Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 04. Jan. 2019 - W 8 S 18.50563

bei uns veröffentlicht am04.01.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die unter Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2018 verfügte Abschiebungsanordnung wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 28. August 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte ein Asylgesuch und stellte am 6. September 2018 einen förmlichen Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 1. Oktober 2018 reagierten die italienischen Behörden nicht.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2018 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Am 10. Dezember 2018 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 18.50562 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,

  • 1.die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2018, Geschäftszeichen: …, zugestellt am 5. Dezember 2018, wiederherzustellen;

  • 2.der Antragsgegnerin mitzuteilen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über den Eilantrag nicht durchgeführt werden dürfen.

Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vorbringen: Zutreffend sei, dass die Antragstellerin ein italienisches Visum erhalten habe und für wenige Tage nach Italien gereist gewesen sei. Von dort aus sei sie wieder nach Teheran zurückgereist. In Teheran sei sie inhaftiert und wegen ihrer Reise nach Italien verhört worden. Dort seien bei der Inhaftierung ihre Unterlagen einbehalten worden. Die Antragstellerin sei dann in die Türkei gereist und von dort direkt nach Nürnberg geflogen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 18.50562) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bundesamtsbescheides vom 3. Dezember 2018 begehrt.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO - betreffend die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids - ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 3. Dezember 2018 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung in Nr. 3 rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, so dass das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.

Es spricht viel dafür, dass Italien für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig ist, sondern die Antragsgegnerin. Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. Zwar liegt ein am 10. Juni 2018 von Italien erteiltes Visum vor (gültig vom 19.6.2018 bis 18.7.2018). Das Visum ist auch noch nicht mehr als sechs Monate abgelaufen (vgl. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO).

Jedoch besteht bei summarischer Prüfung keine Zuständigkeit Italiens, weil es an der weiteren Voraussetzung des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO fehlt, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat. Jeder Fall der Ausreise aus dem Unionsgebiet ist relevant. Der Wortlaut von Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ist eindeutig. Das früher erteilte Visum fällt als zuständigkeitsbegründendes Kriterium im Fall der erneuten Einreise des Asylsuchenden weg (Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 29 AsylG Rn. 36; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Herausgeber Fritz, Vormeier, Lfg. 111, 1.4.2017, § 29 AsylG Rn. 138; vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 11.8.2017 - W 8 S 17.50436 - juris; ebenso VG Meiningen, U.v. 30.8.2018 - 2 K 1018/18 Me - Asylmagazin 2018, 377; VG München, B.v. 14.2.2018 - M 1 S7 17.53424 - juris).

Das Gericht ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nach Aktenlage nicht davon überzeugt, dass die zwischenzeitliche Heimreise der Antragstellerin lediglich eine Schutzbehauptung ist. Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugestehen, dass die Antragstellerin keinerlei Dokumente oder sonstige Belege für ihre zwischenzeitliche Heimreise in den Iran vorgelegt hat, jedoch ist die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid (vgl. dort S. 12) nicht auf die ausführlichen Angaben der Antragstellerin zu den Vorkommnissen nach ihrer Rückkehr aus Italien eingegangen.

Dies mag auch daran liegen, dass Anhörer und Entscheider auseinanderfallen. Zwar ist mittlerweile geklärt, dass eine Personenidentität von Anhörer und Entscheider im Asylverfahren nach den einschlägigen Vorschriften (vgl. § 5, §§ 24 ff., § 31 AsylG) nicht als erforderlich vorgesehen ist und eine Personenverschiedenheit verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht bedenklich ist (vgl. m.w.N. BayVGH, B.v. 5.2.2018 - 11 ZB 17.31802 - juris; VG München, B.v. 17.10.2017 - M 21 S 17.38121 - juris; OVG NRW, B.v. 1.8.2017 - 11 A 533/17.A - juris; VG Bayreuth, B.v. 4.4.2017 - B 4 S 17.30876 - juris; VGH BW, B.v. 31.1.2017 - A 9 S 1047/16 - VBlBW 2017, 424; Berlit, NVwZ-Extra 4/2017 S. 8).

Jedoch lässt sich - wenn es wie hier entscheidungserheblich auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Antragstellerin ankommt - bei einer Verschiedenheit von Anhörer und Entscheider die Antragsablehnung wegen Unglaubhaftigkeit nur begründen, wenn das Protokoll über die Anhörung eine entsprechende Schlussfolgerung zulässt. Danach muss allein aus der Lektüre des Protokolls der Anhörung eine Analyse der Angaben der Antragstellerin auf ihre Glaubhaftigkeit möglich sein. Hierzu sind etwa Angaben im Protokoll nötig, ob und in welcher Weise auf eine detailarme und/oder oberflächliche bzw. widersprüchliche Darstellung des Sachverhalts durch die Antragstellerin reagiert wurde, beispielsweise durch konkrete Vorhalte ungereimter Angaben, Nachfragen oder durch Aufforderungen, nähere Details zu ergänzen, gerade weil subjektive Eindrücke aus der Anhörung wie Körpersprache, Stimmlage, Blickkontakt für den Entscheider fehlen (vgl. VG Braunschweig, B.v. 15.6.2017 - 5 B 283/17 - Asylmagazin 2018, 90; VG Greifswald, B.v. 6.12.2016 - 4 B 1987/16 As HGW - juris; vgl. ebenso schon VG Würzburg, B.v. 20.6.2017 - W 8 S 17.32595 - juris; B.v. 19.12.2016 - W 5 S 16.32663 - juris; B.v. 27.7.2015 - W 6 S 15.30502 - juris, jeweils m.w.N.; vgl. auch Berlit, NVwZ-Extra 4/2017, S. 8).

Ausgehend davon kann das Gericht bei Lektüre der behördlichen Anhörungsprotokolle die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens der Antragstellerin zu ihrer zwischenzeitlichen Heimreise bei summarischer Prüfung nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen. In dem Zusammenhang ist schon darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin in ihrem streitgegenständlichen Bescheid auf Seite 12 ihrerseits widersprüchlich argumentiert, indem sie im vorletzten Absatz ausdrücklich anmerkt, „selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrags, wonach ihr alle Dokumente bei der Ankunft im Iran abgenommen worden seien, … sei nicht ersichtlich …“. Denn wenn die Antragsgegnerin wirklich, wie von ihr formuliert, mit ihrer Wahrunterstellung konsequent bliebe, würde und müsste sie selbst gerade als wahr unterstellen, dass die Antragstellerin im Iran gewesen ist, wo ihr die Dokumente bei ihrer Ankunft nach der Rückkehr aus Italien abgenommen worden sind.

Abgesehen davon hat die Antragstellerin bei ihrer Anhörung am 11. September 2018 substanziiert, detailliert und auch widerspruchsfrei von den Vorkommnissen, insbesondere ihrer Inhaftierung, nach ihrer Rückkehr aus Italien berichtet und auch in Einzelheiten ausführlich geschildert, wie sie etwa im Rahmen ihrer Inhaftierung an Händen und Füßen gefesselt gewesen sei, wie ihr einmal mit dem Schlagstock auf den Kopf geschlagen und sie bewusstlos geworden sei. Man habe sie auch getreten, man habe ihr mit Nachteile für ihre Mutter gedroht, man habe sie getreten und auch mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Insofern gab es seitens des Anhörers keine Nachfragen oder gar Vorhalte wegen vermeintlichen unglaubhaften Vorbringens. Der Vermerk auf Seite 6 des Anhörungsprotokolls (Bl. 73 der Bundesamtsakte), wonach die Antragstellerin mehrmals aufgefordert worden sei, Fragen bitte konkret zu beantworten, ist nicht nachvollziehbar. Denn die betreffende Aussage der Antragstellerin, mit anderen Flüchtlingen zusammen in einem Zimmer gewesen zu sein, ist nicht unbedingt unkonkret oder ausweichend, wie die nachfolgende Passage zeigt, in der die Antragstellerin auf nochmalige Nachfrage gesagt hatte, sie sei vom Lkw ausgestiegen und für ungefähr eine Woche in einem Haus mit den anderen Flüchtlingen geblieben. Danach sei sie für einen Monat in ein anderes Haus gekommen und mit einem Taxi und dem Schleuser dann zum Flughafen in Istanbul gebracht worden. Auch der weitere Vorhalt auf Seite 8 des Anhörungsprotokolls (Bl. 75) ist nicht plausibel. Der Anhörer hat der Antragstellerin auf die Antwort nach dem letzten Telefonat mit der Schwester vor zwei Tagen vorgehalten, er habe die Antragstellerin zu Beginn der Anhörung gefragt, wann und mit wem sie den letzten Kontakt gehabt habe und warum sie das nicht angegeben habe. Denn ausweislich des Protokolls Seite 3 (Bl. 70) war die Frage nur nach dem Wann und nicht nach dem mit Wem des letzten Telefonats. Die Antragstellerin wurde vielmehr lediglich gefragt, wann sie das letzte Mal mit jemand aus ihrer Familie telefoniert habe. Als Antwort ist protokolliert, sie habe vor zwei Tagen mit ihrer Familie telefoniert. Insofern erscheint es stimmig, dann später zu konkretisieren, sie habe vor acht Tagen mit der Mutter telefoniert und vor zwei Tagen mit der Schwester. Im Übrigen ist auffällig, dass - was für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens spricht - die Antragstellerin auch Einzelheiten und durchaus auch Nebensächlichkeiten berichtet. So schilderte sie etwa auch bei ihrer Anhörung am 27. September 2018 auf Seite 3 (Bl. 103), dass ihr nicht nur alle Dokumente, sondern sogar die Andenken, die sie in Europa gekauft habe, bei ihrer Rückkehr in den Iran weggenommen worden seien. Sie beschrieb im Übrigen wiederholt, dass sie nicht nur in Italien gewesen sei, sondern bei ihrer ersten Europareise mit ihren Brüdern, die sie in Italien getroffen habe, auch nach Deutschland/Würzburg gefahren sei und dann einen Freund in Griechenland besucht habe (vgl. Bl. 64 und Bl. 101 der Bundesamtsakte).

