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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch, als Asylberechtigte anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Aufgrund des Artikels 16 a Abs. 1 GG i.V.m. den Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes werden politisch Verfolgte auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, sofern sie nicht bereits in einem anderen Staat vor politischer Verfolgung sicher waren. Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn sie - als staatliche oder dem Staat zurechenbare Maßnahme - dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale (politische Überzeugung, religiöse Grundentscheidung, Rasse, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315). Die fragliche Maßnahme muss dem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufügen. Daran fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO). Ob eine an asylerhebliche Merkmale anknüpfende, zielgerichtete politische Verfolgung vorliegt, die Verfolgung mithin wegen eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO). Deshalb können auch staatliche Maßnahmen gegen an sich unpolitische Personen politische Verfolgung sein (BVerfG, Beschl. v. 28.01.1993, InfAuslR 1993, 142; Beschl. v. 02.12.1993, NVwZ-Beilage 1994, 11).
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Schließlich muss die gezielt zugefügte Rechtsverletzung von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als - ausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß dieser Intensität ist nicht abstrakt vorgegeben. Es muss der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht trägt, demjenigen Schutz und Aufnahme zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO). Handelt es sich allerdings um Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, so stellt generell jede derartige nicht ganz unerhebliche Maßnahme staatlicher Stellen, die an die politische Überzeugung oder Betätigung eines Betroffenen anknüpft, politische Verfolgung dar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.01.1999, NVwZ-Beilage 1999, 81 und Beschl. v. 15.02.2000, NVwZ-Beil. I 2000, 75; BVerwG, Urt. v. 25.07.2000, NVwZ 2000, 1426).
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Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung können asylrechtsbegründend sein. Da die betätigte politische Überzeugung gleichfalls im Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen, politische Verfolgung sein. Es bedarf besonderer, an objektive Umstände anknüpfender Kriterien, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO; Beschl. v. 09.10.1990, InfAuslR 1991, 97, Beschl. v. 19.06.1992, InfAuslR 1992, 372 und Beschl. v. 05.08.1998, InfAuslR 1999, 37). Ein solches Kriterium ist der Rechtsgüterschutz. Die staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts, also von Straftaten die sich gegen die Rechtsgüter anderer Bürger richten, ist auch dann keine politische Verfolgung, wenn die Straftaten aus einer politischen Überzeugung heraus begangen worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1989, NVwZ 1990, 453). Eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann jedoch in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.). Auch eine unmenschliche Behandlung, insbesondere Folter, kann sich als politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale oder mit Blick auf diese in verschärfter Form eingesetzt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1989, NVwZ 1990, 453).
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Nicht asylbegründend sind staatliche Maßnahmen nur dann, wenn und soweit sie sich auf die Abwehr des Terrorismus beschränken. Allerdings kann bei Maßnahmen des Staates zur Abwehr des Terrorismus eine asylerhebliche Verfolgung vorliegen, wenn objektive Umstände - z. B. eine gesteigerte Verfolgungsintensität in Form einer härteren Bestrafung - darauf schließen lassen, dass der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl. v. 25.04.1991, NVwZ 1992, 261; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.). Politische Verfolgung liegt auch vor bei staatlichem Gegenterror, der darauf gerichtet ist, die an dem bestehenden Konflikt nicht unmittelbar beteiligte zivile Bevölkerung in Erwiderung des Terrorismus unter den Druck brutaler Gewalt zu setzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl. v. 09.12.1993, NVwZ 1994, 478; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 a.a.O.).
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Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann (inländische Fluchtalternative). Eine solche inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass der Asylsuchende in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, Beschl. v. 10.11.1989, DVBl. 1990, 201).
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Das Asylrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51). Dieser Kausalzusammenhang fehlt aber nur dann, wenn ein Asylbewerber nach erlittener politischer Verfolgung noch längere Zeit im Heimatland verbleibt und in dieser Zeit dort unbehelligt und verfolgungsfrei leben kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.). Asylberechtigt ist danach typischerweise, wer aufgrund erlittener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrt und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände, vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, aaO). Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter i.S. des Art. 16 a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.).
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Steht fest, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so ist er asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist. Ist der Asylsuchende im Zeitpunkt der Entscheidung vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher, so ist eine Anerkennung als Asylberechtigter nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.01.1991, InfAuslR 1992, 59).
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Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51) politische Verfolgung droht.
