Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 29. März 2018 - W 1 K 17.1060

published on 29.03.2018 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 29. März 2018 - W 1 K 17.1060
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Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für die Rechnungen vom 25.01.2016, 10.03.2016, 24.03.2016, 30.30.2016, 31.03.2016 und 05.04.2016 Beihilfe in Höhe von 640,86 EUR zu gewähren. Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 10.05.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2017 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Klägerin Beihilfe unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Jahresfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV zu bewilligen ist.

Die Klägerin war bis zu ihrem antragsgemäßen Ausscheiden aus dem Dienst im Mai 2016 Beamtin des Beklagten. Sie beantragte mit Antrag vom 25.04.2017 Beihilfe für insgesamt 9 eingereichte Belege, die auf die Zeit vom 25.01.2016 bis 30.05.2016 datiert waren. Dem Antrag auf Beihilfe war neben den genannten Belegen ein ärztliches Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 25.04.2017 beigelegt, auf das im Antrag auf Beihilfe hingewiesen wurde. Das ärztliche Attest führt aus, die Klägerin befinde sich seit Anfang 2017 in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie wegen einer stark ausgeprägten angstbesetzten Depression. Aus der Lebens- und Krankheitsschilderung der Klägerin bestehe mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens seit Anfang 2016 eine tiefgehende Depression mit einhergehenden schweren Arbeitsstörungen, anhaltender melancholischer Verstimmtheit, Versagensängsten, Schuld- und Schamgefühlen. Aus der tiefen Depression heraus habe die Klägerin ihr Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gekündigt. Eine ärztliche oder psychiatrische Untersuchung zum damaligen Zeitpunkt hätte die Diagnose einer schweren Depression stellen können. Erst seit April/Mai 2017 sei die Klägerin wieder in der Lage, organisatorische Aufgaben, wie zum Beispiel einen Antrag auf Beihilfe zu stellen. Es werde gebeten, dies in der Bearbeitung des Antrages zu berücksichtigen.

Das Landesamt für Finanzen Dienststelle W. gewährte mit Bescheid vom 10.05.2017 Beihilfe nach einem Bemessungssatz von 50 vom 100 für die Belege vom 28.04.2016 und 30.05.2016 (2) und lehnte die Gewährung von Beihilfe für die übrigen Belege unter Hinweis auf den Ablauf der Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a, Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BayBG und § 48 Abs. 6 BayBHV ab.

Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch erhoben und darauf hingewiesen, dass aus dem ärztlichen Attest deutlich hervorgehe, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, ihre Arztrechnungen innerhalb der festgelegten Fristen einzureichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2017 wies das Landesamt für Finanzen den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie habe den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht innerhalb von 2 Wochen nach Zugang des Beihilfebescheides gestellt, sodass eine Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Bezüglich der psychischen Erkrankung werde verwiesen auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, nachdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen psychischer Erkrankung nicht möglich sei. Als Beamtin hätte die Klägerin wissen müssen, dass sie nicht sämtliche Rechnungen über Monate hinweg ansammeln könne. Bei anhaltenden psychischen Erkrankungen sei es sorgfaltswidrig, etwa dem Ehemann keine Vollmacht in Beihilfeangelegenheiten zu erteilen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie habe rechtzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und sei auch unverschuldet gehindert gewesen die Frist einzuhalten. Der Antrag sei bereits mit dem Antrag vom 25.04.2017 gestellt worden. Die Klägerin müsse einen Antrag auf Wiedereinsetzung nicht ausdrücklich als einen solchen bezeichnen. Es ergebe sich aus der Auslegung ihres Antrags vom 25.04.2017, dass sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung habe stellen wollen. Es sei nicht verständlich, warum der Klägerin nicht aufgrund ihrer psychischen Probleme Wiedereinsetzung hätte gewährt werden können. Wenn sie organisatorisch nicht in der Lage gewesen sei, einen Antrag zu stellen, könne sie auch aus den gleichen Gründen keine Vollmacht erteilen.

Die Klägerin beantragt,

Der Bescheid des Beklagten vom 10.05.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2017 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Beihilfe für die Rechnungen vom 25.01.2016, 10.03.2016, 24.03.2016, 30.03.2016, 31.03.2016 und 05.04.2016 in Höhe von 640,86 EUR zu gewähren.

