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Der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, sie im Schuljahr 2004/2005 auf Probe am Unterricht der Klasse 11 des Stiftsgymnasiums Sindelfingen teilnehmen zu lassen, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründe nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Die Antragstellerin erstrebt mit dem probeweisen Besuch des Unterrichts der nächsthöheren Klasse keine lediglich zustandssichernde, sondern eine zustandsverbessernde Maßnahme. Eine danach allein in Betracht kommende Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist in schulrechtlichen Nichtversetzungssachen nur dann zu erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass gegen die Rechtmäßigkeit der Nichtversetzungsentscheidung ernsthafte Bedenken bestehen, die Versetzungskonferenz bei einer erneuten Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Versetzung aussprechen wird und die begehrte vorläufige Maßnahme dringlich ist (vgl. VGH Kassel, Beschluss v. 08.02.1993, SPE n.F., 212 Nr. 14; VGH BW, Beschluss v. 04.04.1977, Holfelder/Bosse, Schulrecht Bad.-Württ., Rechtsprechung, § 89 Abs. 2 Nr. 4 E 4). Die genannten Maßstäbe gelten auch für das Begehren der Antragstellerin auf probeweisen Besuch der nächsthöheren Klasse mit dem Ziel der Aufhebung der Nichtversetzungsentscheidung.
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Die für die Antragstellerin maßgeblichen Versetzungsvoraussetzungen ergeben sich im Wesentlichen aus der Verordnung des Kultusministeriums über die Versetzung an Gymnasien der Normalform und an Gymnasien in Aufbauform mit Heim vom 30.01.1984 (GBl. S. 149) i.d.F. der letzten Änderung vom 14.03.2000 (GBl. S. 367) - VersO a.F. -. Für die von der Antragstellerin beanspruchte Aufnahme auf Probe in die nächsthöhere Klasse gilt ergänzend § 1 Abs. 6 der Verordnung des Kultusministeriums über die Versetzung an Gymnasien der Normalform und an Gymnasien in Aufbauform mit Heim in der Fassung, die sie durch Art. 10 der Verordnung des Kultusministeriums zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften vom 05.02.2004 (GBl. S. 82) erhalten hat - VersO n. F. -. Gemäß Art. 14 Abs. 1 und 2 der genannten Verordnung vom 05.02.2004 findet die neue Versetzungsordnung zwar grundsätzlich erstmals für Schüler Anwendung, die im Schuljahr 2004/2005 in den Gymnasien in die Klasse 5 eintreten; davon ausgenommen ist aber u.a. die Regelung zur Aufnahme auf Probe in Art. 10 Nr. 2 der Verordnung vom 05.02.2004 bzw. § 1 Abs. 6 der VersO n.F. .
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Gemäß § 1 Abs. 1 der VersO a.F. werden in die nächsthöhere Klasse nur diejenigen Schüler versetzt, die aufgrund ihrer Leistungen in den für die Versetzung maßgebenden Fächern den Anforderungen im laufenden Schuljahr im ganzen entsprochen haben und die deshalb erwarten lassen, dass sie den Anforderungen der nächsthöheren Klasse gewachsen sind. Nach § 1 Abs. 2 VersO a.F. liegen die Voraussetzungen nach Abs. 1 vor, wenn im Jahreszeugnis der Durchschnitt aus den Noten aller für die Versetzung maßgebenden Fächer 4,0 oder besser ist (Nr. 1), der Durchschnitt aus den Noten der Kernfächer 4,0 oder besser ist (Nr. 2), die Leistungen in keinem Kernfach mit der Note „ungenügend“ bewertet sind (Nr. 3) und die Leistungen in nicht mehr als einem für die Versetzung maßgebenden Fach geringer als mit der Note „ausreichend“ bewertet sind (Nr. 4 Halbs. 1). Trifft dies in zwei Fächern zu, so ist der Schüler zu versetzen, wenn für beide Fächer ein sinnvoller Ausgleich gegeben ist (Nr. 4 Halbs. 2).
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Die Versetzungsvoraussetzungen sind im Falle der Antragstellerin nicht erfüllt. Sie hat im Schuljahr 2003/2004 - Klasse 10 A des Gymnasiums - im Kernfach Latein sowie in dem Fach Chemie die Noten „mangelhaft“ erhalten. Damit ist sie in zwei für die Versetzung maßgeblichen Fächern (vgl. § 2 Abs. 1 VersO a.F.) mit einer geringeren Note als “ausreichend” bewertet worden. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) VersO a.F. kann die Note „mangelhaft“ im Kernfach Latein nur durch mindestens die Note „gut“ in einem anderen Kernfach ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich liegt bei der Antragstellerin jedoch nicht vor.
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Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch gemäß § 1 Abs. 6 VersO n.F. auf probeweise Aufnahme in die nächsthöhere Klasse hat.
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Nach § 1 Abs. 6 VersO n.F. kann die Klassenkonferenz im Einvernehmen mit dem Schulleiter nicht versetzten Schülern, welche die Klasse wiederholen können, für den Zeitraum von etwa vier Wochen die Aufnahme auf Probe in die nächsthöhere Klasse gestatten, wenn sie zu der Auffassung gelangt, dass die Schüler die Mängel in den unter ausreichend bewerteten Fächern in absehbarer Zeit beheben werden. Die Aufnahme setzt eine Zielvereinbarung voraus. Zum Ende der Probezeit werden die Schüler in den für die Versetzung maßgebenden Fächern, in denen die Leistungen im vorausgegangenen Schuljahr geringer als mit der Note „ausreichend“ bewertet worden sind, schriftlich und mündlich geprüft. Das Ergebnis ersetzt in dem entsprechenden Fach die Note des vorangegangenen Jahreszeugnisses. Wenn dieses Zeugnis unter Berücksichtigung der neuen Noten den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 VersO n.F. entspricht, ist der Schüler versetzt und die am Ende des vorangegangenen Schuljahres ausgesprochene Nichtversetzung gilt rückwirkend als nicht getroffen.
