Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 25. Sept. 2012 - 12 K 2999/12

bei uns veröffentlicht am25.09.2012

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die ... Antragstellerin leidet seit Dezember 2002 an Diabetes mellitus Typ I in Form einer sehr instabilen Erkrankung mit stark schwankenden Blutzuckerwerten.
Sie besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 10. Klasse des S. Gymnasiums. Im Zeugnis zum Ende des Schuljahres erhielt sie in den Fächern Geographie, Mathematik und Physik jeweils die Note mangelhaft. Damit erfüllte sie die Voraussetzungen für eine Versetzung in Klasse 11 nicht. Da die Antragstellerin schon im Schuljahr 2009/2010 nicht von der 9. Klasse in die 10. Klasse versetzt worden war und deshalb im Schuljahr 2010/2011 die 9. Klasse wiederholte, enthielt das Zeugnis außerdem die Bemerkung, dass sie die Schule verlassen muss.
Am 19.07.2012 und 10.09.2012 lehnte es die Klassenkonferenz jeweils ab, die Antragstellerin ausnahmsweise zu versetzen. Dies teilte ihr der Schulleiter des S. Gymnasiums mit Bescheid vom 10.09.2012 mit.
Die Antragstellerin beantragt nun bei sachdienlicher Auslegung, dem Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, sie vorläufig am Unterricht der Klasse 11 des S. Gymnasiums teilnehmen zu lassen. Dieser Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder wenn andere Gründe vorliegen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn der Unterricht hat schon am 10.09.2012 begonnen. Es ist auch noch nicht so viel Zeit vergangen, dass der Einstieg in diesen Unterricht nicht mehr als sinnvoll erschiene (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 14.12.2009, NVwZ-RR 2010, 269).
Die Antragstellerin hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Erfolgsaussichten in der Hauptache bestehen wohl nicht.
Die Versetzung der Antragstellerin scheiterte daran, dass ihre Leistungen in den Fächern Geographie, Mathematik und Physik jeweils geringer als mit der Note "ausreichend", nämlich mit der Note "mangelhaft", bewertet wurden (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung des Kultusministeriums über die Versetzung an Gymnasien der Normalform und an Gymnasien in Aufbauform mit Heim vom 30.01.1984 - VersO Gym -). Diese Fächer sind für die Versetzung maßgebend nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VersO Gym.
Substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Noten hat die Antragstellerin nicht erhoben. Ihr Vortrag genügt nicht, die Noten in Frage zu stellen. Sie hat hierzu nur vorgetragen, es sei von ihr verlangt worden, die letzte Englischarbeit früher zu beenden, um die Physikarbeit nachschreiben zu können. Außerdem sei versäumt worden, ihr ausreichenden Nachteilsausgleich zu gewähren. Diese Einwendungen betreffen aber nicht die tatsächlich erbrachten Leistungen, auf denen die Bewertungen beruhen.
10 
Eine ausnahmsweise Versetzung nach § 1 Abs. 3 VersO Gym scheiterte daran, dass in den Klassenkonferenzen vom 19.07.2012 und 10.09.2012 nicht die hierfür erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde. Dabei genügt der Inhalt der Protokolle den formellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und Abs. 4 Konferenzordnung.
11 
Die Antragstellerin hat nicht die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht, dass die Klassenkonferenz bei einer erneuten Entscheidung über eine ausnahmsweise Versetzung nach § 1 Abs. 3 VersO Gym die begehrte Versetzung aussprechen würde; Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Klassenkonferenzen allein genügen dabei nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 14.12.2009, a.a.O.).
