Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger, Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 286 der Gemarkung ... (Anwesen Z...gasse ...), wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Sanierung und Erweiterung des Rückgebäudes des Anwesens ...Platz ... auf dem nördlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 281. Die bauliche Anlage liegt innerhalb des denkmalgeschützten Ensembles Altstadt Straubing sowie im Geltungsbereich des seit 2.12.1993 rechtsverbindlichen einfachen Bebauungsplans „St... MK“.

Mit am 27.3.2013 bei der Beklagten eingegangenen Formblättern vom 15.3.2013 beantragte die Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung (BVV-2013-50). Ein ehemaliger Stadel soll unter Beibehaltung der Gebäudehülle einschließlich des Dachwerks zu einem Wohngebäude (...Platz ...) umgebaut werden. Geplant sind über einer erdgeschossigen Garage je eine Wohnung im 1. Obergeschoss sowie im 1. und 2. Dachgeschoss. Die südliche Giebelwand des Stadels grenzt unmittelbar an den rückwärtigen Teil des klägerischen Grundstücks, auf dem sich im Nordwesten ein Wohngebäude, im Nordosten ein Nebengebäude und nach dem Rückbau mehrerer Garagen ein Garten sowie ein Innenhof befinden. Den südlichen Abschluss des Baubestandes auf dem klägerischen Grundstück bildet das Hauptwohnhaus entlang der ...gasse.

Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 24.9.2013, jeweils als Übergabeeinschreiben an die Kläger zur Post gegeben am 7.10.2013, die Baugenehmigung. Von der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO werden Abweichungen erteilt; diese betreffen jedoch nicht die gemeinsame Grundstücksgrenze zwischen den Klägern und der Beigeladenen. Bezüglich des Brandschutzes wird u.a. die Abweichung von Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 8 BayBO gestattet: „Die bestehenden Fensteröffnungen in den beiden Giebelwänden des historischen Stadels mit einer Größe von jeweils unter 0,5 m² müssen nicht in Bauart einer Brandwand verschlossen werden. Der Einbau einer Brandschutzverglasung der Feuerwiderstandsklasse F60 ist ausreichend.“ In den Gründen wird ausgeführt, dass sich vorliegend eine geschlossene Bauweise entwickelt habe und daher gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO keine Abstandsflächen erforderlich seien vor Außenwänden, die an den Grundstücksgrenzen errichtet würden. Auch ergäben sich einheitlich abweichende Abstandsflächen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Bei dem historischen Stadel seien in den beiden Giebelwänden Fensteröffnungen vorhanden, was typisch für die im denkmalgeschützten Ensemble vorherrschende Bauweise sei. Durch die Anordnung von Brandschutzverglasung F60 werde die gleiche Feuerwiderstandfähigkeit wie beim Wandbaustoff erreicht. Aufgrund der bestehenden Öffnungsgrößen (jeweils unter 0,5 m²) wird die Wand in statischer Hinsicht nicht derart geschwächt, dass ein Versagen infolge mechanischer Beanspruchung eintreten könne. Nach den genehmigten Plänen befinden sich in der (südlichen) Giebelwand zu den Klägern im 1. und 2. DG jeweils zwei Fenster F60, dahinter über die ganze Front ein 5,31 m bzw. 5,28 m tiefer Luftraum ohne Decke zwischen 1. und 2. DG. Dieser weist zu den angrenzenden Zimmern im 1. DG Fenster und im 2. DG einen Balkon auf. Im Anschluss an die südliche Giebelwand entstehen an der Westseite im 1. OG zwei Loggien, an beiden Seiten im 1. und 2. DG über dem Luftraum je ein Dachfenster und nach Norden anschließend im 1. und 2. DG Dachgauben.