Steht die Zuständigkeit Italiens nach alledem nicht fest, sondern spricht viel für die Zuständigkeit der Antragsgegnerin, überwiegt das Interesse der Antragstellerin, einstweilen nicht nach Italien abgeschoben zu werden, sondern im Bundesgebiet zu bleiben.

Die Antragstellerin kann sich im Rahmen ihres Rechtsbehelfs gegen eine ihr gegenüber ergangene Überstellungsentscheidung auch auf den Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO berufen. Denn die Dublin III-VO gewährleistet, dass dem Schutzsuchenden ein wirksamer Rechtsbehelf gegen jede ihm gegenüber möglicherweise ergehende Überstellungsentscheidung zusteht (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 - C-670/16 - ABl EU 2017, Nr. C 309, 17; siehe auch VG Meiningen, U.v. 30.8.2018 - 2 K 1018/18 Me - Asylmagazin 2018, 377).

Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

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(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die unter Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 1. August 2017 verfügte Abschiebungsanordnung wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 30. Mai 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. Juli 2017 einen Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 18. Juli 2017 erklärten die schweizerischen Behörden mit Schreiben vom 28. Juli 2017 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 1. August 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung in die Schweiz wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Am 9. August 2017 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 17.50435 Klage und im vorliegenden Verfahren beantragen,

Die aufschiebende Wirkung der beiliegenden Klage wird wiederhergestellt.

Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vorbringen: Sie sei nie in der Schweiz gewesen. Es müsse sich offenkundig um eine Verwechslung aufgrund einer Namensgleichheit handeln.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 17.50435) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Antragstellers ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bundesamtsbescheides vom 1. August 2017 begehrt.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO – betreffend die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids – ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 1. August 2017 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung in Nr. 3 rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, so dass das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.

Die Schweiz ist für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Die Zuständigkeit der Schweiz ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. Zwar liegt – entgegen dem Vorbringen des Antragstellerbevollmächtigten – ein von der polnischen Botschaft stellvertretend für die Schweiz ausgestelltes Visum vom 7. Dezember 2016 (gültig vom 30.12.2016 bis 24.1.2017) vor. An der Identität der Antragstellerin bestehen insofern auch keine Zweifel, insbesondere hat sie selbst eingeräumt über dieses Visum verfügt zu haben und mit diesem zu ihrer Tochter nach London gereist zu sein. Das Visum ist auch noch nicht mehr als sechs Monate abgelaufen (vgl. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO). Abzustellen ist für den Ablauf auf den Zeitpunkt, zu dem die Antragstellerin ihren Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedsstaat stellt (Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO). Zu diesem Zeitpunkt, hier also der 11. Juli 2017, war das bis 24. Januar 2017 gültige Visum noch nicht länger als sechs Monate abgelaufen. Die Schweiz hat sich zudem ausdrücklich bereit erklärt, die Antragstellerin aufzunehmen.

Jedoch besteht gleichwohl keine Zuständigkeit der Schweiz, weil es an der weiteren Voraussetzung des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO fehlt, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat. Jeder Fall der Ausreise aus dem Unionsgebiet ist relevant. Der Wortlaut von Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ist eindeutig. Das früher erteilte Visum fällt als zuständigkeitsbegründendes Kriterium im Fall der erneuten Einreise des Asylsuchenden Weg (Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 29 AsylG Rn. 36). Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Antragstellerin nach einem mehrmonatigen Aufenthalt Ende 2016/Anfang 2017 (nach Angaben der Antragstellerin vom 15.12.2016 bis 6.3.2017) in London wieder in ihr Herkunftsland Armenien zurückgereist ist und sich danach ein neues griechisches Visum (gültig vom 28.5.2017 bis 22.6.2017) besorgt hat, mit dem sie über Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. dazu auch Bl. 47 und 55 der BA-Akte) und das zudem als zuletzt ablaufendes Visum ohnehin vorrangig ist (vgl. Art. 12 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Dublin III-VO). Für den zwischenzeitlichen Aufenthalt in ihrer Heimat spricht unter anderem auch die vorgelegte Ultraschall-Untersuchung des Herzens der Antragstellerin am 13. März 2017 in der Staatlichen Medizinischen Universität in Eriwan (vgl. Bl. 63 der BA-Akte).

Die Antragstellerin kann sich im Rahmen ihres Rechtsbehelfs gegen eine ihr gegenüber ergangene Überstellungsentscheidung auch auf den Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO berufen. Denn die Dublin III-VO gewährleistet, dass dem Schutzsuchenden ein wirksamer Rechtsbehelf gegen jede ihm gegenüber möglicherweise ergehende Überstellungsentscheidung zusteht (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – 10-670/16 – juris).

Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O. § 124a Rn. 72; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 124a Rn. 102 ff.; Berlit in GK-AsylG, Stand Oktober 2017, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Bei einer auf die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland gestützten Grundsatzrüge genügt es nicht, die gerichtlichen Feststellungen zu den Gegebenheiten im Herkunftsland des Asylsuchenden bloß in Zweifel zu ziehen oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2017 – 11 ZB 17.30602 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 5; B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 7 m.w.N.; Berlit, a.a.O., § 78 Rn. 609 ff.). Ferner sind die Voraussetzungen von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht erfüllt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.2017 – 1 B 98/17 – juris Rn. 3 m.w.N.).

Der Zulassungsantrag formuliert bereits keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage, sondern zieht unter Wiederholung des Klagevorbringens die vom Verwaltungsgericht hieraus gezogenen Schlüsse in Zweifel. Dies läuft der Sache nach auf die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hinaus, was nach der abschließenden Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG jedoch kein Grund für die Zulassung der Berufung ist. Im Übrigen setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht mit den Urteilsgründen auseinander, die ausführlich und zutreffend darlegen, unter welchen Voraussetzungen staatliche Maßnahmen wegen einer Verweigerung des Wehrdienstes und die Heranziehung zum Wehrdienst als asylrelevante Verfolgung zu qualifizieren sind, und führt auch keine Erkenntnisquellen zum Beleg dafür an, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind.

Ebenso wenig ist ein Verfahrensfehler dargelegt, der nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO zur Zulassung der Berufung führen könnte. Weder ist der geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) ein absoluter Revisionsgrund im Sinne von § 138 VwGO noch erfasst § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG etwaige Verfahrensverstöße im Verwaltungsverfahren. Abgesehen davon ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass eine Personenidentität von Anhörer und Entscheider im Asylverfahren rechtlich nicht erforderlich und eine Personenverschiedenheit verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist (vgl. vgl. § 5, §§ 24 f., § 31 AsylG, Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie – juris; BVerwG, B.v. 13.5.1996 – 9 B 174.96 – JurionRS 1996, 21040; BayVGH, B.v. 23.7.1997 – 24 B 96.32748 – BeckRS 1997, 25163; B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 5 m.w.N.; VGH BW, B.v. 31.1.2017 – A 9 S. 1047.16 – juris Rn. 11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach letzten, eigenen Angaben ein lediger, in Timbuktu geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens.

Er stellte am 21. Juli 2016 bei der Außenstelle des Bundesamts für ... (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.

Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 24. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie in Timbuktu gelebt zu haben. Sein Heimatland habe er im April 2013 verlassen und sei am 14. Oktober 2015 in das Bundesgebiet eingereist. Die ca. 2.000 $ für die Reise habe er sich zusammen gespart. Im Heimatland lebten noch zwei Brüder, zwei Schwestern und die Großfamilie. Er sei Hirte gewesen. Aufgrund des Krieges habe er Mali verlassen. Die Dschihadisten hätten alles kaputt gemacht. Sie nähmen Leute und schlügen sie auf öffentlichen Plätzen. Sie hätten keine Sicherheit. Wer religiöse Fragen falsch beantworte, werde gefoltert. Auf die Frage, was dem Antragsteller persönlich passiert sei, antwortete er, sie hätten keine Sicherheit gehabt. Sie hätten ihre Tiere beschlagnahmt. Deswegen und wegen des Krieges habe er das Land verlassen. Die Frage, ob er sich an die Polizei oder an andere staatliche Behörden gewandt habe, verneinte der Antragsteller und gab an, im Busch gelebt zu haben. Dort gebe es keine Polizei. Sie hätten in Diré gelebt. Persönlich habe er in Mali nichts zu befürchten, nur dass seine Familie nicht mehr dort sei.

Mit Bescheid vom 13. April 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben zu den Umständen, die den Antragsteller zur Ausreise bewogen haben sollen, seien so nichts sagend, pauschal und vage, dass sich insbesondere nicht plausibel nachvollziehen lasse, was ihn zur Flucht motiviert habe. Selbst bei Wahrunterstellung knüpfe die vorgetragene Bedrohung nicht an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an. Die vorgetragene Bedrohung sei als kriegerische Gefahr zu werten, welche alle in diesem Landesteil lebenden Menschen gleichsam betroffen habe. Dem Antragsteller stehe nach wie vor eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. So sei etwa eine Rückkehr nach Bamako zumutbar. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.

Am 25. April 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 13. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass er asylberechtigt sei, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliege, der subsidiäre Schutzstatut bei ihm vorliege und Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bei ihm vorliegen.

Über die Klage (M 21 K 17.38119) ist noch nicht entschieden.

Zugleich ließ der Antragsteller am 25. April 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragen,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 25. April 2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Gefährdung in Mali geschildert. Anhörer und Entscheider seien nicht identisch gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.

Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).

Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).

Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.

Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.

Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine Personenverschiedenheit von Anhörer und Entscheider als solche bei – wie hier erfolgter - hinreichender Protokollierung der Einlassungen des Asylbewerbers im Rahmen der Anhörung unschädlich ist. Sie führt dann auch nicht dazu, dass ein Asylantrag deswegen nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann (vgl. nur Berlit, NVwZ-Extra 2017, 1/8 m.w.N).

