Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 20. Dez. 2016 - W 1 K 16.23

bei uns veröffentlicht am20.12.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin steht im Dienst des Beklagten und begehrt von diesem eine Beihilfe für eine Operation, die bei ihrem am … … 2009 geborenen Sohn durchgeführt worden ist.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2015 bat die Klägerin den Beklagten um Bestätigung der Kostenübernahme für eine am 12. November 2015 geplante Operation zur Korrektur der abstehenden Ohren ihres Sohnes. In dem mit dem Antrag übersandten Befundbericht des Universitätsklinikums Freiburg vom 23. September 2015 wurde ausgeführt, dass bei dem Sohn der Klägerin beidseits abstehende Ohren mit Befundakzentuierung des oberen Muschelanteils rechts vorlägen. Ursächlich sei hauptsächlich eine beidseitige Concha- Hypertrophie, zusätzlich beidseits, rechts mehr als links, leicht abgeschwächte Anthelix-Faltung, insbesondere des Crus posterior. Der Helix-Mastoid-Abstand betrage beidseits über 20 mm. Im Rahmen der Vorstellung in der Universitätsklinik Freiburg gab die Klägerin an, der aktuelle Leidensdruck sei noch relativ gering, angesichts der im Folgejahr bevorstehenden Einschulung werde jedoch eine Therapie gewünscht, um etwaigen Hänseleien vorzubeugen.

Mit Bescheid vom 4. November 2015 wurde die Kostenübernahme seitens des Beklagten abgelehnt. Es wurde zur Begründung ausgeführt, dass Aufwendungen beihilfefähig seien, die aus Anlass einer Krankheit entstünden, dem Grunde nach notwendig sowie der Höhe nach angemessen seien. Bei abstehenden Ohren handele es sich bereits nicht um eine Krankheit. Das Anlegen der abstehenden Ohren sei keine medizinisch notwendige Maßnahme.

Mit Schreiben vom 29. November 2015 bat die Klägerin erneut um eine Kostenübernahme für die Operation ihres Sohnes. Sie wies darauf hin, dass eine medizinische Indikation für die Operation durch das Universitätsklinikum Freiburg bestätigt worden sei. Überdies seien befürchtete Hänseleien gegenüber ihrem Sohn mittlerweile bereits eingetreten. Mit diesem Schreiben der Klägerin wurde ein weiterer Befundbericht der Universitätsklinik Freiburg vom 18. November 2015 vorgelegt, in welchem ausgeführt wurde, dass bei dem Sohn der Klägerin eine deutlich über die Beeinträchtigung einer bloßen „Normvariante“ hinausgehende Fehlbildung der Ohren beidseits vorgelegen habe, welche das Erscheinungsbild maßgeblich beeinflusst habe. Somit habe von einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Hänseleien ausgegangen werden müssen. Es liege eindeutig eine medizinische Indikation nach § 27 SGB V zur Durchführung der vorgenommenen Operation vor. Zusätzlich wurden präoperativ hergestellte Lichtbilder vom Kopf des Sohnes der Klägerin vorgelegt.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zukomme. Hierfür sei vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung einer Körperfunktion vorliege oder die Person an einer Abweichung vom Regelfall leide, die entstellend wirke. Keine Krankheit stellten Operationen dar, die vorwiegend kosmetischen Zwecken dienten, wie z.B. die Korrektur abstehender Ohren. Ein Muschel-Schädel-Winkel von mehr als 45 Grad sei zudem aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich. Auch psychische Belastungen könnten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Anspruch auf eine Operation nicht begründen. Operationen am gesunden Körper oblägen vielmehr der Eigenverantwortung der Beihilfeberechtigten.

Gegen den am 10. Dezember 2015 zugestellten Bescheid ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11. Januar 2016 (einem Montag), eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben und beantragen,

  • 1.Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 4. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2015 wird aufgehoben.

