Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 03. Juli 2019 - W 8 E 19.712

bei uns veröffentlicht am03.07.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, algerischer Staatsangehöriger, reiste am 27. Juli 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die gegen die mit Bescheid vom 11. Juli 2017 erfolgte Ablehnung seines Asylantrags erhobene Klage wurde ebenso abgewiesen (vgl. VG Würzburg, U.v. 10.9.2018 - W 8 K 18.31094 - juris) wie der Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2018 - 15 ZB 18.32711 - juris).

Am 17. Juni 2019 ließ der Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner zu verpflichten,

1. aufgrund des Anspruchs auf Begleitung in der Schwangerschaft jedenfalls in der Schlussphase, sowie Anspruch auf Teilnahme an der Geburt aus Schutzwirkung von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG, die Abschiebung mindestens bis vier Wochen nach der Geburt auszusetzen und gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG eine Bescheinigung hierüber auszustellen (Duldung).

Hilfsweise

2. die Abschiebung gemäß § 60a Abs. 3 Satz 3 AufenthG im Wege des Ermessens aufgrund des Anspruchs auf Begleitung in der Schwangerschaft, jedenfalls in der Schlussphase, sowie Anspruch auf Teilnahme an der Geburt aus Schutzwirkung von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG bis mindestens vier Wochen nach der Geburt auszusetzen und eine Bescheinigung hierüber auszustellen.

3. Dem Antragsgegner mitzuteilen, dass seine Abschiebung bis zur Entscheidung über den Antrag nicht durchgeführt werden darf.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller sei mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt. Diese befinde sich im letzten Trimester der Schwangerschaft. Der voraussichtliche Geburtstermin sei am 29. August 2019. Der Antragsteller sei der Vater des ungeborenen Kindes. Der Antrag auf Vaterschaftsanerkennung und Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht werde Anfang Juli 2019 beurkundet werden. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die bevorstehende Geburt eines (auch nichtehelichen) Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen begründen könne. Die Schwangere sei wegen der drohenden Abschiebung ihres Verlobten psychisch erheblich belastet. Eine Risikoschwangerschaft sei diagnostiziert worden. Der Antragsteller unterstütze die Kindesmutter während der Dauer der Risikoschwangerschaft sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht. Beide Elternteile lebten bereits jetzt in Verhältnissen, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Versorgung und Verantwortung sicher erwarten ließen. Die Eilbedürftigkeit sei gegeben, da sich die Schwangere im letzten Schwangerschaftstrimester befinde und das Kind damit jederzeit zur Welt kommen könne. Es werde lediglich eine kurzfristige Aussetzung der Abschiebung von mindestens vier Wochen nach der Geburt des Kindes begehrt.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2019 ließ der Antragsteller weiter vorbringen: Die Eilbedürftigkeit sei gegeben. Der Antragsteller sei ausreisepflichtig. Auch die Klage gegen den Ausweisungsbescheid schütze den Antragsteller nicht vor Abschiebung. Auf interne Vorgänge der Regierung von Unterfranken hinsichtlich eines Abschiebungstermins habe der Antragsteller keinen Einfluss. Die Abschiebetermine würden nicht mitgeteilt. Auch die Petition der Schwangeren habe keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsteller habe bei der Ausländerbehörde die Bescheinigung über die Beantragung eines Reisepasses vorgelegt. Seine Identität stehe fest. Die Frau sei hochschwanger und lebe in permanenter Angst, dass ihr Partner jederzeit abgeholt werden könne und er die Geburt des gemeinsamen Kindes nicht miterleben werde.

Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2019 ließ der Antragsteller eine Kopie der Anerkennung der Vaterschaft des Antragstellers vorlegen und weiter mitteilen, dass am 16. Juli 2019 der Termin beim zuständigen Jugendamt bezüglich der gemeinsamen Sorgerechtserklärung stattfinden werde.

