Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 04. Juni 2014 - 2 K 14.413

published on 04/06/2014 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 04. Juni 2014 - 2 K 14.413
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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Klägerin geht es um die Aberkennung des mittleren Bildungsabschlusses.

Die am ...1993 geborene Klägerin besuchte die Hauptschule P. und erwarb dort mit Zeugnis vom 25.7.2008 den qualifizierenden Hauptschulabschluss. Im Schuljahr 2008/2009 besuchte sie die Staatliche Berufsschule I in P1. und trat am 15.9.2009 in die Berufsfachschule für Kinderpflege P2. ein, wo sie im Schuljahr 2009/10 das erste Schuljahr und im Schuljahr 2010/11 das zweite Schuljahr besuchte. Mit Urkunde vom 22.7.2011 wurde ihr die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte Kinderpflegerin“ verliehen. Nach dem Abschlusszeugnis der Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege P2. vom 22.7.2011 hat die Klägerin die Staatliche Abschlussprüfung mit der Prüfungsgesamtnote 2,60 = befriedigend bestanden. Ferner wurde ihr mit Zeugnis der Staatlichen Berufsfachschule P2. vom 22.7.2011 gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BayEUG der mittlere Schulabschluss verliehen. Nachdem der Schulleiter festgestellt hatte, dass übersehen wurde, dass die Neuregelung im BayEUG nur für Berufsschulen nicht aber für Berufsfachschulen gelte, und dadurch an 15 Absolventinnen der Berufsfachschulen für Hauswirtschaft bzw. Kinderpflege mit Abschlussnoten zwischen 2,51 und 3,0 Zeugnisse über den mittleren Schulabschluss nachträglich verschickt worden seien, wurde die Klägerin mit Bescheid der staatlichen Berufsfachschule P2. vom 28.10.2011 gebeten, das Zeugnis über den mittleren Bildungsabschluss zurückzuschicken bzw. abzugeben. Das Zeugnis sei ungültig. Die vom Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus getroffene Regelung gelte nur für Berufsschülerinnen und -schüler. Mit Schreiben vom 18.11.2011 erhob die Klägerin „Einspruch“. Es stelle eine Diskriminierung der Berufsfachschüler dar, wenn Berufsschülern mit einem Notendurchschnitt von 3,0 das Zeugnis über den mittleren Bildungsabschluss erteilt werde. Da die berufliche Zukunft aufgrund der Zusage des mittleren Bildungsabschlusses bereits geplant sei, weigere sich die Klägerin das Dokument abzugeben bzw. zurückzuschicken.

Nach den Schreiben des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus vom 12. und 30.12.2011 sei bislang der mittlere Schulabschluss an Berufsschulen und Berufsfachschulen in Bayern bei einem Notendurchschnitt von mindestens 2,5 und befriedigenden Englischkenntnissen gewährt worden. Die Berufsschulordnung sei rückwirkend dahingehend geändert worden, dass die Verleihung eines mittleren Schulabschlusses an Berufsschulen mit einem Notendurchschnitt von 3,0 erfolgen solle. Da sowohl die Berufsschule als auch die Berufsfachschule der Erlangung einer beruflichen Erstausbildung dienten, sei eine Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler beider Schularten geboten, es müsse jedoch erst eine Rechtsgrundlage geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund strebe das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus eine Änderung des BayEUG an. Die neue Regelung könne mit Wirkung vom 1.8.2011 in Kraft treten. Die Verleihung des mittleren Schulabschlusses an die Klägerin sei rechtswidrig, da zum Zeitpunkt der Verleihung keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Die Staatliche Berufsfachschule für Kinderpflege P2. habe sich vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung anderer Berufsfachschülerinnen und Berufsfachschüler gezwungen gesehen, den rechtswidrigen Zustand zu beheben. Dürften die betroffenen Schüler ihr Zeugnis behalten, würde dies eine Benachteiligung all derer bedeuten, bei denen die gleichen Voraussetzungen vorlägen, deren Schulen sich jedoch rechtmäßig verhalten hätten und keine Zeugnisse über den mittleren Schulabschluss ausgestellt hätten. Soweit eine unbillige Härte vorliege, könne ein Ausbildungsabbruch durch Genehmigung einer Ausnahme von den Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall abgewendet werden. Die Anstellung der Klägerin sei unabhängig vom Vorliegen des mittleren Schulabschlusses erfolgt und eine Einziehung des Zeugnisses habe keine negativen Konsequenzen auf das Beschäftigungsverhältnis.

Das Schreiben der Klägerin vom 18.11.2011 legte die Regierung von Niederbayern als Widerspruch aus.