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

Der Klägerin wird für das Verfahren des zweiten Rechtszugs Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. April 2016 - A 5 K 4575/14 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der Klägerin ist nach §§ 114, 115, 119 Abs. 1 Satz 2 und § 121 Abs. 1 ZPO, § 166 VwGO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn es für ihre Entscheidung maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 -, NVwZ 2016, 1243, 1245, und vom 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805 f.). Die nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG gebotene Darlegung dieser Voraussetzungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16.05.2007 - 2 BvR 1782/04 -, juris Rn. 13) verlangt, dass unter Durchdringung des Streitstoffes eine - gegebenenfalls erneut oder ergänzend - klärungsbedürftige konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufgezeigt wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war und die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und dass ein Hinweis auf den Grund gegeben wird, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.11.2011 - 5 B 29.11 -, juris; Senatsbeschluss vom 18.06.2012 - A 9 S 792/12 -). Diesen Anforderungen entspricht der Antrag nicht.
Der Antrag wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig folgende Fragen auf:
„Innerhalb welcher Zeit ist nach durchgeführter Anhörung gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG über den Asylantrag zu entscheiden? Gibt es eine zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung die Asylentscheidung rechtswidrig wird?“
„Muss die Asylentscheidung von dem Bediensteten gefällt werden, der die Anhörung gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG persönlich durchgeführt hat? Oder kann über den Asylantrag auf der Grundlage (lediglich) des schriftlichen Anhörungsprotokolls entschieden werden?“
Hierzu führt die Beklagte aus, diese Fragen seien für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung. Derzeit komme es verbreitet zu starken Verzögerungen bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Die Einhaltung einer Fünf-Monats-Grenze zwischen Anhörung und Entscheidung - wie vom Verwaltungsgericht gefordert - sei in der gegenwärtigen Überlastungssituation weitestgehend illusorisch. Das Gleiche gelte für die geforderte Einheit von Anhörer und Entscheider. Die Überlastungssituation zwinge sie zu einem flexiblen Personaleinsatz. Die Einrichtung sogenannter „Entscheidungszentren“ bei ihr beruhe gerade auf dem Prinzip, „bereits angehörte Altfälle durch an wenigen Standorten zentralisierte Entscheiderpools bescheiden zu lassen“. Die Person des Anhörers und die des Entscheiders fielen dabei regelmäßig auseinander. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene „Zurückverweisung“ an das Bundesamt stelle vor diesem Hintergrund alles andere als eine Problemlösung dar, würde diese doch zu einer zusätzlichen, erheblichen Verfahrensverzögerung führen. Denn zu Ende gedacht müsste bei „Verbrauch“ der Fünf-Monats-Frist nicht nur ein neuer Bescheid erlassen, sondern auch die Anhörung erneut vorgenommen werden, falls der seinerzeitige Anhörer für die Entscheidung nicht mehr zur Verfügung stehe oder ihm unterstellt werde, dass er sich an die Anhörung nicht mehr zuverlässig erinnern könne.
Für die Forderung nach Einhaltung einer Fünf-Monats-Frist zwischen Anhörung und Entscheidung sowie einer Personenidentität zwischen Anhörer und Entscheider sei auch keine Rechtsgrundlage erkennbar. Weder das Asylgesetz noch das EU-Recht verhielten sich zu diesen Fragen. Vielmehr gestatte Art. 14 Abs. 1 RL 2013/32/EU (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes) für den Fall einer Überlastungssituation sogar, dass Anhörungen vorübergehend von Bediensteten einer anderen Behörde durchgeführt würden. Der vom Verwaltungsgericht angestellte Vergleich mit § 138 Nr. 6 VwGO gehe fehl. Denn die auf diese Vorschrift gestützte fünfmonatige Begründungsfrist beziehe sich auf Urteile, deren Tenor am Schluss der mündlichen Verhandlung bereits verkündet worden sei und die noch der schriftlichen Begründung bedürften. Anders als nach § 116 Abs. 1 VwGO werde im Anhörungstermin nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG jedoch grundsätzlich keine Entscheidung verkündet. Diese ergehe vielmehr gemäß § 31 Abs. 1 AsylG im schriftlichen Verfahren. Da die Entscheidung - vom Sonderfall der neuen „Ankunftszentren“ abgesehen - regelmäßig mit zeitlichem Abstand erfolge, fordere § 25 Abs. 7 Satz 1 AsylG eine Niederschrift, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthalte. Gefordert sei gemäß Art. 17 Abs. 1 RL 2013/32/EU entweder ein Wortprotokoll oder eine ausführliche und objektive Niederschrift mit allen wesentlichen Angaben. Das Protokoll müsse folglich so abgefasst sein, dass eine Entscheidung allein aufgrund des Protokolls ergehen könne. Die bloße „Erinnerung“ des Entscheiders an den Ablauf der Anhörung dürfe mithin bei der Entscheidung keine Rolle spielen. Sie halte daran fest, dass es für die Bescheidung nach erfolgter Anhörung keine rechtlich festgelegte Zeitgrenze gebe, und dass die Bescheidung durch einen Bediensteten erfolgen könne, der an der Anhörung nicht selbst teilgenommen habe. Da das Verwaltungsgericht insoweit anderer Auffassung sei, bedürften die aufgeworfenen Fragen der Klärung in einem Berufungsverfahren.
Mit diesem Vorbringen legt die Beklagte den Zulassungsgrund nicht hinreichend dar. Sie zeigt schon die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht auf.
10 
Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil unter anderem damit begründet, zwischen der Anhörung der Klägerin nach § 25 AsylG durch Frau H. am 04.09.2012 und dem Erlass des Bescheids vom 10.10.2014, der unter dem Namen W. ergangen sei, hätten mehr als zwei Jahre gelegen. Es sei Ausdruck des menschlichen Wesens an sich, dass die Erinnerung mit fortschreitender Zeit zunehmend verblasse. Im vorliegenden Fall sei die Anhörung der Klägerin bereits am 04.09.2012 von einer Mitarbeiterin des Bundesamts durchgeführt worden, die allerdings die dann erst am 10.10.2014 erfolgte Entscheidung nicht getroffen habe. Der Zeitraum zwischen der Anhörung der Klägerin und der Fällung der Entscheidung betrage mehr als zwei Jahre und übersteige die Frist für gerichtliche Verfahren (Fünf-Monats-Frist zur Absetzung von Entscheidungsgründen) um ein Fünffaches. Der Bescheid vom 10.10.2014 sei „daher“ im Rechtssinne nicht mit einer Begründung versehen und verletze die Klägerin in ihrem Recht auf verfahrensfehlerfreie Prüfung ihres Asylantrags. Vor diesem Hintergrund hätte sich der Zulassungsantrag bereits näher damit auseinandersetzen müssen, inwieweit für das Verwaltungsgericht neben den besonderen Einzelfallumständen überhaupt die von der Beklagten als verallgemeinerungsfähig benannten Rechtsfragen leitend waren und inwieweit sich diese losgelöst von Einzelfallumständen beantworten lassen (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 23.07.1997 - 24 B 96.32748 -, BeckRS 1997, 25163, und Bodenbender, in: GK AsylG, 109. Aktualisierung 2016, § 25 Rn. 4, zur Einzelfallabhängigkeit der Frage, ob eine Verschiedenheit von Anhörer und Entscheider die Rechtmäßigkeit eines Ablehnungsbescheides berührt).
11 
Unabhängig davon lässt das Antragsvorbringen eine Befassung mit der zu den aufgeworfenen Fragen bereits vorhandenen Rechtsprechung und Literatur vermissen. Insbesondere geht es nicht darauf ein, dass das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Personenverschiedenheit von Anhörer und Entscheider bereits als nicht klärungsbedürftig bezeichnet hat, weil sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Asyl(verfahrens)gesetz ergebe (Beschluss vom 13.05.1996 - 9 B 174.96 -, JurionRS 1996, 21040, mit dem Hinweis auf § 5 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a.F.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 23.07.1997, a.a.O., der sich der Entscheidung anschließt und dies näher begründet). Danach gehöre die Anhörung des Asylsuchenden nicht zu den Aufgaben des Entscheiders beim Bundesamt, auch wenn ihm diese Aufgabe zusätzlich übertragen werden könne und dies auch sinnvoll sein möge, weil es in Asylsachen nicht selten entscheidend auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers ankomme. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass die Durchführung der Anhörung beim Bundesamt nicht zwingend zu den Aufgaben des Entscheiders gehöre, seien nicht ersichtlich (BVerwG, Beschluss vom 13.05.1996, a.a.O.). Auch in dem damals zugrunde liegenden Verfahren war die Beklagte Beteiligte.
12 
Hat das Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsfrage schon entschieden, erfordert die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Darlegung konkreter geänderter Umstände, die die erneute grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren als notwendig erscheinen lassen (vgl. - übereinstimmend teils zum Revisions-, teils zum Berufungszulassungsrecht, teils zur Klärung durch das BVerwG, teils zu der durch BVerfG oder EuGH - BVerwG, Beschlüsse vom 22.08.1986 - 3 B 47.85 -, NVwZ 1987, 55 und vom 25.11.1992 - 6 B 27.92 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306; OVG Hamburg, Beschluss vom 19.11.2001 - 4 Bf 202/01 -, GewArch 2002, 164; NdSOVG, Beschluss vom 10.02.2011 - 11 LA 491/10 -, NVwZ 2011, 572; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 133 Rn. 33; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 124a Rn. 85).
13 
Im vorliegenden Fall hat zwar das Bundesverwaltungsgericht nicht selbst in dem dafür vorgesehenen (Berufungs-) Verfahren eine Klärung herbeigeführt. Da es jedoch ausdrücklich eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (wenn auch zum damaligen Asylverfahrensgesetz) verneint hat, hätte der Zulassungsantrag auch dem mit genügenden Darlegungen Rechnung tragen müssen. Ob die Darlegungsanforderungen im gleichen Maße heraufgesetzt sind wie bei einer bereits im Berufungsverfahren erfolgten Klärung, kann dahinstehen (vgl. zu dem insoweit u.a. zu berücksichtigenden Zusammenhang zwischen den Zulassungsgründen der Grundsatzbedeutung und der Divergenz NdSOVG, Beschluss vom 10.02.2011, a.a.O.). Denn der Zulassungsantrag erwähnt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Personenverschiedenheit von Anhörer und Entscheider nicht einmal. Ob zum Beispiel die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ernst zu nehmender Kritik ausgesetzt gewesen ist oder seit deren Ergehen neue bedeutsame Gesichtspunkte zutage getreten sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.12.1970 - I B 96.70 -, BayVBl 1971, 423; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 124 Rn. 10), ist dem Zulassungsvorbringen dementsprechend nicht zu entnehmen. Zumindest einer gewissen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und gegebenenfalls ihrer Rezeption hätte es indes bedurft, zumal die hier zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur veröffentlicht, sondern auch (jedenfalls) in einem ebenfalls veröffentlichten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Bezug genommen wurde.
14 
Aus den vorstehend zitierten Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen sich der Zulassungsantrag nicht auseinandersetzt, ergibt sich zugleich, dass es auf das persönliche Erinnerungsvermögen des einzelnen Anhörers bei der Entscheidung über einen Asylantrag nicht notwendig ankommt, so dass eine Übertragung der Rechtsprechung zur äußersten „Absetzungsfrist“ für ein vollständiges Urteil im Verwaltungsprozess auf die Abfassung eines asylrechtlichen Bescheids offensichtlich ausscheidet (vgl. zu dem insoweit in Rede stehenden Rückgriff auf § 552 ZPO a.F. bzw. § 551 Abs. 2 Satz 3 ZPO Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92 -, BVerwGE 92, 367; BVerwG, Beschlüsse vom 20.09.1993 - 6 B 18.93 -, NJW 1994, 273, vom 18.08.1999 - 8 B 124.99 -, NVwZ 1999, 1334, vom 09.08.2004 - 7 B 20.04 -, juris, und vom 24.11.2005 - 9 B 20.05 -, juris). Für eine vergleichbare Frist im behördlichen Asylverfahren gibt es auch keinen gesetzlichen Anhaltspunkt (vgl. im Übrigen zur gerichtlichen Spruchreifmachung selbst bei unterbliebener Anhörung OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.01.2017 - 4 A 3051/15.A -, juris).
15 
Den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) hat die Beklagte weder geltend gemacht noch dargelegt.
16 
Die Kostenentscheidung für das gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreie Zulassungsverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
17 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind armenische Staatsangehörige. Sie reisten nach eigenen Angaben am 13. April 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 8. Juni 2015 ihre Asylanträge, die der Antragsteller zu 1) als Belastungszeuge mit tätlichen Übergriffen Dritter im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen Staatsbedienstete erlitten habe.

Mit Bescheid vom 9. März 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag zu Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragsteller wurden unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Gegen diesen Bescheid ließen die Antragsteller am 16. Juni 2017 Klage erheben und gleichzeitig beantragen,

Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

Zur Klagebegründung ließen die Antragsteller im Wesentlichen vorbringen: Die anhörende Person und die entscheidende Person seien nicht identisch. Die anhörende Person habe einen Aktenvermerk abgegeben, wie folgt: Eine positive Entscheidung nach § 3 Abs. 1 AsylG erscheine wahrscheinlich. Der Bescheid verkenne weiter die realen Gegebenheiten des durch und durch korrupten und willkürlichen Staatsapparats der Republik Armenien. Man nehme nur die erste Einschätzung des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes. Fakt sei, dass Untergliederungen des Staates oder solche, die vom Antragsteller zu 1) der Begehung von Straftaten bezichtigt worden seien, den Antragsteller zu 1) mehrmals massiv hätten angreifen und an Leib und Leben bedrohen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte W 8 K 17.32594) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragsteller ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des angefochtenen Bundesamtsbescheides begehren, zumal ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die übrigen Nummern des streitgegenständlichen Bescheides unzulässig wäre.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 9. März 2017 anzuordnen, ist begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG).

