Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 02. Juli 2015 - 1 L 497/15.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2015:0702.1L497.15.NW.0A
bei uns veröffentlicht am02.07.2015

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.4.2015 wird angeordnet, soweit eine 5.341,68 € übersteigende Vorausleistung festgesetzt wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 6/10 und die Antragsgegnerin zu 4/10.

3. Der Streitwert wird auf 2.312,50 € festgesetzt.

Gründe

1

Der vorliegende Antrag ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Er ist auch zulässig, nachdem der Antragsteller gegen den Ausbau-Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.4.2015 fristgerecht Widerspruch erhoben und nachdem die Antragsgegnerin einen Aussetzungsantrag gemäß § 80 Abs. 6 VwGO schriftlich abgelehnt hat.

2

Der Antrag hat nach summarischer Prüfung (§ 80 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 VwGO) Erfolg, soweit er sich gegen die Vorausleistung auf den rechnerischen Teilbeitrag für den Ausbau der Fahrbahn wendet. Denn insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Hinsichtlich der Vorausleistung auf den rechnerischen Teilbeitrag für den Ausbau des Gehwegs und der Straßenbeleuchtung bleibt dem Antrag der Erfolg versagt.

3

Hinsichtlich der rechtlichen Aspekte, die beide "Teilansprüche", also den Ausbau der Fahrbahn einerseits, und des Gehwegs mit der Straßenbeleuchtung andererseits betreffen, sei hier zunächst Folgendes angemerkt:

4

Die Erhebung einer Vorausleistung auf den Ausbau der Wittelsbacher Straße im Bereich zwischen der Einmündung zur Karolinenstraße im Westen und der Bergstraße im Osten ist gemäß §§ 10 Abs. 8, 7 Abs. 5 Kommunalabgabengesetz (KAG) grundsätzlich zulässig. Den hierfür erforderlichen Beschluss, mit dem auch die sogenannte Ausschöpfungsquote von 100% der erwarteten Beitragshöhe für die Vorausleistungserhebung bestimmt wurde, hat der Stadtrat der Antragsgegnerin am 13.5.2014 gefasst.

5

Der Ausbau der Wittelsbacher Straße stellt auch eine grundsätzlich beitragsfähige Maßnahme dar. Denn die reguläre Nutzungsdauer von Fahrbahn, Gehweg, Straßenbeleuchtung und Straßenoberflächenentwässerung ist nach Aktenlage schon mehrere Jahre abgelaufen. Der ausbaubedürftige Zustand ist durch mehrere Aufnahmen, zum Teil auch durch zur Akte genommene Zeitungsausschnitte, hinreichend dokumentiert. Eventuelle Energieeinsparungen durch den Ausbau der Straßenbeleuchtung sind nach der Ausgestaltung des Kommunalabgabengesetzes nicht von dem beitragsfähigen Aufwand in Abzug zu bringen. Sie kommen aber letztlich allen Bürgern der Stadt zu Gute, die mit ihren Steuern den städtischen Haushalt und damit auch die Betriebskosten der Straßenbeleuchtung aller gemeindlichen Verkehrsanlagen mitbezahlen. Der Beitragsfähigkeit der Ausbaumaßnahme steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin möglicherweise trotz jahrelanger Kenntnis von der schädlichen Einwirkung der Straßenbäume in der Wittelsbacher Straße auf Gehweg, Fahrbahn und Kanalsystem keine hinreichenden Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin hier nicht rechtzeitig den Straßenkörper und die darin verlegten Leitungen genügend geschützt haben sollte, so wäre dies hier beitragsrechtlich unschädlich. Denn ein solcher sogenannter aufgestauter Reparaturbedarf steht der Erhebung eines Ausbaubeitrags nicht entgegen, wenn die gewöhnliche Nutzungsdauer der Verkehrsanlage - wie hier - bereits mehrere Jahre abgelaufen war (OVG RP, Beschluss vom 7.3.2013 - 6 B 10100/13, Beschluss vom 29.6.2007 - 6 B 10418/07 und Beschluss vom 11.7.2003 - 6 A 10758/03).

6

Weiter erscheint im derzeitigen Verfahrensstadium unbedenklich, dass die Antragsgegnerin lediglich die Anlieger des ca. 450 m langen Straßenverlaufs der Wittelsbacher Straße im Bereich zwischen der Karolinenstraße im Westen und der Bergstraße im Osten zu Vorausleistungen herangezogen hat. Zwar setzt sich die Wittelsbacher Straße ihrer Bezeichnung nach über den Verzweigungsbereich mit der Bergstraße nach Osten fort. Was "die" ausgebaute Verkehrsanlage ist und welche Anwohner infolge dessen zum Beitrag heranzuziehen sind, bestimmt sich aber nicht nach dem Straßennamen (OVG RP, Urteil vom 2.7.2013 - 6 A 10016/13), sondern nach natürlicher Betrachtungsweise (OVG RP, Beschluss vom 11.12.2014 - 6 A 10822/14). Diese legt es derzeit nahe, dass der oben beschriebene Straßenverlauf der Wittelsbacher Straße nach ihrem Ausbau eine beitragsrechtlich eigenständige Verkehrsanlage darstellen wird. Hierfür spricht einerseits deren - verglichen mit der Bergstraße und dem sich nach Osten forstsetzenden Straßenstück - zu erwartender abweichender Ausbauzustand. Hinzu kommt weiter, dass sich die Bergstraße infolge einer leichten Verschwenkung und insbesondere aufgrund des (verglichen mit der Wittelsbacher Straße) starken Gefälles nach Osten nicht als deren Verlängerung darstellt. Aber auch das sich nach Osten oberhalb der Bergstraße fortsetzende Straßenstück ist nach summarischer Prüfung nicht beitragsrechtlicher Teil der Wittelsbacher Straße. Denn dieses Straßenstück steigt im Einmündungsbereich der Bergstraße gegenüber dem hier abgerechneten Verlauf der Wittelsbacher Straße in der Topographie deutlich an und verschwenkt ebenfalls leicht.

7

Geht man im Rahmen der summarischen Prüfung davon aus, dass die hier maßgebliche Verkehrsanlage sich, wie beschrieben, zwischen der Karolinenstraße und der Bergstraße erstreckt, ist die Verteilung des geschätzten Aufwandes auf die Anlieger lediglich dieses Straßenstücks unbedenklich.

8

Eine nähere Überprüfung des beitragsfähigen Aufwands von Amts wegen erübrigt sich hier, weil dieser nur pflichtgemäß von der Antragsgegnerin zu schätzen ist und erst die endgültige Beitragserhebung, gegebenenfalls nach entsprechend substantiierten Darlegungen, eine nähere Kostenprüfung auslösen kann. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Schätzung durch die Antragsgegnerin bietet der Vortrag des Antragstellers nicht.

9

Der Gemeindeanteil für den Ausbau der Fahrbahn und Fahrbahnoberflächenentwässerung wurde nicht ordnungsgemäß festgesetzt.

10

Zwar liegt in Gestalt des Ratsbeschlusses vom 13.5.2014 eine formell hinreichende Willensbildung des zuständigen kommunalen Gremiums vor, die keiner besonderen schriftlichen Begründung bedarf (OVG RP, Beschluss vom 17.6.2014 - 6 B 10377/14).

11

Zudem steht den Verwaltungsgerichten nur eine begrenzte inhaltliche Überprüfung des Gemeindeanteils zu. Denn der Gemeinderat - hier der Stadtrat der Antragsgegnerin - ist regelmäßig mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere den Grundstücksnutzungen, der flächenmäßigen Ausdehnung der Wegeparzelle und der Bedeutung einer Gemeindestraße im Gefüge der innerörtlichen Verkehrswege vertraut. Er kann daher - von Ausnahmen abgesehen - auch ohne formelle Erhebung die Verkehrsbedeutung einer Straße innerhalb des Gemeindegebietes hinreichend zuverlässig einschätzen (OVG RP, Beschluss vom 23.8.2007 - 6 A 10468/07). Es bedarf daher in der Regel auch keiner aufwändigen Verkehrszählung zur Bestimmung des Gemeindeanteils (OVG RP, Beschluss vom 29.11.2013 - 6 A 10546/13). Dabei ist mit Blick auf das noch laufende Erhebungsverfahren und die ausstehende endgültige Beitragsfestsetzung noch grundlegend darauf zu verweisen, dass für die Bestimmung des Gemeindeanteils nicht die rein zahlenmäßige Relation der Verkehrsfrequenz maßgeblich ist (OVG RP, Urteil vom 21.1.2009 - 6 A 10697/08). Dies beruht auf der Erwägung, dass eine Straße nicht nur der Bewältigung des Straßenverkehrs dient, sondern zugleich den anliegenden Grundstücken in beitragsrelevanter Weise eine Erschließung und damit eine bauliche oder vergleichbare Nutzbarkeit vermittelt. Dies hat zur Folge, dass wegen dieser Erschließungsfunktion der Straße der Anteil der Anlieger an den Ausbauaufwendungen regelmäßig höher sein wird, als dies der rein zahlenmäßigen Gegenüberstellung von Anlieger- und Durchgangsverkehr entspricht. Weiter sind temporäre Effekte, die auf die Relation zwischen Durchgangs- und Anliegerverkehr Auswirkungen haben können (wie etwa zeitweilige Sperrungen, Umleitungen, vorübergehend geänderte Verkehrsführungen) bei der Festsetzungen des Gemeindeanteils ebenso wie illegale Straßennutzungen durch Verkehrsteilnehmer (OVG RP, Urteil vom 14.3.2008 - 6 A 11227/07) nicht zu berücksichtigen.

12

Die Bestimmung der Höhe des Gemeindeanteils richtet sich im Wesentlichen nach den Vorgaben des OVG Rheinland-Pfalz. Denn § 10 Abs. 3 KAG regelt zwar, dass bei der Ermittlung der Beiträge ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil außer Ansatz bleibt. Anders als § 10a Abs. 3 KAG, der für wiederkehrende Beiträge einen Mindestgemeindeanteil von 20 v.H. vorsieht, fehlt aber beim einmaligen Beitrag insoweit eine gesetzgeberische Vorgabe. Nach den Anforderungen der Rechtsprechung kommt ein Gemeindeanteil von 50 v.H. in Ansatz, wenn Durchgangs- und Anliegerverkehr in etwa gleich stark sind (OVG RP, Urteil vom 21.1.2009 - 6 A 10697/08). Bei überwiegenden Durchgangsverkehr kommt ein Gemeindeanteil zwischen 55 und 65 v.H., bei ganz überwiegenden Durchgangsverkehr ein Gemeindeanteil von 70 v.H. in Betracht (OVG RP, Beschluss vom 15.12.2005 - 6 A 11220/05).

13

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hält die Festsetzung des Gemeindeanteils für Fahrbahn und Fahrbahnoberflächenentwässerung einer hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht stand, weil sie nach Aktenlage auf einer nach der Definition des OVG Rheinland-Pfalz "greifbaren Fehleinschätzung" beruht (Beschluss vom 29.11.2013, a.a.O.).

14

Die Antragsgegnerin hat die Festlegung des Gemeindeanteils nicht begründet. Die Sitzungsvorlage der Stadtverwaltung enthält insoweit lediglich knappe, allgemeine Ausführungen, die sich im Wesentlichen in der schlichten Behauptung erschöpfen, die Fahrbahn werde überwiegend vom Durchgangsverkehr frequentiert, während die Gehwege mit Beleuchtungsanlage ganz überwiegend dem Anliegerverkehr dienten, so dass für die Fahrbahn von einem Gemeindeanteil von 55 v.H. und für den Gehweg von einem Gemeindeanteil von 25 v.H. auszugehen sei. Es folgt dann ein Zitat von zwei Entscheidungen des OVG Rheinland-Pfalz. Auch im vorgerichtlichen Schriftverkehr mit dem Antragsteller finden sich keinerlei substantielle Darlegungen zur Rechtfertigung dieser (Teil-)gemeindeanteile. Obwohl der Antragsteller auch im vorliegenden Eilverfahren nochmals detailliert darlegt, weshalb seiner Auffassung nach die Gemeindeanteile zu niedrig seien, erfolgte auch daraufhin lediglich eine sehr knappe Einlassung dahingehend, dass auf eine Stellungnahme der Abteilung Liegenschaften und Bauverwaltung vom 22.6.2015 verwiesen werde. Diese Stellungnahme erschöpft sich in der Wiedergabe des Inhalts des angefochtenen Bescheids und dem allgemeinen Passus, dass die Vollzugsinteressen der Antragsgegnerin überwiegen würden. Dort wird weiter auf ein Schreiben vom 27.5.2015 verwiesen. In diesem Schreiben an den Antragsteller setzt sich die Antragsgegnerin freilich ebenfalls nicht mit dem Vortrag des Antragstellers zur Festlegung der (Teil-)gemeindeanteile auseinander.

15

Mangelt es damit an einer auch nur annähernd tragfähigen Einlassung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Bildung der Gemeindeanteile, muss das Gericht seine summarische Prüfung im Wesentlichen auf seine eigenen - im vorliegenden Fall sehr guten - Ortskenntnisse, den Vortrag des Antragstellers sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte, einschließlich der von den Beteiligten vorgelegten Lagepläne, stützen.

