kläger Musterfeststellungsanträge gestellt, die Gegenstand des vorliegenden Kapitalanleger-Musterverfahrens sind. Am 15.11.2007 hat das Landgericht einen Vorlagebeschluss gemäß § 4 KapMuG erlassen. Hinsichtlich der Feststellungsziele und des weiteren Inhalts des Beschlusses wird auf Blatt 1/70 d. A. Bezug genommen.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 06.12.2007 wurde den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller bis 15.01.2008 Gelegenheit eingeräumt, zur Bestimmung eines Musterklägers Stellung zu nehmen.

Am 18.12.2007 fand vor dem 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München unter der Leitung des Vorsitzenden Richters K., der zugleich Vorsitzender des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren ist, Termin zur mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren 5 U 3700/07 (M1. W-F ./. C AG) statt. In diesem Verfahren nimmt die Klägerin neben der C AG auch die Beklagten des Kapitalanleger-Musterverfahrens wegen ihrer Beteiligung an dem VIP Y1. 4 auf Schadensersatz aus Prospekthaftung in Anspruch. Das Landgericht München I hat die Klage mit Teilurteil vom 20.04.2007 gegen die C wegen mangelnden Vortrags zu einem haftungsbegründenden Beratungsverhältnis und fehlender Prospektverantwortlichkeit abgewiesen. Hinsichtlich der weiteren Beklagten A. S. und B. H. AG hat das Landgericht München I am selben Tag einen Beweisbeschluss erlassen. Die Klägerin im vorgenannten Verfahren hat gegen das Teilurteil vom 20.04.2007 Berufung eingelegt und Zurückverweisung an das Landgericht München I beantragt. An der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vom 18.12.2007 nahm der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) des Kapitalanleger-Musterverfahrens als Zuhörer teil und fertigte über den Ablauf der Sitzung eine Aktennotiz.

Mit Schriftsätzen jeweils vom 21.12.2007 (Blatt 74/91 sowie Blatt 92/99 und 100/106 d. A.) haben die Beklagten im vorliegenden Verfahren den Vorsitzenden Richter K. sowie den Richter am Oberlandesgericht Dr. B., der auch Mitglied im Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren war, wegen deren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 im Verfahren 5 U 3700/07 als befangen abgelehnt.

Nach dem Hinweis darauf, dass Richter am Oberlandesgericht Dr. B. zum 31.12.2007 aus dem Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren ausgeschieden ist, haben die Beklagten mit Schriftsätzen vom 18.01.2008 (Blatt 152 f) und 24.01.2008 (Blatt 134 d. A.) die Ablehnungsgesuche gegen Richter am Oberlandesgericht Dr. B. für erledigt erklärt.

Zur Begründung ihrer Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K. führen die Beklagten im Wesentlichen aus, dieser habe durch seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 zu erkennen gegeben, dass er hinsichtlich der im Kapitalanleger-Musterverfahren noch zu klärenden Fragen voreingenommen sei. Ohne dass hierfür eine prozessuale Notwendigkeit bestanden habe, habe er sich im Termin vom 18.12.2007 auch zur behaupteten Fehlerhaftigkeit des Prospekts des VIP Y1. 4 geäußert. Er habe ausgeführt, dass der Prospekt aus Sicht des Senats falsch sei, da in ihm nicht dargestellt werde, dass 80% der von der Fondsgesellschaft an den Produktionsdienstleister gezahlten Mittel an den Lizenznehmer weitergeleitet wurden. Weiter habe er ausgeführt, dass es sich um ein Anlagegeschäft handele, das im Prospekt nicht dargestellt worden sei. Dies sei eine wirtschaftliche Umgehung, wobei er auf § 42 AO hingewiesen habe. Es sei nicht plausibel, dass ein Lizenznehmer entsprechende Sicherheiten stelle, ohne zu wissen, ob die Lizenz überhaupt etwas einbringe. Dies sei im Wirtschaftsleben nicht nachvollziehbar. Derartige Vorleistungen eines Lizenznehmers in Millionenbeträgen seien für den Senat einfach nicht plausibel. Des Weiteren habe er ausgeführt, dass es für den Senat keine Überraschung gewesen sei, dass der Beklagte zu 1) im Strafverfahren verurteilt wurde.