  • 2.Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin auf ihren Antrag vom 12. Oktober 2015 hin Beihilfe im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte sei beim Erlass des Widerspruchsbescheides von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen, nachdem bei dem Sohn der Klägerin ein Muschel-Schädel-Winkel von mehr als 45 Grad vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Universitätsklinikums Freiburg vom 17. Dezember 2015. Es sei im Falle der Klägerin keine konkrete Einzelfallprüfung vorgenommen worden. Eine Krankheit liege dann vor, wenn die anatomische Abweichung entstellend wirke. Dies setze eine erhebliche Auffälligkeit voraus, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöse und damit zugleich erwarten lasse, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich ziehe, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werde, so dass er sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehe und zu vereinsamen drohe. Aus der Stellungnahme des Universitätsklinikums Freiburg vom 18. November 2015 gehe eine derartige Entstellung - zumal bei der vorliegenden asymmetrischen Ausprägung - hervor, nachdem dort beschrieben werde, dass es sich bei dem Sohn der Klägerin um eine deutlich über die Beeinträchtigung einer bloßen Normvariante hinausgehende Fehlbildung gehandelt habe und das Erscheinungsbild maßgeblich beeinflusst worden sei. Es sei allgemein anerkannt, dass abstehende Ohren bei Kindern vor dem Einschulungsalter korrigiert werden sollten, da durch derartige Auffälligkeiten in der sozialen Entwicklung erhebliche Beeinträchtigungen auftreten könnten. Da sich das Beihilferecht an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anlehne, sei eine gewisse Indizwirkung für die Beihilfefähigkeit von Behandlungsmaßnahmen für diejenigen Fälle gegeben, in denen die gesetzlichen Krankenkassen eintrittspflichtig seien. Diese übernähmen bei Kindern bis zur Pubertät das Anlegen der Ohren mit einem Muschel-Schädel-Winkel von mehr als 45 Grad, wenn psychosoziale Probleme drohten. Diese Voraussetzungen lägen beim Sohn der Klägerin vor. Des Weiteren wurde auf ein Schreiben des Verbandes der privaten Krankenversicherung verwiesen, in dem ausgeführt wird, dass bei Kindern im Grundschulalter oder jünger sämtliche gesetzlichen Kassen die Kosten für die operative Korrektur abstehender Ohren übernähmen, soweit sie fachärztlich angeraten worden sei, auch wenn hierzu keine veröffentlichten Richtlinien, Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses oder Richtlinien des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen existierten.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2014 beantragte der Beklagte, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die abstehenden Ohren des Sohnes der Klägerin stellten keine Krankheit, sondern eine anatomische Variante dar. Eine anatomische Abweichung vom Regelfall stelle erst dann eine Krankheit im Rechtssinne dar, wenn sie entstellend wirke. Dies sei beim Sohn der Klägerin nicht der Fall. Auch sei das Hörvermögen nicht beeinträchtigt und es liege kein psychopathologischer Befund vor. Dass während der Schulzeit mit Hänseleien gerechnet werden müsse, reiche nicht aus, um die Ohrfehlstellung als Krankheit zu qualifizieren. Ein operativer Eingriff in einen gesunden Körper, durch den das subjektiv als belastend empfundene Aussehen verändert werde, sei selbst dann nicht als notwendig im beihilferechtlichen Sinne anzusehen, wenn die Belastungen das Ausmaß einer psychischen Krankheit angenommen hätten. Zwar lehne sich das Beihilferecht an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Krankheitsbegriff an, eine generelle Übernahme der Regelungen der gesetzlichen Krankenkassen auf das Beihilferecht bestehe jedoch nicht. Auf die Grundsätze, wonach die gesetzlichen Krankenkassen beim Anlegen abstehender Ohren die Kosten übernähmen, komme es daher nicht an. Ohren würden auch überhaupt erst bei einem Muschel-Schädel-Winkel von mehr als 45 Grad als abstehend bezeichnet. Die operative Korrektur abstehender Ohren widerspreche zudem dem Inklusionsgedanken.

Mit Beschluss vom 24. November 2016 wurde der Rechtsstreit durch die Kammer zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2016 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Aufwendungen für die bei ihrem Sohn vorgenommene Operation zur Korrektur der Ohren im Rahmen der Beihilfevorschriften hat. Die ergangenen Behördenbescheide sind vielmehr rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG werden Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge des Beamten bzw. der Beamtin sowie berücksichtigungsfähige Angehöriger nach Maßgabe der aufgrund von Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG erlassenen Rechtsverordnung (Bayer. Beihilfeverordnung - BayBhV) gewährt. Maßgeblich ist im vorliegenden Falle, die seit dem 1. Oktober 2014 gültige Fassung der Bayer. Beihilfeverordnung. Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen sowie ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen (§§ 2, 3 BayBhV) in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen sind beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV).