16

Danach hat die Antragsgegnerin nach Aktenlage nicht hinreichend berücksichtigt, dass von Westen kommend, in Fahrtrichtung Osten die Wittelsbacher Straße fast vollständig den Fahrzeugverkehr eines ganzen Stadtviertes - des sogenannten Afrikaviertels - sowie der Karolinenstraße ab dem Bereich westlich des Steingleises, der oberen Saarlandstraße und der I-allee bewältigt. Die dortigen Anwohner haben nahezu ausschließlich über die Wittelsbacher Straße die Möglichkeit über die später abzweigende Bergstraße in die Innenstadt und zum Hauptbahnhof zu gelangen. Zudem wird die Wittelsbacher Straße nach der Ortskenntnis der Kammer und dem Inhalt der zur Verwaltungsakte genommenen Zeitungsartikel, als Verbindung von den Anwohnern der oben bezeichneten Stadtviertel und Straßen genutzt, um auf kürzestem Weg - etwa über die Waldstraße, Hambacher Straße und Dr.-Siebenpfeiffer-Straße - auf die L 516 Richtung Landau, die B 39 Richtung Speyer oder zur Autobahnauffahrt Neustadt/Süd zu gelangen. Zutreffend hat der Antragsteller zudem darauf verwiesen, dass diese Verbindung für die Anwohner der genannten Stadtviertel und Straßen auch die günstigste und über die Wittelsbacher Straße im Wesentlichen auch einzige Verbindung darstellt, um das Weinstraßeneinkaufszentrum, mit einer Vielzahl von Einkaufsmärkten, mit Fahrzeugen anzufahren. Die Karolinenstraße darf im westlichen Verlauf nicht in östlicher Richtung befahren werden und kommt daher in Fahrtrichtung Osten als Alternativstrecke zur Wittelsbacher Straße nicht in Betracht. Zwar besteht für die genannten Anwohner theoretisch die Möglichkeit auf der Saarlandstraße zunächst Richtung Westen zu fahren, um dann auf die Ortsdurchfahrt der stark frequentierten B 39 einzubiegen. Diese Route wird aber nur dann eine echte Alternative darstellen, wenn die Weiterfahrt Richtung Norden, etwa zum Autobahnzubringer Neustadt Mitte, führen soll. Im Übrigen ist diese Verbindung Richtung Osten erheblich länger, von zahlreichen - nicht immer in idealer Weise miteinander abgestimmten - Ampelschaltungen und Querungen unterbrochen sowie durch verkehrliche Engpässe häufig zugestaut. Der Antragsteller hat hier zutreffend darauf verwiesen, dass die soeben beschriebenen Verkehrsbewegungen über die Wittelsbacher Straße ganzjährig stattfinden. Sie betreffen sowohl den Berufs-, als auch den Einkaufsverkehr.

17

Weiter ist zu berücksichtigen, dass für Verkehrsteilnehmer von der B39 aus Richtung Westen kommend, die Verbindung über die Saarlandstraße, Karolinenstraße und die Wittelsbacher Straße eine deutliche Abkürzung des Weges Richtung Osten zu den oben beschriebenen weiteren Fahrtzielen darstellt. Diese Streckenführung wird jedenfalls in dem hier zu unterstellenden Normalfall - also keine zeitweiligen Teilsperrungen etc. - häufig frequentiert, um die üblichen verkehrlichen Engpässe und Rückstaus in der Talstraße, Amalienstraße und ggf. Landauer Straße zu vermeiden. Auch dieser Verkehr findet - mit Ausnahme sehr weniger Tage im Winter, wo Glatteis oder besonders kräftiger Schneefall diese Wegeführung erschweren - ganzjährig sowohl in Gestalt von Berufs- als auch Einkaufsverkehr statt.

18

Weiter kommt hinzu, dass sich in der Karolinenstraße, westlich der Wittelsbacher Straße, das Leibniz-Gymnasium befindet. Diese Schule hat ca. 950 Schüler und ca. 90 Lehrkräfte. Die Schülerbeförderung in Richtung Osten zu den oben bereits dargestellten Zielen - hier insbesondere zum Hauptbahnhof - findet fast ausschließlich über die Wittelsbacher Straße statt. Hinzukommen sonstige durch die Schule ausgelöste Verkehrsvorgänge in Gestalt von Eltern, die ihre Kinder von der Schule abholen, Rad fahrenden Schülern, aber auch durch ältere motorisierte Schüler auf dem Heimweg. Auch für diese Benutzergruppen bildet wegen der Einbahnstraßenführung im Bereich der Karolinenstraße und der wesentlich längeren und zeitaufwändigeren Streckenführung über die Ortsdurchfahrt der B 39 die Wittelsbacher Straße nach Schulende die einzige Möglichkeit in Richtung Stadtmitte zu fahren. Aber auch die Bereiche Hambach, Diedesfeld sowie die Stadtteile Lachen-Speyerdorf und Geinsheim sind auf dieser Strecke wesentlich zügiger und einfacher als auf Alternativstrecken erreichbar. Anders als etwa bei einer Grundschule finden die durch die Schule ausgelösten Verkehrsbewegungen nicht nur zu wenigen, überschaubaren Zeiten morgens und in der Mittagszeit statt. Vielmehr werden durch das in der Oberstufe übliche Kurssystem Schulbeginn und Schulende deutlich breiter gestreut, als in Grund- oder in Realschulen plus. Durch Nachmittagsunterricht, aber auch durch zusätzliche schulische Angebote wie Arbeitsgemeinschaften oder außerhalb der üblichen Unterrichtszeiten stattfindende Veranstaltungen, werden Verkehrsbewegungen über die Wittelsbacher Straße ausgelöst. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass in der Ferienzeit und am Wochenende durch die Schule ausgelöste Verkehrsbewegungen deutlich geringer sein werden. Dieser Aspekt wird durch die recht hohe Zahl der Schüler- und Lehrkräfte und die durch diese ausgelösten verkehrlichen Belastungen bei einer Gesamtabwägung deutlich relativiert. Am Rande sei zudem bemerkt, dass auch die immerhin ca. 90 Lehrkräfte z.T. auch in den Ferien zum Dienst herangezogen werden, so dass ein vollständiges Ausblenden verkehrsrelevanter Vorgänge selbst in der Ferienzeit nicht möglich ist. Zudem könnte mit der gleichen Berechtigung unterstellt werden, dass in der - freilich kürzeren - Urlaubszeit regelmäßig weniger Anliegerverkehr stattfinden wird, was bei der Bildung des Gemeindeanteils zu berücksichtigen sei.

19

Bei der Bewertung des Gemeindeanteils verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei der Wittelsbacher Straße in ihrem hier maßgeblichen Verlauf um eine Einbahnstraße handelt. Generell wird es zwar eine dauerhafte Einbahnstraßenführung rechtfertigen, einen niedrigeren Gemeindeanteil festzusetzen, weil die betroffene Verkehrsanlage eben nur den Fahrzeugverkehr in eine Richtung zu bewältigen hat. Dieser auch im vorliegenden Fall zunächst relevante Aspekt wird aber wieder dadurch aufgewogen, dass die Wittelsbacher Straße - bedingt durch die Einbahnstraßenführung im westlichen Teil der Karolinenstraße - quasi wie der Teil eines Ringsystems und durch ihre faktische Funktion als Sammelstraße für die eingangs genannten Verkehrsströme in Fahrtrichtung Osten, in der straßenverkehrsrechtlich zulässigen West-Ost Befahrung deutlich stärker frequentiert wird, als eine Verkehrsanlage ohne diese besondere faktische Ring- und Sammelstraßenfunktion. Diese besondere Funktion der Wittelsbacher Straße gleicht den durch die Einbahnstraßenführung entfallenden Verkehrsanteil völlig aus. Sie wird auch mittelfristig unverändert bleiben. Denn jede - teilweise von den Anwohnern der Wittelsbacher Straße gewünschte - Durchfahrtserschwerung würde zu einer Verlagerung des Verkehrs auf andere, ohnehin schon stark verkehrlich belastete Verkehrsanlagen führen. Eine solche Verkehrsverlagerung - die faktisch nur sehr eingeschränkt möglich ist - ist ohnehin nicht konkret zu erwarten, nachdem Planungsalternativen (z.B. eine Straßenverlegung im Innenstadtbereich) gescheitert sind.

20

Schließlich ist die Bebauung entlang der Wittelsbacher Straße nicht derart verdichtet, also hier im maßgeblichen Straßenverlauf nicht durch eine hohe Zahl von großen Mehrfamilienhäusern geprägt, die ihrerseits starken Anliegerverkehr in einem Umfang auslösen würden, dass in Anbetracht des vorhandenen Durchgangsverkehrs der Anliegerverkehr sich auch nur annähernd als beitragsrechtlich vergleichbar stark darstellen könnte. Das hat auch die Antragsgegnerin nicht unterstellt, da sie selbst einen überwiegenden Durchgangsverkehr bejaht hat.

21

Zuletzt darf hier nicht ausgeblendet werden, dass der Antragsgegnerin bei der Bestimmung des Gemeindeanteils eine Schwankungsbreite von +/- 5 v.H. zugestanden wird (OVG RP, Urteil vom 2.7.2013 - 6 A 10016/13). Dies bedeutet freilich nicht, dass die Gemeinde schematisch 5 v.H. von dem ermittelten Gemeindeanteil abziehen darf; diese Bandbreite soll vielmehr einen Ausgleich für die tatsächliche Unsicherheit bieten, die mit der Bewertung des Anlieger- und Durchgangsverkehrs ohne präzise Datenerhebung verbunden ist (OVG RP, Urteil vom 2.7.2013, a.a.O.; Urteil vom 16.1.2007 - 6 A 11315/06). Daher kann hier auch nicht unterstellt werden, dass richtigerweise ein Gemeindeanteil von 60 v.H. festzusetzen gewesen wäre und sich - quasi "automatisch" - der beschlossene Gemeindeanteil von 55 v.H. noch innerhalb der Schwankungsbreite bewegt. Hierzu fehlen nachvollziehbare, hinreichend umfassende Einlassungen der Antragsgegnerin, so dass in Anbetracht der vorstehenden Umstände auch die Annahme eines "richtigen" Gemeindeanteils von 65 bis 70 v.H. durchaus vertretbar ist. Da das Gericht nicht seine eigenen Erwägungen an Stelle der Antragsgegnerin setzen darf, sondern vielmehr der Gewaltenteilungsgrundsatz insoweit einer Bestimmung des Gemeindeanteils durch das Gericht entgegensteht, ist dem Antrag statt zu geben.

22

Hingegen bleibt der Gemeindeanteil für den Gehweg, einschließlich Straßenbeleuchtung und Gehwegoberflächenentwässerung, in Höhe von 25 v.H. unbeanstandet.

23

Dabei hat die Antragsgegnerin zutreffend die Straßenbeleuchtung hinsichtlich des Gemeindeanteils dem Gehweg zugeordnet. Dies entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG RP, Urteil vom 19.3.2009 - 6 A 10750/08; Urteil vom 16.1.2007, a.a.O.).

24

Der Gemeindeanteil ist unter Beachtung der oben dargestellten allgemeinen Vorgaben vertretbar bemessen. Denn die Erwägungen zu den die Wittelsbacher Straße belastenden Verkehrsströmen in östliche Richtung sind auf den fußläufigen Verkehr nicht übertragbar. So wird bereits die Zahl der dortigen Anwohner, die den aus topographischen und Entfernungsgründen nicht ganz unbeschwerlichen Weg zur Innenstadt fußläufig bewältigen, nicht allzu groß bemessen sein. Zudem haben die Anwohner des Afrikaviertels, der oberen Saarlandstraße, der I-alle und der westlichen Karolinenstraße fußläufig günstigere Alternativen für den Weg in die Innenstadt, insbesondere zum Hauptbahnhof. Es besteht insoweit die Möglichkeit, über einen Fußweg am Leibniz-Gymnasium zur Ortsdurchfahrt der B 39 zu gelangen und dort weiter in die Innenstadt zu gehen. Zudem ist die Karolinenstraße auch in östlicher Richtung begehbar, von der aus man an mehreren Stellen - verglichen mit der Wegeführung über die Wittelsbacher Straße - ohne Gegenanstieg und auf kürzerer Strecke in die Innenstadt laufen kann. Zudem können die besagten Anwohner fußläufig, ohne vergleichbare Gegenanstiege, über den Verbindungsweg zwischen der Karolinenstraße und dem Kastanienweg nach Hambach/Diedesfeld gelangen. Weiter östlich oder südlich gelegene Ziele werden fußläufig von dieser Gruppe wohl nur in wenigen Ausnahmefällen frequentiert, da insoweit sowohl Topographie als auch die schiere Entfernung solche fußläufigen Verkehrsfrequenzen als vernachlässigbar erscheinen lassen. Daher kommt auch den für die Fahrbahn erwähnten Verkehrsbewegungen, in Gestalt von Durchgangsverkehr aus dem Bereich der B 39 und der westlichen Saarlandstraße, beim Gehweg der Wittelsbacher Straße praktisch keine Bedeutung zu. Auch die durch das Leibniz-Gymnasium ausgelöste fußläufige Nutzung des Gehwegs der Wittelsbacher Straße wird weit hinter der Nutzung der Fahrbahn zurück bleiben. Denn die spezifische ringstraßenähnliche Sammel- und Bündelungsfunktion hat die Wittelsbacher Straße beim Fußgängerverkehr nicht. Die oben aufgeführten wegemäßigen Alternativen gelten insoweit auch für die Schüler und Lehrkräfte. Es mag schließlich zutreffen, dass die Wittelsbacher Straße Teil eines ausgeschilderten Wanderwegs ist. Dies hebt sie aber hinsichtlich des Fußgängerverkehrs nicht aus dem Kreis anderer Verkehrsanlagen heraus. Zudem bestehen für Wanderer viele Alternativen, um beispielsweise über den Hambacher Treppenweg zum Nollen, dem Hambacher Schloss oder zum Herz-Jesu-Kloster zu gelangen. Nennenswerter Wanderbetrieb wird sich demnach über die Wittelsbacher Straße regelmäßig nicht einstellen.