Der Antragsgegner, vertreten durch die Regierung von Unterfranken, beantragte mit Schreiben vom 19. Juni 2019 sinngemäß, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Gegenwärtig sei kein Anordnungsgrund gegeben. Konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien derzeit von der Regierung von Unterfranken - Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken - weder in Vorbereitung noch seien solche geplant. Zudem habe sich die Schwangere mit einer Eingabe an den Bayerischen Landtag gewandt. Die zuständige Stelle des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI) habe um Stellungnahme gebeten. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen sollten bis zur Entscheidung über die Eingabe des Bayerischen Landtags nur in Abstimmung mit dem StMI erfolgen. Eine Entscheidung des Bayerischen Landtags sei bisher nicht ergangen.

Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2019 brachte der Antragsgegner klarstellend weiter vor: Derzeit würden keine konkreten Abschiebemaßnahmen vorbereitet. Eine Abschiebung wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung des StMI möglich, die nicht vorliege. Konkrete Abschiebemaßnahmen wären erst nach Abschluss des Petitionsverfahren möglich. Das StMI habe um eine ergänzende Stellungnahme zur Petition gebeten, die noch nicht abgegeben worden sei. Eine Behandlung der Eingabe durch den Petitionsausschuss des Landtages werde wohl nicht mehr vor der Sommerpause erfolgen. Derzeit sei kein Anordnungsgrund erkennbar.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Juni 2019 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist sowohl im Hauptantrag als auch in den hilfsweise gestellten Anträgen ohne Erfolg.

Vorliegend ist kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund gegen eine Abschiebungsandrohung besteht trotz Ausreisepflicht nicht, wenn nicht ersichtlich ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht (so VG München, B.v. 14.3.2019 - M 5 S 19.50043 - juris). Denn ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn eine vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich ist, weil dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar ist. Im vorliegenden Fall wurde nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller wegen besonderer Eilbedürftigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung bedürfe. Eine solche Entscheidung erscheint nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt nötig.

Denn eine Abschiebung des Antragstellers ist zurzeit nicht zu befürchten. Der Antragsteller ist zwar vollziehbar ausreisepflichtig. Der Antragsgegner hat aber ausdrücklich mitgeteilt, dass konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen derzeit weder in Vorbereitung noch geplant seien. Außerdem habe die Schwangere eine Petition an den Bayerischen Landtag gerichtet. Eine Abschiebung wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI) möglich, die nicht vorliege. Konkrete Abschiebemaßnahmen wären erst nach Abschluss des Petitionsverfahren möglich. Das StMI habe um eine ergänzende Stellungnahme zur Petition gebeten, die noch nicht abgegeben worden sei. Eine Behandlung der Eingabe durch den Petitionsausschuss des Landtages werde wohl nicht mehr vor der Sommerpause erfolgen.

Auch angesichts der angeforderten ergänzenden Stellungnahme des StMI ist nach Überzeugung des Gerichts eine Abschiebung vor der Entscheidung des Petitionsausschusses nicht zu erwarten und weiter mit einer Entscheidung Petitionsausschusses vor der Sommerpause nicht zu rechnen. Der Antragsteller wird über seine schwangere Verlobte von der Entscheidung über die Petition erfahren. Der Antragsteller hat ab da immer noch genügend Zeit, um gegebenenfalls - soweit überhaupt noch erforderlich - um einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht nachzusuchen.

Auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs kommt es nicht mehr an. Zwar kann auch die Vaterschaft eines im Bundesgebiet lebenden Ausländers für ein ungeborenes Kind einer deutschen Staatsangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen den Umstand darstellen kann, der unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen entfaltet, etwa - wie hier - im Fall einer Risikoschwangerschaft, wenn im Falle eines unehelichen Kindes der Ausländer seine Vaterschaft vorgeburtlich wirksam anerkannt hat. Dies gilt jedoch nur, wenn nicht ausnahmsweise überwiegende, besondere gewichtige Gründe dem Interesse des Antragstellers an einem Verbleib im Bundesgebiet entgegenstehen, etwa wenn der Ausländer während seines Aufenthalts in Deutschland in erheblichem Umfang straffällig geworden ist und bei dem zu befürchten ist, dass er weitere Straftaten begehen wird (vgl. zum Ganzen SächsOVG, B.v. 7.5.2019 - 3 B 102/19 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 10.7.2018 - 27 L 1713/18 - juris, jeweils m.w.N.). Dies braucht jedoch nicht weiter vertieft zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Nrn. 1.5 und 8.3 (entsprechend) des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs ist bei Klagen bezüglich Abschiebung vom halben Auffangwert (2.500,00 EUR) auszugehen. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs ist der Streitwert im Sofortverfahren zu halbieren, so dass letztlich 1.250,00 EUR festzusetzen waren.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste am 27. Juli 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Juni 2017 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab der Kläger im Wesentlichen an: Die Familie eines Mädchens sei gegen eine Beziehung von ihm zu ihr gewesen. Die Familie des Mädchens habe sein Leben bedroht und das Auto seines Vaters zerstört. Einmal sei er bei der Polizei gewesen. Die habe ihm nicht helfen können.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung nach Algerien oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 18 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorbringen des Klägers genüge nicht den Kriterien einer glaubhaften Darstellung eines Verfolgungsschicksals. Die Angaben des Klägers seien detailarm, vage, oberflächlich und in sich widersprüchlich. Außerdem habe er sich nicht genügend bemüht, Schutz durch staatliche Stellen zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr familiäre Unterstützung oder andere Hilfeleistung nicht zur Verfügung stehen würde. Es sei nicht ersichtlich, warum es ihm in Zukunft nicht möglich sein sollte in der einen oder anderen Tätigkeit zu arbeiten. Außerdem verfüge er über ein soziales Netzwerk.

Am 27. Juli 2017 ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und beantragen,

  • 1.Der Bescheid des BAMF vom 11. Juli 2017, Geschäftszeichen … wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vorliegen, insbesondere betreffend Algerien;

hilfsweise die Befristung des gesetzlichen Einrei-se- und Aufenthaltsverbots zu verkürzen.

Zur Begründung ließ der Kläger im Wesentlichen ausführen: Das Vorbringen des Klägers sei nicht unglaubwürdig. Wir hätten derartige Beispiele/Vorgänge in Deutschland mit ausländischen Familien zur Genüge schon leidvoll und zu unserem Entsetzen erfahren müssen. Immer seien es bei derartigen Taten die Brüder der weiblichen Personen gewesen, welche sich als Täter hervorgetan hätten. Die Sachverhaltsschilderung des Klägers sei schon daher nicht lebensfremd. Es könne in diesen Ländern zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen kommen, weil die sogenannte Familienehre verletzt sei. Die Verletzung der Familienehre fordere Sühne. Der Kläger könne nicht den Schutz des algerischen Staates in Anspruch nehmen, solange der Beweis betreffend die Täterschaft der Familie des Mädchens nicht geführt werden könne.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 2. August 2017,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Januar 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 3. August 2018 lehnte das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ab.

In der mündlichen Verhandlung am 10. September 2018 war von den Beteiligten niemand erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keiner erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).

Das Gericht ist im Übrigen insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung - in der von Klägerseite niemand erschienen ist - nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Algerien politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 - 9 C 59/91 - Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 106.84 - BVerwGE 71, 180).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen, zumal von Klägerseite niemand erschienen ist und zuvor trotz Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO auch kein weiteres Vorbringen zur Klagebegründung erfolgte. Unter Zugrundelegung der (früheren) Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.

Dem Kläger drohte nach seinem bisherigen Vorbringen insbesondere keine staatliche Verfolgung seitens der algerischen Behörden. Vielmehr verwies er nur auf die Übergriffe und Drohungen der Familie seiner Freundin. Relevante Verfolgungsmaßnahmen seitens staatlicher Behörden sind bislang nicht erfolgt und drohen auch bei einer Rückkehr nicht.

Vorliegend ist weiter nicht ersichtlich, dass in der Person des Klägers bei einer theoretischen Strafverfolgung Anhaltspunkte für einen Malus infolge der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorlägen. Der Kläger würde im Prinzip nicht anders bestraft, als andere algerische Straftäter bzw. Straftäterinnen in vergleichbarer Lage, wenn dem algerischen Staat überhaupt die uneheliche Beziehung bekannt werden sollte.