Mit Schreiben vom 25.1.2012 ließ die Klägerin ihren Widerspruch begründen. Es gehe um die Rücknahme eines begünstigenden rechtmäßigen Verwaltungsakts. Die Gleichbehandlung der Schüler beider Ausbildungssysteme (Berufsschule/Berufsfachschule) entspreche dem Recht. Für die Gleichbehandlung fehle es lediglich an der entsprechenden gesetzlichen Bestimmung. Der Verwaltungsakt müsse bei nunmehriger Beantragung erneut mit gleichem Inhalt erlassen werden. Ein Widerruf sei dem Verwaltungsakt nicht vorbehalten worden. Selbst gegenüber dem Rücknahmebegehren eines rechtswidrig erlassenen Verwaltungsakts sei die Klägerin berechtigt, sich auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts zu berufen.

Mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 13.2.2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Bei der Zuerkennung des mittleren Bildungsabschlusses an der Berufsfachschule für Kinderpflege P2. im Juli 2011 handle es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, da zum Entlassungs- bzw. Zeugnistermin am 22.7.2011 keine Rechtsgrundlage für die Verleihung des mittleren Bildungsabschlusses bestanden habe. Diese Frage beurteile sich nach Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts mithin zum 22.7.2011. Zu diesem Zeitpunkt sei der mittlere Schulabschluss in Bayern erst bei einem Notendurchschnitt von mindestens 2,50 gewährt worden. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Gesetzesänderung, die mit dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom 9.7.2012 einhergehe und eine Verleihung des mittleren Schulabschlusses in Berufsfachschulen bis zu einem Notendurchschnitt von 3,0 zulasse, könne hieran nichts ändern, da diese Neuregelung erst zum 1.8.2011 und damit nach Erlasszeitpunkt des fraglichen Verwaltungsakts in Kraft getreten sei. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung sei nicht gegeben. Die nachträgliche Änderung der Rechtslage könne an der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nichts ändern. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Die durch Gesetz vom 9.7.2012 hervorgerufene Änderung für Berufsfachschulen habe nach dem im Gesetz in § 6 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen nur mit Rückwirkung zum 1.8.2011 in Kraft treten sollen. Die Tatsache, dass eine Rückwirkung zwar ausdrücklich vorgesehen sei, die Regelung jedoch erst zum 1.8.2011 in Kraft getreten sei, zeige deutlich, dass zuvor ergangene Verwaltungsakte nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen und damit weiterhin als rechtswidrig angesehen werden sollten. Das persönliche Interesse am Fortbestand eines rechtswidrigen Verwaltungsakts müsse zurückstehen.

Am 3.3.2014 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erheben lassen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Art. 48 BayVwVfG könne nicht als Rechtsgrundlage für die Aberkennung des mittleren Berufsschulabschlusses per Bescheid vom 28.10.2011 in Form des Widerspruchsbescheids vom 13.2.2014 dienen, da die Zuerkennung rechtmäßig erfolgt sei. Rechtsgrundlage seien Art. 11, 13 BayEUG entsprechend i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Diskriminierung in Art. 13 BayEUG (a. F.), Berufsfachschüler den mittleren Bildungsabschluss mit einem Notendurchschnitt von mindestens 2,5 zu gewähren, sei rechtswidrig. Eine Analogie zu Art. 11 BayEUG, auch Berufsfachschülern wie Berufsschülern den mittleren Bildungsabschluss mit einem Schnitt bis 3,0 zu gewähren, ergebe sich aus dem Gebot der Gleichbehandlung, da sowohl die Berufsschulen als auch die Berufsfachschulen der Erlangung einer beruflichen Erstausbildung dienten. Mit einer Analogie könne die Regelungslücke geschlossen werden, die mittlerweile nicht mehr nötig sei, da ausdrücklich eine gesetzliche Anspruchsgrundlage in Art. 13 BayEUG geschaffen sei. Selbst wenn man unterstelle, die Zuerkennung des mittleren Bildungsabschlusses sei rechtswidrig gewesen, sei die Aberkennung durch den Bescheid vom 28.10.2011 i. d. F. des Widerspruchsbescheids vom 13.2.2014 immer noch rechtswidrig und ermessensfehlerhaft. Der Ermessensfehler zeige sich in der fehlenden Berücksichtigung, wie lange das Zeugnis wirksam verliehen sei. Das Zeugnis sei seit 25.7.2011 wirksam (Art. 43 Abs. 1, 41 Abs. 2 BayVwVfG). Es werde nunmehr nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens vom 13.2.2014 für ungültig erklärt, weil es nicht am 1.8.2011 erlassen worden sei. Es sei für die Klägerin nicht erkennbar, weshalb die Widerspruchsbehörde einen begünstigenden Verwaltungsakt, der solange bestandskräftig gewesen sei und auf Antrag heute wieder so erlassen werden müsse, unter Berufung auf Art. 48 BayVwVfG zurücknehme. Der Rechtsgedanke der Verwirkung sei nicht berücksichtigt. Die Widerspruchsbehörde habe über 2 Jahre nicht über den Widerspruch entschieden. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG gelte. Aus dem Schreiben vom 28.10.2011 zeige sich, dass der Schule bewusst gewesen sei, dass eine Änderung des BayEUG geplant sei. Die Rücknahme sei verwirkt und hätte in jedem Fall in der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden müssen. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass die Klägerin ihre berufliche Zukunft aufgrund der Zusage des mittleren Bildungsabschlusses geplant habe und das seit Juli 2011 wirksame Zeugnis bis zum heutigen Tag verwendet habe. Den Umstand des Rechtssicherheitsinteresses am Bestand des Schulabschlusses habe die Widerspruchsbehörde nicht hinreichend berücksichtigt. Ein gleichlautendes Zeugnis müsse wieder erteilt werden. Die Rückforderung des Zeugnisses sei unverhältnismäßig, so dass sich das Ermessen auf null reduziert habe.