25

Nach alledem sind die Kosten entsprechend des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen gemäß § 155 Abs. 1 VwGO zu quoteln.

26

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, LKRZ 2014, 169.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

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Tenor

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Juli 2012 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin des in der Gemarkung L… gelegenen unbebauten Grundstücks Flur …, Parzelle …, gegen ihre Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den einmaligen Ausbaubeitrag für die Erneuerung der N... Straße. Mit dem an „Herrn J… B… für R… B…“ adressierten Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2010 wurde eine Vorausleistung in Höhe von 4.824,00 € festgesetzt. Namens der Klägerin erhoben ihre Söhne A… und J… B… - unter Vorlage der notariellen Vollmachtsurkunde vom 20. Dezember 2006 - mit Schreiben vom 31. Oktober 2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid.

2

Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie schriftsätzlich beantragt hat,

3

1. die Forderung der Beklagten nach Ausbaubeiträgen in der geforderten Höhe, dargestellt im Ausbaubeitragsvorausleistungsbescheid vom 11. Oktober 2010 und Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 für rechtswidrig und die ausbaubeitragsfordernden Bescheide für nichtig zu erklären,

4

2. weiterhin die Beklagte zu verurteilen, den von ihr vorgenommenen Grundschuldeintrag zurückzunehmen und aus dem Grundbuch entfernen zu lassen sowie alle damit zusammenhängenden Kosten zu übernehmen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

6

die Klage abzuweisen.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Klageantrag zu 2) für unzulässig gehalten und die Klage insoweit abgewiesen. Gleichzeitig hat es mit dem angefochtenen Urteil auf den Klageantrag zu 1) den Vorausleistungsbescheid vom 11. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vorausleistungsbescheid sei unwirksam, weil er nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Der für die Klägerin als Alleineigentümerin des veranlagten Grundstücks bestimmte Bescheid sei an Frau M… M…, eine Hausangestellte J… B…, übergeben und damit allenfalls dem Sohn J… B… zugestellt worden. Eine Übergabe des angefochtenen Bescheids an den Sohn A… B… oder an die Tochter der Klägerin, U… W… geb. B…, sei indessen nicht erfolgt. Angesichts der in der notariellen Vollmachtsurkunde vom 20. Dezember 2006 angeordneten Gesamtvertretung von mindestens zwei Kindern der Klägerin reiche es nicht aus, dass nur dem Sohn J… B… unmittelbarer Alleinbesitz an dem Vorausleistungsbescheid verschafft worden sei. Liege aber mangels Übergabe einer ausreichenden Anzahl des Dokuments keine Zustellung vor, komme eine Heilung nicht in Betracht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Sohn A… B… von dem Vorausleistungsbescheid Kenntnis erlangt haben müsse, weil er sonst nicht zusammen mit dem Sohn J… B… hätte Widerspruch einlegen können. Denn die Beklagte habe sich vergewissern müssen, ob J… B… der richtige und allein vertretungsberechtigte Postbevollmächtigte der Klägerin sei.

8

Ungeachtet dessen müsse der angefochtene Bescheid als rechtswidrig angesehen werden, weil die ausgebaute N… Straße beitragsrechtlich in zwei selbständige Anlagen zerfalle und deshalb die Ermessensentscheidungen der Beklagten zur Vorausleistungserhebung und zur Festlegung des Gemeindeanteils fehlerhaft seien. Eine Aufspaltung der N… Straße einerseits in den nur einseitig anbaubaren nördlichen und andererseits in den südlichen Teil mit beidseitiger Anbaubestimmung ergebe sich sinngemäß aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den beitragsrechtlichen Folgen, die eintreten, wenn eine Straße auf einer Teilstrecke von mindestens 100 m und einem Fünftel ihrer Gesamtlänge beidseitig nicht zum Anbau bestimmt ist.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, der angefochtene Bescheid sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden. An seiner Wirksamkeit zu zweifeln, bestehe schon deshalb keine Veranlassung, weil er beiden Söhnen der Klägerin bekanntgeworden sei, die zudem rechtzeitig Widerspruch eingelegt hätten, der nicht wegen des angeblichen Zustellungsmangels ohne Erfolg geblieben sei. Die N… Straße sei nach ihrem insoweit maßgeblichen Erscheinungsbild eine einheitliche Straße, der Anbaubestimmung zukomme, auch wenn an sie in ihrem nördlichen Teil wegen des Flusslaufs der Kleinen N… nur einseitig angebaut werden könne.

10

Die Beklagte beantragt,

11

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt ihr erstinstanzliches Vorbringen, die Zustellung des angefochtenen Bescheids sei nicht ordnungsgemäß gewesen und dieser Mangel sei auch in der Folgezeit nicht geheilt worden. Wegen der nur einseitigen Anbaubestimmung der N… Straße im nördlichen Bereich handele es sich um zwei unterschiedliche Verkehrsanlagen. Die Ausbaumaßnahmen seien in einem Ausmaß vorgenommen worden, das weit über dasjenige hinausgehe, welches die Beklagte bei anderen kürzlich ausgebauten Verkehrsanlagen gewählt habe. Deshalb könne keineswegs davon gesprochen werden, der einseitig anbaubare Bereich der N… Straße sei lediglich in dem absolut unerlässlichen Umfang ausgebaut worden. Insoweit fehle es auch an dem erforderlichen satzungsrechtlich festgelegten Bauprogramm. Schließlich sei die Festsetzung des Gemeindeanteils zu beanstanden. Verglichen mit der R… Straße und der M… Straße handele es sich bei der N… Straße keineswegs um eine Verkehrsanlage mit lediglich überwiegendem Durchgangsverkehr, sondern vielmehr um eine Straße mit ganz überwiegendem Durchgangs-, aber nur wenig Anliegerverkehr, so dass ein Gemeindeanteil von 70 % hätte angenommen werden müssen.

15

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen und den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe

16

Die Berufung der Beklagten, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, hat Erfolg. Deshalb ist das verwaltungsgerichtliche Urteil in dem von der Beklagten angefochtenen Umfang abzuändern, nämlich insoweit, als damit der von der Klägerin angegriffene Vorausleistungsbescheid aufgehoben wurde. Im Übrigen, also hinsichtlich des Klageantrags zu 2), hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Bestand; es bleibt somit insoweit bei der - von der Klägerin nicht angefochtenen - Abweisung ihres Klagebegehrens.

17

Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, ist der Ausbaubeitrags-Vorausleistungsbescheid vom 11. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2012 weder aus formellen Gründen (1.) noch in materieller Hinsicht (2.) zu beanstanden und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.

18

1. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist gegenüber der Klägerin durch die Übergabe der eingeschriebenen Sendung an Frau M… M… wirksam geworden.

19

Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 Kommunalabgabengesetz - KAG - i.V.m. § 124 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung - AO - gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann der Verwaltungsakt gegenüber einem Bevollmächtigten des Beteiligten bekanntgegeben werden. Hat die Behörde – wie hier – die Zustellung des Verwaltungsakts angeordnet, wird er nach den Vorschriften des VerwaltungszustellungsgesetzesVwZG – zugestellt (§ 122 Abs. 5 AO). § 4 Abs. 1 VwZG ermöglicht die Zustellung eines Dokuments durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG können Zustellungen an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden.

20

Zwar war Frau M… M… nicht von der Klägerin, für die der Vorausleistungsbescheid als Eigentümerin des veranlagten Grundstücks bestimmt war, zur Entgegennahme von Postsendungen bevollmächtigt. Frau M… hat jedoch als Hausangestellte J… B… für diesen Bevollmächtigten der Klägerin die eingeschriebene Sendung mit dem angefochtenen Verwaltungsakt entgegen genommen, und zwar als Empfangsbotin (vgl. BSG, B 3 KR 14/04 R, NJW 2005, 1303, juris; BGH, VIII ZR 303/87, JZ 1989, 502, juris). Der Sohn J… B… war auch zur Entgegennahme des angefochtenen Bescheids allein vertretungsberechtigt. Dies ergibt sich bereits aus der notariell beurkundeten Vollmacht vom 21. Dezember 2006. Danach hat die Klägerin ihre Kinder zwar „jeweils zwei von ihnen gemeinschaftlich handelnd“ bevollmächtigt, sie in allen Angelegenheiten in jeder rechtlich zulässigen Weise zu vertreten. Diese Gesamtvertretungsmacht gilt jedoch nicht für das in Ziffer 2 f) der Vollmacht angeführte Recht, die Post der Klägerin entgegenzunehmen, sie zu öffnen und anzuhalten. Nach einem im Zivilrecht allgemein gültigen Rechtsgedanken (BGH, II ZB 6/73, BGHZ 62, 166 [173], juris; BGH, II ZR 58/92, BGHZ 121, 257 [260]; BGH, II ZR 378/99, BGHZ 149, 28, juris; OLG Celle, 9 U 217/03, juris; OLG Dresden, W 966/04, juris; OLG Köln, 2 Ws 249/08, juris) steht jedem Gesamtvertreter bei der Passivvertretung die alleinige Vertretungsberechtigung zu. Dieser Rechtsgedanke ist nicht nur auf eine Postempfangsvollmacht, sondern auch auf die Entgegennahme von Verwaltungsakten anzuwenden. Bestellt derjenige, für den ein Verwaltungsakt i.S.d. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt ist, mehrere Zustellungsbevollmächtigte, genügt die Zustellung an einen von ihnen (vgl. BFH, II R 53/93, BFHE 181, 547, juris; vgl. auch BVerwG, 1 B 152/83, NJW 1984, 2115, juris, [zu § 173 VwGO i.V.m. §§ 84, 189 Abs. 1 ZPO]). Das gilt auch für den Fall, dass mehrere Vertreter ausdrücklich nur „gemeinschaftlich handelnd“, also zu einer Gesamtvertretung, bei dem Empfang von Verwaltungsakten bevollmächtigt werden. Denn einem Vollmachtgeber kann nicht die Befugnis zustehen, die Zustellung von Verwaltungsakten ohne anerkennenswerten Grund dadurch zu erschweren, dass er für den Postempfang mehrere Vertreter gemeinschaftlich bevollmächtigt. Die Bekanntgabe belastender Verwaltungsakte könnte sonst von den Betroffenen durch praktisch unerfüllbare Vertretungsregelungen vereitelt werden. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin, unter diesen Umständen ausnahmsweise eine Gesamtvertretung anzuordnen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

21

Ungeachtet dessen wäre ein Zustellungsmangel dadurch geheilt, dass die Söhne J… und A… B… gemeinschaftlich Widerspruch gegen den angefochtenen Vorausleistungsbescheid für die Klägerin eingelegt haben und sich dabei nicht auf den vermeintlichen Zustellungsmangel berufen haben (vgl. HessVGH, V OE 5/82, NVwZ 1986, 137, juris; SächsOVG, 5 A 595/08, juris; OVG NW, 22 B 997/94, NVwZ 1995, 395, juris).

22

2. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei der N... Straße um eine einheitliche Verkehrsanlage handelt (a). Auch die Festsetzung des Gemeindeanteils auf 60 % kann nicht beanstandet werden (b). Ebenso wenig greifen die übrigen Bedenken der Klägerin durch (c).

23

a) Ob ein Straßenzug nach einem geplanten Ausbau als eine Verkehrsanlage zu qualifizieren ist oder aus mehreren Anlagen besteht, ist nach der auf das Ausbaubeitragsrecht übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht zu beurteilen (vgl. OVG RP, 6 A 11867/02.OVG, AS 30, 287, NVwZ-RR 2004, 70, esovgrp, juris). Danach muss - ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise - grundsätzlich auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten geprägte Erscheinungsbild abgestellt werden (aa), wenn nicht aus rechtlichen Gründen ein anderer Gesichtspunkt maßgeblich ist (bb). Letzteres ist hier nicht der Fall (cc).

24

aa) Bei der natürlichen Betrachtungsweise der tatsächlichen Verhältnisse kommt es regelmäßig nicht auf eine einheitliche Straßenbezeichnung oder auf eine gleichartige Erschließungsfunktion an. Vielmehr ist maßgebend auf die Straßenführung, die Straßenbreite, die Straßenlänge und die Straßenausstattung abzustellen (vgl. BVerwG, 4 C 55.76, KStZ 1980, 110, juris). Danach stellt die N… Straße eine einheitliche Verkehrsanlage dar. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den von der Beklagten vorgelegten Fotos. Die N… Straße weist danach durchgehend eine asphaltierte Fahrbahn und auf der westlichen Straßenseite einen gepflasterten Gehweg auf, der gegenüber der Fahrbahn leicht erhöht angelegt ist. Der auf der östlichen Straßenseite im südlichen Abschnitt der N… Straße vorhandene gepflasterte Gehweg endet zwar an der Stelle, an der die neben der Kleinen N… verlaufende Gewässerseitenparzelle an die Straßenparzelle stößt. Dadurch wird der Eindruck einer einheitlichen Straße jedoch ebensowenig beeinträchtigt wie durch die an dieser Stelle einsetzende Fahrbahnverengung. Das einheitliche Erscheinungsbild der N… Straße wird zusätzlich durch die durchgehende Reihe roter Straßenlaternen auf der westlichen Straßenseite unterstrichen.

