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| Die ... Antragstellerin leidet seit Dezember 2002 an Diabetes mellitus Typ I in Form einer sehr instabilen Erkrankung mit stark schwankenden Blutzuckerwerten. |
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| Sie besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 10. Klasse des S. Gymnasiums. Im Zeugnis zum Ende des Schuljahres erhielt sie in den Fächern Geographie, Mathematik und Physik jeweils die Note mangelhaft. Damit erfüllte sie die Voraussetzungen für eine Versetzung in Klasse 11 nicht. Da die Antragstellerin schon im Schuljahr 2009/2010 nicht von der 9. Klasse in die 10. Klasse versetzt worden war und deshalb im Schuljahr 2010/2011 die 9. Klasse wiederholte, enthielt das Zeugnis außerdem die Bemerkung, dass sie die Schule verlassen muss. |
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| Am 19.07.2012 und 10.09.2012 lehnte es die Klassenkonferenz jeweils ab, die Antragstellerin ausnahmsweise zu versetzen. Dies teilte ihr der Schulleiter des S. Gymnasiums mit Bescheid vom 10.09.2012 mit. |
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| Die Antragstellerin beantragt nun bei sachdienlicher Auslegung, dem Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, sie vorläufig am Unterricht der Klasse 11 des S. Gymnasiums teilnehmen zu lassen. Dieser Antrag hat keinen Erfolg. |
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| Nach § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder wenn andere Gründe vorliegen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). |
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| Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn der Unterricht hat schon am 10.09.2012 begonnen. Es ist auch noch nicht so viel Zeit vergangen, dass der Einstieg in diesen Unterricht nicht mehr als sinnvoll erschiene (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 14.12.2009, NVwZ-RR 2010, 269). |
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| Die Antragstellerin hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Erfolgsaussichten in der Hauptache bestehen wohl nicht. |
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| Die Versetzung der Antragstellerin scheiterte daran, dass ihre Leistungen in den Fächern Geographie, Mathematik und Physik jeweils geringer als mit der Note "ausreichend", nämlich mit der Note "mangelhaft", bewertet wurden (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung des Kultusministeriums über die Versetzung an Gymnasien der Normalform und an Gymnasien in Aufbauform mit Heim vom 30.01.1984 - VersO Gym -). Diese Fächer sind für die Versetzung maßgebend nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VersO Gym. |
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| Substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Noten hat die Antragstellerin nicht erhoben. Ihr Vortrag genügt nicht, die Noten in Frage zu stellen. Sie hat hierzu nur vorgetragen, es sei von ihr verlangt worden, die letzte Englischarbeit früher zu beenden, um die Physikarbeit nachschreiben zu können. Außerdem sei versäumt worden, ihr ausreichenden Nachteilsausgleich zu gewähren. Diese Einwendungen betreffen aber nicht die tatsächlich erbrachten Leistungen, auf denen die Bewertungen beruhen. |
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| Eine ausnahmsweise Versetzung nach § 1 Abs. 3 VersO Gym scheiterte daran, dass in den Klassenkonferenzen vom 19.07.2012 und 10.09.2012 nicht die hierfür erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde. Dabei genügt der Inhalt der Protokolle den formellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und Abs. 4 Konferenzordnung. |
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| Die Antragstellerin hat nicht die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht, dass die Klassenkonferenz bei einer erneuten Entscheidung über eine ausnahmsweise Versetzung nach § 1 Abs. 3 VersO Gym die begehrte Versetzung aussprechen würde; Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Klassenkonferenzen allein genügen dabei nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 14.12.2009, a.a.O.). |
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| Es könnte allenfalls fraglich sein, ob die Klassenkonferenz jeweils ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Denn es ist weder aus den Protokollen noch aus der Mitteilung der Klassenlehrerin vom 25.07.2012 oder aus dem Bescheid des Schulleiters des S. Gymnasiums vom 10.09.2012 ersichtlich, dass sich die Klassenkonferenz mit den für Behinderte bestehenden besonderen Regelungen befasst hat. So regelt die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 08.03.1999 für "Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen" bei Ziffer 2.3 "Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung, Nachteilsausgleich" unter Ziffer 2.3.1 "Allgemeine Grundsätze", dass mögliche Härten, die sich aus dem für alle Schüler gleichermaßen geltenden Anforderungsprofil ergeben, bei Ausnahmeregelungen bei Versetzungsentscheidungen mit den jeweiligen bestehenden Ermessensspielräumen gemildert werden können. Darüber hinaus enthält Art. 3 h) des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das durch Gesetz vom 21.12.2008 (BGBl. 2008 II, S. 1419) übergeleitet wurde, u.a. den Grundsatz der Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen. |