Die Beklagte zu 2) weist ergänzend darauf hin, dass der Vorsitzende erklärt habe, dass die Art der Zahlungsflüsse von Anfang an so geplant gewesen sei. Er habe darauf hingewiesen, dass sich dies insbesondere aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag ergebe; es sei von Anfang an klar gewesen, dass 87,2% nicht in die Filmproduktionen fließen könnten. Die Beklagte zu 2) führt ferner aus, dass die Vorgehensweise des Vorsitzenden den Eindruck erwecke, unbedingt vor einer Unterbrechungswirkung durch das KapMuG-Verfahren wesentliche „Weichenstellungen“ in der angestammten Besetzung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München treffen zu wollen. Dies komme zum einen in der äußert ungewöhnlichen Versagung der Einräumung einer Schriftsatzfrist gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der C AG, als auch in der Vorgehensweise im Parallelverfahren 5 U 3884/07 zum Ausdruck. Dort seien dem Berufungskläger aufgrund zweimaliger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist insgesamt 4 Monate zur Fertigung der Berufungsbegründung zur Verfügung gestanden. Der Beklagten zu 2) sei jedoch lediglich eine Frist von etwas über 5 Wochen zur Berufungserwiderung, verbunden mit einer Terminierung bereits auf den 15.01.2008 gewährt worden. Zwar sei der Bitte um eine Fristverlängerung bis 21.01.2008 nachgekommen worden, der Termin jedoch lediglich auf den 01.02.2008 verschoben worden. Der Bitte um eine Terminsverlegung wegen einer Terminsüberschneidung sei der Vorsitzende trotz Einverständnisses der Gegenseite nicht nachgekommen.

Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht K. durch seine Äußerungen bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben habe, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Es lägen insbesondere zusätzliche konkrete Umstände vor, die ergäben, dass er nicht nur im Verfahren gegen die C AG, sondern übergreifend auch im KapMuG-Verfahren sowie in weiteren Verfahren betreffend VIP Y1. 4 nicht bereit sei, seine vorgefasste Meinung kritisch zu überprüfen und das Vorbringen der Prozessparteien unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen. Insbesondere ergebe sich aus den Äußerungen ein Vorverständnis, wie bestimmte tatsächliche Geschehnisse aus Sicht des Vorsitzenden nur gewesen sein könnten, die der zentrale Gegenstand von Beweisaufnahmen nach dem Vorlagebeschluss im KapMuG-Verfahren seien. Dies betreffe vor allem die Frage der Prospektunrichtigkeit und insbesondere die Vorgabe von Zahlungsströmen. Der Vorsitzende habe das Ergebnis der im KapMuG-Verfahren noch durchzuführenden Beweisaufnahme vorweggenommen und sich und die weiteren Mitglieder des KapMuG-Senats durch seine Äußerungen präjudiziert. Die Besorgnis, dass der Vorsitzende eigene Wissens- und Kenntnisvorstellungen über Aussagen noch einzuvernehmender Zeugen oder auch gesicherte Dritterkenntnisse stellen werde, werde auch durch Äußerung begründet, es stehe fest, dass lediglich 20% verfilmt worden seien. Dieser Vorwurf sei von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen worden, nachdem festgestellt worden sei, dass tatsächlich Filme in Höhe der budgetierten Kosten erstellt worden seien. Auch die Annahme des Vorsitzenden, wonach Vorleistungen des Lizenznehmers vor Zurverfügungstellung der Filme nicht plausibel seien, widerspreche den durch die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft wie auch den Beweisaufnahmen vor dem Landgericht München I bestätigten Gepflogenheiten der Branche.

Die Ausführungen des Vorsitzenden zeigten, dass er sich offensichtlich von der Tatsache des Strafprozesses allein zu einer Vorverurteilung des Beklagten zu 1) verleiten lasse. Das Strafverfahren sei noch nicht abgeschlossen. Das Urteil sei nicht rechtskräftig, da Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt sei. Darüber hinaus sei der Beklagte zu 2) wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden und nicht wegen einer auf einer Prospektfehlerhaftigkeit oder abweichenden Umsetzungen des Prospektkonzepts beruhenden Untreue oder wegen Kapitalanlagebetrugs. Im Übrigen sei im Hinblick auf den VIP Y1. 4 das Verfahren gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt worden und das Strafurteil nur zum VIP Y1. 3 ergangen.

Die Beklagten im Kapitalanleger-Musterverfahren beantragen ggf. die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht K. hat am 07.01.2008 eine dienstliche Äußerung zu den Ablehnungsgesuchen abgegeben (Blatt 111 d. A.).