25

bb) Das tatsächliche Erscheinungsbild einer Verkehrsanlage ist jedoch nicht maßgeblich, soweit aus rechtlichen Gründen auf einen anderen Gesichtspunkt abgestellt werden muss (vgl. OVG RP, 6 A 11867/02.OVG, AS 30, 287, NVwZ-RR 2004, 70, esovgrp, juris; 6 A 11406/04.OVG, esovgrp, juris). Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Straße in ihrem Verlauf rechtlich unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dient, zum Beispiel einerseits dem allgemeinen Fahr- sowie Fußgängerverkehr und andererseits nur dem Fußgängerverkehr (Fußgängerzone). Eine weitere Ausnahme von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erscheinungsbildes kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) bei Straßen in Betracht, die aus zum Anbau bestimmten und aus nicht zum Anbau bestimmten Teilstrecken bestehen. Danach verliert eine Straße, die nach einer zum Anbau bestimmten Teilstrecke in eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke übergeht, von da an ihre Qualität als beitragsfähige Anbaustraße, wenn die beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke erstens den Eindruck einer gewissen erschließungsrechtlichen Selbständigkeit vermittelt und zweitens im Verhältnis zu der Verkehrsanlage insgesamt nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung ist (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris).

26

Ob diese Rechtsprechung grundsätzlich auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden ist, die durch eine zunächst beidseitig anbaubare Teilstrecke und eine sich daran anschließende Teilstrecke, die lediglich einseitig zum Anbau bestimmt ist, gekennzeichnet werden, muss nicht abschließend erörtert werden.

27

Gegen eine Übertragung dieser Rechtsprechung (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) auf Verkehrsanlagen, die aus einer beidseitig anbaubaren Teilstrecke und einer lediglich einseitig zum Anbau bestimmten Teilstrecke bestehen, sprechen allerdings die grundsätzlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Fallgestaltungen. Während nämlich eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke keine Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke hat, bleibt bei der einseitigen Anbaubestimmung der Erschließungszweck der Verkehrsanlage erhalten (vgl. OVG LSA, 4 L 401/08, juris; OVG RP, 6 A 10527/07, AS 35, 71, esovgrp, juris). Auch im Bereich der Teilstrecke mit lediglich einseitiger Anbaubestimmung stehen Ausbaukosten deshalb im sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabe der Straße, den von den qualifiziert nutzbaren Grundstücken ausgelösten Ziel- und Quellverkehr neben dem üblichen Durchgangsverkehr zu bewältigen, dessen Aufnahme ebenfalls zu den Funktionen einer Gemeindestraße gehört (vgl. BVerwG, IV C 74.73, DÖV 1976, 347, juris).

28

cc) Diese Überlegungen brauchen jedoch nicht vertieft zu werden, weil die Übertragung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren BVerwG 8 C 32.95 (BVerwGE 102, 294, juris) hier schon aus zwei anderen Gründen nicht in Betracht kommt.

29

Einerseits ist der Bereich der N… Straße mit einseitiger Anbaubestimmung wegen der der Straßenparzelle unmittelbar benachbarten, neben der Kleinen N… liegenden Gewässerseitenparzelle auf dieser Straßenseite dauerhaft nicht zum Anbau bestimmt. Deshalb ist hier für die Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes kein Raum. Nur unter dieser Voraussetzung der Anwendbarkeit des sog. Halbteilungsgrundsatzes wird aber befürwortet (vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 12 Rn. 39, 45), dass die bereits mehrfach erwähnten bundesverwaltungsgerichtlichen Grundsätze auch für einseitig anbaubare Teilstrecken gelten sollen. Dieser Halbteilungsgrundsatz bewirkt bei dem Ausbau von Straßen mit einseitiger Anbaubestimmung eine Teilung des Ausbauaufwands. Während eine Hälfte des Aufwands auf die Beitragspflichtigen der zum Anbau bestimmten Straßenseite abgewälzt wird, kann die Gemeinde die andere Hälfte zunächst nicht durch Beiträge refinanzieren. Vielmehr muss sie damit warten, bis auch die andere Straßenseite die Anbaubestimmung – beispielsweise durch einen Bebauungsplan – erlangt (vgl. BVerwG, 8 C 6.88, BVerwGE 82, 102 <106>, juris; BVerwG, 8 C 31.90, BVerwGE 89, 362, juris). Ist dies – wie hier – aus topografischen bzw. wasserrechtlichen Gründen jedoch auf Dauer ausgeschlossen, kommt eine Halbteilung des Aufwands nicht in Frage, weil die Gemeinde sonst eine Hälfte ihrer Aufwendungen dauerhaft selbst tragen müsste und damit gegen die Beitragserhebungspflicht verstoßen könnte (vgl. OVG RP, 6 A 11113/08.OVG, AS 37, 254, esovgrp, juris).

30

Andererseits können die bundesverwaltungsgerichtlichen Grundsätze (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) deshalb auf die vorliegende Fallgestaltung nicht angewendet werden, weil dies der mit der Aufteilung einer nach ihrem Erscheinungsbild einheitlichen Straße bezweckte Schutz der Beitragspflichtigen nicht gebietet. Das Bundesverwaltungsgericht (8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) hält es nicht für einen angemessenen Ausgleich von Vorteilen und Lasten, wenn die Eigentümer von Grundstücken an einer beidseitig anbaubaren Teilstrecke im wesentlichen Umfang Kosten tragen müssen, die auf eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke entfallen. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Denn kein Anlieger der N… Straße soll zu Beiträgen veranlagt werden, die auf Aufwendungen für eine nicht anbaubare Straßenteilstrecke entfallen. Die Beklagte hat die N… Straße in dem nördlichen, einseitig anbaubaren Teilstück nämlich lediglich in einem Umfang ausgebaut, der für die verkehrliche Erreichbarkeit der Grundstücke auf der Straßenseite mit Anbaubestimmung und für den Durchgangsverkehr schlechthin unentbehrlich ist (vgl. BVerwG, IV C 1.75, BVerwGE 52, 364 <369, 372>, juris; BVerwG, 8 C 6/88, BVerwGE 82, 102 <108>, juris; BVerwG, 9 B 78/09, juris).

31

Der Senat hat bereits entschieden, dass die gesamten Kosten eines Straßenausbaus auf die Eigentümer der Grundstücke der zum Anbau bestimmten Seite einer einseitig anbaubaren Straße umgelegt werden können, wenn der Ausbau auf den für die Erschließung dieser Grundstücke unerlässlichen Umfang beschränkt wird (OVG RP, 6 A 10971/11.OVG, KStZ 2012, 73, esovgrp, juris; vgl. auch BVerwG, IV C 1.75, BVerwGE 52, 364, juris; BVerwG, 9 C 6.03, NVwZ 2004, 1118, juris). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Fahrbahn der N… Straße im nördlichen, nur einseitig anbaubaren Bereich wurde nämlich in einer Breite von lediglich 4,65 m ausgebaut. Davon entfallen ca. 4,00 m auf den bituminösen Fahrbahnbereich und insgesamt ca. 65 cm auf die beiden seitlichen Pflasterrinnen. Damit ist ein Begegnungsverkehr von zwei Personenkraftwagen bei verminderter Geschwindigkeit möglich (vgl. Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen - EAE 1985/95 -, S. 29; Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen - RASt 06 -, S. 88). Im Begegnungsfall LKW/PKW wird einer der Verkehrsteilnehmer anhalten müssen, während der andere in Schrittgeschwindigkeit vorbeifährt. Schlechthin unentbehrlich ist auch der ca. 1,30 m breite Gehweg auf der Straßenseite mit Anbaubestimmung. Dieser vergleichsweise schmale Fahrbahnausbau vermindert die Attraktivität der N… Straße für den Durchgangsverkehr, trägt aber den von den erschlossenen Grundstücken ausgehenden Verkehrsanforderungen Rechnung und durfte deshalb von der Beklagten auch unter angemessener Berücksichtigung der Tatsache der nur einseitigen Erschließung für unerlässlich und damit für geboten gehalten werden.

32

Angesichts dessen sind die – bereits mehrfach erwähnten – bundesverwaltungsgerichtlichen Grundsätze (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) auf die N… Straße nicht übertragbar. Es bleibt damit bei der Maßgeblichkeit des durch die tatsächlichen Verhältnisse geprägten Erscheinungsbilds der Straße, das unter aa) dargestellt ist.

33

b) Die Festsetzung des Gemeindeanteils auf 60 v.H. kann nicht beanstandet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp; 6 A 11220/05.OVG, NVwZ-RR 2006, 285, esovgrp, juris) ist der Eigenanteil einer Gemeinde im Einzelfall unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände zu ermitteln, wobei ein ganz überwiegender Anliegerverkehr bei geringem Durchgangsverkehr einen Gemeindeanteil von 25 v. H., ein erhöhter Durchgangs-, aber noch überwiegender Anliegerverkehr regelmäßig einen Gemeindeanteil von 35 bis 45 v. H. rechtfertigt, während bei überwiegendem Durchgangsverkehr davon ausgegangen werden kann, dass der Gemeindeanteil regelmäßig 55 bis 65 v. H. beträgt. Nur bei ganz überwiegendem Durchgangsverkehr, aber nur wenig Anliegerverkehr ist ein Gemeindeanteil von 70 v.H. typischerweise angemessen. Dabei steht der Gemeinde ein Beurteilungsspielraum zu, der eine geringe Bandbreite mehrerer vertretbarer Vorteilssätze einschließt, die nach oben und unten um nicht mehr als 5 % abweichen (vgl. OVG RP, 6 A 68/85.OVG, AS 20, 411 <413>; OVG RP, 6 C 10464/02.OVG, AS 30, 106, KStZ 2003, 35, esovgrp). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Gemeinde gleichsam schematisch fünf Prozentpunkte von den nach den erwähnten Grundsätzen ermittelten Prozentsätzen abziehen darf. Die Bandbreite von 5 % nach oben und unten soll vielmehr einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten, die mit der Bewertung der Anteile des Anlieger- sowie des Durchgangsverkehrs ohne präzise Datenerhebung zwangsläufig verbunden ist (OVG RP, 6 A 11315/06.OVG, AS 34, 99, esovgrp; 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Der Ratsbeschluss zur Festlegung des Gemeindeanteils darf nicht auf sachfremden Überlegungen oder auf einer greifbaren Fehleinschätzung beruhen (vgl. OVG RP, 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, kann der Rat, der mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere den Grundstücksnutzungen, der flächenmäßigen Ausdehnung der Wegeparzelle, den Verkehrsströmen und der Bedeutung einer Gemeindestraße im Gefüge der innerörtlichen Verkehrswege vertraut ist, die Entscheidung über den Gemeindeanteil ohne eine Verkehrszählung und ohne Einschaltung eines Sachverständigen hinreichend zuverlässig treffen (OVG RP, 6 A 11385/05.OVG; 6 A 10468/07.OVG; 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Eine greifbare Fehleinschätzung unterläuft dem Rat, wenn er die gesetzlichen Maßstäbe zur Festlegung des Gemeindeanteils in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung verfehlt, nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt oder sein Beschluss in sich widersprüchlich ist (OVG RP, 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Davon kann hier nicht die Rede sein.

34

Vielmehr gibt die Begründung des Beschlusses vom 3. Dezember 2009 widerspruchsfrei und nachvollziehbar Aufschluss über die für die Festlegung des Gemeindeanteils maßgeblichen Erwägungen. Danach wurde der Verkehr „über die Brücke zum östlichen Ortsbereich“ als Durchgangsverkehr betrachtet. Dies umfasst die Straßen nordöstlich der Kleinen N…. Die von der Klägerin vorgenommene Gegenüberstellung der baulich nutzbaren Grundstücke in diesem Bereich (57) und der Grundstücke an der N… Straße (20) ließe unmittelbare Rückschlüsse auf das Verhältnis von Durchgangsverkehr und Anliegerverkehr in der N… Straße nur zu, wenn davon auszugehen wäre, der gesamte Verkehr zu den und von den Straßen nordöstlich der Kleinen N… führe durch die N… Straße. Dies ist indessen für den Verkehr nicht der Fall, der als Ziel den Ortskern hat oder den Ort in westlicher Richtung über die K 20 verlassen möchte. Soweit die Klägerin vorträgt, beim Ausbau der M… Straße und der R… Straße, die über deutlich weniger Durchgangsverkehr als die N… Straße verfügten, habe der Gemeinderat ebenfalls einen Eigenanteil von 60 v.H. festgelegt, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat nämlich durch eine Kopie der Niederschrift über die Ratssitzung vom 5. Mai 2004 dargelegt, dass der Gemeindeanteil sowohl für die M… Straße als auch für die R… Straße 40 v.H. beträgt. Dass die Anlieger dieser beiden Straßen – wie die Klägerin meint – regelmäßig über die N… Straße zur Kreisstraße 20 (Hauptstraße) fahren, erscheint eher fernliegend, selbst wenn sie den Ort in südöstlicher Richtung über die K 20 verlassen. Auch der Verkehr in das und aus dem Neubaugebiet „I… S…“, der in der N… Straße Durchgangsverkehr darstellt, musste den Gemeinderat nicht veranlassen, einen ganz überwiegendem Durchgangsverkehr, aber nur wenig Anliegerverkehr anzunehmen und einen Gemeindeanteil von 70 v.H. festzusetzen. Das gilt in besonderem Maß, wenn man berücksichtigt, dass der Fußgängerverkehr in der N… Straße keineswegs überwiegend Durchgangsverkehr, sondern – im Gegenteil – zum weit überwiegenden Teil Anliegerverkehr darstellt. Schließlich ist dem Gemeinderat der Beklagten mit der Festsetzung des Gemeindeanteils auf 60 v.H. nicht deswegen eine greifbare Fehleinschätzung unterlaufen, weil die N… Straße seitens des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen eines Zuwendungsverfahrens als „verkehrswichtige innerörtliche Straße“ eingestuft wurde. Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, die typische Fallgruppe eines ganz überwiegenden Durchgangsverkehrs, für die regelmäßig ein Gemeindeanteil von 70 v.H. angemessen ist, liege vor.