Am 7.11.2013 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg gegen die Stadt Straubing erhoben.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Die Baugenehmigung enthalte Abweichungen von den Abstandsflächen- und Brandschutzvorschriften. Eine umfangreiche Ermessensprüfung und Abwägung sei vorgeschrieben. Dies verbiete es von vornherein, lediglich eine auf bestimmte Punkte isolierte Prüfung vorzunehmen. Im Hinblick auf das Abstandsflächenrecht sei aus Sicht der Kläger die Südseite des Vorhabens problematisch. Dort befänden sich vier zu öffnende und nicht blickdichte Fenster. Die Bestandshöhe solle um 1 m angehoben werden. Für eine entsprechende Dämmung fielen jedoch allenfalls 20 cm an. Wie die Ost- und Westansicht zeigten, seien außerdem Dachgauben und weitere Fenster geplant, die Abstandsflächenrelevanz besäßen. Das Grundstück der Kläger sei bislang keiner Einsichtnahme unterworfen. Es handle sich um einen Hof mit Garten, der vor Blickbeziehungen weitestgehend geschützt gewesen sei. Nun werde er aus unmittelbarer Nähe zahlreichen Einsichtnahmemöglichkeiten unterworfen, was rücksichtslos erscheine. Bei dem Luftraum, dessen Nutzung unklar sei, handle es sich um einen abstandsflächenrechtlich relevanten Aufenthaltsraum. Durch späteres Anbringen von Heizkörpern wäre ohne Weiteres eine ganzjährige Nutzung möglich. Aus der Loggia und den Dachgauben sei eine problemlose Einsichtnahme möglich. Wenn in dem Objekt sich früher ein Gewerbebetrieb befunden haben solle, liege dies mehr als 5 (wohl mindestens 10) Jahre zurück. Der Stadel habe sei 2006 leer gestanden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Stadt Straubing vom 24.9.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Vorhaben sei nicht rücksichtslos. Die vorhandenen Fensteröffnungen in der südlichen Giebelwand seien die letzten Jahre mit Brettern abgedeckt gewesen. Zusätzliche Einblicksmöglichkeiten schaffe das Vorhaben der Beigeladenen jedoch nicht. Das auf Lichtbildern unmittelbar oberhalb der Garagen noch zu sehende doppelflügelige Fenster sei nun nicht mehr vorhanden. Von den übrigen vier kleineren Fensteröffnungen dienten die im 2. DG („Luftraum“) allein der Belichtung. Die beiden Fenster im 1. DG eigneten sich ob ihrer geringen Größe (unter 0,5m²), ihrer Höhe (Unterkante knapp 1 m über Fußboden) und der mit ca. 50 cm relativ dicken Mauer nur bedingt zur Einsichtnahme in das klägerische Grundstück. Die Abweichungen von der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen beträfen ausschließlich den nördlich Fl.Nr. 282 gelegenen Gebäudeteil. Das an das klägerische Grundstück unmittelbar angrenzende Rückgebäude hingegen brauche wegen der vorhandenen geschlossenen Bauweise keine Abstandsflächen einzuhalten. Aus diesem Grunde sei auch kein Ermessensfehler zu Lasten der Kläger gegeben. Der Antrag auf Zulassung der genannten Abweichungen begründe keine Pflicht der Behörde zu prüfen, ob das Bauvorhaben in seiner Gänze den Anforderungen des Art. 6 BayBO entspreche. Die Verwendung einer Brandschutzverglasung der Feuerwiderstandsklasse F60 in Form von geprüften Bauelementen mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung sei aus der Sicht der Beklagten aufgrund der Öffnungsgrößen (jeweils unter 0,5 m²) genügend, um das Schutzziel der Brandwände zu erreichen, als raumabschließende Bauteile ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude zu verhindern. Da es sich bei dem geplanten „Luftraum“ nicht um einen Aufenthaltsraum im Sinne des Art. 45 Abs. 2, Art. 2 Abs. 5 BayBO handle, habe es der Beigeladenen unter Brandschutzgesichtspunkten freigestellt werden können, ob die Fenster als Festverglasung oder als bewegliche, im Brandfall automatisch schließende Brandschutzverglasung ausgeführt werden. Insofern sei eine Auflage, wie sie von den Klägern gefordert werde, nicht notwendig. Der Luftraum im 2. DG diene allein der Belichtung und Belüftung der in diesem Geschoss vorgesehenen Wohnräume. Der Balkon diene nur als Absturzsicherung für die Öffnungsflügel des Wohnraums. Der temperierte Luftraum im 1. DG diene im Wesentlichen der Belichtung und Belüftung der Wohn- und Schlafräume dieses Geschosses. Er könne über den Schlafraum betreten werden. Entsprechend dem Heizkonzept werde dieser Raum lediglich frostsicher ausgebildet, jedoch nicht geheizt. Diese Zwischenzone sei nach Aussage der Beigeladenen geplant worden, um die im nördlichen Gebäudeteil gelegenen Räume über die beiden Oberlichter in den Dachflächen zu belichten und belüften, weil die südliche Giebelwand – im Wesentlichen aus Gründen des Brand- und des Denkmalschutzes – für zusätzliche Fenster nicht weiter geöffnet werden habe können. Die Dachgauben befänden sich jeweils im Abstand von mindestens 8,5 m von der gemeinsamen (südlichen) Grundstücksgrenze in westlicher bzw. östlicher Blickrichtung im Dach des Bauvorhabens. Die Beklagte könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie hier eine Einsichtnahme in das Grundstück der Kläger erfolgen solle. Man müsste sich schon aus dem Dachfenster beugen und mit dem Oberkörper nach Süden wenden – und selbst dann dürfte angesichts des Abstands der Sichtbereich relativ eingeschränkt sein. Die Anhebung der Dachkonstruktion resultiere aus der Aufbringung einer Dachdämmung und der Ausbildung der Brandwände zur Sicherstellung des Brandschutzes nach der BayBO.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag und trägt vor: In der zu einer Wohnung veränderten Halle habe sich früher ein Gewerbebetrieb befunden, in dem viele Mitarbeiter speziell in der Zeit der Apfelernte auch nachts gearbeitet und durch das Fenster geschaut hätten. Vom Lärm eines Betriebes im Gegensatz zu einer Wohnnutzung sei gar nicht zu sprechen. Der Luftraum sei nötig, um die Räume im 1. und 2. DG mit ausreichend Licht und Luft zu versorgen, damit die Grenzwand nicht mit mehr und größeren Öffnungen versehen werden müsse. Eine Sichtverbindung von der Loggia in 3 m Höhe zum Grundstück der Kläger sei völlig ausgeschlossen, da sich dort ein 10 m hohes Gebäude der Kläger befinde. Die Dachgauben seien in größerer Entfernung zum Grundstück der Kläger und ließen wenn überhaupt nur einen Blick in einem derart flachen Winkel auf die Dachfläche des o.g. klägerischen Gebäudes zu. Die Anhebung des Daches erfolge ausschließlich zur Dämmung und sei außerhalb der Giebelbereiche auf die technisch nötige Höhe von ca. 45 cm beschränkt. Im Bereich des Giebels müsse zum Nachbarschutz die Brandwand 30 cm über diese Dachfläche erhöht werden. Dies erhöhe nicht nur die Brandsicherheit für die Nachbarn, sondern verbessere zusätzlich die von den Klägern begehrte Nichteinsehbarkeit des Grundstücks.

Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten, der gewechselten Schriftsätze und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 14.7.2015.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Stadt Straubing vom 24.9.2013 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Wer als Nachbar eine Baugenehmigung anficht, kann damit nur Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung gegen die zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften verstößt. Nachbar ist dabei nur derjenige, der ein eigenes dingliches Recht an einem Grundstück hat, das von dem Vorhaben tatsächlich und rechtlich betroffen sein kann, also insbesondere der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks. Zu den nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das partiell nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Für den Anspruch eines Nachbarn ist es dagegen nicht maßgeblich, ob die Baugenehmigung in vollem Umfang und in allen Teilen rechtmäßig ist, insbesondere ob die Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren eingehalten wurden.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt weder nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts einschließlich des im Einzelfall drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme noch nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.

Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig. Nachdem der maßgebende rechtsverbindliche Bebauungsplan „St... MK“ lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält (§ 30 Abs. 3 BauGB) und insoweit auch Wohnnutzung zulässt, richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen, weil Innenbereich, nach § 34 BauGB. Danach ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Nachdem im Hinblick auf die Art der beabsichtigten Nutzung (Wohnnutzung) vorliegend keine Bedenken bestehen, wird der Gebietswahrungsanspruch nicht betroffen. Dem Maß der baulichen Nutzung und der überbauten Grundstücksfläche kommt jedoch im Grundsatz kein Drittschutz zu (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 – 4 B 215/95; BayVGH, B. v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101).

Aber auch das Rücksichtnahmegebot, dessen Betroffenheit damit allenfalls bauplanungsrechtlich noch geltend gemacht werden kann, wird in keinem Fall verletzt.

Ergänzend zu den planerischen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art. 30 und 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist vorliegend die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO heranzuziehen. Er ist eine Ausprägung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme und erklärt Anlagen für unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind.

Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 – 4 C 5/93). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B. v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137).

Das Vorhaben der Beigeladenen kann der Klägerseite gegenüber nicht als abwehrfähig rücksichtslos bzw. unzumutbar angesehen werden.

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist in aller Regel bereits ausgeschlossen, wenn die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden. Bei Einhaltung der landesrechtlichen Vorschriften über Abstandsflächen ist grundsätzlich kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme bezüglich Belichtung, Belüftung und Besonnung anzunehmen (vgl. BVerwG, B. v. 11.1.1999 – 4 B 128/98; U. v. 23.5.1986 – 4 C 34/85; B. v. 22.11.1984 – 4 B 244/84; BayVGH, B. v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101; B. v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9; B. v. 31.3.2010 – 2 CS 10.307). Bezüglich der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen den Klägern (Fl.Nr. 286) und der Beigeladenen (Fl.Nr. 281) gilt Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Danach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Vorliegend darf nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden, da in der näheren Umgebung sich eine geschlossene Bauweise entwickelt hat. Soweit mit der Baugenehmigung Abweichungen von den erforderlichen Abstandsflächen erteilt worden sind, betreffen diese nicht die streitgegenständliche Grundstücksgrenze, so dass auch kein Ermessensfehler zu Lasten der Kläger vorliegt. Die von den Klägern gerügte Erhöhung des Daches und der Giebelwand erfordert wegen der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO keine abstandsflächenrechtliche Neubeurteilung bzw. Beantragung einer Abweichung (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2014 – 9 CS 14.1794). Nach Art. 28 Abs. 5 BayBO sind Brandwände 0,30 m über die Bedachung zu führen.