Die Klägerin beantragt,

der Bescheid der Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege P2. vom 28.10.2011 i. d. F. des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 13.2.2014 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zutreffende Rechtsgrundlage sei Art. 48 BayVwVfG. Zum Zeitpunkt des Erlasses sei der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen, da er nicht geltendem Recht entsprochen habe. Zum Zeitpunkt der Aushändigung des Zeugnisses über den mittleren Bildungsabschluss an die Klägerin habe nach Art. 13 Satz 4 BayEUG, §§ 46 Abs. 2, 46 a BFSOHwKiSo ein mittlerer Bildungsabschluss für Absolventinnen und Absolventen einer Berufsfachschule nur bei einem Notendurchschnitt von mindestens 2,5 verliehen werden können. Bei Bestehen der Abschlussprüfung gebe es lediglich 4 Notenstufen, da nur bis zu einer Prüfungsgesamtnote von 4,50 („ausreichend“) die Prüfung als bestanden gelte. „Überdurchschnittliche Leistungen“ entsprächen daher den Notenstufen „sehr gut“ und „gut“ (bis 2,50). Auch nach allgemeinem Grundsatz gelte, dass bei einer sechsstufigen Notenskala von „sehr gut“ bis „ungenügend“ eine „überdurchschnittliche Leistung“ mindestens der Notenstufe „gut“ (2,50) entspreche. Dies entspreche auch der Intention des Gesetzgebers, der durch die Absenkung der Anforderungen von „überdurchschnittlichen Leistungen“ (bis Note 2,50) auf „Notendurchschnitt von mindestens 3,0“ eine Erleichterung für die Schülerinnen und Schüler habe schaffen wollen. Durch ein Versehen der Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege P2. sei der Klägerin zusätzlich zu ihrem Abschlusszeugnis das Dokument über den mittleren Bildungsabschluss ausgehändigt worden. Eine Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie liege nicht vor. Es sei für jedes Schuljahr eine Regelung vorhanden. Die Berufsfachschule sei zwar eine berufliche Schule aber gerade keine Berufsschule. Art und Inhalt der Ausbildung dieser Schulen seien nicht identisch. In § 6 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften vom 9.7.2012 sei festgelegt, dass die Neuregelung des Art. 13 BayEUG erst rückwirkend zum 1.8.2011 in Kraft trete. Der erste Jahrgang von Absolventen der Berufsfachschule, für die diese Regelung gelte, sei der Abschlussjahrgang 2011/2012. Es sei daher nicht zutreffend, dass der Verwaltungsakt auf Antrag heute wieder so erlassen werden müsse. Das Zeugnis vom 22.7.2011 sei zum Zeitpunkt der Rückforderung durch die Schule mit Schreiben vom 28.10.2011 noch nicht bestandskräftig gewesen, da dem Zeugnis keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden sei. Im Übrigen sei es gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auch möglich, bestandskräftige rechtswidrige Verwaltungsakte zurückzunehmen. Der Rechtsgedanke der Verwirkung greife nicht. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG beziehe sich nicht auf den Erlass des Widerspruchsbescheids, sondern auf den Rücknahmebescheid vom 28.10.2011. Die Klägerin sei hinsichtlich der Zuerkennung des mittleren Bildungsabschlusses seit 28.10.2011 nicht gutgläubig gewesen. Den Beruf der angestellten Kinderpflegerin könne die Klägerin auch weiterhin ausüben, da sie die Ausbildung zur Kinderpflegerin erfolgreich abgeschlossen habe. Dieses Zeugnis vom 22.7.2011 sei nicht Klagegegenstand.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege P2. vom 28.10.2011 i. d. F. des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 13.2.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Zeugnisses über den mittleren Schulabschluss vom 22.7.2011 ist Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG. Denn das Zeugnis als Dokument der Entscheidung über das Erfüllen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Bildungsabschlusses stellt einen Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar (vgl. zur Einstufung eines Zeugnisses als Verwaltungsakt BayVGH, U. v. 18.3.1998 - 7 B 97.2673 - juris).