35

c) Auch die übrigen Bedenken der Klägerin greifen nicht durch. Soweit sie die Auffassung vertritt, das Bauprogramm zum Straßenausbau müsse satzungsrechtlich festgelegt sein, folgt ihr der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht (vgl. BVerwG, 8 C 13.94, BVerwGE 99, 308, juris; BVerwG, IV 15.71, BVerwGE 40, 177, juris). Während die Merkmale, von denen die endgültige erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage abhängt, durch Satzungsrecht zu regeln sind, kann das Bauprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen für jede einzelne Straße durch (einfachen) Ratsbeschluss bestimmt werden. Einrichtungen für die Entwässerung und Beleuchtung beispielsweise müssen danach – wenn sie als Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage gelten sollen – in der Ortssatzung als solche angeführt werden, während die Einteilung der Fläche einer Erschließungsstraße in Fahrbahn, Gehweg, Radweg, Parkstreifen und Grünstreifen (flächenmäßiges Teileinrichtungsprogramm) nicht in dieser qualifizierten Weise satzungsrechtlich festgelegt werden muss. Anders als die Klägerin meint, lässt sich aus der Bestimmung des § 242 Abs. 1 Baugesetzbuch - BauGB - nicht ableiten, dass Ausbaubeiträge für „vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht aufgrund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften“ nicht entstehen konnte, nicht erhoben werden können. Diese Vorschrift schließt lediglich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung „vorhandener Erschließungsanlagen“ aus, lässt aber die Möglichkeit unberührt, Beiträge für den Ausbau solcher „vorhandener Erschließungsanlagen“ zu fordern (vgl. Driehaus, a.a.O., § 2 Rn. 25).

36

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

38

Revisionszulassungsgründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art liegen nicht vor.

39

Beschluss

40

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.824,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Februar 2008 wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich als Eigentümer des bebauten Grundstücks in G., Brunnenstraße 9 …, gegen die Heranziehung zu Ausbaubeitrags-Vorausleistungen.

2

Das Grundstück grenzt an den rückwärtigen Teil der Brunnenstraße zwischen der Feldstraße und der Einmündung des Fahrwegs 2590. Die in diesem Teil der Brunnenstraße in den Jahren 1992 bis 1994 vorgenommenen Straßenbauarbeiten wurden mit Ausbaubeitragsbescheiden vom 25. November 1997 abgerechnet, wobei der Aufwand nur von den Anliegern dieser Teilstrecke zu tragen war. In dem einseitig bebauten Bereich dieser Teilstrecke soll der Anschluss an ein Neu-baugebiet errichtet werden; der diesbezügliche Bebauungsplan „Im Weidenfeld“ befindet sich im Aufstellungsverfahren.

3

Am 19. September 2006 beschloss der Gemeinderat, den vorderen Teil der Brunnenstraße von der Einmündung in die L 318 „auf Höhe des Flurstücks 163 bis zur Einmündung des gemeindlichen Wirtschaftswegs (Flur 17, Flurstück 2589)“ mit den Teileinrichtungen Fahrbahn und höhengleichen Bürgersteigen einschließlich deren Entwässerung sowie einen Teil des zwischen den Anliegerparzellen 181 und 118/1 verlaufenden Treppenwegs auszubauen. Nach Angaben der Beklagten sind die Baumaßnahmen mittlerweile abgeschlossen und der Aufwand feststellbar.

4

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2006 zog die Beklagte die Kläger zu einer Vorausleistung von 8.083,20 € für diese Ausbaumaßnahme heran. Am 19. Dezember 2006 legten die Kläger Widerspruch ein und machten geltend, dass sie in den 90er Jahren für den damals ausgebauten, rückwärtigen Teil der Brunnenstraße zu Ausbaubeiträgen herangezogen worden seien, während die Anlieger im vorderen Teil der Straße davon verschont geblieben seien. Der Aufwand des jetzt ausgebauten Teils müsse von den Anliegern des vorderen Teilstücks allein getragen werden.

5

Am 17. April 2007 haben die Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Sie tragen vor, die Brunnenstraße bestehe beitragsrechtlich aus zwei selbständigen Straßen. Die Einmündung der Feldstraße stelle die Zäsur dar. Dort gebe es eine platzartige Erweiterung, denn hier träfen die Feldstraße, der Fahrweg 2589, die Straße „Auf dem Berg“ und eine Einmündung der Straße „Im Wingert“ auf die Brunnenstraße. Hinzu kämen topographische Besonderheiten, Abweichungen hinsichtlich der Bürgersteige, unterschiedliche Beleuchtungsanlagen und beidseitige bzw. einseitige Bebauung in den jeweiligen Streckenabschnitten. Selbst wenn die Brunnenstraße eine einheitliche Anlage sein sollte, wäre die Abschnittsbildung aus dem Jahre 1997 nach wie vor bindend. Die Beklagte habe damals den Aufwand bewusst nur auf den ausgebauten (rückwärtigen) Abschnitt verteilt; deshalb müsse sie den nun entstandenen Aufwand auf den jetzt ausgebauten Teil beziehen. Im Übrigen sei der Gemeindeanteil von 40% zu gering. Angesichts des überwiegenden Durchgangsverkehrs seien 55% bis 65% angemessen. Dieser ergebe sich durch die abzweigenden Straßen, den Treppenweg zur L. Halle, zur Schule, zum Kindergarten und zum Rathaus, durch den landwirtschaftlichen Verkehr und denjenigen zum gemeindlichen Sportplatz. Schließlich könnten nicht alle entstandenen Kosten umgelegt werden. Der westliche „Bürgersteig“ mit einer Breite von 0,60 m sei nicht beitragsfähig und die Gabionenwand sei zu teuer. Außerdem habe die Beklagte einzelne Grundstücke zu Unrecht überhaupt nicht oder nur mit Eckermäßigung berücksichtigt.

6

Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130b Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich zu eigen macht.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Ausbaubeitrags-Vorausleistungsbescheid wegen der Festsetzung eines zu geringen Gemeindeanteils aufgehoben. Zwar habe die Brunnenstraße im Zeitpunkt der Straßenbaumaßnahme des Jahres 2006 bei natürlicher Betrachtungsweise eine einheitliche und inzwischen auch gewidmete Straße dargestellt. Auch eine Abschnittsbildung sei nicht zwingend notwendig gewesen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sei die Kammer davon überzeugt, dass die Straßenbaumaßnahmen der 90er Jahren in Wahrheit Erschließungsmaßnahmen gewesen seien, die - zu Gunsten der Anlieger - rechtswidrig als Ausbaumaßnahmen abgerechnet worden seien. Dennoch müsse der Vorausleistungsbescheid aufgehoben werden, weil der Gemeindeanteil von 40 % den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. Denn das Verhältnis des Anliegerverkehrs zum Durchgangsverkehr dürfe nicht im Sinne einer Momentaufnahme (z.B. Verkehrszählung), sondern müsse prognostisch ermittelt werden. Wenn im maßgebenden Zeitpunkt bekannt sei, dass sich die Verkehrsströme in naher Zukunft erheblich ändern werden, dann dürfe die Kenntnis von der zu erwartenden Verkehrsentwicklung bei der Festlegung des Gemeindeanteils nicht vernachlässigt werden. Der Bebauungsplan „Im Weidenfeld“ sehe ein relativ großräumiges Neubaugebiet vor, dessen einzige Erschließungsanlage in die Brunnenstraße einmünden werde. Zwar habe dieser Plan noch keine Planreife erlangt, weil über die Anregungen und Bedenken noch nicht entschieden sei. Die Einwendungen beträfen jedoch nicht die geplante Einmündung der neuen Erschließungsanlage in die Brunnenstraße. Deshalb sei jetzt schon mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass in den rückwärtigen Teil der Brunnenstraße in naher Zukunft ein erheblicher Durchgangsverkehr von und zu dem Neubaugebiet stattfinden werde.

8

Nach Zulassung der Berufung durch den Senat trägt die Beklagte vor, maßgeblicher Zeitpunkt für die Festlegung des Gemeindeanteils sei die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Insoweit müsse im Verfahren der Vorausleistungserhebung eine Prognose getroffen werden, die jedoch einen aufgrund gemeindlicher Planungsabsichten möglicherweise später einmal entstehenden Durchgangsverkehr nicht berücksichtigen dürfe. Da die Beitragspflicht mittlerweile entstanden sei, der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan „Im Weidenfeld“ aber nicht einmal Planreife erlangt habe, könne ein durch dessen in der Zukunft mögliche Verwirklichung entstehender Durchgangsverkehr nicht dazu führen, dass der Gemeindeanteil für die vorliegende Ausbaumaßnahme erhöht werden müsse.

9

Die Beklagte beantragt,

10

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

11

Die Kläger beantragen,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie bekräftigen ihren erstinstanzlichen Vortrag und weisen insbesondere darauf hin, dass der Verkehr zum gemeindlichen Sportplatz im Außenbereich über die Brunnenstraße führe. Auch dem landwirtschaftlichen Durchgangsverkehr und dem Radfahrverkehr habe die Beklagte bei der Festlegung des Gemeindeanteils nicht hinreichend Rechnung getragen.

14

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus der Gerichtsakte und den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, Datenträgern, Fotografien und Plänen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

16

Anders als das Verwaltungsgericht kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der angefochtene Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2006 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das verwaltungsgerichtliche Urteil muss dementsprechend abgeändert werden.

17

Die Vorausleistungserhebung findet ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 10 i.V.m. § 7 Abs. 5 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes in der hier noch anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 2. März 2006 - KAG – und in § 9 der Satzung der Beklagten zur Erhebung von einmaligen Beiträgen nach tatsächlichen Investitionsaufwendungen für den Ausbau von Verkehrsanlagen – ABS -. Danach können ab Beginn einer Maßnahme Vorausleistungen auf einmalige Beiträge bis zur voraussichtlichen Höhe des Beitrags festgesetzt werden. Dies setzt voraus, dass es sich um eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme an einer öffentlichen Straße handelt, was hier der Fall ist (1.). Außerdem ist zu überprüfen, inwieweit der veranschlagte Aufwand berücksichtigt werden darf. Korrekturen an der Berechnung der Beklagten sind insoweit nicht erforderlich (2.). Auch die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands ist nicht zu beanstanden (3.).

18

1. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die abgerechnete Maßnahme der Straßenerneuerung bzw. -verbesserung im Sinne der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 2 KAG beitragsfähig. Bei der Brunnenstraße in G. handelt es sich um eine öffentliche Straße, die ausgebaut wurde. Der Senat schließt sich aufgrund der vorgelegten Pläne, der Fotografien und des Films der Auffassung des Verwaltungsgerichts an, wonach die Brunnenstraße zwischen der Diezer Straße und der Einmündung des Fahrwegs 2590 als eine einheitliche Verkehrsanlage zu betrachten ist, ohne dass der Einmündungsbereich der Feldstraße, des Fahrwegs 2589, der Sackgasse „Auf dem Berg“ und der Straße „Im Wingert“ die Brunnenstraße optisch in zwei Verkehrsanlagen aufteilt.

19

Auch die Ausführungen des angefochtenen Urteils im Zusammenhang mit einer Abschnittsbildung sind zutreffend. Der Senat gelangt ebenfalls zu der Überzeugung, dass die Straßenbauarbeiten, die in den Jahren 1992 bis 1994 im rückwärtigen Bereich der Brunnenstraße durchgeführt wurden, der erstmaligen Herstellung dieses Teils der Verkehrsanlage dienten, die zuvor lediglich über eine unbeleuchtete, geschotterte Fahrbahn verfügte, die über einen offenen Seitengraben entwässert wurde. Der Senat macht sich auch diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen.

20

2. Der von der Beklagten der Vorausleistungserhebung zugrunde gelegte Aufwand ist beitragsfähig.

21

a) Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass Kosten für die Sanierung des Treppenwegs nicht zum beitragsfähigen Ausbauaufwand der Brunnenstraße gehören. Die Erneuerung des Treppenwegs kann – anders als dies regelmäßig beim Ausbau einer unselbständigen Sackgasse der Fall ist – nicht zusammen mit den Baumaßnahmen zum Ausbau des vorderen Teilstücks der Brunnenstraße abgerechnet werden. Denn der Treppenweg erfüllt eine von der Brunnenstraße verschiedene Verkehrsfunktion; er steht schon wegen seiner technischen Ausführung lediglich dem Fußgängerverkehr zur Verfügung, während die Brunnenstraße dem Fußgänger- und dem Fahrverkehr dient (vgl. hierzu OVG R-P, 6 A 11867/02.OVG, AS 30, 287 = NVwZ-RR 2004, 70; OVG R-P, 6 A 22/86, KStZ 1987, 75, juris). Allerdings sind die Kosten für die Sanierung des Treppenwegs nicht in den zu verteilenden Aufwand eingestellt worden, wie seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt wurde. Dieser Erklärung zufolge wurden die Arbeiten am Treppenweg lediglich in das Bauprogramm aufgenommen, das – in erster Linie – dem Ausbau des vorderen Teilstücks der Brunnenstraße diente.

