IPR: Die Gestaltung von Webseiten und das damit verbundene (Un-)Glück des Forumshoppings

04.04.2014

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen im Rahmen der EuGVO
Mit zunehmend fortschreitender Technisierung ist in heutigen Tagen ohne weitere Umstände eine Webseite erstellt. Unternehmen und Dienstleistern wird dadurch die Möglichkeit eröffnet Waren bzw. Dienstleistungen grenzüberschreitend anzubieten und dabei Kosten für aufwendige Werbemaßnahmen zu sparen.

Gleichzeitig wird durch die ubiquitäre Aufrufmöglichkeit einer Internetseite die Möglichkeit geboten sich neue grenzüberschreitende Absatzmärkte zu erschließen und damit den Umsatz zu steigern.

So einfach und verlockend die Verlagerung des Dienstleistungs- bzw. Warenangebots in das Internet wegen der Erschließung eines internationalen Marktes auch sein mag, wird zuweilen verkannt, dass bereits die Ausgestaltung der Internetseite maßgeblich dafür sein kann, welches Gericht im Streitfalle bezüglich einer in Anspruch genommenen Dienstleistung bzw. erworbenen Ware durch einen Verbraucher international für die Entscheidung des Rechtsstreites zuständig ist.

Insbesondere sollte der Ausgestaltung einer etwaigen Internetseite besondere Aufmerksamkeit unter dem Aspekt geschenkt werden, dass bei Vorliegen eines Verbrauchervertrages und der Bejahung des Ausrichtens, es nur nach den engen Voraussetzungen des Art.17 EuGVO möglich ist, eine von dem Verbraucherwohnsitzstaat abweichende internationale Zuständigkeit zu vereinbaren. Gerichtsstandvereinbarungen i.S.d. Art.23 EuGVO sind im Rahmen von Verbraucherverträgen gem. Art.17 EuGVO nur nachträglich (Nr.1), als Einräumung eines zusätzlichen, zu dem Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers parallel bestehenden Gerichtsstandes (Nr.2) beziehungsweise als Wahl des Gerichtes welches einem gemeinsamen Wohnsitz oder Aufenthalt der Vertragsparteien entspricht (Nr.3), möglich. Damit ist die sonst bestehende Möglichkeit der Gerichtsstandwahl zumeist eingeschränkt, sodass dem Ausrichten der Webseite tragende Bedeutung für die Bestimmung des international zuständigen Gerichtes zukommt.

Nach Art.15 I lit.c Var.2 EuGVO ist das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers international zuständig, sofern ein Verbrauchervertrag geschlossen wurde und der Unternehmer seine Tätigkeit zumindest auch auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat.

Unter den Begriff des Ausrichtens fallen neben klassischen Werbemaßnahmen, auch Internetauftritte, sodass sich je nach Beurteilung inwieweit die von dem Unternehmen geschaltete Webseite auf den EU-Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausrichtet entscheidet, ob jenem Gericht Entscheidungskompetenz zukommt oder nicht.

Zunächst ist dabei maßgeblich bei der Gestaltung einer Webseite die Frage zu klären, wann und auf welche Staaten unter zu Grunde Legung der geplanten Gestaltung ein Ausrichten der zu konstruierenden Webseite auf den Wohnsitzstaat eines Verbrauchers bejaht werden sollte.

Klarheit hierüber hat vor allem die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Pammer/ Hotel Alpenhof geschaffen (EuGH v.07.12.2010 Rs. C-585/08, C-144/09).

Dabei gibt es keine präzise Definition des Ausrichtens durch den Gerichtshof, sondern lediglich einen Kriterienkatalog, bei dessen Vorliegen ein Ausrichten naheliegt. Jene Kriterien indizieren den Willen des potenziell Ausrichtenden, dass er seine Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausrichten wollte.

Für die Beurteilung ob ein Ausrichten auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers vorliegt bilden dabei folgende Kriterien taugliche Anhaltspunkte: der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedsstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedsstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Webseite des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domänenamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden(z.B. .eu oder .com) und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt.

Dabei ist es umso wahrscheinlicher dass ein Ausrichten auf den Wohnsitzstaat eines Verbrauchers angenommen wird, je mehr Kriterien des vom Gericht aufgestellten Katalogs vorliegen.

Dabei reicht die bloße Zugänglichkeit einer Webseite im Verbraucherwohnsitzstaat nicht aus um ein Ausrichten zu begründen.

Ein Ausrichten wird ferner durch folgende Ausgestaltungen nicht begründet: Angabe der elektronischen oder geografischen Adresse des Gewerbetreibenden auf einer Webseite, die Angabe einer Telefonnummer ohne internationale Vorwahl.

Eine trennscharfe Unterscheidung für die Beurteilung des Ausrichtens anhand des Vorliegens von aktiven Webseiten, sprich Webseiten die eine Vertragsanbahnung bzw. einen Vertragsschluss online ermöglichen und passiven Webseiten, sprich Webseiten die lediglich Informationen zu den jeweiligen Dienstleistungen bzw. Waren bereithalten, ist dagegen nicht tragfähig.

Damit ist es ratsam bereits im Vorfeld etwaige Gestaltungen einer Internetseite unter rechtlichen Gesichtspunkten zu beleuchten um einer Klagewelle von Verbrauchern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu entgehen, wenn bei einer Vertragsabwicklung etwas schief laufen sollte.

Im Raum steht ferner die Frage, ob bereits das bloße Ausrichten ausreicht damit die internationale Zuständigkeit gem. Art.15 I lit.c EuGVO im Wohnsitzstaat des Verbrauchers zu verorten ist oder ob es ferner erfordert, dass die Entscheidung des kontrahierenden Verbrauchers den Vertrag zu schließen kausal auf den ausgerichteten Internetauftritt zurückgeht. Klarheit hierüber hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs v. 17.10.2013 – C-218/12 geschaffen.

Ein Kausalitätserfordernis wurde dabei abgelehnt, da es dem maßgeblichen Zweck des Art.15 EuGVO, den Verbraucher als schwächere Vertragspartei zu schützen, zuwiderliefe.

Jenes hat zur Folge, dass selbst wenn ein Verbraucher keinerlei Kenntnis von dem Internetauftritt des anbietenden Unternehmers hatte, trotz dessen ein Verbrauchergerichtsstand nach Art.15 I lit.c Var.2 EuGVO im Wohnsitzstaat des Verbrauchers begründet wird.

Damit gewinnt das Kriterium des Ausrichtens einer Webseite an essentieller Bedeutung. Deshalb sollte bereits im Vorfeld bei einem Vorhaben Dienstleistungen bzw. Waren im Internet anzubieten, Rechtsrat bezüglich eventueller aus Ausgestaltungen der Webseite resultierender Konsequenzen eingeholt werden um eine unüberschaubare Gerichtsstandpluralität zu vermeiden.

Die im Vorfeld gut reflektierte Gestaltung einer dem internationalen Absatz dienenden Webseite kann dabei die möglichen Gerichtsstände eingrenzen und damit zumindest in engen Grenzen eine Möglichkeit des forum shoppings bereithalten, welche mit Blick darauf, dass die Gerichtsstandvereinbarung im Rahmen von Verträgen welche unter Art.15 I lit.c EuGVO fallen nur in sehr engen Grenzen möglich ist ausgenutzt werden sollte.

Dabei sollten die mit der Verlagerung des Gerichtsstandes drohenden Nachteile gegen die potenziell zu erwartende Umsatzsteigerung aufgrund der zu gewinnenden Kundschaft abgewogen werden.

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