Dieses Zeugnis, in dem der Klägerin der mittlere Schulabschluss bescheinigt wird, ist rechtswidrig im Sinne des Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG.

Nach dem Abschlusszeugnis vom 22.7.2011 hat die Klägerin im Schuljahr 2010/2011 nach Besuch der Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege P2. die staatliche Abschlussprüfung mit der Prüfungsgesamtnote 2,60 = befriedigend bestanden. Die Notenbildung richtet sich nach §§ 43, 44, 45 der Schulordnung für die Berufsfachschulen für Hauswirtschaft, für Kinderpflege und für Sozialpflege (Berufsfachschulordnung Hauswirtschaft, Kinderpflege und Sozialpflege - BFSOHwKiSo). Das Abschlusszeugnis gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BFSOHwKiSo enthält die Gesamtnoten der Fächer des zweiten Schuljahres und die Jahresfortgangsnoten der Fächer, die im ersten Schuljahr abgeschlossen wurden, eine Prüfungsgesamtnote und die zuerkannte Berufsbezeichnung. Gemäß § 46 Abs. 2 BFSOHwKiSo wird die Gesamtprüfungsnote aus der Summe der Noten der Vorrückungsfächer geteilt durch die Summe der Vorrückungsfächer auf 2 Dezimalstellen errechnet. Gemäß § 31 BFSOHwKiSo sind Vorrückungsfächer alle Pflichtfächer mit Ausnahme des Fachs Sport an den Berufsfachschulen für Hauswirtschaft und für Sozialpflege. Die Fächer ergeben sich aus der Stundentafel für die Berufsfachschulen für Kinderpflege (Anlage 2 zur BFSOHwKiSo). Die Noten auf dem Abschlusszeugnis stimmen mit dem beiliegenden Notenbogen im Ergebnis überein. Hieraus lässt sich die Prüfungsgesamtnote von 2,60 nachvollziehbar errechnen (= 39 : 15 = 2,60). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BFSOHwKiSo wird als Prüfungsgesamtnote von 2,51 bis 3,50 die Note „befriedigend“ erteilt.

Gemäß Art. 13 Satz 4 BayEUG in der bis 31.7.2011 geltenden Fassung wird mit dem Abschlusszeugnis einer mindestens zweijährigen Berufsfachschule, die zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung führt, bei überdurchschnittlichen Leistungen und dem Nachweis befriedigender Kenntnisse in Englisch, die dem Leistungsstand eines fünfjährigen Unterrichts entsprechen, der mittlere Schulabschluss verliehen. Vorliegend hat die Klägerin eine zweijährige Berufsfachschule durchlaufen, die zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung, nämlich der der Kinderpflegerin, geführt hat. Sie hat auch befriedigende Kenntnisse im Fach Englisch nachgewiesen. Jedoch hat sie nicht überdurchschnittliche Leistungen i. S. d. Art. 13 Satz 4 BayEUG in der bis 31.7.2011 geltenden Fassung nachgewiesen, da sie in der Gesamtprüfungsnote nur die Note „befriedigend“ (2,60) erzielt hat. Nach § 46 a BFSOHwKiSo wird nämlich nur bei der Prüfungsgesamtnote „gut“ oder „sehr gut“ mit dem Abschlusszeugnis der mittlere Schulabschluss verliehen, wenn befriedigende Kenntnisse in Englisch nachgewiesen werden. Unter Berücksichtigung von § 46 Abs. 2 Satz 2 BFSOHwKiSo hätte die Klägerin einen Notendurchschnitt von mindestens 2,50 erreichen müssen, da die Note „sehr gut“ bis zu einer Prüfungsgesamtnote von 1,50, „gut“ bis zu einer Prüfungsgesamtnote von 1,51 bis 2,50 verliehen wird.

