Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 15. März 2017 - RO 8 K 17.102

bei uns veröffentlicht am15.03.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I. Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Bescheide des Landesamts für ..., …, vom 16.11.2016 und vom 28.11.2016 sowie des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 13.12.2016 verpflichtet, der Klägerin hinsichtlich der mit Anträgen vom 29.10.2016, vom 4.11.2016 und vom 14.11.2016 eingereichten Rechnungen über eine im Oktober 2016 durchgeführte ICSI-Behandlung Beihilfe zu gewähren.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin erstrebt Beihilfeleistungen für einen (wiederholten) Versuch zur künstlichen Befruchtung durch Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).

Die 1984 geborene Klägerin ist als Beamtin des Beklagten beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 50%. Ihr 1981 geborener Ehemann leidet an einer Fertilitätsstörung. Im Hinblick darauf haben sich die Eheleute zur Erfüllung des bestehenden Kinderwunsches zu einer künstlichen Befruchtung nach der ICSI-Methode entschieden. Die Beihilfestelle anerkannte die Beihilfefähigkeit dem Grunde nach mit Schreiben vom 25.2.2016. Im April 2016 erfolgte die erste ICSI (22.3. LP, 2.4. OI, 4.4. FP, 6.4. ET). Weitere dabei entnommene und befruchtete Eizellen wurden kryokonserviert und im Juni 2016 übertragen (6.6. AT, 7.6. ET). Beide Versuche führten nicht zu einer Schwangerschaft. Im Juli 2016 erfolgte eine weitere ICSI (24.6. LP, 6.7. OI, 8.7. FP, 11.7. ET). Nach ärztlichem Attest vom 27.10.2016 war ein Schwangerschaftstest vom 25.7.2016 zwar positiv, jedoch kam es zu einem Frühabort. Weitere bei dieser ICSI entnommene und befruchtete Eizellen wurden im September 2016 übertragen (10.9. AT, 12.9. ET). Für die vorgenannten Befruchtungsversuche wurde Beihilfe gewährt. Im Oktober 2016 unterzog sich die Klägerin einer erneuten ICSI (30.9. LP, 12.10. OI, 15.10. SP, 17.10. ET). Diesbezüglich angefallene Rechnungen über insgesamt 7.536,06 € machte die Klägerin mit Anträgen vom 29.10.2016, vom 4.11.2016 und vom 14.11.2016 geltend. Das Landesamt für ..., …, lehnte insoweit mit Bescheiden vom 16.11.2016 und vom 28.11.2016 Beihilfeleistungen ab und wies die hiergegen eingelegten Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2016 zurück. Im Hinblick auf die im Juli 2016 eingetretene Schwangerschaft seien gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1

Nr. 5 BayBhV drei Versuche beihilfefähig. Diese seien mit den ICSI-Behandlungen von April und Juli 2016 sowie den Embryonentransfers von Juni und September 2016 ausgeschöpft. Die ICSI von Oktober 2016 sei nicht mehr beihilfefähig.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12.1.2017 hat die Klägerin vorliegende Klage erheben lassen. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayBhV seien bei der Zahl der Versuche nur die ICSI-Behandlungen zu berücksichtigen, nicht aber ein daneben durchgeführter Embryonentransfer.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der Bescheide des Landesamts für ..., …, vom 16.11.2016 und vom 28.11.2016 sowie des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 13.12.2016 zu verpflichten, der Klägerin hinsichtlich der mit Anträgen vom 29.10.2016, vom 4.11.2016 und vom 14.11.2016 eingereichten Rechnungen über eine im Oktober 2016 durchgeführte ICSI-Behandlung Beihilfe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die streitgegenständlichen Bescheide,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 3.3.2017 hat die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Beihilfe für die ICSI-Behandlung von Oktober 2016. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayBhV sind bei künstlicher Befruchtung nach der ICSI-Methode drei Versuche beihilfefähig, wenn in einem von zwei Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat. Ein Behandlungszyklus ist bei der Klägerin im April 2016 und ein weiterer im Juli 2016 erfolgt. Nach ärztlichem Attest vom 27.10.2016 ist bei der Behandlung im Juli 2016 eine Schwangerschaft eingetreten. Die ICSI-Behandlung von Oktober 2016 stellt damit den dritten Versuch im Sinne der Vorschrift dar. Soweit die Beklagtenseite meint, die Embryonentransfers von Juni und September 2016 seien als selbständige Behandlungszyklen im Sinne der Vorschrift zu berücksichtigen, trifft das nicht zu. Die Behörde setzt sich insoweit bereits mit ihrer eigenen Sachbehandlung in Widerspruch, weil Aufwendungen sowohl für die ICSI-Behandlungen im April und Juli als auch für die Embryonentransfers im Juni und September als beihilfefähig behandelt worden sind. Jedenfalls verkennt die Behörde aber, dass die Intracytoplasmatische Spermeninjektion (ICSI) aus mehreren Behandlungsschritten besteht, die einen Behandlungszyklus im Sinne der Vorschrift bilden. So erfolgt zunächst eine Vorbehandlung (hormonelle Stimulation, LP), dann wird der Eisprung ausgelöst (OI), eine Eizelle entnommen und befruchtet (FP) und schließlich die befruchtete Eizelle auf die Frau übertragen (ET). Der Embryonentransfer (ET) ist damit grundsätzlich nur ein Behandlungsschritt, unabhängig davon, ob der Embryonentransfer in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den vorhergehenden Schritten der ICSI-Behandlung oder aber nach Kryokonservierung erst später erfolgt. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayBhV schließt nicht aus, dass ein einzelner dieser Behandlungsschritte wiederholt vorgenommen wird. So werden etwa auch bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) regelmäßig mehrere befruchtete Eizellen auf die Frau übertragen. Die Übertragung der kryokonservierten Embryonen ist damit kein eigenständiger Behandlungsversuch nach dem ICSI-Verfahren (vgl. VG Köln, U. v. 14.6.2013 - 19 K 12/12 und U. v. 14.6.2013 - 19 K 13/12 unter Hinweis auf Nr. 12.8 der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 27a Abs. 4 SGB V erlassenen Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung).

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27a Künstliche Befruchtung


(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn 1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteh

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn

1.
diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2.
nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3.
die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4.
ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5.
sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden.

(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.

(4) Versicherte haben Anspruch auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe sowie auf die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen, wenn die Kryokonservierung wegen einer Erkrankung und deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden Therapie medizinisch notwendig erscheint, um spätere medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach Absatz 1 vornehmen zu können. Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 4.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.