Dem Kläger droht insoweit keine flüchtlingsrelevante politische Verfolgung, weil es sich bei der von ihm vorgebrachten außerehelichen Beziehung zu dem Mädchen jedenfalls um keinen Anknüpfungspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung handelt. Eine mögliche Strafverfolgung selbst wegen Ehebruchs knüpft insoweit nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an. Vielmehr handelt es sich um repressive Maßnahmen bzw. um eine strafrechtliche Verfolgung wegen eines allgemeinen Straftatbestandes in Algerien ohne politische Bedeutung. Die maßgeblichen Vorschriften des islamischen bzw. algerischen Rechts bezwecken indessen die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Sie knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten an und folgen einer jahrhundertalten Tradition islamischen Rechts, das noch auf weitere ältere Rechtsquellen aufbaut. Insofern fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der algerische Staat mit diesen Vorschriften allgemein in flüchtlingsrelevanter Weise eine politische Gesinnung oder Betätigung ahnden will (sog. Politmalus). Zudem knüpfen diese Strafvorschriften nicht an die eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaften an.

Denn das Flüchtlingsrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden, auch massiven Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben. Aus dem Akt der Strafverfolgung kann nicht geschlossen werden, dass eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts vorliegt. Dem grundsätzlich legitimen staatlichen Rechtsgüterschutz dienende Maßnahmen, wie die Ahndung krimineller Taten ohne politischen Bezug, führen nicht zur Annahme einer politisch motivierten Verfolgung. Solche Maßnahmen können nur dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen ließen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Bestrafung erleiden würde.

Die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die dem Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, stellt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. etwa - bezogen auf Wehrpflicht und die Wehrdienstentziehung - BVerwG, B.v. 24.4.2017 - 1 B 22/17 - NVwZ 2017, 1204 m.w.N.). Für die Annahme eines Umschlagens eventueller Strafverfolgungsmaßnahmen in eine politische Verfolgung ist im Fall des Klägers nichts ersichtlich. Daraus kann daher auch kein Abschiebungshindernis resultieren.

Weiter ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in Deutschland (VG Stuttgart, U.v. 27.1.2015 - A 5 K 4824/13 - juris). Auch insofern gilt das Vorstehende entsprechend. Eine betreffende Strafverfolgung verfolgt jedenfalls keine asylerhebliche Zielsetzung, selbst wenn eine illegale Ausreise, also ein Verlassen des Landes ohne gültige Papiere, mit einer Bewährungsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden kann (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 4.4.2018, Stand: Februar 2018, S. 22). Zudem ist zweifelhaft, ob das Gesetz in der Praxis auch angewendet wird, da die algerischen Behörden erklärt haben, dass Gesetz solle nur abschreckende Wirkung entfalten (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 12.3.2018, S. 27). Aber selbst eine drohende Bestrafung wäre weder flüchtlings- noch sonst schutzrelevant.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung drohen könnte, und die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung einer Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60 Abs. 6 AufenthG).