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Im Falle der Antragstellerin dürften bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift nicht vorliegen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung gilt diese nur für nicht versetzte Schüler, „welche die Klasse wiederholen können“. Diese Voraussetzung dürfte die Antragstellerin nicht erfüllen. Da die Antragstellerin bereits die vorhergehende Klasse 9 wiederholt hat, greift bei ihr § 6 Abs. 1 Nr. 2 VersO a.F. ein, wonach ein Schüler das Gymnasium verlassen
muss
, wenn er nach Wiederholung einer Klasse des Gymnasiums auch aus der nachfolgenden nicht versetzt wird. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist eine „Entscheidung“ der Klassenkonferenz in diesem Zusammenhang nicht erforderlich. Bei Bestehen der Pflicht zum Verlassen der Schule dürfte der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VersO n.F. mithin verschlossen sein. Der Wortlaut des § 1 Abs. 6 VersO n.F. dürfte den Anforderungen an eine von der Antragstellerin geforderte eindeutige Regelung genügen. Bei einer anderen Auslegung wäre die Passage „Schüler, welche die Klasse wiederholen können“ in § 1 Abs. 6 VersO n.F. zudem überflüssig. Es spricht viel dafür, dass der Verordnungsgeber hiermit gerade eine Beschränkung des Anwendungsbereiches der Norm auf Schüler, die nicht gemäß § 6 Abs. 1 VersO a.F. zum Verlassen der Schule verpflichtet sind, bezweckt hat.
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Die Antragstellerin wendet dagegen ein, ihre Nichtversetzung stehe nach der Neuregelung des § 1 Abs. 6 VersO n.F. unter dem Vorbehalt einer Probeversetzung; wenn der Schüler in der am Ende der Probezeit abzulegenden Prüfung eine Notenverbesserung erziele, die für eine Versetzung ausreiche, gelte die Nichtversetzung rückwirkend als nicht getroffen und die Rechtsfolgen einer mehrmaligen Nichtversetzung nach § 6 VersO a.F. griffen nicht. Diese Rechtsauffassung dürfte unzutreffend sein, da die Antragstellerin Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen nicht trennt.
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Erfüllt ein Schüler bei mehrmaliger Nichtversetzung die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 VersO a.F., besteht nach der Rechtslage die Pflicht, das Gymnasium zu verlassen. Die Klassenkonferenz hat, wie dargelegt, insoweit keinen Ermessensspielraum und kann das Verlassen der Schule nicht „aussetzen“. Eine Wiederholung der Klasse ist in diesen Fällen von vornherein nicht möglich. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 6 VersO n.F. erfüllt die Antragstellerin damit bereits nicht die Tatbestandsvoraussetzungen, die die Möglichkeit für eine Prognoseentscheidung der Klassenkonferenz eröffnen würden.
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Richtig ist zwar, dass die Nichtversetzung rückwirkend revidiert wird, wenn das Ergebnis der Prüfung dazu führt, dass das Jahreszeugnis mit den neuen Noten den Anforderungen des § 1 Abs. 2 VersO a.F. entspricht. Der Antragsgegner dürfte aber zu Recht darauf hinweisen, dass die ungewisse Rechtsfolge der Versetzungsfiktion nicht bereits bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen genau dieser Rechtsfolge herangezogen werden kann. Vielmehr dürfte gerade
Voraussetzung
der Aufnahme auf Probe sein, dass das Schulverhältnis fortgesetzt werden kann, d.h. der Schüler die Schule nicht verlassen muss.
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Auch der Hinweis der Antragstellerin auf § 5 Abs. 2 VersO a. und n. F. dürfte nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Vorschrift regelt (wie im Übrigen auch § 9 a S. 2 VersO n.F. ), dass eine Nichtversetzung in besonderen Fällen nicht dazu führt, dass die Schule verlassen werden muss. Daraus dürfte sich für den Fall der Antragstellerin nichts herleiten lassen.
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Da im Hinblick auf die Antragstellerin der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VersO n.F. nicht eröffnet sein dürfte, kommt es auf die Frage, ob die Antragstellerin die Mängel in den unter „ausreichend“ bewerteten Fächern in absehbarer Zeit beheben kann, nicht an, so dass den von der Antragstellerin im Hinblick auf die Prognoseentscheidung der Klassenkonferenz aufgeworfenen Fragen nicht nachzugehen ist.
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Das Gericht sieht im Hinblick auf den eindeutigen Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin und den damit festgelegten Streitgegenstand auch keine Veranlassung zu einer - ggf. hilfsweisen - Prüfung von Eilrechtsschutzmöglichkeiten im Hinblick § 1 Abs. 3 VersO a.F., wonach bei nur vorübergehend nicht ausreichenden Leistungen unter bestimmten Umständen ausnahmsweise eine Versetzung erfolgen kann. Darüber hinaus dürften bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift, die nach Wortlaut, Sinn und Zweck nur für besondere Ausnahmefälle gedacht ist, bei denen die Leistungen des Schülers in dem der Versetzungsentscheidung vorausgegangenen Schuljahr deutlich und untypisch hinter seinem sonstigen Leistungsbild zurückbleiben, nicht vorliegen.
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