Der beihilferechtliche Begriff der „medizinischen Notwendigkeit“ von Aufwendungen als Voraussetzung für die Beihilfegewährung setzt voraus, dass die Aufwendungen für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden sowie der Beseitigung oder zum Ausgleich körperlicher Beeinträchtigungen dient. Entsprechend dem Zweck der Beihilfengewährung müssen die Leiden und körperlichen Beeinträchtigungen Krankheitswert besitzen. Die Behandlung muss darauf gerichtet sein, eine Krankheit zu therapieren. Da die Vorschriften der bayerischen Beihilfeverordnung keinen eigenständigen Krankheitsbegriff statuieren, ist grundsätzlich auf den sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zurückzugreifen (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.2011 - 2 B 66/11 - juris m.w.N.). Eine Krankheit i.S.d. Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild - nicht dem Idealbild - des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den betroffenen arbeitsunfähig macht. Krankheitswert im Rechtssinne kommt dabei nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass sie an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (vgl. BSG, U.v. 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 - juris; OVG Hamburg, B.v. 18.2.2009 - 1 Bf 108/08.Z - juris). Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit hervorruft und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi „im Vorbeigehen“ bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass nicht behinderte Menschen ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Betroffener wegen einer körperlichen Anormalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. zum Ganzen BSG, a.a.O.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist zunächst feststellen, dass die konkrete anatomische Ausprägung der Ohren des Sohnes der Klägerin diesen nicht in seinem Hörvermögen und damit nicht in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt hat, wie sich u.a. der Stellungnahme des Universitätsklinikums Freiburg vom 17. Dezember 2015 entnehmen lässt. Diesbezüglich ist auch ansonsten von der Klägerseite nichts vorgetragen worden. Ausgehend von den dargestellten Maßstäben ist das Gericht darüber hinaus auch der Überzeugung, dass die Ohren des Sohnes der Klägerin vor der Durchführung der hier streitgegenständlichen Operation nicht entstellend gewirkt haben. Wie aus dem vorgelegten Bildmaterial ersichtlich ist, stehen die Ohren des Sohnes der Klägerin zwar etwas weiter ab als dies bei der Mehrheit der Bevölkerung der Fall ist. Das Erscheinungsbild der Ohren ist jedoch in keiner Weise so hervorstechend, dass die geforderte beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Dass der Sohn der Klägerin zum Objekt besonderer Beachtung seiner Umwelt würde und schon bei flüchtiger Begegnung im Alltag das Interesse anderer auf sich fixieren würde, ist in keiner Weise ersichtlich. Das Ausmaß der Abweichung fällt nach Überzeugung des Gerichts vielmehr nicht erheblich aus und springt dem Betrachter auch nicht einmal unmittelbar ins Auge. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Fehlstellung der Ohren vorliegend eine Asymmetrie aufweist. Allerdings ist auch diese nicht geeignet, beim objektiven Betrachter das Bild einer entstellenden Wirkung hervorzurufen, zumal die Asymmetrie nur geringfügig ausfällt, wie sich neben den vorgelegten Bildern auch der Stellungnahme des Universitätsklinikums Freiburg vom 17. Dezember 2015 entnehmen lässt, wonach der Mastoid-Helix-Randabstand 28 bzw. 27mm beträgt - mithin zwischen beiden Ohren ein Unterschied von nur 1 mm besteht. Des Weiteren erscheinen die Ohrmuscheln im Übrigen für den neutralen unbefangenen Betrachter normal ausgeprägt; sie weisen im Erscheinungsbild zumindest keine erkennbaren Besonderheiten auf, wie sich ebenfalls dem vorgelegten Bildmaterial aus der Seitenansicht ergibt. Schließlich ist auch zu beachten, dass es sich bei abstehenden Ohren keineswegs um ein Einzelphänomen handelt und die Ausprägungsformen der menschlichen Ohrmuschel - wie allgemein bekannt ist - eine hohe Variantenzahl aufweist. Schließlich kann auch aus dem vom Universitätsklinikum Freiburg bestätigten Mastoid-Helix-Winkel von „deutlich über 45 Grad“ nicht per se eine entstellende Wirkung hergeleitet werden. Entsprechend dem von der Klägerseite vorgelegten Aufsatz aus dem deutschen Ärzteblatt 97, Heft 4, vom 28. Januar 2000 ergibt sich, dass Ohren überhaupt erst ab einem Muschel-Schädel-Winkel von mehr als 45 Grad als abstehend bezeichnet werden. Zur Überzeugung des Gerichts können jedoch Ohren, die aus ärztlicher Sicht als abstehend zu bezeichnen sind, noch nicht mit einer entstellenden Wirkung gleichgesetzt werden. Denn auch abstehende Ohren weisen in ihrem Ausprägungsgrad eine erhebliche Variantenvielfalt auf, wobei vorliegend - wie dargelegt - die Schwelle zur entstellenden Wirkung gerade nicht überschritten ist. Auch ist im hiesigen Fall nicht entscheidend, welche medizinische Einschätzung das Universitätsklinikum Freiburg zu der Frage einer entstellenden Wirkung vertritt, nachdem es sich bei der Bewertung, ob eine entstellende Wirkung gegeben ist, nicht um eine medizinische Fachfrage handelt.