Schließlich droht dem Kläger bei einer eventuellen Rückkehr nach Algerien auch keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit seitens der Familie seiner Freundin, weil für ihn eine zumutbare inländische Flucht- bzw. Aufenthaltsalternative besteht (vgl. § 3e AsylG). Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, ob die Familie über zwei Jahre nach der Ausreise des Klägers aus Algerien noch ein Interesse daran haben sollte, gegen ihn gewalttätig, besteht für den Kläger in Algerien eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative, wenn er sich in einem anderen Teil des Landes, insbesondere in einer anderen Großstadt Algeriens niederlässt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 4.4.2018, Stand: Februar 2018, S. 17). In den allgemein zugänglichen Quellen können schon keine Information gefunden werden, dass es in Algerien aufgrund außerehelicher Beziehungen zu Fällen von Ehrenmorden oder Blutrache an Männern kommt. Jedenfalls muss sich der Kläger auf interne Schutzmöglichkeiten in seinem Herkunftsland verweisen lassen. Das Auswärtige Amt sieht selbst für den Fall der Bedrohung durch islamistische Terroristen in den größeren Städten Algeriens ein wirksames (wenngleich nicht vollkommenes) Mittel, um einer Verfolgung zu entgehen. Es ist nicht erkennbar, dass die Familie seiner Freundin den Kläger ohne weiteres auffinden können sollte, wenn er seinen ursprünglichen Heimatort meidet und in andere Großstädte geht. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass bei gewalttätigen Übergriffen nicht doch die Polizei schutzbereit und schutzfähig wäre, wenn auch ein absoluter Schutz naturgemäß nicht gewährleistet werden kann (ebenso VG Minden, U.v. 28.3.2017 - 10 K 883/16.A - juris; U.v. 22.8.2016 - 10 K 821/16.A - juris; VG Köln, B.v. 24.8.2016 - 3 L 1612/16.A - juris; SaarlOVG, B.v. 4.2.2016 - 2 A 48/15 - juris; anders in einem Sonderfall einer Klägerin aufgrund deren besonderen Situation VG Göttingen, U.v. 6.9.2011 - 3 A 163/09 - juris).

Danach ist es dem Kläger zumutbar, sich in Algerien niederzulassen, ohne dass die Familie seiner Freundin herausfinden müsste, wo er sich aufhält. Angesichts der Größe Algeriens und der Größe der dortigen Städte, hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger befürchten müsste, von der Familie des Mädchens entdeckt und gefährdet zu werden.

Das Gericht hat des Weiteren keine durchgreifenden Zweifel, dass dem Kläger im Anschluss an seiner Rückkehr die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz möglich sein wird. Dem Kläger ist es zuzumuten, sich eine Arbeit zu suchen, bzw. es besteht die Möglichkeit der Unterstützung von noch in Algerien lebenden Familienmitgliedern, so dass er sich jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Gegenteiliges folgt auch nicht aus der wirtschaftlichen und sozialen Lage Algeriens, wie auch das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. In Algerien ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und auch die medizinische Grundversorgung gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 4.4.2018, Stand: Februar 2018, S. 21 ff., BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 12.3.2018, S. 24 ff.). Der Kläger ist noch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Algerien noch lebenden Großfamilie zurückzugreifen. Letztlich ist dem Kläger eine (Re-)Integration in die Lebensverhältnisse seines Heimatstaates möglich und zumutbar (ebenso BVerwG, U.v. 27.3.2018 - 1 A 5/17 - juris; VG Minden, U.v. 28.3.2017 - 10 K 883/16.A - juris; U.v. 22.8.2016 - 10 K 821/16.A - juris; VG Köln, B.v. 24.8.2016 - 3 L 1612/16.A - juris).

Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.

Der Kläger - ein algerischer Staatsangehöriger - wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 11. Juli 2017, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Algerien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 10. September 2018 wies das Verwaltungsgericht München die vom Kläger erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2017 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft und (hilfsweise) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie (weiter hilfsweise) festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vorliegen, ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger unter Berufung auf § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO geltend, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG wegen Versagung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.

Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1995 - 4 C 10.95 - NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 - 15 ZB 17.30494 - juris Rn. 24 m.w.N.; B.v. 5.9.2018 - 15 ZB 18.32208 - juris Rn. 4; B.v. 8.10.2018 - 15 ZB 17.30545 - noch unveröffentlicht.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht einschlägig bzw. nicht mit der Antragsbegründung substantiiert vorgetragen worden.