Die Beklagten weisen in den Stellungnahmen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.01.2008 (Blatt 135/138 d. A.) und vom 25.01.2008 (Blatt 139/151 d. A.) darauf hin, dass die von ihnen vorgetragenen Ablehnungsgründe durch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters bestätigt würden. Aufgrund der Äußerungen könne nicht mehr erwartet werden, dass der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht K. im KapMuG-Verfahren seine vorgefasste Meinung kritisch hinterfragen und insbesondere den Vortrag der Beklagten neutral und unvoreingenommen zur Kenntnis nehme und einer rechtlichen Würdigung zuführen werde. Durch seine Äußerungen zeige der abgelehnte Vorsitzende Richter, dass er sein Urteil zu den im KapMuG-Verfahren erst noch zu klärenden Fragen bereits in unzutreffender Art und Weise und unter Missachtung der Vorgaben der ZPO gebildet habe. Der hergestellte Zusammenhang zum Strafverfahren, das sich gerade nicht mit der Frage nach der steuerrechtlichen Anerkennung des im KapMuG-Verfahren zu beurteilenden prospektgegenständlichen Forderungskonzepts beschäftigt habe, lasse an einer Unvoreingenommenheit in diesen Fragen keinen Zweifel mehr.

Die zulässigen Ablehnungsgesuche der Beklagten im Kapitalanleger-Musterverfahren sind unbegründet.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Geeignet, derartiges Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus.

Da die von den Beklagten beanstandeten Äußerungen des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht K. nicht im vorliegenden Verfahren, sondern in einem Berufungsverfahren vor dem 5. Zivilsenat, dessen Vorsitzender er zugleich ist, gefallen sind, kommt eine Ablehnung nur dann in Betracht, wenn ein Hineinwirken in das vorliegende Verfahren möglich erscheint. Die bloße frühere Tätigkeit des Richters in der gleichen oder einer anderen Sache begründet in Fällen prozessrechtlich typischer Vorbefassung für sich allein kein Ablehnungsrecht. Hier liegt ein Fall der prozessrechtlich typischen Vorbefassung vor. Der Fall ist nicht anders zu behandeln, als eine Vorbefassung der Sache im Parallelverfahren. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass die Entscheidung im Musterverfahren höhere Verbindlichkeit dadurch erlangt, dass nach § 16 KapMuG durch den Musterentscheid eine Bindungswirkung eintritt. Eine Ablehnung kommt daher nur in Betracht, wenn der Richter im konkreten Einzelfall zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, nach einer erneuten Prüfung seine im Ausgangsverfahren geäußerte Rechtsmeinung im Kapitalanlegermusterverfahren zu revidieren.

Wie sich aus der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Richters K. vom 07.01.2008 ergibt, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 die vorläufige Rechtsansicht des Senats zum Teilurteil des Landgericht München I vom 20.04.2007 vorgetragen. Diesbezüglich räumt er ein, ausgeführt zu haben, dass der Prospekt für diesen Y1. falsch sein dürfte. Die im Ersturteil als unstreitig dargestellten Zahlungsflüsse seien nämlich so nicht prospektiert gewesen. Sie legten wirtschaftlich gesehen nahe, dass der Garantienehmer selbst die Sicherheit für die ihm gegenüber abgegebene Garantie gestellt habe. Steuerrechtlich dürfte bei dieser Sachlage ein Fall des § 42 AO vorliegen, der die steuerliche Konzeption des Fonds in Frage stelle. Es überrasche von daher nicht, wenn das Landgericht München I zu einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gekommen sei. Ferner hat er die Meinung vertreten, dass es gerade auch für eine Bank nicht plausibel sein dürfte, dass eine Lizenznehmerin mit einem dreistelligen Millionenbetrag in Vorlage treten solle, ohne dass die von ihr zu vertreibenden Filme schon produziert worden seien.

Der abgelehnte Vorsitzende Richter hat erkennbar lediglich eine vorläufige Rechtsmeinung des Senats in dem zur Entscheidung anstehenden Verfahren kundgetan. Vorläufige Meinungsäußerungen, durch die sich der Richter noch nicht abschließend festgelegt hat, z. B. Äußerungen zur Erfolgsaussicht eines Antrags oder zum möglichen Verfahrensausgang, wie überhaupt die Äußerung von Rechtsansichten stellen jedoch keinen Ablehnungsgrund dar. Die Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren könnte sich daher allenfalls ergeben, wenn aus Sicht der ablehnenden Partei die Befürchtung bestehen müsste, dass der abgelehnte Vorsitzende Richter im Kapitalanleger-Musterverfahren nicht mehr bereit ist, auf ihre Argumentation einzugehen und die angebotenen Beweise objektiv zu erheben und zu würdigen. Hierfür bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Die Äußerungen zur Sach- und Rechtslage in dem Verfahren 5 U 3700/07 lassen in keiner Weise erkennen, dass der abgelehnte Richter im Kapitalanleger-Musterverfahren nicht mehr bereit ist, die streitigen Punkte unvoreingenommen zu behandeln.