Das Landesamt für Finanzen beantragt für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin könne sich nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Bei Krankheit sei zwar grundsätzlich von fehlendem Verschulden auszugehen, namentlich dann, wenn der Betroffene ernsthaft erkrankt gewesen sei und infolgedessen die Frist nicht selbst habe wahren oder einen Bevollmächtigten habe beauftragen können. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Vorkehrungen sei ein strenger Maßstab anzulegen. Der klägerische Vortrag ergebe nicht, dass die Klägerin die ihr zumutbarer Sorgfalt habe walten lassen. Dabei sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Klägerin mit Ablauf des 13.05.2016 auf eigenen Antrag hin aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden sei. Es stelle sich also die Frage, weshalb die Klägerin in dieser Zeit keinen Beihilfeantrag habe stellen können.

Mit Beschluss der Kammer vom 10.01.2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakte mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 20.03.2018 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Klägerin hat aus ihrer bis zum Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis bestehenden Beihilfeberechtigung einen Anspruch auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Beihilfeanträge für Aufwendungen, die mit Rechnungen 25.01.2016, 10.03.2016, 24.03.2016, 30.03.2016, 31.03.2016 und 05.04.2016 entstanden sind. Ihr ist daher Beihilfe in Höhe von 640,86 EUR zu gewähren.

Nach Maßgabe des § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV, der am 01.10.2014 in Kraft getreten ist, wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Die Fristberechnung richtet sich nach § 187 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB. Die mit Beihilfeantrag vom 25.04.2016 begehrte Beihilfen für im Zeitraum vom 25.01.2016 bis 31.03.2016 (Rechnungsdatum) geltend gemachten Aufwendungen wurden daher erst nach Fristablauf geltend gemacht, da insoweit die Jahresfrist spätestens mit Ablauf des 31.03.2017 abgelaufen ist. Bei der Antragsfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung den Beihilfeanspruch zum Erlöschen bringt (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Länder und Kommunen, Bd. 2, § 48 Anm. 10). Die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 6 Satz 1 und 2 BayBhV steht darüber hinaus mit höherrangigem Recht im Einklang. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage in Art. 96 Abs. 3a, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 BayBG und hält sich innerhalb der dort aufgestellten Voraussetzungen und Grenzen. Darüber hinaus besitzt der Freistaat Bayern das Recht zur Gesetzgebung zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Landesbeamten, Art. 70 Abs. 1 GG. Insofern obliegt es allein seiner Gesetzgebungskompetenz, den Bereich der Beihilfen für seine Landesbeamten unter Einschluss etwaiger Ausschlussfristen und deren Beginn zu regeln.

Allerdings hat der Beklagte die zusammen mit dem Beihilfeantrag vom 25.04.2017 begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2017 zu Unrecht abgelehnt, da die Klägerin für die im Zeitraum Januar bis März 2016 entstandenen Aufwendungen einen Anspruch auf Wiedereinsetzung gemäß Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG hat.

Zu verspätet geltend gemachten Aufwendungen kann eine Beihilfe nur noch gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG vorliegen. Voraussetzung hierfür ist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, dass der Betroffene ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war, wobei nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist. Verschuldet ist ein Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (BVerwG, U.v. 08.03.1983 - 1 C 34.80 – juris).

Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung stellt einen Verwaltungsakt dar, den die zuständige Behörde nach ihrer Wahl gesondert oder zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache erlassen kann (Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, Rn. 60 zu § 32). Vorliegend hat das Landesamt für Finanzen als zuständige Behörde über die Wiedereinsetzung zusammen mit der Entscheidung über die Beihilfegewährung mit Bescheid vom 10.05.2017 entschieden, so dass die Klägerin statthaft auf die Gewährung von Beihilfe klagen kann.