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab der Entscheidung über die Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 34 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1516/93 und 2 BvR 1938/793 – BVerfGE 94, 115).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet bestehen schon deshalb, weil die Person, die die nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG erforderliche persönliche Anhörung der Antragsteller am 4. Juli 2016 durchgeführt hat, nicht identisch mit der Person ist, die die angefochtene Entscheidung vom 9. März 2017 getroffen hat. Zwar schreibt das AsylG nicht vor, dass die Person, die die Anhörung durchgeführt hat, auch die Entscheidung nach § 31 AsylG zu treffen hat, weshalb allein der Umstand, dass der zur Entscheidung berufene Einzelentscheider den jeweiligen Asylbewerber nicht persönlich angehört hat, nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung über den Asylantrag führt. So ist die fehlende Identität von Anhörer und Entscheider unter anderem dann nicht relevant, wenn sich aus dem Vortrag der Antragsteller, dessen Richtigkeit unterstellt, überhaupt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer (politischen) Verfolgung ergeben (VG Würzburg, B.v. 28.8.2014 – W 1 S. 14.30466 unter Hinweis auf VG Augsburg, B.v. 31.3.2010 – Au 7 S. 10.30096 – juris Rn. 23; B.v. 29.3.2010 – Au 7 S. 10.30066 – juris Rn. 21).

Etwas anderes ist jedoch dann anzunehmen, wenn die Trennung im konkreten Fall tatsächlich zu einem Rechtsfehler geführt haben könnte. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die persönliche Anhörung des Asylsuchenden grundsätzlich für die Beweiswürdigung von entscheidungserheblicher Bedeutung ist und die Entscheidung über ein Asylbegehren ganz wesentlich auf einer Glaubwürdigkeitsprüfung beruht und somit grundsätzlich eine verfahrensrechtliche Trennung von Anhörung und Entscheidung weder sachgerecht noch möglich erscheint (VG Göttingen, B.v. 17.8.2010 – 2 B 301/10 – juris Rn. 10; VG München, B.v. 15.9.2008 – M 24 S. 08.60056 – juris Rn. 24; VG München, B.v. 29.4.2003 – M 21 S. 03.60155 – juris Rn. 22 f.; VG Frankfurt/Oder, B.v. 23.3.2000 – 4 L 167/00 – juris ; anderer Ansicht VG München, B.v. 18.11.2011 – M 25 S. 11.30912 – juris Rn. 13).

Letzteres ist vorliegend zumindest zweifelhaft und rechtfertigt erst recht keinen Offensichtlichkeitsausspruch, weil der Anhörer laut Aktenvermerk vom 12. Juli 2016 ausdrücklich angegeben hat, eine positive Entscheidung nach § 3 Abs. 1 AsylG erscheine wahrscheinlich. Der Antragsteller stamme zweifelsohne aus Armenien und werde von der Regierung verfolgt. Das Asylvorbringen werde nach erster Einschätzung glaubhaft dargestellt. Der Entscheider beim Bundesamt teilte diese Einschätzung nicht, worauf der Anhörer auf ausdrückliche Nachfrage seine seinerzeitige Auffassung abänderte. Gleichwohl sind Bedenken angebracht, weil im Bundesamtsbescheid ausgeführt ist, dass ausreisebegründend – bei Wahrunterstellung – ein einmaliger tätlicher Übergriff von vier Personen an einem Märzmorgen 2015 sowie durch Äußerungen hervorgerufene Angst vor Personen gewesen sei. Dem sei lediglich ein kriminaler Charakter beizumessen. Nicht angesprochen wird jedoch der weitere Überfall, den der Antragsteller zu 1) ebenfalls ausführlich geschildert hat, und zwar ein Angriff von Personen vor dem Gericht im September 2014. Dieser Übergriff wurde von drei Personen durchgeführt, die Dienstausweise der 6. Abteilung, Kampf der organisierten Kriminalität, gezeigt hätten. Weiter ist in dem Zusammenhang anzumerken, dass im Bundesamtsbescheid ausgeführt ist, der Rückschluss, ein Verbleiben im Herkunftsland sei unzumutbar, weil man die Rache der genannten Personen zu erwarten habe, sei bereits in Anbetracht des eigenen Vortrags ob seiner Widersprüchlichkeit nicht geeignet, für eine Antragsbegründung zu streiten. Der Entscheider wirft dem Antragsteller zu 1) damit eine Widersprüchlichkeit vor, ohne dass diese den Antragstellern im Rahmen der Anhörung vorgehalten wurde.

In dem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung voraussetzt, dass an der Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung die Abweisung der asylrechtlichen Anträge geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – NVwZ 2007, 1046, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Gemessen an diesen Maßstäben bestehen zumindest ernstliche Zweifel an der Ablehnung als offensichtlich unbegründet (§ 30 AsylG). Denn gerade der Antragsteller zu 1) hat sehr detailliert und widerspruchsfrei mit konkreten Angaben die beiden tätlichen Übergriffe sowie weitere Bedrohungen geschildert. Der – mit dem Entscheider nicht identische Anhörer – vermerkte dazu in der Niederschrift zur Anhörung am 4. Juli 2016 ausdrücklich, dass der Antragsteller zu 1) das ihm zugefügte Schicksal sehr glaubhaft und emotional vorgetragen habe, was er auch in seinem – später jedoch abgeänderten – Vermerk vom 12. Juli 2016 ausdrücklich festhielt.

Auch in der Sache selbst bestehen ernstliche Zweifel am Offensichtlichkeitsausspruch des Bundesamtes, weil offen und damit noch zu klären ist, ob konkret den Antragstellern in ihrem speziellen Fall in Armenien ein hinreichender Schutz vor strafbaren Handlungen Dritter zur Verfügung steht, so dass eine dortige Rückkehr bzw. dortiger Verbleib zumutbar ist bzw. gewesen wäre. Zumindest auch im Hinblick auf subsidiären Schutz kann ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG bei Handlungen nichtstaatlicher Akteuren vorliegen, sofern dem Betreffenden nicht zuzumuten ist, bei der Polizei bzw. bei staatlichen Strafverfolgungsbehörden Schutz zu suchen (§ 4 Abs. 3 Satz 1, § 3d AsylG). Denn grundsätzlich ist es den Betroffenen zuzumuten, sich bei einer eventuellen Bedrohung an staatlichen Behörden, insbesondere an die Polizei zu wenden. Anhaltspunkte dafür, dass diese in Armenien generell schutzunwillig oder schutzunfähig wären, liegen zwar nicht vor (vgl. auch VG München, B.v. 1.2.2017 – M 16 S. 17.30790 – juris). Jedoch enthält der Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 22.3.2016, Stand: Februar 2016, S. 14) den Hinweis, dass es in der Vergangenheit bei Demonstrationen der Opposition gelegentlich zu Gewaltanwendungen durch Dritte gekommen sei, gegen die die Polizei im Einzelfall nicht bzw. nicht effektiv eingeschritten sei. Das Auswärtige Amt führt weiter aus: Darüber hinaus werde im Armenien die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weitere Korruption konterkariert. Es gebe glaubhafte Berichte von Anwälten über Verletzung rechtstaatlicher Grundsätze durch die Gerichte; die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Zeugnisverweigerungsrechte würden nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 22.3.2016, Stand: Februar 2016, S. 11). Es gebe weiter nachvollziehbare Berichte von Fällen willkürlicher Festnahmen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, das Angehörige der Sicherheitsbehörden in Einzelfällen ihre Machtposition in privaten Streitigkeiten ausnutzten (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 22.3.2016, Stand: Februar 2016, S. 16; vgl. zum Ganzen auch BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 11 ff.).

Schließlich können die Antragsteller auch nicht einfach auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen werden. Denn eine solche existiert in Armenien nur begrenzt, weil es aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung kaum Ausweichmöglichkeiten in Armenien gegenüber den Zentralbehörden gebe. Bei Problemen mit Lokalbehörden oder mit Dritten könnte jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (so ausdrücklich Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 22.3.2016, Stand: Februar 2016, S. 14). Die Frage, ob gegebenenfalls konkret für die Antragsteller in Armenien Ausweichmöglichkeiten bestehen (was in ihrem Fall jedenfalls nicht auf der Hand liegt) oder nicht, kann im Rahmen des vorliegenden Sofortverfahrens nicht abschließend geklärt werden, sondern muss ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Nach alledem bestehen jedenfalls ernstliche Zweifel an der Entscheidung, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Dezember 2016, Geschäftszeichen …, wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Der Antragstellerin wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, bewilligt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, nach eigenen Angaben am … 1988 in Herat (Afghanistan) geborene afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens und von der Volksgruppe der Tadschiken, reiste am 8. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. April 2014 einen Asylantrag.