22

b) Anders als die Kläger meinen, sind die Kosten für einen Bürgersteig mit einer Breite von nur 0,60 m beitragsfähig. Der Senat hat im Verfahren 6 A 10035/04.OVG (AS 31, 283, NVwZ-RR 2005, 499, ESOVGRP) einen beitragsrechtlich relevanten Vorteil nicht von einer bestimmten Mindestbreite eines Gehwegs abhängig gemacht. Er hat vielmehr entscheidend darauf abgestellt, ob der Gehweg im Hinblick auf den im Einzelfall zu bewältigenden Fußgängerverkehr funktionsgerecht ist. Davon ist im vorliegenden Zusammenhang auszugehen, weil in der Brunnenstraße der „Bürgersteig“ höhengleich mit der „Fahrbahn“ ausgeführt ist. Soweit man unter solchen Umständen wegen der leicht vertieften Rinne überhaupt von einer Trennung zwischen dem Gehweg und der Fahrbahn sprechen kann, berührt sie den beitragsrechtlich relevanten Vorteil für den Fußgängerverkehr nicht, weil dieser insbesondere im Falle eines Begegnungsverkehrs Randbereiche der „Fahrbahn“ mitbenutzen kann.

23

c) Auch der Einwand der Kläger, Gabionen (steingefüllte Drahtkörbe) seien wesentlich teurer als zur Hangabstützung eingesetzte Betonwinkelsteine und deshalb ausbaubeitragsrechtlich nicht erforderlich, greift nicht durch. Den Gemeinden ist bei der Durchführung von Ausbaumaßnahmen ein weites Ermessen eingeräumt, das nur willkürliche Erwägungen und Kosten, die in jeder Hinsicht unverhältnismäßig sind, ausschließt (vgl. OVG R-P, 6 A 12010/96.OVG, AS 25, 428, NVwZ-RR 1998, 327, ESOVGRP; OVG R-P, 6 A 11575/03.OVG, ESOVGRP). Dass evtl. Mehrkosten für eine Hangabstützung durch Gabionen eine grob unangemessene Höhe erreichen, kann angesichts der von der Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnung ausgeschlossen werden, wonach eine Hangsicherung durch Betonwinkelsteine sogar teurer als eine Abstützung durch Gabionen ist.

24

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Stützmauer auf dem Straßengrund oder auf Anliegergrundstücken errichtet wird (vgl. BVerwG, 8 C 86/87, BVerwGE 82, 215) und ob sie die (höherliegende) Straße stützt oder zur Stützung der angrenzenden Grundstücke wegen der tiefer liegenden Straße und damit zum Schutz der Straße und der Anliegergrundstücke erforderlich ist (vgl. hierzu bereits OVG R-P, 6 A 2/86, AS 21, 133 = NVwZ-RR 1989, 40, ESOVGRP; OVG R-P, 6 A 12471/90, KStZ 1992, 77, ESOVGRP).

25

3. Die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands ist nicht zu beanstanden.

26

a) Die Festlegung des Gemeindeanteils durch den Rat der Beklagten auf 40% ist in Übereinstimmung mit § 10 Abs. 4 KAG erfolgt. Nach dieser Bestimmung bleibt bei der Ermittlung der Beiträge ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil (Gemeindeanteil) außer Ansatz, der dem nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnenden Verkehrsaufkommen entspricht. Der Eigenanteil der Gemeinde muss folglich den Vorteil widerspiegeln, den die Allgemeinheit im Verhältnis zur Gesamtheit der Anlieger durch eine Ausbaumaßnahme erlangt. Dabei ist entscheidend auf die zahlenmäßige Relation der Verkehrsfrequenzen des Anliegerverkehrs einerseits und des allgemeinen Durchgangsverkehrs andererseits abzustellen. Bei der Festlegung des Gemeindeanteils sind die Lage der zur Beurteilung anstehenden Straße innerhalb des jeweiligen Gemeindegebiets und die sich danach voraussichtlich ergebenden Verkehrsströme zu berücksichtigen (OVG R-P, 6 A 11406/04.OVG, KStZ 2005, 217, ESOVGRP; OVG R-P, 6 A 11220/05.OVG, NVwZ-RR 2006, 285, ESOVGRP; OVG R-P, 6 A 11315/06.OVG, AS 34, 99, ESOVGRP). Diese Beurteilung hat sich maßgeblich an den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht zu orientieren (vgl. OVG R-P, 6 A 153/89.OVG, ESOVGRP). Ein prognostisches Element spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn es um die Erhebung von Vorausleistungen geht und wenn mit der Art des Ausbaus eine Beeinflussung der Verkehrsströme beabsichtigt ist. Auch wenn anderweitige Maßnahmen zur Umsetzung der gemeindlichen Straßenplanung konkret darauf schließen lassen, dass sich demnächst die zahlenmäßige Relation der Verkehrsfrequenzen des Anliegerverkehrs einerseits und des allgemeinen Durchgangsverkehrs andererseits in erheblicher Weise ändern wird, ist dem bei der auf den Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht bezogenen Festlegung des Gemeindeanteils Rechnung zu tragen. Betrifft diese Änderung den zu erwartenden Verkehr in ein bzw. aus einem Neubaugebiet, muss er jedenfalls solange unberücksichtigt bleiben, wie die Planung noch nicht rechtsverbindlich ist (vgl. hierzu im Zusammenhang mit der Eckgrundstücksermäßigung: OVG R-P, 6 A 12269/98.OVG, AS 27, 302, ESOVGRP; OVG R-P, 6 A 12088/04.OVG, AS 32, 149, KStZ 2005, 234, ESOVGRP).

27

Wenn das Verhältnis von Anlieger- und Durchgangsverkehr beim Fußgängerverkehr deutlich abweicht von dem entsprechenden Verhältnis beim Fahrverkehr, ist ein mehrstufiges Verfahren zur Ermittlung des Gemeindeanteils anzuwenden, das aus der zunächst gesonderten Bewertung einerseits des Fußgänger- und andererseits des Fahrverkehrs und einer sich anschließenden Zusammenführung der so gewonnenen Teilgemeindeanteile besteht (OVG R-P, 6 A 11220/05.OVG, NVwZ-RR 2006, 285, ESOVGRP). Nach der Rechtsprechung des Senats (6 A 11406/04.OVG, KStZ 2005, 217, ESOVGRP) ist der Eigenanteil einer Gemeinde im Einzelfall unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände zu ermitteln, wobei ein erhöhter Durchgangs-, aber ein noch überwiegender Anliegerverkehr regelmäßig einen Gemeindeanteil von 35-45 % rechtfertigt, während bei überwiegendem Durchgangsverkehr davon ausgegangen werden kann, dass der Gemeindeanteil regelmäßig 55-65 % beträgt. Halten sich Anlieger- und Durchgangsverkehr die Waage, kann danach ein Gemeindeanteil von 50 % als angemessen abgesehen werden. Damit scheidet die Festlegung eines Gemeindeanteils von 50 % bei überwiegendem Durchgangsverkehr in aller Regel aus; sie kann aber in Ausnahmefällen noch vertretbar sein. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der der Gemeinde zustehende Beurteilungsspielraum eine geringe Bandbreite mehrerer vertretbarer Vorteilssätze einschließt, die nach oben und unten um nicht mehr als 5 % abweichen (vgl. OVG R-P, 6 A 68/85.OVG, AS 20, 411 <413>; OVG R-P, 6 C 10464/02.OVG, AS 30, 106 = KStZ 2003, 35 = NVwZ-RR 2003, 380, ESOVGRP). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Gemeinde gleichsam schematisch fünf Prozentpunkte von den nach den erwähnten Grundsätzen ermittelten Prozentsätzen abziehen darf. Die Bandbreite von 5 % nach oben und unten soll vielmehr einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten, die mit der Bewertung der Anteile des Anlieger- sowie des Durchgangsverkehrs ohne präzise Datenerhebung zwangsläufig verbunden ist (OVG R-P, 6 A 11315/06.OVG, AS 34, 99, ESOVGRP).

28

Die Entscheidung über den Gemeindeanteil setzt nach der Rechtsprechung des Senats (6 A 11385/05.OVG; 6 A 10468/07.OVG) weder eine Verkehrszählung noch die Ermittlung der Verkehrsfunktion der Straße durch einen Sachverständigen voraus. Der Gemeinderat, der mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere den Grundstücksnutzungen, der flächenmäßigen Ausdehnung der Wegeparzelle und der Bedeutung einer Gemeindestraße im Gefüge der innerörtlichen Verkehrswege vertraut ist, kann – von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - auch ohne solche formellen Erhebungen die Verkehrsbedeutung einer Straße innerhalb des Gemeindegebiets hinreichend zuverlässig einschätzen. Die Festlegung des Gemeindeanteils ist aber zu beanstanden, wenn der diesbezügliche Ratsbeschluss auf einer greifbaren Fehleinschätzung beruht, weil er die vorstehenden Maßstäbe verfehlt, nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt oder in sich widersprüchlich ist.

29

Nach diesen Maßstäben ist der Beschluss, den Gemeindeanteil für den Ausbau der Brunnenstraße auf 40% festzulegen, nicht zu beanstanden. Der Gemeinderat hat zu Recht den durch eine Verwirklichung des noch nicht rechtsverbindlichen Bebauungsplans „Im Weidenfeld“ möglicherweise entstehenden Durchgangsverkehr außer Betracht gelassen. Denn diese Planungsabsichten, die noch keine Planreife erlangt haben, lassen noch nicht hinreichend konkret darauf schließen, dass sich demnächst die zahlenmäßige Relation der Verkehrsfrequenzen des Anliegerverkehrs einerseits und des allgemeinen Durchgangsverkehrs andererseits in erheblicher Weise ändern wird. Dass mit den das Umlegungsverfahren vorbereitenden Arbeiten begonnen wurde, ändert daran nichts.

30

Der Gemeindeanteil musste auch nicht wegen der unbebauten Außenbereichsparzellen 1008 bis 1013 erhöht werden, die sich auf der dem Grundstück der Kläger gegenüber liegenden Straßenseite befinden. Der Senat folgt nicht der von den Klägern vertretenen Auffassung, unter solchen Umständen sei der Ausbauvorteil der Anliegergrundstücke geringer als im Fall einer beidseitig anbaubaren Verkehrsanlage, so dass eine andere Verteilung des Aufwands zwischen Gemeinde und Anliegern erfolgen müsse als bei beidseitig anbaubaren Straßen (vgl. hierzu OVG N-W, 15 A 7653/95, juris). Auf eine solche Differenzierung, die nicht entscheidend auf die aus dem Verkehrsaufkommen abgeleitete Vorteilslage abstellt, kommt es nach § 10 Abs. 4 KAG nicht an. Vielmehr bleibt – wie bereits erwähnt - nach dieser Bestimmung bei der Ermittlung der Beiträge ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil (Gemeindeanteil) außer Ansatz, der dem nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnenden Verkehrsaufkommen entspricht.

31

Einer gesonderten Bewertung einerseits des Fußgänger- und andererseits des Fahrverkehrs und einer sich anschließenden Zusammenführung der so gewonnenen Teilgemeindeanteile bedurfte es nicht, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass das Verhältnis von Anlieger- und Durchgangsverkehr beim Fußgängerverkehr deutlich abweicht von dem entsprechenden Verhältnis beim Fahrverkehr. Der Rat hat zutreffend berücksichtigt, dass Durchgangsverkehr in die bzw. aus der Feldstraße, der Straße „Im Wingert“ und der Straße „Auf dem Berg“ stattfindet. Dabei hat er zu Recht nicht allein auf die Zahl bzw. Größe der Anliegergrundstücke im Vergleich zu den Grundstücken abgestellt, von denen Durchgangsverkehr ausgeht. Außerdem wurde weder in dem Beschluss vom 19. September 2006 noch in der Entscheidung vom 13. März 2007 verkannt, dass der Sportplatz im Außenbereich über die Brunnenstraße angesteuert wird und dass sie Zufahrt sowie Zugang zu Wald- und Wanderwegen darstellt. Auch die Fußwegverbindung zur L. Halle, zum Rathaus und zum Kindergarten wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich erwähnt. Dass dabei ein ins Gewicht fallender landwirtschaftlicher und/oder der von den Benutzern überörtlicher Radwege verursachte Durchgangsverkehr übersehen worden ist, kann nicht allein deswegen angenommen werden, weil diese Verkehrsarten nicht als solche gesondert benannt wurden. Gleiches gilt für Wochenendgrundstücke im Außenbereich sowie für den Verkehr zur Kläranlage. Da angesichts dessen nichts dafür ersichtlich ist, dass der Durchgangsverkehr in der Brunnenstraße – wie die Kläger meinen – überwiegt oder sich Anlieger- und Durchgangsverkehr die Waage halten, beruht die Festlegung des Gemeindeanteils auf 40% nicht auf einer greifbaren Fehleinschätzung.

32

b) Die Aufwandsverteilung ist auch im Übrigen bedenkenfrei.