a) Soweit der Zulassungsantrag eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sieht, dass dem Kläger mangels ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, das aus seiner Sicht für seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung Gebotene vorzutragen, trifft dieser Vortrag - unabhängig von der Frage, ob der Kläger persönlich Kenntnis von dem Termin hatte bzw. ob er erst im Nachhinein von seinem vormaligen Bevollmächtigten über den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens unterrichtet wurde - tatsächlich nicht zu. Denn der erstinstanzlich durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger wurde vom Verwaltungsgericht rechtzeitig zu der mündlichen Verhandlung am 10. September 2018 geladen, weil eine Ladung unter dem Datum des 7. Juni 2018 an seinen - vormaligen - Prozessbevollmächtigten verschickt wurde und Letzterem ausweislich der Zustellungsurkunde, die sich in der dem Senat vorliegenden Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts befindet, am 8. Juni 2018 zugestellt wurde. Die Ladung musste nach § 173 VwGO, § 172 ZPO an den Prozessbevollmächtigten des Klägers ergehen und nicht an den Kläger persönlich. Wenn der Bevollmächtigte den Kläger nicht über den gerichtlich angesetzten Verhandlungstermin informiert, so führt dies nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2017 - 20 ZB 17.30637 - juris Rn. 4; vgl. auch HambOVG, B.v. 11.11.2014 - 4 Bf 270/13.Z - juris Rn. 14).

b) Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht sei in den Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Vortrags des Klägers nicht eingegangen, vermag eine Berufungszulassung wegen Versagung des rechtlichen Gehörs nicht zu rechtfertigen.

Der Kläger lässt insofern vorbringen, er habe bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 6. Juli 2017 vorgetragen, dass die Familienangehörigen seiner ehemaligen Freundin ihn mit einem Messer bedroht und zusammengeschlagen hätten. Sie hätten den Wagen seines Vaters zerstört. Des Weiteren habe diese Familie ihn auch in der Türkei und in Österreich aufgespürt. Die Angehörigen seiner Ex-Freundin seien Terroristen und Salafisten gewesen, die ihn hätten umbringen wollen, weil er eine Beziehung zu ihrer Schwester gehabt habe. Darüber hinaus habe er vorgetragen, dass er bei der Polizei gewesen sei und diese ihm den Schutz verweigert habe. Insbesondere hätte - so der Kläger weiter - vor allem sein Vortrag zur Nachverfolgung im Rahmen der inländischen Fluchtalternative Berücksichtigung finden müssen. Der Umstand, dass er im Ausland von der Familie der ehemaligen Freundin aufgespürt worden sei, sei ein starkes Indiz dafür, dass er auch bei seiner Rückkehr wieder entdeckt werde.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist im erstinstanzlichen Urteil sehr wohl der von ihm als nichtberücksichtigt gerügte Vortrag der Bedrohung und Verfolgung seitens der Familie seiner ehemaligen Freundin berücksichtigt und im Rahmen der Entscheidung in Erwägung gezogen worden. Zum einen nimmt das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts generell gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid vom 11. Juli 2017 Bezug, der sich ausführlich mit dem betreffenden Sachvortrag des Klägers auseinandersetzt. Dieser Bescheid, den sich das Verwaltungsgericht vollumfänglich zu Eigen macht, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Vortrag des Klägers als unglaubhaft zu bewerten ist. Zum andern geht das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil vom 10. September 2018 an zwei Stellen ausdrücklich - ergänzend - auf den klägerischen Verfolgungsvortrag ein. So wird auf Seiten 7 (unten) / 8 (oben) ausgeführt, dass mit den vorgebrachten Übergriffen und Drohungen der Familie seiner Freundin relevante Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Behörden i.S. von §§ 3 ff. AsylG nicht vorgebracht worden seien. Zudem verarbeitet das Verwaltungsgericht den diesbezüglichen Vortrag auch ausdrücklich auf Seite 10 seines Urteils im Zusammenhang mit der von ihm angenommenen „inländischen Flucht- bzw. Aufenthaltsalternative“.

In der Sache wendet sich der Kläger lediglich allgemein gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Das genügt jedoch nicht, um damit den Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO hinreichend substantiiert darzulegen. Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gewährleistet nicht, dass die angefochtene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern oder sonstigen Verfahrensfehlern ist, sondern sie soll ausschließlich sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (BayVGH, B.v. 4.10.2018 - 15 ZB 18.32354 - juris Rn. 4; B.v. 8.10.2018 - 15 ZB 17.30545 - noch unveröffentlicht; OVG Saarl., B.v. 16.5.2015 - 2 A 197/14 - juris Rn. 8 m.w.N.).