Es widerspricht auch nicht allgemeinen Grundsätzen, wenn in Art. 46 a BFSOHwKiSo in Ausfüllung von Art. 13 Satz 4 BayEUG in der bis 31.7.2011 gültigen Fassung gefordert wird, dass überdurchschnittliche Leistungen nur diejenigen sind, die im Rahmen 1,0 bis 2,5 („sehr gut“ bzw. „gut“) liegen, so dass Grenze für eine überdurchschnittliche Leistung die Prüfungsgesamtnote 2,50 ist, d. h. die Note „befriedigend“ (ab 2,51) zum mittleren und nicht mehr überdurchschnittlichen Bereich zu rechnen ist. Bei einer schlechteren Note als 4,50, d. h. bei einem schlechteren Ergebnis als der Prüfungsgesamtnote „ausreichend“ werden ein Abschlusszeugnis i. S. d. § 46 BFSOHwKiSo wie auch die Urkunde „Staatlich geprüfte Kinderpflegerin“ nicht verliehen.

Nach Art. 13 Satz 4 BayEUG in der ab 1.8.2011 gültigen Fassung genügt für die Verleihung des mittleren Schulabschlusses ein Notendurchschnitt von mindestens 3,0. Die Klägerin kommt jedoch nicht in den Genuss dieser Regelung.

Art. 13 Satz 4 BayEUG in der ab 1.8.2011 gültigen Fassung wurde durch § 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften vom 9.7. 2012 erlassen. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 dieses Gesetzes tritt § 2 Nr. 6 mit Wirkung vom 1. August 2011 in Kraft.

Sonach galt Art. 13 Satz 4 BayEUG in der Fassung, wonach bei einem Notendurchschnitt von mindestens 3,0 der mittlere Schulabschluss verliehen werden kann, erst ab 1.8.2011. Die entsprechenden Reglungen in der BFSOHwKiSo (§§ 46, 46 a) sind bis zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht geändert. Das Zeugnis der Klägerin wurde zum 22.7.2011 ausgefertigt.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf die für die Berufsschulen geltende Regelung des Art. 11 BayEUG berufen. Die günstigere Regelung des Art. 11 BayEUG, wonach ein Notendurchschnitt von mindestens 3,0 im Abschlusszeugnis genügt (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayEUG), um den mittleren Schulabschluss zuerkannt zu bekommen, trat zwar nach der Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften vom 9.7.2012 bereits zum 1.8.2010 in Kraft und hätte damit zeitlich am 22.7.2011 und damit für das Schuljahr 2010/2011 bereits gegolten. Jedoch erfasst Art. 11 BayEUG nicht die Berufsfachschüler, sondern nur die Berufsschüler, ebenso wie § 48 Abs. 2 Satz 1 Berufsschulordnung - BSO -, der den mittleren Bildungsabschluss bei einer Durchschnittsnote von 3,0 vorsieht und rückwirkend zum 1.8.2010 in Kraft trat (s. § 1 Nr. 6, § 2 der Verordnung zur Änderung der Berufsschulordnung vom 30.6.2011, GVBl. 2011 S. 295). Das Zeugnis über den mittleren Schulabschluss vom 22.7.2011 bezieht sich hierbei fälschlicherweise auf Art. 11 BayEUG, da die Klägerin Berufsfachschülerin war. Art. 11 Bay EUG ist auch nicht analog auf Berufsfachschüler anwendbar. Da Art. 11 BayEUG eine eigenständige Regelung für Berufsschüler und Art. 13 BayEUG für Berufsfachschüler treffen, fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke.