12 
Es könnte allenfalls fraglich sein, ob die Klassenkonferenz jeweils ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Denn es ist weder aus den Protokollen noch aus der Mitteilung der Klassenlehrerin vom 25.07.2012 oder aus dem Bescheid des Schulleiters des S. Gymnasiums vom 10.09.2012 ersichtlich, dass sich die Klassenkonferenz mit den für Behinderte bestehenden besonderen Regelungen befasst hat. So regelt die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 08.03.1999 für "Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen" bei Ziffer 2.3 "Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung, Nachteilsausgleich" unter Ziffer 2.3.1 "Allgemeine Grundsätze", dass mögliche Härten, die sich aus dem für alle Schüler gleichermaßen geltenden Anforderungsprofil ergeben, bei Ausnahmeregelungen bei Versetzungsentscheidungen mit den jeweiligen bestehenden Ermessensspielräumen gemildert werden können. Darüber hinaus enthält Art. 3 h) des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das durch Gesetz vom 21.12.2008 (BGBl. 2008 II, S. 1419) übergeleitet wurde, u.a. den Grundsatz der Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen.
13 
Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Klassenkonferenz bei einer neuen Entscheidung unter Berücksichtigung dieser Regelungen die Versetzung der Antragstellerin aussprechen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.12.2009, a.a.O.). Denn es ist nicht zu erwarten, dass die Klassenkonferenz - bei Berücksichtigung dieser Regelungen - zur Auffassung gelangen wird, dass die Leistungen der Antragstellerin nur vorübergehend nicht für die Versetzung ausreichen und dass sie nach einer Übergangszeit den Anforderungen der nächsthöheren Klasse voraussichtlich gewachsen sein wird (§ 1 Abs. 3 VersO Gym). Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen der Antragstellerin nur vorübergehend nicht für die Versetzung ausreichten. Ihre Leistungen waren vielmehr schon im Schuljahr 2009/2010 so schlecht, dass sie nicht versetzt wurde. Die Leistungen verbesserten sich zwar dann im Schuljahr 2010/2011, in dem sie die Klasse 9 wiederholte. Sie fielen aber schon im ersten Halbjahr des Schuljahres 2011/2012 stark ab und verschlechterten sich im zweiten Schulhalbjahr weiter. Auch die Erkrankung an Diabetes mellitus Typ I als mögliche Ursache für die schlechten Leistungen ist nicht vorübergehend. Sie bestand vielmehr schon seit Dezember 2002, und es ist auch bei Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen kein konkreter Zeitpunkt ersichtlich, zu dem sie nicht mehr bestehen wird.
14 
Weiter hat die Klassenkonferenz nach der Begründung des Bescheids des Schulleiters des S. Gymnasiums vom 10.09.2012 die erforderliche günstige Prognose der Leistungsentwicklung schon bisher nicht gesehen und den weiteren Besuch des Gymnasiums als nicht sinnvoll erachtet. Konkrete Anhaltspunkte für eine gegenteilige Einschätzung liegen nicht vor, insbesondere ergeben sie sich nicht aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen. Auch die ärztliche Bescheinigung des Klinikums S. vom 11.09.2012 enthält hierzu keine klaren Aussagen. Dort wird nur allgemein ausgeführt: "Am Ende der Pubertät stabilisiert sich der Blutzuckerstoffwechsel in aller Regel und die starken Schwankungen nehmen deutlich ab. Dies scheint auch bei F. derzeit einzutreten." Daraus ergeben sich keine konkreten Prognosen für den weiteren Verlauf der Krankheit und schon gar nicht für die Entwicklung der schulischen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin.
15 
Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf andere Formen des Nachteilsausgleichs berufen (vgl. Beschluss der erkennenden Kammer vom 12.07.2012 - 12 K 2267/12 -, juris).
16 
"Notenschutz" kann der Antragstellerin nicht zugutekommen. Denn dazu ist erforderlich, dass das Notenbild vor Eintritt der Behinderung mit dem sich danach ergebenden Notenbild verglichen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 23.01.1980 - XI 2202/79 -). Vorliegend hat die Antragstellerin aber nicht einmal geltend gemacht, dass eine solche fassbare Notenverschlechterung aufgrund der - immerhin seit 2002 bestehenden - Behinderung stattfand. Nachteilsausgleich in Form einer bloßen Notenverbesserung wäre unzulässig, weil sie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstieße.