1. Bei ihrer persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 3. November 2016, die durch die anhörende Entscheiderin Frau B. durchgeführt wurde, gab die Antragstellerin - in der Sprache Dari - im Wesentlichen an, dass sie zusammen mit ihrem Ehemann nach Deutschland geflohen sei. Sie habe sich bis zu ihrer Ausreise aus Afghanistan zusammen mit ihrem Ehemann, dessen Mutter und drei Brüdern in Herat aufgehalten. Sie sei dann ca. neun Monate in der Türkei und ca. vier Monate in Griechenland gewesen. Zu ihren Ausreisegründen befragt, erklärte die Antragstellerin, dass das Leben ihres Ehemannes in Gefahr gewesen sei. Dieser habe Probleme mit Nachbarn gehabt, die ihn hätten umbringen wollen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte sie, dass sie von den Feinden ihres Mannes umgebracht werde. Ihr Vater halte sich in Hamburg auf und sei pflegebedürftig.

Laut Untersuchungsvermerk der Physikalisch-Technischen Urkundenuntersuchung des Bundesamtes vom 29. November 2016 (Bl. 134 ff. der Behördenakte) liegt hinsichtlich der von der Antragstellerin vorgelegten Tazkira wie auch der von ihr vorgelegten Heiratsurkunde ein vorläufiger Manipulationsverdacht vor. Ausweislich des Vermerks wurden bei der Inaugenscheinnahme Beanstandungen am Dokument festgestellt, welche auf eine Manipulation schließen lassen. Der Grad der Manipulation steht hiernach noch nicht abschließend fest; auch wird noch nicht abschließend beurteilt, ob bei der Beanstandung die Personalisierung und somit die Identität des Dokumenteninhabers betroffen ist und dadurch infrage steht.

2. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2016, zur Post gegeben am 14. Dezember 2016, wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides) sowie auf subsidiären Schutz (Ziffer 2) als offensichtlich unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 3). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihr die Abschiebung in den Herkunftsstaat angedroht; die Antragstellerin könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Übernahme verpflichtet sei (Ziffer 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 5).

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes nicht vorlägen. Die Antragstellerin sei kein Flüchtling und keine subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 3 bzw. § 4 AsylG. Die Würdigung aller Umstände, vor allem die Angaben der Ausländerin in der persönlichen Anhörung, führten nicht zu der Überzeugung, dass sie die afghanische Staatsangehörigkeit tatsächlich besitze. Die mangelnde Glaubhaftmachung ergebe sich im vorliegenden Fall aus einer Gesamtschau folgender Umstände: Die Ausländerin habe lediglich gefälschte Personaldokumente vorlegen können. Aufgrund der ungeklärten Staatsangehörigkeit und dem damit verbundenen unbekannten Herkunftsland der Antragstellerin habe die geschilderte Furcht vor Verfolgung und die geschilderte Gefahr eines ihr drohenden ernsthaften Schaden als nicht glaubhaft dargelegt angesehen werden können. Der Vortrag der Antragstellerin sei insgesamt oberflächlich und wenig aussagekräftig gewesen. Sie habe sich nur auf die Angaben ihres angeblichen Ehemannes bezogen. Von dessen Gründen habe sie nur vage Kenntnisse gehabt. Der Asylantrag sei zudem als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen. Denn gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG sei ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Ausländer im Asylverfahren über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit täusche oder diese Angaben verweigere. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Denn aufgrund der unglaubhaften Angaben der Antragstellerin komme eine Abschiebung in das angebliche Herkunftsland Afghanistan nicht in Betracht und außerdem habe die Antragstellerin hinsichtlich anderer Staaten keine Gründe für die Annahme einer dort drohenden Gefahr geltend gemacht. Auch das Vorliegen einer Erkrankung führe nicht zu einer anderen Bewertung, da aufgrund des unbekannten Herkunftslandes eine zielstaatsbezogene wesentliche Verschlechterung der Krankheit alsbald nach Rückkehr nicht festgestellt werden könne.

Der Bescheid wurde vom Einzelentscheider bzw. von der Einzelentscheiderin W. unterzeichnet.

3. Die Antragstellerin ließ durch ihren Bevollmächtigten am 22. Dezember 2016 Klage erheben (W 5 K 16.32663).

Gleichzeitig ließ sie im vorliegenden Verfahren beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, sowie ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten zu gewähren.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin sei afghanische Staatsangehörige und habe ihr Heimatland aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Sie habe ihre afghanische Staatsangehörigkeit durch Vorlage einer Tazkira und einer Heiratsurkunde sowie der (überprüften) Angaben zu ihren in Deutschland lebenden Verwandten belegt. Dementsprechend sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin die Staatsangehörigkeit der Antragstellerin anzweifele. Hinsichtlich der Fluchtgründe werde auf die Angaben der Antragstellerin im Rahmen der Anhörung verwiesen. Auch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 3 EMRK ergebe sich ein Anspruch der Antragstellerin auf subsidiären Schutz. Hilfsweise habe die Antragstellerin auch einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Zumindest lägen unter Berücksichtigung der Angaben der Antragstellerin im Rahmen des Vorverfahrens als auch den Ausführungen in der Antragsbegründung die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten strengen Kriterien eines Offensichtlichkeitsurteils nicht vor. Somit sei jedenfalls die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

4. Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der am 22. Dezember 2016 erhobenen Klage anzuordnen ist ebenso begründet wie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Gericht gestellt.

2. Der Antrag ist auch begründet, weil nach Aktenlage ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).

2.1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab zur Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - DVBl. 1996, 729).

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - InfAuslR 02, 146; vom 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - InfAuslR 93, 196). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamts in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.

2.2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Bescheid des Bundesamts vom 12. Dezember 2016 zu beanstanden.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet bestehen schon aufgrund der Trennung des Anhörungs- und des Entscheidungsverfahrens beim Bundesamt. Denn die Person, die die nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG erforderliche persönliche Anhörung der Antragstellerin am 3. November 2016 durchgeführt hat, ist nicht identisch mit der Person, die die angefochtene Entscheidung vom 12. Dezember 2016 getroffen hat. Zwar schließt sich das Gericht der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte an, wonach sich aus dem Asylgesetz nicht zwingend ableiten lässt, dass Anhörer und Entscheider identisch zu sein haben (vgl. VG Bremen, B.v. 5.1.2016 - 5 V 2543/15; VG Göttingen, B.v. 17.8.2010 - 2 B 301/10 - beide juris m.w.N.). Denn das Asylgesetz schreibt nicht zwingend vor, dass Anhörung und Entscheidung von ein und derselben Person getroffen werden müssen. Aus den maßgeblichen Vorschriften der §§ 25 und 31 AsylG ergibt sich nicht, dass allein der Umstand, dass der zur Entscheidung berufene Einzelentscheider den jeweiligen Asylbewerber nicht persönlich angehört hat, zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung über den Asylantrag führt. So ist die fehlende Identität von Anhörer und Entscheider u.a. dann nicht relevant, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers, dessen Richtigkeit unterstellt, überhaupt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer politischen Verfolgung ergeben (VG Augsburg, B.v. 31.3.2010 - Au 7 S. 10.30096; B.v. 29.3.2010 - Au 7 S. 10.30066 - beide juris).

Etwas anderes ist jedoch dann anzunehmen, wenn die Trennung im konkreten Fall tatsächlich zu einem Rechtsfehler geführt haben könnte. Dies ist der Fall, wenn die persönliche Anhörung des Asylsuchenden grundsätzlich für die Beweiswürdigung von entscheidungserheblicher Bedeutung ist und die Entscheidung über ein Asylbegehren bzw. Flüchtlingsanerkennung ganz wesentlich auf einer Glaubwürdigkeitsprüfung beruht und somit grundsätzlich eine verfahrensrechtliche Trennung von Anhörung und Entscheidung weder sachgerecht noch möglich erscheint (VG Würzburg, B.v. 11. 7.2016 - W 5 S. 16.30874; B.v. 28.8.2014 - W 1 S. 14.30466; VG Göttingen, B.v. 17.8.2010 - 2 B 301/10; VG München, B.v. 15.9.2008 - M 24 S. 08.60056; VG München, B.v. 29.4.2003 - M 21 S. 03.60155; VG Frankfurt/Oder, B.v. 23.3.2000 - 4 L 167/00 - alle juris; Hofmann/Hoffmann, HK-Ausländerrecht, 2016, § 25 AsylG Rn. 20). Denn zum einen sind die tatsächlichen Angaben so gut wie nie vollständig im Anhörungsprotokoll vermerkt. Zum anderen fehlt es an einer Niederlegung der persönlichen Eindrücke etwa über das Verhalten des Asylsuchenden. Daraus ist zu folgern, dass es dem Entscheider, der nicht selbst die Anhörung durchgeführt hat, sondern sich nur auf die Niederschrift stützen kann, versagt bleiben muss, seine Entscheidung auf Ungereimtheiten und mangelnde Substanziiertheit des Vortrages des Asylsuchenden sowie auf Erkenntnisse zu stützen, die nur durch den persönlichen Eindruck gewonnen werden können (vgl. Hofmann/Hoffmann, GK-AsylG, § 25 AsylG Rn. 20).