33

Die Grundstücke Parzelle 116/9 (Rathaus, L. Halle, Kindergarten, Schule) und Flurstück 176/1 sind nicht als sogenannte Hinterliegergrundstücke beitragspflichtig. Denn sie sind von der Brunnenstraße her nicht über ein Anliegergrundstück, sondern über von der Brunnenstraße abzweigende, eigenständige Verkehrsanlagen erreichbar. Würde man dies als rechtliche und tatsächliche Zugänglichkeit i.S.d. § 10 Abs. 6 Satz 1 KAG ausreichen lassen, unterlägen mindestens alle Grundstücke an von der Brunnenstraße abzweigenden Straßen (Feldstraße, Auf dem Berg, Im Wingert, Diezer Straße) der Beitragspflicht für deren Ausbau. Damit würde der Unterschied zur Beitragserhebung in einer Abrechnungseinheit (§ 10 Abs. 3 KAG) verwischt. Deshalb verbietet sich eine solche Ausweitung des Begriffs der Zugänglichkeit „zu der ausgebauten Verkehrsanlage“ i.S.d. § 10 Abs. 6 Satz 1 KAG.

34

Ebenso wenig kann beanstandet werden, dass die Beklagte die Grundstücke Parzellen 126/2 und 123/5 nicht in die Verteilung einbezogen hat. Soweit diese Flurstücke nur eine Punktberührung mit der ausgebauten Verkehrsanlage haben, fehlt es ihnen an der in § 10 Abs. 6 Satz 1 KAG vorausgesetzten Zugänglichkeit. Nach der Rechtsprechung des Senats (6 A 10323/07.OVG, KStZ 2008, 33, ESOVGRP) hängt die Frage, welcher Zugang nach Art und Beschaffenheit möglich sein muss, von der Nutzbarkeit des Grundstücks ab (OVG R-P, 6 A 10158/06.OVG, KStZ 2006, 171, ESOVGRP). Für eine Wohnnutzung reicht die Möglichkeit aus, mit Personen- und kleinen Versorgungsfahrzeugen bis an die Grenze des Grundstücks bzw. bis zu dessen Höhe heranzufahren und es von dort aus zu betreten (vgl. BVerwG, 9 C 4/05, NVwZ 2007, 81). Dies setzt einen Zugang in der bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Mindestbreite voraus, die 1,25 m beträgt, sofern das auf dem Grundstück errichtete Gebäude dem Tatbestand des § 7 Abs. 1 der Landesbauordnung unterfällt. Die Punktberührung des Flurstücks 126/2 mit der Straßenparzelle der Brunnenstraße gewährleistet demnach die erforderliche Zugänglichkeit nicht. Auch wenn man davon ausgeht, das Grundstück Parzelle 123/5 liege in hinreichender Breite an der ausgebauten Straßenparzelle, erscheint diese gemeinsame Grenze bei natürlicher Betrachtungsweise bereits als Teil der Feldstraße, so dass es auch dem Flurstück 123/5 an der Zugänglichkeit zur Brunnenstraße fehlt. Dass die erwähnten Parzellen 126/2 und 123/5 nicht als Hinterliegergrundstücke beitragspflichtig sein können, ergibt sich aus dem bereits dargelegten Umstand, dass ihnen der Zugang zur Brunnenstraße jeweils durch eine andere, eigenständige Verkehrsanlage vermittelt wird.

35

Zu Recht hat die Beklagte auch die als Gartengrundstücke genutzten Parzellen 163, 164 und 165/1 nicht als beitragspflichtig betrachtet. Da sie im Eigentum unterschiedlicher Personen stehen, wie den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist, könnten sie wegen ihres schmalen Zuschnitts nur durch die Errichtung von Garagen baulich in qualifizierter Weise genutzt werden (§ 10 Abs. 6 Satz 1 KAG). Eine Ausbaubeitragspflicht besteht aber nicht für ein unbebautes, einzig mit einer Garage bebaubares Grundstück, von dem aufgrund der konkreten Umstände anzunehmen ist, es werde unbebaut bleiben, beispielsweise weil in dem betreffenden Bereich kein Bedarf mehr für eine Garage besteht oder die besonderen topographischen oder sonstigen Gegebenheiten des Einzelfalls die Errichtung eines solchen Gebäudes als nahezu ausgeschlossen erscheinen lassen (OVG R-P, 6 A 10527/07.OVG, AS 35, 71, ESOVGRP). So liegen die Dinge hier. Der Ortsbürgermeister der Beklagten erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass an ihn in den letzten fünfzehn Jahren keine Fragen nach vermietbaren Garagen in G. herangetragen worden seien; er erinnere sich nur an die Vermietung einer Garage in einem älteren Neubaugebiet. Weitere Fälle von Garagenvermietungen seien ihm nicht bekannt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass sich die Investitionen für die Errichtung von Garagen zum Zwecke der Vermietung nicht lohnen dürften. Dass die erwähnten Gartenparzellen voraussichtlich unbebaut bleiben, ergibt sich auch aus der Mitteilung der Vertreter der Beklagten, die Eigentümerin des Flurstücks 163 habe vor einiger Zeit einen Bauantrag für die Errichtung eines kleinen Gebäudes, das sie als Imbiss und Garage habe nutzen wollen, gestellt; dieser Bauantrag sei indessen von der Kreisverwaltung mit der Begründung, das Grundstück liege im Außenbereich, abgelehnt worden.

36

Schließlich sind auch die gewährten Eckgrundstücksermäßigungen nicht zu beanstanden. Soweit die Kläger meinen, die auch an den Straßen „Im Wingert“ sowie „Auf dem Berg“ liegenden Grundstücke seien zwar mehrfach erschlossen, jedoch nicht in gleichartiger Weise, folgt dem der Senat nicht. "Gleichartig" i.S.d. § 7 Abs. 2 ABS sind Verkehrsanlagen, die einen vergleichbaren Erschließungsvorteil vermitteln (vgl. auch HessVGH, 5 UZ 35/03, juris). Das ist bei den erwähnten Verkehrsanlagen der Fall, auch wenn die Straßen „Im Wingert“ sowie „Auf dem Berg“ nicht über Gehwege verfügen. Sie bieten gleichwohl dem Fußgängerverkehr keinen geringeren Vorteil als die Brunnenstraße. Etwas hiervon Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats im Verfahren 6 A 12528/90.OVG (AS 23, 204 <208>, ESOVGRP), in der es um die Eckgrundstücksvergünstigung für ein Grundstück ging, das sowohl an einer Bundesstraße als auch an einer Straße lag, die in vollem Umfang in der Baulast der Gemeinde stand. Unter solchen Umständen darf eine Halbierung der Maßstabsdaten selbstverständlich nur insoweit berücksichtigt werden, als Investitionskosten für Teilanlagen betroffen sind, deren Baulast die Gemeinde hat und die deshalb beitragsfähig sind. Denn im Übrigen ist eine Doppelbelastung des Eckgrundstücks ausgeschlossen.

37

Eine Eckgrundstücksermäßigung für das Grundstück Parzelle 154/3 war ebenfalls zu gewähren. Denn es liegt an der Brunnenstraße und an der von dieser abzweigenden, parallel zur Diezer Straße verlaufenden Gemeindestraße (Parzelle 116/8), die zur Rathausstraße führt. Dies hat sich in der mündlichen Verhandlung aufgrund der Erläuterungen der Beteiligten und der vorgelegten Fotografien erwiesen. Auf dieser Gemeindestraße (Parzelle 116/8) kann bis auf die Höhe des Grundstücks Parzelle 154/3 gefahren werden; dieses kann von dort aus betreten werden, wenn ein entsprechender Zugang eingerichtet wird.

38

Da über die vorstehenden Ausführungen hinausgehende Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Vorausleistungserhebung nicht ersichtlich sind, muss die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2006 erfolglos bleiben.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

41

Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im zweiten Rechtszug auf 8.083,20 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

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Tenor

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Juli 2012 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin des in der Gemarkung L… gelegenen unbebauten Grundstücks Flur …, Parzelle …, gegen ihre Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den einmaligen Ausbaubeitrag für die Erneuerung der N... Straße. Mit dem an „Herrn J… B… für R… B…“ adressierten Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2010 wurde eine Vorausleistung in Höhe von 4.824,00 € festgesetzt. Namens der Klägerin erhoben ihre Söhne A… und J… B… - unter Vorlage der notariellen Vollmachtsurkunde vom 20. Dezember 2006 - mit Schreiben vom 31. Oktober 2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid.

2

Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie schriftsätzlich beantragt hat,

3

1. die Forderung der Beklagten nach Ausbaubeiträgen in der geforderten Höhe, dargestellt im Ausbaubeitragsvorausleistungsbescheid vom 11. Oktober 2010 und Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 für rechtswidrig und die ausbaubeitragsfordernden Bescheide für nichtig zu erklären,

4

2. weiterhin die Beklagte zu verurteilen, den von ihr vorgenommenen Grundschuldeintrag zurückzunehmen und aus dem Grundbuch entfernen zu lassen sowie alle damit zusammenhängenden Kosten zu übernehmen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

6

die Klage abzuweisen.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Klageantrag zu 2) für unzulässig gehalten und die Klage insoweit abgewiesen. Gleichzeitig hat es mit dem angefochtenen Urteil auf den Klageantrag zu 1) den Vorausleistungsbescheid vom 11. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vorausleistungsbescheid sei unwirksam, weil er nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Der für die Klägerin als Alleineigentümerin des veranlagten Grundstücks bestimmte Bescheid sei an Frau M… M…, eine Hausangestellte J… B…, übergeben und damit allenfalls dem Sohn J… B… zugestellt worden. Eine Übergabe des angefochtenen Bescheids an den Sohn A… B… oder an die Tochter der Klägerin, U… W… geb. B…, sei indessen nicht erfolgt. Angesichts der in der notariellen Vollmachtsurkunde vom 20. Dezember 2006 angeordneten Gesamtvertretung von mindestens zwei Kindern der Klägerin reiche es nicht aus, dass nur dem Sohn J… B… unmittelbarer Alleinbesitz an dem Vorausleistungsbescheid verschafft worden sei. Liege aber mangels Übergabe einer ausreichenden Anzahl des Dokuments keine Zustellung vor, komme eine Heilung nicht in Betracht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Sohn A… B… von dem Vorausleistungsbescheid Kenntnis erlangt haben müsse, weil er sonst nicht zusammen mit dem Sohn J… B… hätte Widerspruch einlegen können. Denn die Beklagte habe sich vergewissern müssen, ob J… B… der richtige und allein vertretungsberechtigte Postbevollmächtigte der Klägerin sei.

8

Ungeachtet dessen müsse der angefochtene Bescheid als rechtswidrig angesehen werden, weil die ausgebaute N… Straße beitragsrechtlich in zwei selbständige Anlagen zerfalle und deshalb die Ermessensentscheidungen der Beklagten zur Vorausleistungserhebung und zur Festlegung des Gemeindeanteils fehlerhaft seien. Eine Aufspaltung der N… Straße einerseits in den nur einseitig anbaubaren nördlichen und andererseits in den südlichen Teil mit beidseitiger Anbaubestimmung ergebe sich sinngemäß aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den beitragsrechtlichen Folgen, die eintreten, wenn eine Straße auf einer Teilstrecke von mindestens 100 m und einem Fünftel ihrer Gesamtlänge beidseitig nicht zum Anbau bestimmt ist.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, der angefochtene Bescheid sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden. An seiner Wirksamkeit zu zweifeln, bestehe schon deshalb keine Veranlassung, weil er beiden Söhnen der Klägerin bekanntgeworden sei, die zudem rechtzeitig Widerspruch eingelegt hätten, der nicht wegen des angeblichen Zustellungsmangels ohne Erfolg geblieben sei. Die N… Straße sei nach ihrem insoweit maßgeblichen Erscheinungsbild eine einheitliche Straße, der Anbaubestimmung zukomme, auch wenn an sie in ihrem nördlichen Teil wegen des Flusslaufs der Kleinen N… nur einseitig angebaut werden könne.

10

Die Beklagte beantragt,

11

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt ihr erstinstanzliches Vorbringen, die Zustellung des angefochtenen Bescheids sei nicht ordnungsgemäß gewesen und dieser Mangel sei auch in der Folgezeit nicht geheilt worden. Wegen der nur einseitigen Anbaubestimmung der N… Straße im nördlichen Bereich handele es sich um zwei unterschiedliche Verkehrsanlagen. Die Ausbaumaßnahmen seien in einem Ausmaß vorgenommen worden, das weit über dasjenige hinausgehe, welches die Beklagte bei anderen kürzlich ausgebauten Verkehrsanlagen gewählt habe. Deshalb könne keineswegs davon gesprochen werden, der einseitig anbaubare Bereich der N… Straße sei lediglich in dem absolut unerlässlichen Umfang ausgebaut worden. Insoweit fehle es auch an dem erforderlichen satzungsrechtlich festgelegten Bauprogramm. Schließlich sei die Festsetzung des Gemeindeanteils zu beanstanden. Verglichen mit der R… Straße und der M… Straße handele es sich bei der N… Straße keineswegs um eine Verkehrsanlage mit lediglich überwiegendem Durchgangsverkehr, sondern vielmehr um eine Straße mit ganz überwiegendem Durchgangs-, aber nur wenig Anliegerverkehr, so dass ein Gemeindeanteil von 70 % hätte angenommen werden müssen.