17 
Eine Aufnahme auf Probe in die nächsthöhere Klasse nach § 1 Abs. 6 VersO Gym ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Sie wäre auch rechtlich ausgeschlossen, weil es vorliegend um die Aufnahme in die Jahrgangsstufe geht (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 VersO Gym).
18 
Auch die Aussetzung der Versetzungsentscheidung nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 VersO Gym ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Im Übrigen hätte die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen. So hat sie schon nicht behauptet, dass sie im zweiten Schulhalbjahr 2011/2012 wegen Krankheit länger als 8 Wochen den Unterricht nicht besuchen konnte.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
20 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

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bei uns veröffentlicht am 12.07.2012

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Gründe   1 Die ... ... Antragstellerin bestand im Frühjahr 2012 das Abitur am R.

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die ... ... Antragstellerin bestand im Frühjahr 2012 das Abitur am R.-Gymnasium ... mit einem Notendurchschnitt von 1,6. Sie leidet an Diabetes Mellitus Typ I, A. und S. Seit 27.12.2004 hat sie einen Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Die Antragstellerin beantragt, dem Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr ein Schulgutachten zum Nachteilsausgleich ihrer Behinderung auszustellen. Sie beabsichtigt, dieses Schulgutachten zusammen mit ihrer Bewerbung um einen Studienplatz in Humanmedizin vorzulegen, und will damit ihre Chancen für die Zuteilung eines Studienplatzes verbessern. Dieser Antrag hat keinen Erfolg.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag eine Regelung, die die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt. Wenn sie nämlich das beantragte Gutachten erhält und mit der Bewerbung um einen Studienplatz vorlegt, ist dieser Vorgang nicht mehr rückgängig zu machen. In solchen Fällen gilt grundsätzlich das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Es kann zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nur durchbrochen werden, wenn die zu erwartenden Nachteile unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.04.2004 - 6 S 17/04; BayVGH, Beschl. v. 27.02.2012 - 3 CE 11.2579; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.03.2012 - 8 ME 204/11 -, jew. juris; Kopp/Schenke, VwGO, 6. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 14).
Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Frist zur Vorlage der Bewerbung und eines von der Schule zu erstellenden Gutachtens läuft am 15.07.2012 ab. Es bestehen auch für die Antragstellerin schwere und unzumutbare Nachteile, wenn sie sich jetzt ohne ein ihr etwa zustehendes Gutachten um einen Studienplatz bewerben müsste. Diese sofort eintretenden Nachteile könnten auch nicht mehr beseitigt werden, wenn sie später im Hauptsacheverfahren Erfolg hätte.
Die Antragstellerin hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es besteht kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg ihres Begehrens in der Hauptsache.
Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verwaltungsvorschrift für "Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen" vom 08.03.1999 berufen. Nach deren Ziffer 1 "Allgemeine Ziele und Grundsätze" erfasst sie allerdings Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen, auch bei chronischen Erkrankungen. Bei Ziffer 2.3 "Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung, Nachteilsausgleich" wird unter Ziffer 2.3.1 "Allgemeine Grundsätze" aber ausgeführt, der Nachteilsausgleich für behinderte Schüler beziehe sich auf Hilfen, mit denen die Schüler in die Lage versetzt würden, dem Anforderungsprofil zu entsprechen. Der Nachteilsausgleich lasse aber das Anforderungsprofil unberührt; das geforderte Niveau könne aber auch Schülern mit Behinderungen nicht erlassen werden. Soweit sich die Antragstellerin auf Ziffer 2.3.2 "Besonderheiten bei Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen oder Rechtschreiben" beruft, ist nicht ersichtlich, dass diese Ziffer für sie einschlägig ist. Denn sie bezieht sich nur auf die dort genannten besonderen Schwierigkeiten. Im Übrigen wird auch dort ausgeführt, in den Jahrgangsstufen des Gymnasiums seien Ausnahmen von der Verbindlichkeit des allgemeinen Anforderungsprofils, insbesondere eine zurückhaltende Gewichtung bei der Leistungsmessung, nicht mehr möglich. Gerade dies begehrt die Antragstellerin aber.