Im vorliegenden Fall beruht die Entscheidung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abzulehnen, ausweislich der Bescheidsgründe (S. 2 f. des Bescheides, Bl. 139 f. der Bundesamtsakte), zumindest wesentlich auf der Einschätzung, das Vorbringen der Antragstellerin im Rahmen der Anhörung sei nicht glaubhaft. Tragend für die negative Entscheidung ist nämlich die Aussage des Bundesamts (S. 2 f. des Bescheids), dass „die Würdigung aller Umstände, vor allem die Angaben der Ausländerin in der persönlichen Anhörung“ nicht zu der Überzeugung geführt hätten, dass sie die afghanische Staatsangehörigkeit tatsächlich besitze und dass aus diesem Grund „die geschilderte Furcht vor Verfolgung und geschilderte Gefahr eines ihr drohenden ernsthaften Schadens, als nicht glaubhaft dargelegt angesehen werden“ kann. So sei der Vortrag der Antragstellerin „insgesamt oberflächlich und wenig Aussagekräftig“. Sie habe sich „nur auf die Angaben ihres angeblichen Ehemannes“ bezogen, von dessen Gründen sie „nur vage Kenntnisse gehabt“ habe.

Im Falle der Personenidentität von Anhörer und Entscheider hätten diese Unklarheiten jedoch in der Anhörung durch Nachfrage aufgeklärt werden können, zumal die Antragstellerin im Rahmen der Anhörung durchaus weiterführende Angaben hinsichtlich ihrer in Deutschland lebenden Familie aber auch hinsichtlich der gegen ihren Ehemann gerichteten Drohungen gemacht hat.

Darüber hinaus ist sehr fraglich, ob der vom Bundesamt zugrunde gelegte Ausgangspunkt, dass die Antragstellerin „lediglich gefälschte Personaldokumente“ vorgelegt hat, tatsächlich richtig ist. Denn ausweislich des Untersuchungsvermerks der Physikalisch-Technischen Urkundenuntersuchung des Bundesamtes vom 29. November 2016 (Bl. 105 f. der Behördenakte) liegt zwar hinsichtlich der von der Antragstellerin vorgelegten Tazkira wie auch der vorgelegten Heiratsurkunde ein „vorläufiger Manipulationsverdacht“ vor, allerdings ist von „gefälschten Personaldokumenten“ dort nicht die Rede. Ausweislich des Vermerks wurden bei der Inaugenscheinnahme zwar Beanstandungen am Dokument festgestellt, welche auf eine Manipulation schließen lassen. Allerdings steht der Grad der Manipulation hiernach noch nicht abschließend fest. Auch wird noch nicht abschließend beurteilt, ob bei der Beanstandung die Personalisierung und somit die Identität des Dokumenteninhabers betroffen ist und dadurch infrage steht.

Darüber hinaus lässt sich einem Aktenvermerk, der anlässlich einer Vorsprache der Antragstellerin bei der Regierung von Oberbayern am 24. April 2014 gefertigt wurde (Bl. 54 f. der Behördenakte), entnehmen, dass „an der Herkunft aus Afghanistan (…) keine Zweifel“ bestehen. Denn „die Familie der Betroffenen ist seit ca. 3 Jahren wohnhaft in Hamburg; den AZR-Einträgen zufolge sind die Eltern sowie der Großteil der Geschwister im Besitz eines afghanischen Reisepasses“.

Nach allem bestehen erhebliche Zweifel an der Einschätzung des Bundesamts, wonach die Antragstellerin gefälschte Personaldokumente vorgelegt habe und damit die Staatsangehörigkeit der Antragstellerin ungeklärt sein soll, zumal noch darauf zu verweisen ist, dass die Antragstellerin die Landessprache Afghanistans, nämlich Dari, spricht.

Nach allem liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Grund für die Abweisung des Antrags als unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genauso wenig vor wie ein solcher nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Fehlt es aber insoweit an einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts betreffend den wesentlichen Kern des Verfolgungsgeschehens, lässt sich insbesondere die Ablehnung des Antrags auf Flüchtlingsanerkennung als offensichtlich unbegründet zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aufrechterhalten. Darüber hinaus ist auch ein subsidiärer Schutzstatus nicht völlig auszuschließen. Schließlich könnten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AsylG vorliegen. All diese Aspekte - die letztlich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens noch aufzuklären sein werden - stehen aber dem sofortigen Vollzug der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entgegen (vgl. § 34 Abs. 1 AsylG).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

4. Nach allem war der Antragstellerin gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Juni 2015, Geschäftszeichen 5862566-150, wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Dem Antragsteller wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., bewilligt.

Gründe

I.

Der Antragsteller (geboren am ....1983) stammt aus dem Kosovo, er ist islamischer Religionszugehörigkeit und gehört der Volksgruppe der Ashkali an. Er reiste nach eigenen Angaben am 24. November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 1. Dezember 2014 einen Asylfolgeantrag.

1.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 19. Mai 2015, die durch die anhörende Entscheiderin Frau U. durchgeführt wurde, gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er Ashkali sei und von 2007 bis Juni 2014 im Kosovo-Parlament als Kraftfahrer und Sekretär gearbeitet habe. Nach seinen Asylgründen befragt erklärte er, dass er mit Beginn seiner Tätigkeit als Sekretär politische Probleme gehabt habe. Diese hätten mit seiner aktiven Tätigkeit in der Ashkali-Partei im Jahr 2007 begonnen. Am 8. März 2010 sei er gegen 8:00 Uhr abends mit einem Gewehr beschossen worden, wobei seine Frau verletzt worden sei. Im Juni sei dann in sein Haus eingebrochen worden und er habe schriftliche Drohungen erhalten, dass seine Kinder entführt würden bzw. er erschossen werde, wenn er weiter für die Partei arbeite. Am 28. August 2011 sei dann sein Haus angezündet worden. Hierfür habe er das Polizeiprotokoll mitgebracht. Die Probleme hätten nicht aufgehört. So sei er am 29. März 2014 zusammengeschlagen worden. Auch hierfür könne er eine Bescheinigung des Zentrums für Familienmedizin vorlegen. Er habe auch Bilder von seinem verbrannten Haus dabei. Er habe nicht aufgehört, sich weiter politisch zu betätigen. Er habe auch versucht bei der Eulex Schutz zu erhalten, aber auch diese habe keine Lösung gefunden. Im September 2014 seien dann seine Kinder blutig von der Schule nach Hause gekommen. Befragt danach, mit welchen Leuten er Probleme gehabt habe, erklärte er, dass er sein größtes Problem mit den Albanern habe und zwar deshalb weil er als Ashkali sei.

2.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2015 wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides) sowie auf Asylanerkennung (Ziffer 2) als offensichtlich unbegründet abgelehnt, der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung in den Kosovo angedroht (Ziffer 5).

Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass der Antragsteller keine im Rahmen der Prüfung des § 3c Nr. 3 AsylVfG zu berücksichtigenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten habe. Er habe seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Eine Glaubhaftmachung setze einen schlüssigen Sachvortrag voraus. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag könne dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst würden. Der Vortrag des Antragstellers sei an den entscheidenden Stellen sehr substanzlos. So habe er vorgetragen, er sei von Albanern, ihm unbekannten Leuten, ständig bedroht worden. Auch die meisten der von ihm geschilderten Angriffe seien von Unbekannten durchgeführt worden, jedoch habe der Antragsteller stets die Hintergründe der Taten gewusst, sei jedoch nicht darauf eingegangen, woher dieses Wissen stamme. Der Antragsteller habe vorgetragen, sich an die Polizei, Eulex oder Gerichte gewandt zu haben, habe hierfür jedoch keine Nachweise vorlegen können. Dagegen habe er einen medizinischen Bericht vorgelegt, nach dem er in Polizeibegleitung wegen einer Schlägerei behandelt worden sei sowie einen Polizeibericht über einen unfallbedingten Brand seines Hauses. Dass der Antragsteller Nachweise über solche minderschweren Zwischenfälle habe vorlegen können, jedoch keinerlei Papiere über die Anzeige des Schusswaffenangriffs habe, sei gänzlich nicht nachvollziehbar. Letztlich ergebe sich somit der Gesamteindruck einer unglaubhaften Verfolgungsgeschichte, den der Antragsteller nicht im Geringsten habe entkräften können.