Die Klägerin hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Art. 32 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG rechtzeitig gestellt, da ihr die Krankheit, wegen derer sie zu einer früheren Antragstellung verhindert war, erst zu diesem Zeitpunkt eine Antragstellung erlaubte, wie noch näher im Hinblick auf die Frage, ob die Einhaltung der Jahresfrist unverschuldet versäumt wurde, auszuführen sein wird. Insbesondere ist aber aus ihrem Beihilfeantrag vom 25.04.2017 zweifelsfrei zu entnehmen, dass sie auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen wollte. Anträge an Behörden sind entsprechend § 133 BGB und § 88 VwGO grundsätzlich so auszulegen, wie dies dem erkennbaren Zweck und Ziel am besten dienstlich ist (sogenannte Meistbegünstigung, vergleiche Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 59 zu § 32). Vorliegend hat die Klägerin ihrem Antrag auf Gewährung von Beihilfe das ärztliche Attest des Facharztes B. beigefügt und im Antrag handschriftlich auf dieses Attest verwiesen. Aus diesem Attest ergibt sich die psychiatrische Erkrankung der Klägerin, die zugleich die Begründung für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG darstellt. Der Antrag war daher bereits zusammen mit dem Antrag auf Gewährung von Beihilfe vom 25.04.2017 gestellt und nicht erst mit dem Widerspruch vom 26.05.2017, wie der Beklagte meint. Darüber hinaus hätte der Beklagte ohnehin über die Wiedereinsetzung entscheiden müssen, da die Klägerin die versäumte Handlung (Beihilfeantrag) nachgeholt hatte und die Gründe für den Beklagten durch Kenntnis des ärztlichen Attestes ersichtlich waren (Art. 32 Abs. 2 S. 4 Bay VwVfG). In einem solchen Fall ist die Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren, ohne dass der Behörde dabei ein Ermessen eingeräumt wäre (vergleiche Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 50 zu § 32).

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Wiedereinsetzung für die zwischen Januar und März 2016 entstandenen Aufwendungen, weil sie zur vollen Überzeugung des Gerichts in dem Zeitraum zwischen Entstehen der Aufwendungen und dem Beihilfeantrag krankheitsbedingt nicht in der Lage war, ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen und die notwendigen Beihilfeanträge zu stellen.

Bei der Frage, ob die im Zeitraum Januar bis März 2017 hier jeweils ablaufende Jahresfrist unverschuldet versäumt wurde, ist dabei allein auf die Klägerin abzustellen. Auf der Grundlage des ärztlichen Attestes vom 25.04.2017 des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. steht fest, dass die Klägerin im Zeitraum Januar bis April 2017 an einer stark ausgeprägten angstbesetzten Depression (ICD 10 F32) litt, die es ihr unmöglich machte, organisatorische Aufgaben zu erfüllen. Die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, ihre Depression sei durch die berufliche Tätigkeit als Lehrerin ausgelöst worden, was sie schließlich dazu veranlasst habe, im Mai 2016 freiwillig aus dem Beamtenstand auszuscheiden. Sie habe damals gehofft, dass sich durch diesen Schritt ihr Gesundheitszustand bessere, sei aber entgegen ihrer eigenen Erwartungen dadurch erst recht in ein schweres depressives Loch gestürzt. Sie sei in diesem Zustand an manchen Tagen zu gar nichts mehr in der Lage gewesen. An manchen Tagen sei es ihr etwas besser gegangen. An diesen Tagen habe sie allerdings allenfalls Alltagsgeschäfte im Haushalt erledigen können. Sie habe selber nicht gewusst, was mit ihr los sei. Wenn sie ihren Mann gebeten hätte, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, hätte sie damit allerdings den letzten Rest ihrer Eigenständigkeit aufgegeben. Erst durch die 4-monatigen Therapiegespräche mit B. habe sie sich wieder zugetraut, Dinge zu erledigen, die außerhalb des alltäglichen gewesen sei. Der Beihilfeantrag sei dann ein erster Schritt in diese Richtung gewesen. Diese Ausführungen der Klägerin sind durchweg glaubhaft und fügen sich in die von B. gestellte Diagnose ohne weiteres ein. Das Gericht hat daher keine Zweifel daran, dass die Klägerin nicht nur in dem Zeitraum, in dem sie tatsächlich in psychotherapeutischer Behandlung war, nicht in der Lage war, etwas so strukturiertes und mit dem Auslöser ihrer Beschwerden, dem Beruf, in unmittelbarer Verbindung stehendes wie den Beihilfeantrag auf den Weg zu bringen. Vielmehr bestehen auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass dieses Unvermögen auch zwischen dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis und dem April 2017 bestanden hat und sich dieses Unvermögen auch auf die Erteilung einer Vollmacht etwa an den Ehemann erstreckte. Insoweit hat die Klägerin zudem in der mündlichen Verhandlung ebenfalls völlig nachvollziehbar ausgeführt, die Erteilung einer Vollmacht wäre gleichbedeutend mit dem Verlust des letzten Restes an Eigenständigkeit in ihrer damaligen Verfasstheit gewesen. Insgesamt kann ihr die Nichterteilung einer solchen Vollmacht daher nicht als Verschulden im Sinne des Art. 32 Abs. 1 S.1 VwVfG angerechnet werden.