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In Anwendung dieser Grundsätze war die Klägerin vor ihrer Ausreise aus ihrem Heimatland politisch verfolgt. Die von Angehörigen der serbischen Sicherheitskräfte im Kosovo vollzogene Vergewaltigung der Klägerin hatte ausgrenzenden Charakter, da der Klägerin hierdurch deutlich gemacht wurde, dass ihre körperliche Integrität und ihre persönliche Würde keine Bedeutung haben. Die Vergewaltigung der Klägerin knüpfte auch an ein asylerhebliches Merkmal an. Die Klägerin wurde von Sicherheitskräften mitgenommen und vergewaltigt, da ihr Bruder der UCK angehört hat. Die gegen die Klägerin gerichteten Maßnahmen erfolgten somit mit Blick auf die bei der Klägerin gleichfalls vermutete Unterstützung der UCK. Entgegen der Behauptung des Bundesamtes kann die Vergewaltigung der Klägerin durch serbische Sicherheitskräfte nicht als asylunerheblicher Amtswalterexzess angesehen werden. Denn Amtswalterexzesse sind dem Staat nur dann nicht zurechenbar, wenn es sich um vereinzelte Exzesstaten von Amtswaltern handelt (vgl. BVerfG, B. v. 08.06.2000, NVwZ - Beilage I 2000, 121). Hiervon kann im Kosovo angesichts der Häufigkeit der Übergriffe der serbischen Sicherheitsgrenze, solange diese dort die Gebietsgewalt hatten, keine Rede sein.
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Die Klägerin ist jedoch bei einer heutigen Rückkehr in ihre Heimatprovinz hinreichend sicher vor erneuter politischer Verfolgung. Seit dem Einrücken der UN-Friedenstruppe KFOR und seit dem vollständigen Abzug aller serbischen bzw. jugoslawischen Armeetruppen, sonderpolizeilichen Einheiten und paramilitärischen Gruppen aus dem Kosovo im Juni 1999 auf der Grundlage des von der Bundesrepublik Jugoslawien angenommenen G-8-Friedensplans und der vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Kosovo-Friedensresolution 1244 hat Serbien die effektive Gebietsgewalt auf dem Territorium des Kosovo verloren, so dass eine vom ehemaligen jugoslawischen Staat ausgehende oder ihm zurechenbare politische Verfolgung der Kosovo-Albaner in diesem Gebiet ausgeschlossen ist. Durch die Präsenz der KFOR-Truppen ist es für absehbare Zeit ausgeschlossen, dass Serbien auf militärischem Weg die effektive Gebietsherrschaft im Kosovo wieder erlangen könnte. Die UN-Resolution 1244 sieht vor, dass die internationale zivile Präsenz und die internationale Sicherheitspräsenz zunächst für einen Zeitraum von zwölf Monaten eingerichtet werden, dass dieser Zeitraum jedoch zu verlängern ist, wenn der Sicherheitsrat nichts anderes beschließt. Für letzteres gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal die Stationierung der KFOR-Truppen zur Sicherung der dauerhaften Rückkehr der Vertriebenen und zur allgemeinen Befriedung der Region erfolgt ist. Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass sich die KFOR und die internationale zivile Präsenz in absehbarer Zeit aus dem Kosovo zurückziehen (vgl. AA, ad hoc-Berichte vom 4.6.2002 und vom 27.11.2002 sowie Lagebericht vom 10.2.2004; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosovo-Lageanalyse März 2000; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.03.2002 - A 14 S 1167/98 u. Urt. v. 29.03.2001 - A 14 S 2078/99, Asylmagazin 5 - 6/2001, 29). Da die Organe von Serbien seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen die Gebietsgewalt im Kosovo verloren haben, scheiden sie als Urheber politischer Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG aus. Entsprechendes gilt für albanische Gruppierungen, da die Gebietsgewalt im Kosovo allein von der UNMIK und den KFOR-Truppen ausgeübt wird.
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Die Klage ist auch unbegründet, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG stellt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des AsylVfG fest, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Nach dieser Bestimmung darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, wie aus dem Ausgeführten folgt. Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen außerhalb des Prüfungsgegenstandes des Artikels 16 a Abs.1 GG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG; derartige Abschiebungshindernisse hat die Klägerin weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Der Klägerin steht jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zur Seite.
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Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Bestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199). Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren nicht landesweit drohen und der Ausländer sich ihnen durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.). Ein Ausländer kann schon dann auf einen alternativen Landesteil verwiesen werden, wenn ihm dort konkrete Gefahren i. S. d. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen; sonstige Mindestanforderungen an die Qualität und Verfolgungssicherheit des Aufenthalts in der Ausweichregion bestehen nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 22.07.1998 - A 6 S 3421/96 -). Die Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehen. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs ist im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung, Abwägung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts vermittels des Kriteriums, ob die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung beachtlich ist, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO. und Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24). Dieser Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ist auch in Fällen bereits erlittener gleichartiger Gefahrenlagen nicht herabzusetzen (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.)