Der Bescheid wurde vom Einzelentscheider bzw. von der Einzelentscheiderin S. unterzeichnet. Laut Aktenvermerk (Bl. 95 der Bundesamtsakte) ist der Bescheid als Einschreiben am 7. Juli 2015 zur Post gegeben worden.

3.

Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten am 15. Juli 2015 Klage erheben (W 6 K 14.30501). Gleichzeitig ließ er im vorliegenden Verfahren beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Folgeantrag handele, über den das Bundesamt nach Durchführung eines Folgeverfahrens entschieden und den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt habe. Bereits aus diesem Grund bestünden ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Ernstliche Zweifel ergäben sich hier auch aus dem Umstand, dass die Person, die die persönliche Anhörung des Antragstellers durchgeführt habe nicht identisch sei mit der Person, die die angefochtene Entscheidung getroffen habe. Die fehlende Identität sei jedenfalls dann relevant, wenn sie im konkreten Fall tatsächlich zu einem Rechtsfehler habe führen können. Dies werde von der Rechtsprechung dann bejaht, wenn die persönliche Anhörung für die Beweiswürdigung von entscheidungserheblicher Bedeutung sei und die Entscheidung ganz wesentlich auf einer Glaubwürdigkeitsprüfung beruhte. Dies sei hier der Fall. Denn die Entscheidung beruhe auf der Einschätzung, es ergebe sich der Gesamteindruck einer unglaubhaften Verfolgungsgeschichte, den der Antragsteller nicht im Geringsten habe entkräften können. Da somit der Ablehnungsbescheid mit widersprüchlichem Vorbringen und fehlender Glaubhaftmachung begründet worden sei, ohne dass seitens des Bundesamts versucht worden sei, angebliche Widersprüche zu klären sei der Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 24 Abs. 1 AsylVfG zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Erhebung der erforderlichen Beweise offensichtlich. Bezüglich der angeführten Zweifel und Widersprüchlichkeiten habe es keinen Versuch der Nachfrage und keinen Vorhalt gegeben. Es sei eine Sachentscheidung allein aufgrund der Aktenlage erfolgt.

4.

Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

5.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

1.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides vom 29. Juni 2015 ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG bei Gericht gestellt.

2.

Der Antrag ist auch begründet, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).

2.1.

Prüfungsmaßstab zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob ernstliche Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts vorliegen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - DVBl 96, 729).

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - InfAuslR 02, 146; vom 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - InfAuslR 93, 196). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamts in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.

2.2.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Bescheid des Bundesamts vom 29. Juni 2015 zu beanstanden.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG als offensichtlich unbegründet bestehen aufgrund der Trennung des Anhörungs- und des Entscheidungsverfahrens beim Bundesamt. Denn die Person, die die nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erforderliche persönliche Anhörung des Antragstellers am 19. Mai 2015 durchgeführt hat, ist nicht identisch mit der Person, die die angefochtene Entscheidung vom 29. Juni 2015 getroffen hat. Zwar schließt sich das Gericht der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte an, wonach sich aus dem Asylverfahrensgesetz nicht zwingend ableiten lässt, dass Anhörer und Entscheider identisch zu sein haben (vgl. VG Göttingen, B.v. 17.8.2010 - 2 B 301/10 - juris m. w. N.). Denn das Asylverfahrensgesetz schreibt nicht zwingend vor, dass Anhörung und Entscheidung von ein und derselben Person getroffen werden müssen. Aus den maßgeblichen Vorschriften der §§ 25 und 31 AsylVfG ergibt sich nicht, dass allein der Umstand, dass der zur Entscheidung berufene Einzelentscheider den jeweiligen Asylbewerber nicht persönlich angehört hat, zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung über den Asylantrag führt. So ist die fehlende Identität von Anhörer und Entscheider u. a. dann nicht relevant, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers, dessen Richtigkeit unterstellt, überhaupt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer politischen Verfolgung ergeben (VG Augsburg, B.v. 31.3.2010 - Au 7 S 10.30096; B.v. 29.3.2010 - Au 7 S 10.30066 - beide juris).

Etwas anderes ist jedoch dann anzunehmen, wenn die Trennung im konkreten Fall tatsächlich zu einem Rechtsfehler geführt haben könnte. Dies ist der Fall, wenn die persönliche Anhörung des Asylsuchenden grundsätzlich für die Beweiswürdigung von entscheidungserheblicher Bedeutung ist und die Entscheidung über ein Asylbegehren ganz wesentlich auf einer Glaubwürdigkeitsprüfung beruht und somit grundsätzlich eine verfahrensrechtliche Trennung von Anhörung und Entscheidung weder sachgerecht noch möglich erscheint (VG Würzburg, B.v. 28.8.2014 - W 1 S 14.30466; VG Göttingen, B.v. 17.8.2010 - 2 B 301/10; VG München, B.v. 15.9.2008 - M 24 S 08.60056; VG München, B.v. 29.4.2003 - M 21 S 03.60155; VG Frankfurt/Oder, B.v. 23.3.2000 - 4 L 167/00 - alle juris; Hofmann/Hoffmann, HK-Ausländerrecht, 2008, § 24 AsylVfG Rn. 11; offen gelassen VG München, B.v. 18.11.2011 - M 25 S 11.30912 - juris; a.A. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 25 AsylVfG Rn. 2 und § 5 AsylVfG Rn. 17 ). Denn zum einen sind die tatsächlichen Angaben so gut wie nie vollständig im Anhörungsprotokoll vermerkt. Zum anderen fehlt es an einer Niederlegung der persönlichen Eindrücke etwa über das Verhalten des Asylsuchenden. Daraus ist zu folgern, dass es dem Entscheider, der nicht selbst die Anhörung durchgeführt hat, sondern sich nur auf die Niederschrift stützen kann, versagt bleiben muss, seine Entscheidung auf Ungereimtheiten und mangelnde Substanziiertheit des Vortrages des Asylsuchenden sowie auf Erkenntnisse zu stützen, die nur durch den persönlichen Eindruck gewonnen werden können (vgl. Hofmann/Hoffmann, § 24 AsylVfG Rn. 11 unter Bezugnahme auf VG München, GB v. 15.4.1996 - M 24 K 96.50695).

Im vorliegenden Fall beruht die Entscheidung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und das Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abzulehnen, ausweislich der Bescheidsgründe (S. 3 f. des Bescheides, Bl. 76 f. der Bundesamtsakte) ausschließlich oder zumindest wesentlich auf der Einschätzung, das Vorbringen des Antragstellers im Rahmen der Anhörung sei nicht glaubhaft. Tragend für die negative Entscheidung ist nämlich die Aussage des Bundesamts (S. 3 des Bescheids), dass der Antragsteller „seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht“ habe. So sei der Vortrag des Antragstellers „an den entscheidenden Stellen sehr substanzlos“. Begründet wird dies damit, dass er vorgetragen habe, dass er von Albanern, ihm unbekannten Leuten, ständig bedroht worden sei und die meisten Angriffe von unbekannten Leuten durchgeführt worden seien, der Antragsteller jedoch stets die Hintergründe der Tat gewusst habe, jedoch nicht darauf eingegangen sei, woher dieses Wissen stamme. Weiter stützt das Bundesamt seine Entscheidung darauf, dass der Antragsteller einen medizinischen Bericht vorgelegt habe, nach dem er in Polizeibegleitung wegen einer Schlägerei behandelt worden sei sowie einen Polizeibericht über einen unfallbedingten Brand seines Hauses. Dass der Antragsteller Nachweise über solche minderschwere Zwischenfälle habe vorlegen können, jedoch keinerlei Papiere über die Anzeige des Schusswaffenangriffs sei - so das Bundesamt - gänzlich nicht nachvollziehbar. Im Falle der Personenidentität von Anhörer und Entscheider hätten diese Unklarheiten jedoch in der Anhörung durch Nachfrage aufgeklärt werden können.

Der Vortrag des Antragstellers lässt auch eine „politische“ Verfolgung, d. h. eine Verfolgung aus den in § 3b AsylVfG genannten Gründen, nicht offensichtlich ausschließen.

Damit war die verfahrensmäßige Trennung von Anhörung und Entscheidung durch zwei verschiedene Personen im vorliegenden Fall ursächlich für die Entscheidung des Bundesamtes, das Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abzulehnen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).

4.

Nach allem war dem Antragsteller gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.