Entspricht es gesicherter Auffassung, dass der Zweck des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Belüftung des Gebäudes zu gewährleisten, ist darüber hinaus auch der sogenannte Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft (vgl. BayVGH, U. v. 3.12.2014 – 1 B 14.819). Die Aufenthaltsräume in Richtung der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen den Klägern und der Beigeladenen wahren jedoch diesen Sozialabstand. Hierzu dient der Luftraum im ersten und zweiten Dachgeschoss. Der Abstand der daran anschließenden Zimmer in beiden Geschossen beträgt mehr als 5 m. Aus der Loggia an der Westseite des 1. Obergeschosses ist ein Einblick in den Innenhof der Kläger nicht möglich. Die zu den Klägern nächstgelegene Dachgaube an der Ostseite ist mehr als 6 m, die an der Westseite mehr als 8 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Die von der Klägerseite gezogene Parallele zu dem vom Verwaltungsgericht Köln (B. v. 25.3.2013 – 23 L 287/13) entschiedenen Fall ist vorliegend nicht möglich. Dort ging es um einen „heranrückenden Neubau“, während hier ein bestehendes Gebäude eine Nutzungsänderung erfährt. Der Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit beherrschender Wirkung und 37 Wohneinheiten mit Einsichtmöglichkeiten aus insgesamt 17 Wohnungen auf das Grundstück der dortigen Antragsteller, davon von insgesamt 13 Terrassen/Balkonen/Dachterrassen, also von Bereichen, in denen sich typischerweise mehrere Personen auch über längere Zeiträume aufhalten, mag die Rücksichtslosigkeit begründen. Diese Situation stellt jedoch – so das VG Köln – eine vom „Normalfall“ deutlich abweichende Fallgestaltung dar, die für diesen besonderen Einzelfall zu einer abweichenden Bewertung führte. Der hier zu entscheidende Fall kann jedoch nicht damit verglichen werden. In den beiden Dachgeschossen wird sich in Richtung der Kläger jeweils je nur eine Wohnung befinden. Zusätzliche Einblickmöglichkeiten aus der Giebelwand werden nicht geschaffen, das auf den Lichtbildern unmittelbar oberhalb der Garagen noch zu sehende doppelflügelige Fenster ist nach dem neuen Lichtbild bereits zugemauert und für das Bauvorhaben auch nicht mehr eingeplant, von den übrigen vier kleineren Fensteröffnungen dienen die im 2. DG („Luftraum“) allein der Belichtung. Die beiden Fenster im 1. DG eignen sich ob ihrer geringen Größe, ihrer Höhe und der relativ dicken Mauer nur bedingt zur Einsichtnahme in das klägerische Grundstück. Die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung übergebenen Lichtbilder veranlassen das Verwaltungsgericht zu keiner anderen Bewertung. Dem Bauvorhaben kommt keine „erdrückende“ Wirkung zu (vgl. dazu BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; BayVGH, B. v. 20.4.2010 – 2 ZB 07.3200; B. v. 8.2.2010 – 2 AS 09.2907; B. v. 23.8.2011 – 2 CS 11.1218; B. v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454). Die Wirkung des Vorhabens der Beigeladenen auf das klägerische Anwesen unterscheidet sich nicht vom Normalfall. Das Fehlen von Anlagen, von denen aus das Grundstück eingesehen werden kann, stellt eine durch die Baugenehmigung vermittelte Chance dar, deren Vereitelung nicht dem Entzug einer Rechtsposition gleicht (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 – 4 C 5/93). Hinzunehmen ist die mit einer zulässigerweise errichteten Bebauung und Nutzung einhergehende Einsicht. Nachbarn sind grundsätzlich rechtlich nicht gegen Einblickmöglichkeiten von den angrenzenden Grundstücken aus geschützt (vgl. BayVGH, B. v. 30.11.2006 – 14 CS 06.3015; B. v. 5.9.2012 – 15 CS 12.23; B. v. 23.12.2013 – 15 CS 13.1445; zum Schutz vor Einblicken als ausnahmsweise rechtlich geschütztes Nachbarinteresse vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2008 – 1 CS 07.2192; B. v. 8.5.2008 – 14 B 06.2813; B. v. 10.5.2012 – 2 CS 12.795). Vorliegend wird nicht erstmals eine Einblickmöglichkeit in den rückwärtigen Bereich des klägerischen Anwesens geschaffen und entsteht auch nicht eine neue Qualität von Einsichtnahmemöglichkeiten (vgl. BayVGH, B. v. 27.10.1999 – 2 CS 99.2387). In bebauten innerörtlichen Bereichen gehört die Möglichkeit der Einsichtnahme auf ein Grundstück zur Normalität.

Auch hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten Lärmemissionen kann nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung für die Nachbarschaft und damit einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots gesprochen werden. Bei den vom Bauvorhaben zu erwartenden Geräuschemissionen, wie z.B. Gespräche, Zurufe, Abspielen von Tonträgern und Kochvorgänge bei offenen Fenstern, handelt es sich um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, d.h. im Regelfall normale Lebensäußerungen. Von unzumutbaren Störungen oder Belästigungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO kann nicht ausgegangen werden. Es greift vorliegend die Wertung der Baunutzungsverordnung mit ihrer typisierenden Betrachtungsweise zu den verschiedenen Nutzungsarten (vgl. BayVGH, B. v. 6.8.2010 – 15 CS 09.3006).

Nachbarschützend sind die Vorschriften über den Brandschutz von Dächern. Die Dachgauben und Dachfenster halten den nach Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayBO erforderlichen Mindestabstand von 1,25 m ein, die Giebelwand erfüllt die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 5 Satz 1 BayBO (0,30 m über Bedachung). Die mit der Baugenehmigung bezüglich des Brandschutzes u.a. gestattete Abweichung von Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 8 BayBO bezüglich der Fensteröffnungen in der Giebelwand begegnen keinen rechtlichen Bedenken, sie sind ausreichend begründet.

Nachdem auch sonstige Verstöße gegen zu prüfende nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht gegeben sind, musste die Klage mit der gesetzlichen Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abgewiesen werden. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Prozesskostenrisko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 14. Juli 2015 - RN 6 K 13.1841 zitiert 10 §§.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für ein mehrgeschossiges Wohngebäude.

Mit Bescheid vom 5. März 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Genehmigung zur Errichtung einer Wohnanlage mit 14 Wohneinheiten und Tiefgarage auf den Grundstücken FlNrn. 3387 und 3387/3 der Gemarkung N.-L. Der Antragsteller hat hiergegen als Eigentümer der unmittelbar östlich angrenzenden Grundstücke FlNrn. 3384 und 3385 der Gemarkung N.-L. Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zudem hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. August 2014 abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Januar 2000 - 26 CS 99.2723 nicht zutreffend angewandt. Der an der gemeinsamen Grenze stehende, über die Höhe seiner Gebäude hinausreichende Gebäudewandteil des Bauvorhabens müsse danach eine Abstandsfläche einhalten. Da der Baukörper in seiner Massivität in einem erheblichen Umfang über das bestehende Gebäude auf dem Nachbargrundstück hinausrage, lebe die Abstandsflächenproblematik wieder auf.