Im Übrigen ist Art. 103 Abs. 1 GG erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht der o.g. Berücksichtigungspflicht nicht nachgekommen ist. Die Gerichte brauchen sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich und im Detail auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt, wenn im Einzelfall b e s o n d e r e U m s t ä n d e deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 2.5.2017 - 5 B 75.15 D - juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 8.10.2018 - 15 ZB 18.31366 - juris Rn. 3 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind vorliegend weder erkennbar noch vorgetragen. Das gilt insbesondere, soweit der Kläger meint, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei - insbesondere soweit es die „Nachverfolgung“ außerhalb seines Heimatlandes in der Türkei und in Österreich betreffe - nicht intensiv genug auf seinen Vortrag gegenüber dem Bundesamt im Rahmen der Anhörung gem. § 25 AsylG eingegangen, zumal nicht ersichtlich ist, wie eine einzige Familie den Kläger an einem anderen Ort in dem großflächigen Staat - etwa in der Hauptstadt Algier oder sonstiger Großstädten mit jeweils mehreren hunderttausend Einwohnern - ausfindig machen könnte.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er hat erstmalig am 9. Juni 2016 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid vom 19. April 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden „Bundesamt“) diesen Asylantrag als unbegründet ab (Nr. 1 bis 4), drohte dem Antragsteller die Abschiebung nach Pakistan an (Nr. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate (Nr. 6). Am 2. Mai 2017 stellte der Antragsteller ausweislich eines EURODAC-Eintrags einen Asylantrag in Italien. Das gegen den Bescheid des Bundesamts vom. 19. April 2017 angestrengte Klageverfahren (VG München, M 5 K 17.38371) wurde mit Beschluss vom 27. Dezember 2018 eingestellt.

Am 14. März 2018 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am selben Tag erneut einen Asylantrag. Aufgrund des EURODAC-Eintrags, wonach der Antragsteller bereits am 2. Mai 2017 einen Asylantrag in Italien gestellt hatte, richtete das Bundesamt am 22. März 2018 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, welches die italienischen Behörden nicht beantworteten. Mit Bescheid vom 26. April 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers vom 14. März 2018 als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristet das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate (Nr. 4). Der dagegen angestrengte Eilantrag wurde abgelehnt (VG München, B.v. 26.6.2018 - M 23 S 18. 51605), das angestrengte Klagverfahren wurde nach Untertauchen des Antragstellers eingestellt (VG München, B.v. 2.11.2018 - M 23 K 18.51604).

Noch vor einer Vollziehung der Abschiebungsanordnung vom 26. April 2018 stellte der Antragsteller am 7. Januar 2019 erneut einen förmlichen Asylantrag. Bei seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 7. Januar 2019 gab er gegenüber dem Bundesamt an, dass seine Situation in Italien damals sehr schlecht gewesen sei. Er habe drei Tage in einem Park übernachtet. Zudem sei er von Italienern mit einem Messer überfallen worden. Manchmal habe er das Gefühl, im Schlaf zu ersticken.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag vom 7. Januar 2019 als Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 26. April 2018 ab. Italien sei aufgrund des dort gestellten Asylantrags für die Entscheidung über das Asylgesuch zuständig. Gründe für eine Rücknahme des Bescheids vom 26. April 2018 bestünden nicht. Die Voraussetzungen für ein Wideraufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) seien nicht ersichtlich. Der Bescheid wurde am 16. Januar 2019 zur Post gegeben. Einen Zustellungsnachweis enthält die Behördenakte nicht.

Am 28. Januar 2019 hat der Antragsteller Klage zur Niederschrift bei Gericht gegen den Bescheid vom 10. Januar 2019 erhoben (Az. M 5 K 19.50042) und gleichzeitig wörtlich beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und weist darauf hin, dass er in Italien weder Hilfe noch Unterkunft erhalten habe. Er befürchte, bei einer Rückkehr nach Italien auf der Straße leben zu müssen.