Im Zeitpunkt der Zeugniserteilung am 22.7.2011 sah lediglich § 48 Abs. 2 Satz 1 BSO seit der Verordnungsänderung vom 30.6.2011 rückwirkend ab 1.8.2010 für Berufsschüler die erleichterten Voraussetzungen der Durchschnittsnote von 3,0 vor, wobei zu diesem Zeitpunkt Art. 11 BayEUG noch nicht geändert war. Auch durch die Rückwirkung der Änderung von Art. 13 Satz 4 BayEUG (§ 2 Nr. 6, § 6 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften vom 9.7.2012) wurde aufgrund des Stichtags 1.8.2011 keine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass Berufsfachschüler, die zum 1.8.2011 die Schulausbildung bereits abgeschlossen haben, ab dem Zeitpunkt 1.8.2011 nachträglich einen mittleren Schulabschluss zuerkannt bekommen, wenn sie nun im Rahmen der Neufassung des Art. 13 Satz 4 BayEUG die Voraussetzung eines Notendurchschnitt von mindestens 3,0 erfüllen. Denn nach Art. 13 Satz 4 BayEUG (n. F.) muss mit dem Abschlusszeugnis der mittlere Bildungsabschluss verliehen werden. Das Abschlusszeugnis wurde im Fall der Klägerin jedoch bereits zum 22.7.2011 verliehen, also zu einem Zeitpunkt, als die Neufassung des Art. 13 Satz 4 BayEUG nach vorstehenden Ausführungen noch nicht Geltung erlangt hat. Aus der Formulierung „mit dem Abschlusszeugnis einer mindestens zweijährigen Berufsfachschule, die zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung führt, wird bei einem Notendurchschnitt von mindestens 3,0 ... der mittlere Schulabschluss verliehen“ einerseits und dem Inkrafttreten der Neuregelung mit Wirkung vom 1.8.2011 ergibt sich, dass die begünstigende Regelung die bereits im Schuljahr 2010/2011, d. h. im Juli 2011 erteilten Abschlusszeugnisse nicht mehr erfassen sollte, da zu diesem Zeitpunkt auch die Verleihung des mittleren Schulabschlusses „mit dem Abschlusszeugnis“ bereits erfolgt war. Denn im Jahr 2011 begannen die Sommerferien am 30.7.2011 und dauerten bis 12.9.2011, d. h. das Schuljahr war am 1.8.2011 bereits abgeschlossen. Auch Art. 13 Satz 4 BayEUG in der bis 31.7.2011 geltenden Fassung enthielt die Formulierung „mit dem Abschlusszeugnis ... wird ... der mittlere Schulabschluss verliehen“. §§ 46, 46 a BFSOHwKiSo sind bislang nicht geändert worden und sehen die erleichterten Voraussetzungen nicht vor.

Es ist auch sachgerecht, dass Änderungen schulrechtlicher Regelungen mit Ende bzw. Beginn des Schuljahres konform gehen, da so alle Schüler eines Jahrgangs gleich behandelt werden.

Die Klägerin kann sich auch nicht über Art. 3 Abs. 1 GG auf die Neuregelung von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayEUG berufen. Es ist dem Gesetzgeber nämlich nicht verwehrt, die Berufsfachschulen und die Berufsschulen einer gesonderten Regelung zu unterziehen, da es sich um eigenständige Arten von beruflichen Schulen handelt. Der jeweilige Stichtag ist explizit gewählt und gilt ersichtlich und sachgerechter weise für die jeweiligen Schuljahre.

Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar allgemein eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung. Er ist aber nur verletzt, wenn sich ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt, so dass diese sich als willkürlich erweisen muss. Dabei hat der Gesetzgeber insbesondere bei rechtsgewährenden Regelungen einen sehr weiten Gestaltungsbereich hinsichtlich der Bestimmung des Personenkreises, für den die gesetzliche Regelung Anwendung finden soll. Räumt der Gesetzgeber dem Bürger einen Anspruch auf staatliche Leistungen ein und begünstigt er dabei einzelne Gruppen, verletzt er die Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, wenn sich aus dem Gegenstand der Regelung, insbesondere dem Gesetzeszweck für die Art der Differenzierung ein sachlich vertretbarer Gesichtspunkt anführen lässt und die besonderen Wertentscheidungen der Verfassung beachtet bleiben (vgl. BVerfGE 36, 203 <235> m. w. N.). Der allgemeine Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von Art und Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 82, 60 <86>; st. Rspr.).

Seitens der Kultusministerkonferenz waren nur für die Berufsschule die erleichterten Voraussetzungen zur Erlangung des mittleren Bildungsabschlusses beschlossen worden (s. Schreiben der Regierung von Niederbayern vom 15.5.2014). Während den sog. Kammerberufen eher bundeseinheitliche Regelungen zugrunde liegen, so dass für den Bereich der Berufsschule offenbar entsprechender Handlungsbedarf für eine einheitliche Regelung im Rahmen der bestehenden Kulturhoheit der Länder gesehen wurde, erschließt sich dies für den Bereich der Berufsfachschulen nicht in gleicher Weise. Die Umsetzung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz erfolgte zunächst durch die Staatsregierung in Form der Anpassung der Berufsschulordnung (zum 30.6.2011). Erst danach erfolgte die Änderung des BayEUG mit Gesetz vom 9.7.2012, die wiederum auch die die Berufsfachschule betreffenden Regelungen umfasst. Die Rückwirkung der Regelungen für die Berufsschule wurde hierbei an die schon zum 1.8.2010 geänderte Berufsschulordnung angepasst, wohingegen die BFSOHwKiSo noch nicht angepasst worden ist.

Auch wenn der Besuch der Berufsschule wie auch der Berufsfachschule der Erlangung einer beruflichen Erstausbildung dient, erweisen sich die unterschiedlichen Regelungen zwischen Berufsschule und Berufsfachschule nicht als willkürlich.