Das Bauvorhaben sei rücksichtslos, da zumutbare Anpassungen in der Massivität des Vorhabens gegenüber dem Nachbargrundstück nicht vorgenommen würden. So wäre es zumutbar und städtebaulich vernünftig, ein Geschoß niedriger zu bauen. Das Argument, der Antragsteller könne selbst an das neu entstehende Gebäude anbauen, greife im Hinblick auf den Denkmalschutz nicht. Die Antragsgegnerin könnte hier unter Einschaltung der Denkmalbehörde Rechtssicherheit für den Antragsteller schaffen. Mit der Weiterführung des Baus würden vollendete Tatsachen geschaffen, die nach der Lebenserfahrung nicht mehr abänderbar seien, weshalb es dem Beigeladenen zumutbar sei, bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuzuwarten.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. August 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. März 2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Gebäude sei gegenüber dem denkmalgeschützten Gebäude des Antragstellers nicht rücksichtslos. Die dargestellte Höhendifferenz resultiere zum großen Teil aus der unterschiedlichen Dachneigung. Bei Ersetzung des Behelfsdaches des denkmalgeschützten Gebäudes durch ein steileres Dach, ließe sich diese Höhendifferenz erheblich reduzieren, was auch einer denkmalgerechten Erneuerung des im Krieg zerstörten Daches entspreche.

An der Grundstücksgrenze stehe lediglich das dreistöckige Anwesen auf FlNr. 3385 Gemarkung N.-L., nicht jedoch das nördlich gelegene Anwesen. Dort sei ein deckungsgleicher Anbau durchaus möglich. Das Abstandsflächenrecht lebe selbst bei - hier nicht vorliegenden - erheblichen Höhendifferenzen nicht unabhängig vom bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot wieder auf. Denn das landesrechtliche Abstandsflächenrecht sei den bundesrechtlichen Vorgaben nachrangig.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Frage, ob und inwieweit das Einhalten einer Abstandsfläche für einen Teil des Gebäudes gefordert werden könne, wenn die zulässige Gebäudehöhe auf dem Baugrundstück größer sei als auf dem Nachbargrundstück, richte sich hier nach dem im Einfügen verankerten Rücksichtnahmegebot. So sei auch die in Bezug genommene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu verstehen, der zudem eine heute nicht mehr geltende Fassung der Abstandsflächenvorschriften zugrunde gelegen habe.

Das Rücksichtnahmegebot sei vorliegend nicht verletzt, was das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt habe. Dessen tatsächliche Feststelllungen seien vom Antragsteller nicht in Frage gestellt worden. Die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes des Antragstellers auf dem Anwesen U. W.-straße ... werde durch das genehmigte Vorhaben nicht beeinträchtigt. Der Denkmalschutz beruhe allein auf einem Teil der im Gebäude vorhandenen Keller sowie auf der Südfassade des Gebäudes. Bei der Würdigung der Differenz der Firsthöhe könne nicht auf das - ungewöhnlich flache - Behelfsdach dieses Gebäudes abgestellt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Soweit sich der Antragsteller auf die Verletzung der Abstandsflächenvorschriften beruft, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde. Zwar erstreckt sich das Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO auch auf beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 BayBO, so dass im Hinblick auf die von der Beigeladenen beantragte und von der Antragsgegnerin genehmigte Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 2 BayBO zu den Nachbargrundstücken des Antragstellers im Osten auch die Abstandsflächenvorschriften zu prüfen waren (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 7/2014, Art. 59 Rn. 15). Das Verwaltungsgericht hat jedoch zutreffend darauf abgestellt, dass vor der östlichen Außenwand des genehmigten Gebäudes keine Abstandsflächen einzuhalten sind (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO) und deshalb die erteilte Abweichung ins Leere geht.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass hier nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf, da in der näheren Umgebung ganz überwiegend eine Bebauung ohne seitlichen und vorderen Grenzabstand (geschlossene Bauweise) vorhanden ist. Den insoweit maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die sich nachvollziehbar aus den vorliegenden Luftbildern, Plänen und Lichtbildern anlässlich des Augenscheinstermins vom 9. Juli 2014 ergeben, ist der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht entgegengetreten.

Soweit der Antragsteller aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Januar 2000 - 26 CS 99.2723 ableitet, dass das Bauvorhaben aufgrund der sein eigenes Gebäude übersteigenden Firsthöhe einen Grenzabstand einhalten müsse, kann dem nicht gefolgt werden. Denn auch dieser Beschluss geht bei der Frage des Erfordernisses von Abstandsflächen ersichtlich vom Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht aus und stellt daher entscheidungserheblich auf das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ab (vgl. Leitsatz 1). Dementsprechend wird zunächst festgestellt, dass sich die Frage der abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit nicht stellt, weil nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO a. F. an die Grenze gebaut werden (wenn nicht muss, so jedenfalls) darf (Rn. 15), um dann das zulässige Nutzungsmaß im Rahmen der Rücksichtnahme (vgl. Rn. 16 ff) zu bestimmen. Zwar wird in den Beschlussgründen zu den sich hieraus ergebenden Anforderungen für die zulässige Gebäudehöhe an der Grundstücksgrenze der - inzwischen aufgehobene (Gesetz v. 24.7.2007, GVBl I 2007, 499) - Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO a. F. entsprechend herangezogen (vgl. Rn. 16 ff), wobei der Verwaltungsgerichtshof im konkreten Fall einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot allerdings verneint hat (vgl. Rn. 20). Daraus lässt sich indes nicht der Umkehrschluss ziehen, dass diese - mittlerweile aufgehobene - Vorschrift gleichsam generell als (alleiniger) Maßstab dafür heranzuziehen wäre, ob ein Grenzgebäude, das ein ebenfalls grenzständiges Nachbargebäude in der Höhe übersteigt, dem Nachbarn gegenüber rücksichtslos ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen nämlich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat (Rn. 70) - die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - NVwZ 2005, 328 = juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 5).