Darüber hinaus leidet der Sohn der Klägerin auch nicht an einer psychischen Erkrankung als Folge der von der Klägerin angenommenen entstellenden Wirkung der abstehenden Ohren. Die Klägerin berichtet insoweit lediglich sehr vage im Schreiben vom 29. November 2015 davon, dass „befürchtete Hänseleien im Zeitraum zwischen der Voruntersuchung und der Operation bereits eingetreten seien“. Dass diese zu einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit ihres Sohnes geführt hätten, wurde weder diagnostiziert noch vorgetragen. Aber selbst das Vorliegen einer psychischen Belastung würde keinen operativen Eingriff auf Kosten der beamtenrechtlichen Beihilfe rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts fehlt es nämlich an der Notwendigkeit i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V für operative Eingriffe in den gesunden Körper, durch die psychischen Krankheiten entgegengewirkt werden soll, die auf einem subjektiv als unzulänglich empfundenen körperlichen Zustand ohne Krankheitswert zurückzuführen sind. Denn nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Erkenntnisse ist generell zweifelhaft, ob derartige Eingriffe zur Überwindung einer psychischen Krankheit geeignet sind. Die psychischen Wirkungen der körperlichen Veränderungen können nicht eingeschätzt werden, insbesondere ist nach dem Eingriff eine Symptomverschiebung zu besorgen. Hinzu kommt, dass der operative Eingriff dem subjektiven Empfinden des Betroffenen geschuldet ist, der eine körperliche Eigenschaft als belastend empfindet und sich damit nicht abfindet. Letztlich müssten kosmetische Operationen auf Kosten der Allgemeinheit durchgeführt werden, wenn psychotherapeutische Maßnahmen nicht helfen, weil der Betroffene auf einen Eingriff fixiert ist (vgl. BSG, U.v. 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 - juris; BVerwG, B.v. 30.9.2011 - 2 B 66/11 - juris). Wenn aber eine Operation bereits bei eingetretenen psychischen Erkrankungen nicht erstattungsfähig ist, so gilt dies erst recht bei nur subjektiv - hier durch Erziehungsberechtigte - prognostizierte Probleme und Beschwerden. Dass derartige Probleme entstehen, stellt nach Überzeugung des Gerichts zudem auch keinesfalls den Regelfall dar, sondern ist von einer Vielzahl weiterer äußerer Einflussfaktoren abhängig, wie etwa dem anderweitig vermittelten Selbstbewusstsein des jeweiligen Kindes, der Umgebung, in der es aufwächst, sowie dem sich derzeit im Rahmen des Inklusionsgedankens wandelnden Gesellschaftsbild zu nicht der „Norm“ entsprechenden Menschen.

Schließlich kann auch der klägerische Vortrag, wonach Operationen der vorliegenden Art bei Kindern bis zum Alter von 12 Jahren üblicherweise sowohl von den gesetzlichen als auch den privaten Krankenversicherungen übernommen werden, zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Orientierung an diesem Vorgehen ist insbesondere nicht deshalb angezeigt, weil die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Bestimmung des Krankheitsbegriffs auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung und den Krankheitsbegriff aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgreift. Dies ist nämlich nur deshalb der Fall, weil die Beihilfevorschriften den Krankheitsbegriff nicht gesondert definieren. Welche Leistungen jedoch im Krankheitsfall erbracht werden, obliegt allein der Bestimmung durch den jeweiligen Normgeber, vorliegend demzufolge durch den Beklagten, dem hierbei ein weiterer Gestaltungsspielraum zukommt. Die gesundheitliche Absicherung im Wege der gesetzlichen Krankenversicherung auf der einen und der Beihilfe auf der anderen Seite sind nicht miteinander vergleichbar, sondern weisen wesentliche Strukturunterschiede auf, so dass der Beamte einen Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG mit der Verfahrensweise in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geltend machen kann. Bei den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um Leistungen aus öffentlichen Kassen, die der grundsätzlich umfassenden Sicherung des Betroffenen und seiner Familie in Krankheitsfällen dienen. Die gesetzliche Krankenversicherung steht im Gegensatz zu der privaten Eigenvorsorge des Beamten und der lediglich ergänzenden nachrangigen Unterstützung durch den Dienstherrn. Die Krankheitsvorsorge aufgrund von Beihilfe und Privatversicherung unterscheidet sich von der gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Prägende Grundsätze der gesetzlichen Krankenversicherung sind vor allem die solidarische Finanzierung, der soziale Ausgleich, die Sach- und Dienstleistung als Leistungsform sowie die Organisation ihrer Träger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 - 2 C 35/04 - juris). Schließlich ist auch ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Fürsorgepflicht vorliegend nicht ersichtlich. Es ist nämlich weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Klägerin mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bliebe, die sie in nicht mehr zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten müsste. Vielmehr ist die (endgültige) Zahlung der hier ungedeckten einmaligen Kosten in Höhe von 1.359,36 EUR der Klägerin zuzumuten.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 33


(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. (3) Der Genuß bürgerlicher und st

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Referenzen

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.