Soweit der Beklagte am dargestellten Unvermögen der Klägerin Zweifel geäußert hat, sind diese nicht nachvollziehbar. Aus der Tatsache, dass die Klägerin aus krankheitsbedingter Verzweiflung ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragt hat, kann nicht geschlossen werden, dass sie auch ansonsten zu vernünftigen Handlungen wie einer Beihilfeantragstellung oder einer Vollmachterteilung in der Lage gewesen ist. Aufgrund der erheblichen Nachteile, die sich aus dem Verlust des Beamtenverhältnisses ergeben, kann im Gegenteil nur der Schluss gezogen werden, dass die gesundheitsbedingten Einschränkungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis der Art waren, wie dies B. in seiner ärztlichen Attest auch unter Hinweis auf weitere ärztliche Befunde aus diesem Zeitraum beschrieben hat. Gerade der Verweis auf diese ärztlichen Befunde wertet die Stellungnahme des B. auf. Eine weitere Sachaufklärung, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, drängte sich dem Gericht aufgrund des eindeutigen von B. beschriebenen Befundes nicht auf, zumal auch ein Sachverständiger nur auf die gleichen Diagnosen zurückgreifen könnte, die schon dem B. zur Verfügung standen.

Damit steht für den Zeitraum Anfang 2016 bis April 2017 die fehlende Alltagskompetenz der Klägerin und damit einhergehend die unverschuldete Versäumung der Antragstellung fest.

Soweit sich der Beklagte auf Beispiele aus der Rechtsprechung (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.12.2016 – Au 2 K 16.1438; VG Bayreuth, U.v. 16.09.2014 – B 5 K 12.546 – beide bei juris) bezieht, geht dieser Verweis fehl. Das VG Bayreuth hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, verschuldet sei ein Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist. Unzumutbarkeit liege nur dann vor, wenn dem Betroffenen nach den gesamten Umständen kein Vorwurf daraus zu machen sei, dass er die Frist versäumt habe. Abzustellen sei dabei auf das Maß und die Umsicht der Verkehrskreise, in denen sich der Betreffende bewege. Im Falle eines Betroffenen, der an einer schwerwiegenden rezidivierenden depressiven Erkrankung und einer damit verbundenen Antriebsstörung leide und der phasenweise in der Lage gewesen sei, einen Beihilfeantrag zu stellen und die Rechnungen bei der Beihilfestelle fristgerecht einzureichen, hat das VG Bayreuth daher eine Verpflichtung des Betroffenen angenommen, rechtzeitig das Notwendige zu veranlassen, um einen Rechtsverlust zu vermeiden und nicht die Jahresfrist auszuschöpfen. Auch das VG Augsburg führt aus, es sei einem erkrankten Beihilfeberechtigten zurechenbar, keinen Vertreter für die Besorgung seiner Angelegenheiten zu bestellt zu haben, obwohl ihm bewusst gewesen sein musste, dass er möglicherweise seine Angelegenheiten nicht selbst wahrnehmen könne. Anders lag es aber im Fall der Klägerin, die, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2018 eindrucksvoll geschildert hat, in ein Loch der Depression gestürzt war, ohne dass sie sich darauf etwa durch Erteilung von Vollmachten oder Treffen ähnlicher Vorkehrungen hätte vorbereiten können.

Der Beklagte war daher zu verpflichten, hinsichtlich der zwischen Januar und April 2016 entstandenen Aufwendungen Beihilfe zu gewähren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr.11 und 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Annotations

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.