Von diesen Grundsätzen geht auch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss aus, wenn zunächst das Gebot der Rücksichtnahme im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 BauGB geprüft und danach anhand der tatsächlichen Feststellungen ausgeführt wird, dass hier nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf, da in der näheren Umgebung ganz überwiegend eine Bebauung ohne seitlichen und vorderen Grenzabstand (geschlossene Bauweise) vorhanden ist (vgl. Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, a. a. O., Art. 6 Rn. 78). Das Abstandsflächenrecht tritt demnach zurück; die Zulässigkeit der Grenzbebauung richtet sich allein nach § 34 Abs. 1 BauGB und dem im Einfügen enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (Dhom in Simon/Busse, BayBO, Stand: 12/2013, Art. 6 Rn. 46 ff.; Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, a. a. O., Art. 6 Rn. 9). Eine Differenzierung danach, ob die Grenzwand dem Anbau auf dem Nachbargrundstück in Höhe und Tiefe entspricht, erfolgt dabei im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht. Dies ist vielmehr im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu beurteilen.

Die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Prüfung anhand des Rücksichtnahmegebots ist nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat hier - abweichend von der Regel, dass im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keine weitere Sachaufklärung stattfindet - einen Augenschein durchgeführt, um sich ein eigenes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen im näheren Umgriff des Bauvorhabens zu machen. Unter Würdigung des Ergebnisses des Augenscheins hat es hierbei bezogen auf die Höhenentwicklung des Vorhabens eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots angesichts der von ihm konkret vorgefundenen städtebaulichen Situation nachvollziehbar und überzeugend verneint (Rn. 72 ff.). Zwar muss sich im Falle des § 34 Abs. 1 BauGB die grenzständige Bebauung in Tiefe und Höhe stärker an die unmittelbar angrenzende Bebauung halten (Dhom in Simon/Busse, a. a. O., Art. 6 Rn. 52), das Verwaltungsgericht hat jedoch den maßstabbildenden Rahmen und die entscheidungserheblichen Erwägungen im Rahmen des Rücksichtnahmegebots umfassend dargestellt. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten; allein der Hinweis auf die baurechtliche Möglichkeit einer niedrigeren Geschossigkeit vermag die Richtigkeit der erstinstanziellen Ausführungen nicht in Frage zu stellen. Gleiches gilt für den Vortrag hinsichtlich des Denkmalschutzes, da nach den Ausführungen der Antragsgegnerin, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, nur das dreistöckige Gebäude auf FlNr. 3385 der Gemarkung N.-L. (U. W.-straße ...), nicht jedoch das Anwesen auf Flur-Nr. 3384 der Gemarkung N.-L. (U. W.-straße ...) unter Denkmalschutz steht. Insoweit sind die Überlegungen zu einem dort möglichen deckungsgleichen Anbau im Rahmen der Entscheidung nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Der Streitwert richtet sich nach § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Einbau einer Wohnung in ein Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen FlNr. .../...der Gemarkung G.

Das Landratsamt D.erteilte dem damaligen Eigentümer dieses Grundstücks nach vorhergehender Baueinstellung mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit einer Gebäudelänge von ca. 33 m und einer Gebäudebreite von ca. 11 m. Im Erdgeschoss des Gebäudes umfasst sie ein Lager für Baugerüste und Baumaterial sowie für Garagen; eine gesonderte Festlegung zur Nutzung des Dachgeschosses ist den Plänen nicht zu entnehmen‚ allerdings sind die in der Eingabeplanung enthaltenen und tatsächlich auch eingebauten Dachfenster mit dem Vermerk „keine Dachfenster“ gestrichen. Der Abstand der westlichen Außenwand des Nebengebäudes zur Grenze des Grundstücks der Klägerin auf FlNr. .../... der Gemarkung G. beträgt ca. 0‚5 m. Bereits während der Bauarbeiten und vor Erteilung der Genehmigung war im nördlichen Teil auf einer Tiefe (von Norden her gemessen) von 8‚90 m eine Wohnung eingebaut worden. Ein hierfür eingereichter Bauantrag vom 27. Oktober 1964 wurde nicht verbeschieden; die Bauakte ist mit dem Vermerk „Ablehnung“ versehen.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 genehmigte das Landratsamt D. unter Erteilung einer Abweichung für das Unterschreiten der Abstandsflächen um 2‚50 m zur Grundstückgrenze der Klägerin die Nutzungsänderung für den Einbau einer Wohnung im nördlichen Teil des Dachgeschosses.

Die hiergegen erhobene Klage‚ die u. a. auch auf die mit der Erteilung der Baugenehmigung erstmals geschaffenen Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Klägerin sowie Brandschutzaspekten begründet wurde‚ wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. September 2012 ab. Es liege ein atypischer Fall vor‚ da es sich bei dem Nebengebäude um ein bestandsgeschütztes Gebäude handle; der Einbau von Dachfenstern habe den Bestandsschutz nicht in Frage gestellt‚ da es sich dabei nicht um eine abweichende Bauausführung handle‚ welche die Identität des gesamten Gebäudes in Frage stelle. Brandschutzrechtliche Vorschriften seien im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Im Übrigen werde der Belang des Brandschutzes durch die Nutzungsänderung nicht weitergehend beeinträchtigt als durch die bestehende bestandsgeschützte Nutzung. Zu berücksichtigen sei weiterhin‚ dass das Dachgeschoss bereits seit Jahrzehnten faktisch zu Wohnzwecken genutzt werde. Die Einsichtsmöglichkeiten aus den drei Dachflächenfenstern seien gering und beträfen vorrangig die nördliche Grünfläche des Grundstücks der Klägerin‚ so dass jedenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung vorliege.