Ein Anspruch der Antragstellerin lässt sich nicht aus § 126 Abs. 1 SGB IX herleiten. Danach werden die Vorschriften über Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen (Nachteilsausgleich) so gestaltet, dass sie unabhängig von der Ursache der Behinderung der Art oder Schwere der Behinderung Rechnung tragen. Denn diese Vorschrift hat im Wesentlichen nur Programmcharakter (vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. [2005], § 126 RdNr. 2). Daraus können grundsätzlich nicht unmittelbar Ansprüche abgeleitet werden. Es bedarf vielmehr ausdrücklicher Regelungen.
Zum Ausgleich von Behinderungen im schulischen Bereich werden in Bezug auf Noten zwei Modelle diskutiert. Es handelt sich zum einen um "Notenschutz", mit dem erreicht werden soll, dass das bisher erreichte Notenniveau erhalten bleibt, wenn es sich aktuell aufgrund einer Behinderung verschlechterte, oder dass einzelne Noten nicht gewertet werden. Zum anderen handelt es sich um eine Verbesserung der Noten, denen - aufgrund der Behinderung - keine entsprechende schulische oder Prüfungsleistung zugrundeliegt.
Auf "Notenschutz" kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg berufen. Denn dabei wird vorausgesetzt, dass das Notenbild vor Eintritt der Behinderung mit dem sich danach ergebenden Notenbild verglichen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.01.1980 - XI 2202/79 -). Hierfür müssen Nachweise vorliegen (so auch ausdrücklich das Merkblatt der Stiftung Hochschulstart, das die Antragstellerin vorgelegt hat). Vorliegend hat die Antragstellerin aber nicht einmal geltend gemacht, dass eine solche fassbare Notenverschlechterung aufgrund der Behinderung stattfand. Sie beruft sich vielmehr darauf, die Behinderung und ihre Auswirkungen hätten während der ganzen Gymnasialzeit bestanden. Die Berufung auf "Notenschutz" hätte darüber hinaus vorausgesetzt, dass die Antragstellerin die konkrete Entwicklung der Noten aufzeigt und nachweist. Daran fehlt es ebenfalls.
10 
Auf eine (einheitliche) Verbesserung der Durchschnittsnote von 1,6 hat die Antragstellerin keinen Anspruch. Sie macht selbst nicht geltend, die ihr erteilten Noten und die daraus errechnete Durchschnittsnote entsprächen nicht den gezeigten Leistungen. Sie beruft sich vielmehr darauf, ihre Leistungen wären ohne die vorhandenen Behinderungen besser. Ein Nachteilsausgleich in Form der von der Antragstellerin begehrten Notenverbesserung ist aber unzulässig, weil dies ein Abweichen vom Leistungsgrundsatz bedeutete. Auch das Vorhandensein einer Behinderung lässt es nicht zu, für den Behinderten den Bewertungsmaßstab zu verändern (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.01.1980, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.07.2008, NVwZ-RR 2009, 68). Auch ein Behinderter muss die jeweiligen Anforderungen erfüllen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.11.2004 - 9 S 2258/04 -). Es ist nicht zulässig, Beurteilungen fiktive Leistungen zugrundezulegen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.01.1980, a.a.O.). Sonst läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit vor. Ein Nachteilsausgleich muss vielmehr über andere Maßnahmen erfolgen, z. B. schulische Förderung oder Berücksichtigung der Behinderung bei der praktischen Durchführung von Prüfungen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.06.2009 - 3 M 16.09 -, juris).
11 
Auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, nach dem niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, verleiht der Antragstellerin nicht den begehrten Anspruch. Denn er stellt nur ein Abwehrrecht dar (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.07.2008, a.a.O.).
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
13 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Dabei wurde der volle Regelstreitwert zugrundegelegt, weil die Antragstellerin die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.