Im Vorliegenden liegt der Unterschied zwischen Berufsschule und Berufsfachschule nämlich bereits darin, dass die Berufsschule als Schule mit Teilzeit- und Vollzeitunterricht neben der beruflichen Ausbildung (Lehre) von Berufsschulpflichtigen besucht wird (vgl. Art. 11 BayEUG). D. h. die Berufsschule wird ergänzend neben der betrieblichen Berufsausbildung besucht. Hingegen ist die Berufsfachschule eine Schule, die der Vorbereitung auf eine Berufstätigkeit oder der Berufsausbildung dient und die Allgemeinbildung fördert (vgl. Art. 13 BayEUG). Die Berufsfachschule für Kinderpflege wird zweijährig besucht, wobei diese nicht neben einer betrieblichen Berufsausbildung besucht wird. Dementsprechend bestehen für die Berufsschulen und die Berufsfachschulen eigene Schulordnungen - BSO bzw. vorliegend die BFSOHwKiSo. Die unterschiedliche Behandlung von Berufsschulen und Berufsfachschulen erweist sich somit nicht als willkürlich, da es sich um unterschiedliche Schultypen handelt.

Auch die Stichtagsregelung ist als solche nicht zu beanstanden.

Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Sachverhalte Stichtagsregelungen zu erlassen, auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich Härten mit sich bringt (BVerfGE 75, 108<157>). Derartige Härten sind im Einzelfall zumutbar, wenn sie nicht auf willkürlichen Regelungen beruhen.

Die differenzierte Rückwirkungsregelung für die Berufsschule von zwei Jahren, nämlich zum 1.8.2010 und für die Berufsfachschule nur um ein Jahr - 1.8.2011 -, erschließt sich aus der unterschiedlichen Entstehung der Regelungen für die Berufsschule einerseits und Berufsfachschule andererseits. Die unterschiedlichen Regelungen sind nicht willkürlich bzw. rechtswidrig, weil - wie bereits ausgeführt - Berufsfachschüler und Berufsschüler nicht zwingend gleich behandelt werden müssen. Zum anderen werden innerhalb der jeweiligen Stichtagsregelung alle Berufsschüler einerseits und Berufsfachschüler andererseits gleich behandelt. Sachgerecht ist es im Bereich des Schulrechts auch, Stichtage an das Schuljahrsende bzw. den -beginn zu knüpfen, da dadurch - wie ausgeführt - Schüler eines Jahrgangs gleich behandelt werden.

Selbst bei einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hätte der Gesetzgeber bei der Gewährung der Vergünstigung einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dem er zur Gleichbehandlung verpflichtet wäre. Der Gesetzgeber könnte von der Vergünstigung oder Rückwirkung gänzlich absehen oder diese einheitlich auf ein einheitliches Datum festsetzen, auch wenn dies ggf. zu einem Mehraufwand im Vollzug führt.

Sonach konnte ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der im Übrigen noch anfechtbar war, da das Zeugnis vom 22.7.2011 nicht mit Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, mit Bescheid vom 28.10.2011 zurückgenommen werden (Art. 48 BayVwVfG).

Zwar darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (ein begünstigender Verwaltungsakt) gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 zurückgenommen werden. Der Fall des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt, liegt hier in Form des Zeugnisses über den mittleren Bildungsabschluss nicht vor. Vielmehr wird dadurch ein Bildungsstatus dokumentiert. Dies stellt aber weder eine Geldleistung noch eine teilbare Sachleistung dar und ist hierfür auch nicht Voraussetzung. Auf die Frage des Vertrauensschutzes im Sinne des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG musste daher nicht näher eingegangen werden.

Auch hindert Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG die Rücknahmeentscheidung im vorliegenden Fall nicht. Denn es ist schon nicht ersichtlich, dass ein Vermögensnachteil, der ggf. auszugleichen wäre, bis zum 28.10.2011 bei der Klägerin eingetreten wäre. Auch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zum 13.2.2014, mithin im Widerspruchsverfahren ist ein Eintritt eines Vermögensnachteils, der im Rahmen der Ermessensentscheidung ggf. zu berücksichtigen wäre, nicht dargetan und nicht ersichtlich. Zwar hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2011 mitgeteilt, sie habe ihre berufliche Zukunft mit der Zusage des mittleren Bildungsabschlusses bereits geplant. Dies wird jedoch nicht näher ausgeführt. Aus dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 12.12.2011 ergibt sich demgegenüber, dass nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass deren Anstellung unabhängig vom Vorliegen des mittleren Bildungsabschlusses erfolgt sei und eine Einziehung des Zeugnisses keine negativen Konsequenzen für das Beschäftigungsverhältnis habe. Dasselbe ergibt sich aus dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30.12.2011, das im Wesentlichen mit dem Schreiben vom 12.12.2011 übereinstimmt. U. a. nach dem Schreiben des Klägervertreters vom 27.2.2014 arbeitet die Klägerin als angestellte Kinderpflegerin. Dass hierfür der mittlere Bildungsabschluss erforderlich wäre, ergibt sich nicht, zumal die Klägerin über ein Abschlusszeugnis und eine Urkunde als staatlich geprüfte Kinderpflegerin verfügt und die Rücknahmeentscheidung des Abschlusszeugnisses vom 22.7.2011 und die Urkunde vom 22.7.2011 nicht erfasst.