Mit der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:

Es liege bereits kein atypischer Fall vor‚ weil das Nebengebäude planabweichend errichtet sowie von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt und damit nicht bestandsgeschützt sei. Es habe sich von Anfang an jedenfalls hinsichtlich seiner Nutzung als ein „aliud“ gegenüber der Baugenehmigung dargestellt. Bei der Nutzung des Dachgeschosses handle sich insgesamt um eine vollständig neue Nutzung‚ da mit der genannten Baugenehmigung nicht einmal eine Lagernutzung genehmigt sei. Brandschutzrechtliche Fragen seien vom Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften mit umfasst‚ so dass sie auch im vereinfachten Verfahren und damit im Rahmen der Abweichungsentscheidung zu den Abstandsflächenvorschriften zu prüfen seien. Nicht hinreichend berücksichtigt habe der Beklagte den von diesen Vorschriften intendierten ausreichenden Sozialabstand zum Grundstück der Klägerin und die damit verbundenen Einblickmöglichkeiten. Durch die Genehmigung der Wohnnutzung würden solche zwar nicht auf das Wohngebäude der Klägerin‚ jedoch auf den ebenfalls schutzbedürftigen‚ wohnakzessorischen Bereich im Garten geschaffen.

Die Klägerin beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und den Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem vorhandenen Bestandsgebäude handle es sich entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern um das Betriebsgebäude einer Baufirma. Der Nachbarschutz des Abstandsflächenrechts sei bei bestehenden Gebäuden‚ die die Abstandsflächen nicht einhielten‚ eingeschränkt. Von der beabsichtigten Wohnnutzung sei lediglich der rückwärtige‚ im Norden gelegene Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin betroffen‚ der bereits dem Außenbereich angehören dürfte. Hinzu komme‚ dass die streitgegenständliche Wohnnutzung im Dachgeschoss seit Jahrzehnten ausgeübt werde. Ihre Legalisierung lasse keine nachhaltigen Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin erwarten.

Der Senat hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt‚ auf deren Feststellungen Bezug genommen wird. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet‚ da das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Aus diesem Grund sind das Urteil des Verwaltungsgerichts und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO) im Hinblick auf die nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfreie und damit nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des Nebengebäudes zu Wohnzwecken liegen nicht vor. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen‚ wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar sind. Die erteilte Abweichung ist mit dem Normzweck des Abstandsflächenrechts, das auch den sog. Wohnfrieden schützt, nicht vereinbar. Sie ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt wird‚ die dann im Wege der Abweichung zugelassen werden kann‚ haben Abweichungen von den Regeln des Abstandsflächenrechts zur Folge‚ dass dessen Ziele oft nur unvollkommen verwirklicht werden. Es müssen also Gründe vorliegen‚ durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an den Schutzgütern des Abstandsflächenrechts im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische‚ von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (z. B. BayVGH‚ B.v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris; U.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; OVG Berlin-Brandenburg‚ B.v. 19.12.2012 - OVG 2 S 44.12 - NVwZ-RR 2013‚ 400; OVG Bremen‚ B.v. 8.4.2013 - 1 B 303/12 - NVwZ 2013‚ 1027; kritisch zur Atypik neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt‚ einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben (zusammenfassend z. B. BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858 m. w. N.). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers‚ vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren‚ eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (zusammenfassend BayVGH a. a. O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall eine atypische Grundstückssituation bereits deshalb bejaht werden‚ da ein zu einer Nebennutzung genehmigtes Gebäude mit noch nutzbarer‚ einen wirtschaftlichen Wert darstellender Bausubstanz vorhanden und in dieser Nutzung bestandsgeschützt ist‚ da es zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 6. Dezember 1961 nach der damals geltenden Bayerischen Bauordnung 1901 eine Abstandsfläche nicht einhalten musste und eine Abweichung deshalb nicht erforderlich war. Dabei ist nicht entscheidungserheblich‚ ob es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern - wie der Beklagte meint - um das Betriebsgebäude einer Baufirma handelte. Gleiches gilt für die Tatsache‚ dass der frühere Bauherr im Widerspruch zu den Festsetzungen der Baugenehmigung in das Gebäude Dachfenster eingebaut hat.