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| Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Klassenkonferenz bei einer neuen Entscheidung unter Berücksichtigung dieser Regelungen die Versetzung der Antragstellerin aussprechen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.12.2009, a.a.O.). Denn es ist nicht zu erwarten, dass die Klassenkonferenz - bei Berücksichtigung dieser Regelungen - zur Auffassung gelangen wird, dass die Leistungen der Antragstellerin nur vorübergehend nicht für die Versetzung ausreichen und dass sie nach einer Übergangszeit den Anforderungen der nächsthöheren Klasse voraussichtlich gewachsen sein wird (§ 1 Abs. 3 VersO Gym). Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistungen der Antragstellerin nur vorübergehend nicht für die Versetzung ausreichten. Ihre Leistungen waren vielmehr schon im Schuljahr 2009/2010 so schlecht, dass sie nicht versetzt wurde. Die Leistungen verbesserten sich zwar dann im Schuljahr 2010/2011, in dem sie die Klasse 9 wiederholte. Sie fielen aber schon im ersten Halbjahr des Schuljahres 2011/2012 stark ab und verschlechterten sich im zweiten Schulhalbjahr weiter. Auch die Erkrankung an Diabetes mellitus Typ I als mögliche Ursache für die schlechten Leistungen ist nicht vorübergehend. Sie bestand vielmehr schon seit Dezember 2002, und es ist auch bei Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen kein konkreter Zeitpunkt ersichtlich, zu dem sie nicht mehr bestehen wird. |
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| Weiter hat die Klassenkonferenz nach der Begründung des Bescheids des Schulleiters des S. Gymnasiums vom 10.09.2012 die erforderliche günstige Prognose der Leistungsentwicklung schon bisher nicht gesehen und den weiteren Besuch des Gymnasiums als nicht sinnvoll erachtet. Konkrete Anhaltspunkte für eine gegenteilige Einschätzung liegen nicht vor, insbesondere ergeben sie sich nicht aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen. Auch die ärztliche Bescheinigung des Klinikums S. vom 11.09.2012 enthält hierzu keine klaren Aussagen. Dort wird nur allgemein ausgeführt: "Am Ende der Pubertät stabilisiert sich der Blutzuckerstoffwechsel in aller Regel und die starken Schwankungen nehmen deutlich ab. Dies scheint auch bei F. derzeit einzutreten." Daraus ergeben sich keine konkreten Prognosen für den weiteren Verlauf der Krankheit und schon gar nicht für die Entwicklung der schulischen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. |
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| Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf andere Formen des Nachteilsausgleichs berufen (vgl. Beschluss der erkennenden Kammer vom 12.07.2012 - 12 K 2267/12 -, juris). |
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| "Notenschutz" kann der Antragstellerin nicht zugutekommen. Denn dazu ist erforderlich, dass das Notenbild vor Eintritt der Behinderung mit dem sich danach ergebenden Notenbild verglichen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 23.01.1980 - XI 2202/79 -). Vorliegend hat die Antragstellerin aber nicht einmal geltend gemacht, dass eine solche fassbare Notenverschlechterung aufgrund der - immerhin seit 2002 bestehenden - Behinderung stattfand. Nachteilsausgleich in Form einer bloßen Notenverbesserung wäre unzulässig, weil sie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstieße. |
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| Eine Aufnahme auf Probe in die nächsthöhere Klasse nach § 1 Abs. 6 VersO Gym ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Sie wäre auch rechtlich ausgeschlossen, weil es vorliegend um die Aufnahme in die Jahrgangsstufe geht (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 VersO Gym). |
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| Auch die Aussetzung der Versetzungsentscheidung nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 VersO Gym ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Im Übrigen hätte die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen. So hat sie schon nicht behauptet, dass sie im zweiten Schulhalbjahr 2011/2012 wegen Krankheit länger als 8 Wochen den Unterricht nicht besuchen konnte. |
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