Die bloße Tatsache, dass in einem Parallelverfahren Ansichten zur Rechts- und Sachlage erfolgt sind, genügt nicht, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob die geäußerte vorläufige Rechtsansicht fehlerhaft ist, da die Befangenheitsablehnung grundsätzlich kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle sein kann.

Etwas anderes ergibt sich ferner nicht aus dem Umstand, dass Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 im Wesentlichen die Frage der prozessualen Zulässigkeit des Teilurteils war und damit nach Auffassung der Beklagten gar keine Notwendigkeit bestand, auf materiell-rechtliche Frage, insbesondere das Vorliegen eines Prospektfehlers, einzugehen. Auch aus einem solchen Verhalten kann ebenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass in dem Kapitalanlegermusterverfahren, das erst kurz zuvor durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts überhaupt beim Oberlandesgericht anhängig geworden ist und bei dem noch nicht einmal der Musterkläger bestimmt worden ist, eine endgültige Festlegung hinsichtlich der Fragen, die im Musterverfahren erst zu klären sind, erfolgt ist.

Dies gilt auch, soweit sich der abgelehnte Vorsitzende Richter zu Zahlungsflüssen geäußert hat. Auch die Beklagten räumen ein, dass in dem Verfahren 5 U 3700/07 die Zahlungsflüsse an sich unstreitig waren. Zwar ist die Frage, ob diese Zahlungsflüsse von Anfang an so geplant gewesen sind, gerade Gegenstand des Kapitalanleger-Musterverfahrens. Soweit der abgelehnte Vorsitzende Richter im Verfahren 5 U 3700/07 die Meinung geäußert hat, dies sei der Fall gewesen, lässt sich allerdings hieraus allein noch nicht der Schluss ziehen, dass er im Musterverfahren zu einer unvoreingenommenen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung nicht mehr bereit sein wird. Erkennbar handelt es sich um eine bloße Äußerung einer Ansicht, die die im Verfahren 5 U 3700/07 anstehende Entscheidung beschränkt und zudem dort nicht entscheidungserheblich war.

Die Äußerung, die strafrechtliche Verurteilung des A. S. stelle für den Senat keine Überraschung dar, kann ebenfalls eine Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Zum einen ist Gegenstand des Strafverfahrens, worauf die Beklagten hinweisen, eine mögliche Steuerstraftat und nicht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit Prospektfehlern, die Gegenstand des KapMuG-Verfahrens sind. Zum anderen enthält die Äußerung lediglich die subjektive Einschätzung, dass es aufgrund der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen zu einer Verurteilung gekommen ist, nicht jedoch die Aussage, dass der abgelehnte Vorsitzende Richter eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von A. S. von vornherein als feststehend betrachtet, obwohl das Strafurteil des Landgerichts noch nicht rechtskräftig ist.

Soweit die Beklagte zu 2) des weiteren geltend macht, die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zeige sich auch darin, dass er eine Terminsverlegung abgelehnt hat, ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der abgelehnte Vorsitzende Richter ist zum einen dem Antrag der Beklagten zu 2), die Berufungserwiderungsfrist zu verlängern, nachgekommen. Zum anderen kann die bloße Ablehnung einer Terminsverlegung im Verfahren 5 U 3700/07 keinesfalls den Rückschluss auf eine generelle Voreingenommenheit gegenüber dieser Partei im Kapitalanleger-Musterverfahren begründen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um die Anwendung bereits gesicherter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.


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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt
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(1) Musterverfahrensanträge, deren Feststellungsziele den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betreffen (gleichgerichtete Musterverfahrensanträge), werden im Klageregister in der Reihenfolge ihrer Bekanntmachung erfasst.

(2) Das Gericht, das die Bekanntmachung veranlasst, trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Darstellung.

(3) Die Einsicht in das Klageregister steht jedem unentgeltlich zu.

(4) Die im Klageregister gespeicherten Daten sind nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens oder im Fall des § 6 Absatz 5 nach Zurückweisung des Musterverfahrensantrags unverzüglich zu löschen.

(5) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über Inhalt und Aufbau des Klageregisters, insbesondere über Eintragungen, Änderungen, Löschungen, Einsichtsrechte, Datensicherheit und Datenschutz zu treffen. Dabei sind Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Bekanntmachungen

1.
unversehrt, vollständig und aktuell bleiben sowie
2.
jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Das Oberlandesgericht erlässt auf Grund mündlicher Verhandlung den Musterentscheid durch Beschluss. Die Beigeladenen müssen nicht im Rubrum des Musterentscheids bezeichnet werden. Der Musterentscheid wird den Beteiligten und den Anmeldern zugestellt. Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. § 11 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Über die im Musterverfahren angefallenen Kosten entscheidet das Prozessgericht.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.