2. Eine atypische Fallgestaltung ist zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist der Zweck der jeweiligen Anforderung‚ in diesem Fall des Abstandsflächenrechts‚ zu berücksichtigen. Insofern entspricht es gesicherter Auffassung‚ dass der Zweck des Abstandsflächenrechts darin besteht‚ eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für notwendige Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern (z. B. BayVGH‚ U.v. 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224 - BayVBl 1986‚ 143; U.v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - VGHE n. F. 48‚ 24). Dies kann bereits unmittelbar den gesetzlichen Vorschriften des Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2‚ Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO entnommen werden. Der Senat ist allerdings der Auffassung‚ dass darüber hinaus auch der sog. Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen ist. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft. Zwar besteht nach herrschender Meinung Einigkeit‚ dass -ungeachtet eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall - der Wohnfrieden insbesondere bei Einblickmöglichkeiten in Nachbargrundstücke planungsrechtlich grundsätzlich nicht geschützt ist (BVerwG‚ B.v. 24.4.1989 - 4 B 72.89 - NVwZ 1989‚ 1060; BayVGH‚ B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris); denn das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart‚ des Nutzungsmaßes‚ der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen (BVerwG a. a. O.). Demgegenüber sollen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch dem Interesse dienen‚ unmittelbare Einblicke zu begrenzen (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.7.2010 - 15 CS 10.1151 - juris Rn. 19; U.v. 8.5.2008 - 14 B 06.2813 - juris; eindeutig ablehnend wohl nur VGH BW‚ B.v. 18.3.2014 - 8 S 2628/13 - NVwZ-RR 2014‚ 545‚ allerdings zur Rechtslage in Baden-Württemberg). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen‚ dass die amtliche Begründung zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung im Jahr 1997 (s. LT-Drs. 13/7008 S. 29 f.) als Regelungszweck noch ein „Mindestmaß an Belichtung‚ Belüftung‚ Besonnung und Sozialabstand“ genannt hatte‚ während dieser Begriff in der amtlichen Begründung zur BayBO-Novelle im Jahr 2007 (s. LT-Drs. 15/7161 S. 43, 73) nicht mehr ausdrücklich enthalten ist. Daraus lässt sich nicht zwingend herleiten‚ dass der Wohnfrieden nun nicht mehr gesetzlich geschützt werden soll. Eher in das Gegenteil weisen die Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 Nr. 2 BayBO und des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO. Nach ersterer Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 ausnahmsweise nur dann überdecken‚ wenn es sich um Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof handelt. Aus Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO folgt‚ dass grundsätzlich nur Gebäude ohne Aufenthaltsräume unter den dort bestimmten engen Voraussetzungen in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. Aus den Vorschriften lässt sich demnach der Grundsatz herleiten‚ dass die Abstandsflächenvorschriften auch dem Schutz des Wohnfriedens dienen (vgl. zum - zivilrechtlichen - Schutzzweck des Art. 43 AGBGB der Wahrung des Wohnfriedens auch BayVerfGH‚ E.v. 14.12.2011 - Vf.108-VI-10 - BayVBl 2012‚ 332; kritisch neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65) und dass nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen in aller Regel nicht zulässig sind (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht).

3. Eine Abweichung für Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen kann daher nur zugelassen werden, wenn im Einzelfall die vom Abstandsflächenrecht geschützten Zwecke nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden und wenn die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar ist. Daraus folgt‚ dass es bei der Zulassung einer Nutzungsänderung unter (erheblicher) Abweichung von den Abstandsflächen - wie hier - maßgeblich sowohl auf die künftige Art der Nutzung als auch auf den Umfang der Abweichung ankommt. Das Interesse des Bauherrn‚ eine bessere wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes‚ insbesondere eine Wohnnutzung‚ herbeizuführen‚ reicht demgegenüber für die Erteilung einer Abweichung grundsätzlich nicht aus.

Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes:

Auf die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückte Frage‚ dass es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude - entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung - nicht um ein Nebengebäude‚ sondern um das ehemalige Betriebsgebäude einer Baufirma handeln solle‚ kommt es nicht an. Die hier genehmigte Nutzungsänderung betrifft allein eine - erstmalige - Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Nachbargrenze‚ die aus den drei westlichen‚ zum Grundstück der Klägerin hin gerichteten Dachflächenfenstern erstmals dauerhaft Einblickmöglichkeiten jedenfalls in den Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin ermöglicht. In einer solchen Situation kommt dem Normzweck und den Interessen des Nachbarn, Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen zu verhindern, von vornherein eine Priorität gegenüber den Interessen des Bauherrn zu mit der Folge‚ dass im Regelfall eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634). Die Frage‚ ob die dem Wohnhaus der Klägerin nördlich vorgelagerte Grundstücksfläche teilweise oder insgesamt dem Außenbereich zuzurechnen ist und deshalb möglicherweise nicht mit einem Wohngebäude bebaut werden kann‚ ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Auch die Tatsache‚ dass die Wohnnutzung im Dachgeschoss Jahrzehnte ausgeübt worden ist‚ führt zu keinem anderen Ergebnis‚ da eine Legalisierungswirkung durch die formell und materiell rechtswidrige Nutzung nicht eingetreten ist.

4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall brandschutzrechtliche Vorschriften hätten geprüft werden müssen. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften wie denjenigen des Abstandsflächenrechts kann der Nachbar nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Wie bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von einer nachbarschützenden Bebauungsplanfestsetzung (siehe hierzu BVerwG‚ B.v. 8.7.1998 - 4 B 64.98 - BayVBl 1999‚ 26 m. w. N.) ist er auch dann in seinen Rechten verletzt‚ wenn die Abweichung aus einem anderen Grund mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar und damit objektiv rechtswidrig ist (BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung‚ Art. 63 Rn. 29). Allerdings hat der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht. Es sind lediglich die Belange in die Abwägung einzustellen, die durch die die Abweichung auslösende konkrete Maßnahme erstmals oder stärker als bisher beeinträchtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 a. a. O.; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Nach alledem hätte das Landratsamt, auch ohne dass es eines gesonderten Antrags auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bedurfte, hier die Vorschrift des Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayBO prüfen müssen.

Der Beklagte trägt als Unterliegender die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst‚ da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.