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Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur unzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellen (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524; Urt. vom 27.04.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 21.09.1999, NVwZ 2000, 206). Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation im Zielstaat zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002, NVwZ - Beilage I 2003, 53 = DVBl. 2003, 463 und B. v. 29.04.2003, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60; VGH Kassel, Urt. v. 24.06.2003, AuAS 2004, 20).
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Nach diesen Grundsätzen ist Abschiebungsschutz zu gewähren, weil die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung im Übergang zur chronischen Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung leidet, für die es im Kosovo keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Das Gericht ist aufgrund der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin unmittelbar vor ihrer Ausreise nach einer Razzia durch die serbische Polizei durch serbische Polizisten vergewaltigt wurde und dass dieses Ereignis und die Hinrichtung ihrer Brüder, die ihr zu helfen versucht hatten, zu der fachpsychiatrisch diagnostizierten Traumatisierung geführt haben. Der Sachverhalt, der in dem vom Gericht eingeholten Gutachten der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des ...-Krankenhauses zugrunde gelegt wurde, hat sich damit als tragfähig erwiesen. Aufgrund der glaubhaften Schilderungen der Klägerin bestehen auch an der Richtigkeit der gestellten medizinischen Diagnose keine Zweifel. Die im Gutachten des ...-Krankenhauses diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung ist in der Auflistung aller Krankheiten durch die Weltgesundheitsorganisation unter F 43.1 der ICD 10 enthalten (vgl. Dilling u.a., Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 3. Auflage, S. 121). In der internationalen Klassifikation sind Traumata definiert als kurz oder lang anhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem Betroffenen tiefgreifende Verzweiflung auslösen werden (vgl. Koch in: Asylpraxis, Band 9, Seite 61, 69ff). Man unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen traumatischen Ereignissen in Folge von Unfällen oder Katastrophen und willentlich durch Menschen verursachten Traumata (z. B. Folter, Misshandlung, Vergewaltigung und Kriegserlebnisse). Dass letzteres bei der Klägerin der Fall ist, ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen im Gutachten des ...-Krankenhauses. Die hier vorliegende Traumatisierung durch Vergewaltigung stellt einen Fall mit einer besonders ungünstigen Prognose, nämlich den Fall der sog. man made desaster dar, wobei das Kernproblem der Traumatisierung die erlebte Hilflosigkeit ist. Neben dem erlittenen Trauma (sog. A-Kriterium) spielen die flashbacks der Erinnerungen (sog. B-Kriterium) eine bestimmende Rolle im Krankheitsbild, so dass Nachhallerinnerungen dem Betroffenen das Gefühl vermitteln, die traumatische Situation wieder zu erleben. Daraus ergibt sich als sog. C-Kriterium das bewusste Vermeiden von Orten oder Menschen, die Erinnerungen wachrufen können (vgl. Koch a. a. O. S. 79ff; Dr. Haenel in: Asylpraxis Band 9, S. 111ff; Dr. Lindstedt in: Asylpraxis Band 7, S. 97, 121ff; Hofmann, EMDR in der Therapie psychotraumatischer Belastungssyndrome, S. 2ff). Es ist anerkannt, dass medikamentöse Behandlung nur mit zusätzlicher Psychotherapie langfristig erfolgreich sein kann und eine solche Therapie nur unter gleichsam geschützten Bedingungen, d. h. ohne die Gefahr des Wiederaufkeimens der Befürchtungen möglich ist (vgl. Bittenbinder in : Asylpraxis Band 9, S. 35, 54 ff; Graessner u.a., Die Spuren von Folter, S. 77 ff; Koch a. a. O. S. 78).