Schließlich war die Jahresfrist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG durch die Rücknahmeentscheidung vom 28.10.2011 eingehalten. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG beruht auf dem Gedanken der Verwirkung. Drei Monate nach Zeugniserteilung kann hierfür jedoch keine Rede sein. Die Frist ist hierbei auch gewahrt, wenn der Bescheid innerhalb der Frist ergeht, jedoch später nach Fristablauf durch einen neuen Bescheid ersetzt wird (vgl. Kopp/Ramsauer, Rn. 154 zu § 48 VwVfG). Auch kommt es für den Beginn des Fristlaufs auf die vollständige Kenntnis der für die Rücknahme maßgeblichen Sach- und Rechtslage, mithin die der Ermessensentscheidung zugrunde zulegenden Erwägungen, wozu u. a. auch der Umstand gehören kann, inwieweit durch die Rücknahme für den Betroffen eine unzumutbare Härte entsteht (vgl. BayVGH, U. v. 23.1.2014 - 7B 13.861).

Hinsichtlich der Ermessensentscheidung bestehen keine rechtlichen Bedenken (Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG „kann“).Vorliegend wurde die Rücknahmeentscheidung durch den Bescheid vom 28.10.2011 getroffen und durch den Widerspruchsbescheid ergänzt. Wenn wie vorliegend, eine Vielzahl von Schülern in gleicher Weise betroffen ist, verdichtet sich das Ermessen der Behörde dahingehend, den Verwaltungsakt zurückzunehmen. Denn es steht außer Frage, dass die Berufsfachschüler des Jahrgangs zum einen an der Berufsfachschule P2. zum anderen bayernweit gleichbehandelt werden müssen (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ginge nicht an, andere Berufsfachschüler, die in gleicher Weise wie die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen über die Zuerkennung des mittleren Bildungsabschlusses nicht erfüllt haben, anders als die Klägerin zu behandeln und der Klägerin das unzutreffende Zeugnis zu belassen. Dies würde ihr einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen. Daher wurden auch andere fälschlicherweise ausgestellte Zeugnisse von Berufsfachschülern bzw. -schülerinnen zurückgefordert (vgl. E-Mail des Schulleiters vom 16.11.2011). Dem stünde nicht entgegen, wenn ggf. an anderen Schulen ebenfalls irrtümlich Zeugnisse in unzutreffender Weise ausgegeben und diese nicht zurückgefordert wurden, weil diesbezüglich der Irrtum nicht bemerkt wurde. Zum anderen konnte der Beklagte zutreffend davon ausgehen, dass das persönliche Interesse der Klägerin an der Beibehaltung des Zeugnisses vorliegend nicht überwiegt. Insbesondere lag eine unzumutbare Härte nicht vor, nachdem die Anstellung und das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin nicht vom Zeugnis über den mittleren Bildungsabschluss abhängig gemacht waren (s. KMS vom 12. und 30.12.2011). Dem steht nicht entgegen, wenn im Rahmen einer Bewerbung - wie diverse andere Kriterien auch - berücksichtigt wird, ob der Bewerber oder die Bewerberin über einen mittleren Bildungsabschluss verfügt oder nicht. Eine unzumutbare Härte ist auch nicht schon darin zu sehen, dass der Klägerin, hätte sie im folgenden Schuljahr die Berufsfachschule abgeschlossen und dieselbe Prüfungsgesamtnote erzielt der mittlere Bildungsabschluss zuerkannt hätte werden können. Denn gewisse Härten sind Stichtagsregelungen naturgemäß immanent. Die Klägerin arbeitet entsprechend ihrer Ausbildung als angestellte Kinderpflegerin. Das Abschlusszeugnis und die Urkunde zum Führen der Berufsbezeichnung „staatlich geprüfte Kinderpflegerin“ vom 22.7.2011 werden nicht von der Rücknahmeentscheidung erfasst.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Annotations

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.