Die Antragsgegnerin hat ihre Akten zu den verschiedenen Asylanträgen des Antragstellers vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag war gem. §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO auszulegen. Denn das wahre Rechtsschutzziel des Antragstellers besteht darin, seine bereits rechtskräftig angeordnete Abschiebung nach Italien aufgrund des Bescheids der Antragsgegnerin vom 26. April 2018 bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über seine Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2019 zu verhindern, mithin der Antragsgegnerin die Durchführung von Abschiebungsmaßnahmen vorläufig zu untersagen.

Denn ist - wie im Falle des Antragstellers - die ursprüngliche Abschiebungsanordnung bereits unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden und will der Betroffene eine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage geltend machen, muss er beim Bundesamt gem. §§ 71 AsylG, 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens stellen und im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls im Wege der Verpflichtungsklage eine Sachentscheidung erzwingen. Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs auf Wiederaufgreifen und ggf. positive Bescheidung des wiederholten Asylantrags ist dann mittels eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu suchen, gerichtet auf vorläufige Unterlassung der angeordneten Abschiebung, indem der Antragsgegnerin bspw. aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf (vgl. NdsOVG, B.v. 20.6.2017 - 13 PA 104/17 - juris; BayVGH, B.v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C 15.813 - juris; siehe zu den weiterhin vertretenen Gestaltungsmöglichkeiten Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71 Rn. 60).

2. Der als Eilantrag gem. § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.

a) Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn die Hauptsacheklage hat bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, sodass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung dieses Anspruchs nicht vorliegen.

Denn der gestellte Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens i.e.S. ist bereits unzulässig, da der Antragsteller keine Umstände bzw. Wiederaufgreifensgründe i.S.d. §§ 71 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG, 51 Abs. 1 VwVfG dargetan hat, aufgrund derer eine für ihn günstigere Entscheidung in der Sache möglich erscheint (vgl. zur Verortung dieses Erfordernisses als Zulässigkeitsvoraussetzung BayVGH, B.v. 17.5.1989 - 3 B 88.03544 - juris; Falkenbach in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1.1.2019, § 51 Rn. 12). Soweit der Antragsteller zur Begründung seines Wiederaufgreifenbegehrens darauf abstellt, er habe während seines Aufenthalts in Italien weder Hilfe noch Unterkunft erhalten und befürchte, bei einer Rückkehr nach Italien auf der Straße leben zu müssen, handelt es sich nämlich um Umstände, die bereits zum Zeitpunkt seiner zweiten Asylantragsstellung beim Bundesamt am 14. März 2018 (entsprechend dem Bescheid v. 26. April 2018) existierten und dort vom Antragsteller auch weitestgehend vorgebracht worden sind (siehe Bl. 69 f. der Asylakte zum Az. 7448067 - 461). Eine geänderte Sache- oder Rechtslage (§ 51 Abs. 1 Nr. VwVfG), neue Beweismittel (Nr. 2) oder Restitutionsgründe (Nr. 3) hat der Antragsteller mithin nicht glaubhaft gemacht.

Gründe für einen Anspruch des Antragstellers auf ein Wiederaufgreifen i.w.S. sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

b) Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob vorliegend überhaupt ein Anordnungsgrund gegeben ist. Denn es ist nicht ersichtlich, ob bzw. dass dem Antragsteller aufgrund der mit Bescheid vom 26. April 2018 angeordneten Abschiebung nach Italien diese unmittelbar bevorstehend tatsächlich droht. Allein der Umstand, dass sich das Bundesamt berühmt, dass der bestandskräftige Bescheid vom 26. April 2018 eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien zulasse, genügt hierfür nicht. Gegen eine Eilbedürftigkeit spricht auch, dass seit Bestandskraft des Bescheids keinerlei Vollzugsmaßnahmen ersichtlich sind. Es ist kein Anhalt dafür gegeben, dass sich daran absehbar etwas ändern würde.

3. Die Kosten waren dem Antragsteller als unterlegenem Beteiligten aufzuerlegen, § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.