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Den dem Verwaltungsgericht vorliegenden Erkenntnisquellen über den Zustand des Gesundheitswesens im Kosovo, insbesondere über die Möglichkeiten einer Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen durch dortige Krankenhäuser und Ärzte, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Erkrankung der Klägerin im Kosovo zuverlässig behandelt werden könnte. Dies begründet die Gefahr einer Verfestigung und Verstärkung der Krankheitssymptome, was eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Klägerin darstellt. Zwar ist im Kosovo eine medizinische Grundversorgung vorhanden und nach dem Ende des Krieges im Juni 1999 verbesserte sich die allgemeine gesundheitliche Versorgung dort nach und nach. Schwerste Erkrankungen, insbesondere auch schwerste psychische Erkrankungen, können dort jedoch nach wie vor kaum zuverlässig behandelt werden. Psychische Erkrankungen werden im öffentlichen Gesundheitswesen rein medikamentös behandelt. Zwar gibt es einzelne privat praktizierende Fachärzte für Psychiatrie. Die Behandlungsplätze im privaten Bereich sind jedoch sehr begrenzt und die Kosten muss der Patient selbst tragen (AA, Lagebericht vom 10.2.2004). Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede Person, die eine psychotherapeutische Behandlung benötigt, eine solche auch in angemessener Zeit und in wenigstens ausreichender Qualität erfährt. So wird von zum Teil sehr langen Wartezeiten berichtet sowie darüber, dass in vielen Fällen lediglich eine Behandlung durch die Verabreichung von Medikamenten erfolgt, wodurch aber eine wirkliche Heilung nicht herbeigeführt werden kann (vgl. UNHCR, Auskunft v. 29.9.2003 an VG Koblenz und Auskunft v. 26.11.2003 an Rechtsanwalt Vesin; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Die medizinische Versorgungslage im Kosovo, Mai 2004, Seite 13ff; Dr. Schlüter-Müller, Gutachten v. 29.07.2003 an VG Frankfurt = Asylmagazin 11/2003, 25; AA, Lagebericht vom 10.2.2004 und Auskunft v. 20.11.2003 an VG Kassel; Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft v. 04.06.2004 an VG Stuttgart, vom 6.8.2002 an VG Würzburg u. vom 11.3.2002 an VG Schwerin). Nach Auffassung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O.) leiden die Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung tätig sind, an Überlastung und verweisen Traumatisierte auf das staatliche Angebot; in der öffentlichen Gesundheitsversorgung kann PTBS jedoch nicht adäquat behandelt werden.
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Zwar sind psychische Erkrankungen wie Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen in Serbien und Montenegro nach den vorliegenden Erkenntnismitteln behandelbar (vgl. AA, Lagebericht zu Serbien und Montenegro - ohne Kosovo - vom 28.07.2003). Es ist jedoch offenkundig, dass eine erfolgreiche Behandlung der Klägerin in Serbien, dem „Land der Täter“, ausscheidet. Darüber hinaus ist die Krankenversorgung in Serbien und Montenegro für die Klägerin auch individuell nicht erreichbar. Denn die administrative Grenze zwischen dem Kosovo und dem übrigen Serbien und Montenegro wird streng kontrolliert. Es ist keineswegs sicher, dass Personen aus dem Kosovo die Einreise nach Serbien gewährt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass für die Einreise jugoslawische Dokumente notwendig sind. Die von der UN-Verwaltung im Kosovo ausgestellten Personal- und Reisedokumente werden im restlichen Serbien und Montenegro nicht anerkannt. Im Übrigen setzt der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem eine Wohnsitznahme in Serbien voraus. Eine solche ist aber nur möglich für Personen, die über serbische Personalpapiere verfügen (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 04.09.2003 an VG Koblenz - Asylmagazin 10/2003, 23 und Stellungnahme v. 29.09.2003 an VG Koblenz). Das Gericht kann somit dahingestellt sein lassen, ob der Kosovo in der gegenwärtigen Situation noch als Teil des Gesamtstaates Serbien und Montenegro angesehen werden kann (vgl. verneinend VG Aachen, B. v. 29.04.2003, Asylmagazin 6/2003, 18 und Urt. v. 02.10.2003 - 1 K 2124/02. A - Juris = Asylmagazin 1-2/2004, 24).
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Unabhängig von der Behandelbarkeit der Klägerin im Kosovo bzw. in Serbien und Montenegro besteht ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG auch aufgrund der Gefahr der Retraumatisierung der Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland. Insoweit führt das ...-Krankenhaus im Gutachten vom 04.04.2004 aus, eine Rückkehr der Klägerin sowohl in den Kosovo als auch nach Serbien führe zu einer Retraumatisierung. Eine Behandlung mit dem Ziel der Verarbeitung des Traumas sei nur mit zeitlichem und räumlichen Abstand zur traumatisierenden Situation möglich. Bereits die ungeachtet etwaiger Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland drohende Retraumatisierung, also das innerliche Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, das zur posttraumatischen Belastungsstörung geführt hat, ausgelöst durch erinnernde Umstände, z. B. im Wiedersehen von Orten oder Personen, die mit dem traumatisierenden Ereignis in enger Beziehung gestanden haben, kann, wenn die Gefahr hinreichend konkretisiert erscheint, zu einem Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG führen (vgl. VGH München, Urt. v. 20.10.1999 - 23 B 98.30524; Treiber, Fallgruppen traumatisierter Flüchtlinge im Asylverfahren in: Asylpraxis Band 7 S. 15ff, 30 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass die Rückkehr an Orte des Traumas wie ein Trigger wirkt und Panikattacken auslösen kann, die im Sinne einer Retraumatisierung wirken; dies führt dann zu einer Verschärfung der posttraumatischen Belastungsstörung (vgl. Fischer/Riedesser, Lehrbuch der Psychotraumatologie). Die Retraumatisierung geht einher mit der vollen oder gesteigerten Entfaltung des Symptombildes der ursprünglichen traumatischen Reaktion auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene (vgl. Koch/Winter, Psychische Reaktionen nach Extrembelastung bei traumatisierten Kriegsflüchtlingen, S. 6; Graessner u.a., Die Spuren von Folter, S. 78 ff). Die Gefahr der Retraumatisierung lässt sich auch nicht auf den eigentlichen Ort eingrenzen, an dem die Verletzungshandlung erfolgte, denn auch andere Orte und Personen im Heimatland, die dem zugrundeliegenden traumatischen Erlebnis gleichen, ähneln oder auch Anklänge daran haben, führen zu einer Reaktualisierung der Bilder des traumatischen Erlebens in der Vorstellung und den körperlichen Reaktionen des Betroffenen (vgl. Prof. Dr. Pfäfflin, Universität Ulm, Gutachten vom 30.9.2000 an VG Sigmaringen), so dass im Falle der Klägerin die Gefahr der Retraumatisierung, die auch im Gutachten des ...-Krankenhauses prognostiziert wird, konkret und landesweit gegeben ist.
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Die Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG wird schließlich auch nicht durch § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG gesperrt. Zwar mag zutreffen, dass die Anzahl traumatisierter Albaner aus dem Kosovo recht groß ist. Für die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG und die insoweit sich aus Satz 2 dieser Vorschrift ergebende Begrenzung kommt es jedoch allein auf solche Erkrankungen an, bei denen bei einer Abschiebung die in dieser Vorschrift genannten Gefahren bestehen. Angesichts des vielfältigen Symptombildes der posttraumatischen Belastungsstörung bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass in jedem Fall davon auszugehen ist, dass die Rückkehr in den Kosovo Gefahren erwarten lässt, die die Notwendigkeit von Abschiebungsschutz begründen. Es liegt in der Natur einer psychischen Erkrankung, die auf von vielen Menschen in gleicher oder ähnlicher Weise erlebten Ereignissen beruht, dass sie nicht allein durch diese Ereignisse entsteht, sondern vielmehr in der Individualität des Erlebenden ihre Ursache hat. Personen, die in Folge individueller Ereignisse traumatisiert sind, stellen somit keine Bevölkerungsgruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG dar (vgl. OVG Münster, B. v. 19.11.1999 - 19 B 1599/98 und B. v. 16.02.2004 - 14 A 548/04.A - Juris = Asylmagazin 6/2004,30; VG Göttingen, Urt. v. 05.09.2003, Asylmagazin 12/2003, 26; VG Oldenburg, U. v. 27.01.2004, Asylmagazin 6/2004, 33).
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Damit erfüllt die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG. Diese Vorschrift sieht zwar die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht als zwingende Rechtsfolge vor, sondern räumt der Beklagten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen noch ein Ermessen ein, jedoch reduziert sich hier das Ermessen auf Null (vgl. EGMR, Entscheidung v. 07.03.2000, NVwZ, 2001, 301 = InfAuslR 2000, 321). Mit Blick auf die der Klägerin bei einer Abschiebung nach Serbien und Montenegro drohende konkrete Gefahr einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die sich innerhalb kürzester Zeit realisierte, bleibt der Beklagten nur die Entscheidung, ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs.6 S. 1 AuslG festzustellen.
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Die Abschiebungsandrohung entspricht § 34 Abs. 1 AsylVfG und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG durch das Bundesamt bewirkt nur eine zeitweilige Vollziehbarkeitshemmung gem. § 41 AsylVfG. Für eine erweiternde Auslegung des § 50 Abs. 3 S. 2 AuslG ist bei einer auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage getroffenen Abschiebungsandrohung kein Raum (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1997, NVwZ 1997, 1132).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entsprechender Anwendung von § 162 Abs. 3 VwGO. Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten für erstattungsfähig zu erklären.
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