15

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen und den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe

16

Die Berufung der Beklagten, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, hat Erfolg. Deshalb ist das verwaltungsgerichtliche Urteil in dem von der Beklagten angefochtenen Umfang abzuändern, nämlich insoweit, als damit der von der Klägerin angegriffene Vorausleistungsbescheid aufgehoben wurde. Im Übrigen, also hinsichtlich des Klageantrags zu 2), hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Bestand; es bleibt somit insoweit bei der - von der Klägerin nicht angefochtenen - Abweisung ihres Klagebegehrens.

17

Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, ist der Ausbaubeitrags-Vorausleistungsbescheid vom 11. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2012 weder aus formellen Gründen (1.) noch in materieller Hinsicht (2.) zu beanstanden und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.

18

1. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist gegenüber der Klägerin durch die Übergabe der eingeschriebenen Sendung an Frau M… M… wirksam geworden.

19

Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 Kommunalabgabengesetz - KAG - i.V.m. § 124 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung - AO - gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann der Verwaltungsakt gegenüber einem Bevollmächtigten des Beteiligten bekanntgegeben werden. Hat die Behörde – wie hier – die Zustellung des Verwaltungsakts angeordnet, wird er nach den Vorschriften des VerwaltungszustellungsgesetzesVwZG – zugestellt (§ 122 Abs. 5 AO). § 4 Abs. 1 VwZG ermöglicht die Zustellung eines Dokuments durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG können Zustellungen an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden.

20

Zwar war Frau M… M… nicht von der Klägerin, für die der Vorausleistungsbescheid als Eigentümerin des veranlagten Grundstücks bestimmt war, zur Entgegennahme von Postsendungen bevollmächtigt. Frau M… hat jedoch als Hausangestellte J… B… für diesen Bevollmächtigten der Klägerin die eingeschriebene Sendung mit dem angefochtenen Verwaltungsakt entgegen genommen, und zwar als Empfangsbotin (vgl. BSG, B 3 KR 14/04 R, NJW 2005, 1303, juris; BGH, VIII ZR 303/87, JZ 1989, 502, juris). Der Sohn J… B… war auch zur Entgegennahme des angefochtenen Bescheids allein vertretungsberechtigt. Dies ergibt sich bereits aus der notariell beurkundeten Vollmacht vom 21. Dezember 2006. Danach hat die Klägerin ihre Kinder zwar „jeweils zwei von ihnen gemeinschaftlich handelnd“ bevollmächtigt, sie in allen Angelegenheiten in jeder rechtlich zulässigen Weise zu vertreten. Diese Gesamtvertretungsmacht gilt jedoch nicht für das in Ziffer 2 f) der Vollmacht angeführte Recht, die Post der Klägerin entgegenzunehmen, sie zu öffnen und anzuhalten. Nach einem im Zivilrecht allgemein gültigen Rechtsgedanken (BGH, II ZB 6/73, BGHZ 62, 166 [173], juris; BGH, II ZR 58/92, BGHZ 121, 257 [260]; BGH, II ZR 378/99, BGHZ 149, 28, juris; OLG Celle, 9 U 217/03, juris; OLG Dresden, W 966/04, juris; OLG Köln, 2 Ws 249/08, juris) steht jedem Gesamtvertreter bei der Passivvertretung die alleinige Vertretungsberechtigung zu. Dieser Rechtsgedanke ist nicht nur auf eine Postempfangsvollmacht, sondern auch auf die Entgegennahme von Verwaltungsakten anzuwenden. Bestellt derjenige, für den ein Verwaltungsakt i.S.d. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt ist, mehrere Zustellungsbevollmächtigte, genügt die Zustellung an einen von ihnen (vgl. BFH, II R 53/93, BFHE 181, 547, juris; vgl. auch BVerwG, 1 B 152/83, NJW 1984, 2115, juris, [zu § 173 VwGO i.V.m. §§ 84, 189 Abs. 1 ZPO]). Das gilt auch für den Fall, dass mehrere Vertreter ausdrücklich nur „gemeinschaftlich handelnd“, also zu einer Gesamtvertretung, bei dem Empfang von Verwaltungsakten bevollmächtigt werden. Denn einem Vollmachtgeber kann nicht die Befugnis zustehen, die Zustellung von Verwaltungsakten ohne anerkennenswerten Grund dadurch zu erschweren, dass er für den Postempfang mehrere Vertreter gemeinschaftlich bevollmächtigt. Die Bekanntgabe belastender Verwaltungsakte könnte sonst von den Betroffenen durch praktisch unerfüllbare Vertretungsregelungen vereitelt werden. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin, unter diesen Umständen ausnahmsweise eine Gesamtvertretung anzuordnen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

21

Ungeachtet dessen wäre ein Zustellungsmangel dadurch geheilt, dass die Söhne J… und A… B… gemeinschaftlich Widerspruch gegen den angefochtenen Vorausleistungsbescheid für die Klägerin eingelegt haben und sich dabei nicht auf den vermeintlichen Zustellungsmangel berufen haben (vgl. HessVGH, V OE 5/82, NVwZ 1986, 137, juris; SächsOVG, 5 A 595/08, juris; OVG NW, 22 B 997/94, NVwZ 1995, 395, juris).

22

2. Der angefochtene Vorausleistungsbescheid ist auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei der N... Straße um eine einheitliche Verkehrsanlage handelt (a). Auch die Festsetzung des Gemeindeanteils auf 60 % kann nicht beanstandet werden (b). Ebenso wenig greifen die übrigen Bedenken der Klägerin durch (c).

23

a) Ob ein Straßenzug nach einem geplanten Ausbau als eine Verkehrsanlage zu qualifizieren ist oder aus mehreren Anlagen besteht, ist nach der auf das Ausbaubeitragsrecht übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht zu beurteilen (vgl. OVG RP, 6 A 11867/02.OVG, AS 30, 287, NVwZ-RR 2004, 70, esovgrp, juris). Danach muss - ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise - grundsätzlich auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten geprägte Erscheinungsbild abgestellt werden (aa), wenn nicht aus rechtlichen Gründen ein anderer Gesichtspunkt maßgeblich ist (bb). Letzteres ist hier nicht der Fall (cc).

24

aa) Bei der natürlichen Betrachtungsweise der tatsächlichen Verhältnisse kommt es regelmäßig nicht auf eine einheitliche Straßenbezeichnung oder auf eine gleichartige Erschließungsfunktion an. Vielmehr ist maßgebend auf die Straßenführung, die Straßenbreite, die Straßenlänge und die Straßenausstattung abzustellen (vgl. BVerwG, 4 C 55.76, KStZ 1980, 110, juris). Danach stellt die N… Straße eine einheitliche Verkehrsanlage dar. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den von der Beklagten vorgelegten Fotos. Die N… Straße weist danach durchgehend eine asphaltierte Fahrbahn und auf der westlichen Straßenseite einen gepflasterten Gehweg auf, der gegenüber der Fahrbahn leicht erhöht angelegt ist. Der auf der östlichen Straßenseite im südlichen Abschnitt der N… Straße vorhandene gepflasterte Gehweg endet zwar an der Stelle, an der die neben der Kleinen N… verlaufende Gewässerseitenparzelle an die Straßenparzelle stößt. Dadurch wird der Eindruck einer einheitlichen Straße jedoch ebensowenig beeinträchtigt wie durch die an dieser Stelle einsetzende Fahrbahnverengung. Das einheitliche Erscheinungsbild der N… Straße wird zusätzlich durch die durchgehende Reihe roter Straßenlaternen auf der westlichen Straßenseite unterstrichen.

25

bb) Das tatsächliche Erscheinungsbild einer Verkehrsanlage ist jedoch nicht maßgeblich, soweit aus rechtlichen Gründen auf einen anderen Gesichtspunkt abgestellt werden muss (vgl. OVG RP, 6 A 11867/02.OVG, AS 30, 287, NVwZ-RR 2004, 70, esovgrp, juris; 6 A 11406/04.OVG, esovgrp, juris). Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Straße in ihrem Verlauf rechtlich unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dient, zum Beispiel einerseits dem allgemeinen Fahr- sowie Fußgängerverkehr und andererseits nur dem Fußgängerverkehr (Fußgängerzone). Eine weitere Ausnahme von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erscheinungsbildes kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) bei Straßen in Betracht, die aus zum Anbau bestimmten und aus nicht zum Anbau bestimmten Teilstrecken bestehen. Danach verliert eine Straße, die nach einer zum Anbau bestimmten Teilstrecke in eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke übergeht, von da an ihre Qualität als beitragsfähige Anbaustraße, wenn die beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke erstens den Eindruck einer gewissen erschließungsrechtlichen Selbständigkeit vermittelt und zweitens im Verhältnis zu der Verkehrsanlage insgesamt nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung ist (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris).

26

Ob diese Rechtsprechung grundsätzlich auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden ist, die durch eine zunächst beidseitig anbaubare Teilstrecke und eine sich daran anschließende Teilstrecke, die lediglich einseitig zum Anbau bestimmt ist, gekennzeichnet werden, muss nicht abschließend erörtert werden.

27

Gegen eine Übertragung dieser Rechtsprechung (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) auf Verkehrsanlagen, die aus einer beidseitig anbaubaren Teilstrecke und einer lediglich einseitig zum Anbau bestimmten Teilstrecke bestehen, sprechen allerdings die grundsätzlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Fallgestaltungen. Während nämlich eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke keine Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke hat, bleibt bei der einseitigen Anbaubestimmung der Erschließungszweck der Verkehrsanlage erhalten (vgl. OVG LSA, 4 L 401/08, juris; OVG RP, 6 A 10527/07, AS 35, 71, esovgrp, juris). Auch im Bereich der Teilstrecke mit lediglich einseitiger Anbaubestimmung stehen Ausbaukosten deshalb im sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabe der Straße, den von den qualifiziert nutzbaren Grundstücken ausgelösten Ziel- und Quellverkehr neben dem üblichen Durchgangsverkehr zu bewältigen, dessen Aufnahme ebenfalls zu den Funktionen einer Gemeindestraße gehört (vgl. BVerwG, IV C 74.73, DÖV 1976, 347, juris).

28

cc) Diese Überlegungen brauchen jedoch nicht vertieft zu werden, weil die Übertragung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren BVerwG 8 C 32.95 (BVerwGE 102, 294, juris) hier schon aus zwei anderen Gründen nicht in Betracht kommt.

29

Einerseits ist der Bereich der N… Straße mit einseitiger Anbaubestimmung wegen der der Straßenparzelle unmittelbar benachbarten, neben der Kleinen N… liegenden Gewässerseitenparzelle auf dieser Straßenseite dauerhaft nicht zum Anbau bestimmt. Deshalb ist hier für die Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes kein Raum. Nur unter dieser Voraussetzung der Anwendbarkeit des sog. Halbteilungsgrundsatzes wird aber befürwortet (vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 12 Rn. 39, 45), dass die bereits mehrfach erwähnten bundesverwaltungsgerichtlichen Grundsätze auch für einseitig anbaubare Teilstrecken gelten sollen. Dieser Halbteilungsgrundsatz bewirkt bei dem Ausbau von Straßen mit einseitiger Anbaubestimmung eine Teilung des Ausbauaufwands. Während eine Hälfte des Aufwands auf die Beitragspflichtigen der zum Anbau bestimmten Straßenseite abgewälzt wird, kann die Gemeinde die andere Hälfte zunächst nicht durch Beiträge refinanzieren. Vielmehr muss sie damit warten, bis auch die andere Straßenseite die Anbaubestimmung – beispielsweise durch einen Bebauungsplan – erlangt (vgl. BVerwG, 8 C 6.88, BVerwGE 82, 102 <106>, juris; BVerwG, 8 C 31.90, BVerwGE 89, 362, juris). Ist dies – wie hier – aus topografischen bzw. wasserrechtlichen Gründen jedoch auf Dauer ausgeschlossen, kommt eine Halbteilung des Aufwands nicht in Frage, weil die Gemeinde sonst eine Hälfte ihrer Aufwendungen dauerhaft selbst tragen müsste und damit gegen die Beitragserhebungspflicht verstoßen könnte (vgl. OVG RP, 6 A 11113/08.OVG, AS 37, 254, esovgrp, juris).

30

Andererseits können die bundesverwaltungsgerichtlichen Grundsätze (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) deshalb auf die vorliegende Fallgestaltung nicht angewendet werden, weil dies der mit der Aufteilung einer nach ihrem Erscheinungsbild einheitlichen Straße bezweckte Schutz der Beitragspflichtigen nicht gebietet. Das Bundesverwaltungsgericht (8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) hält es nicht für einen angemessenen Ausgleich von Vorteilen und Lasten, wenn die Eigentümer von Grundstücken an einer beidseitig anbaubaren Teilstrecke im wesentlichen Umfang Kosten tragen müssen, die auf eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke entfallen. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Denn kein Anlieger der N… Straße soll zu Beiträgen veranlagt werden, die auf Aufwendungen für eine nicht anbaubare Straßenteilstrecke entfallen. Die Beklagte hat die N… Straße in dem nördlichen, einseitig anbaubaren Teilstück nämlich lediglich in einem Umfang ausgebaut, der für die verkehrliche Erreichbarkeit der Grundstücke auf der Straßenseite mit Anbaubestimmung und für den Durchgangsverkehr schlechthin unentbehrlich ist (vgl. BVerwG, IV C 1.75, BVerwGE 52, 364 <369, 372>, juris; BVerwG, 8 C 6/88, BVerwGE 82, 102 <108>, juris; BVerwG, 9 B 78/09, juris).

31

Der Senat hat bereits entschieden, dass die gesamten Kosten eines Straßenausbaus auf die Eigentümer der Grundstücke der zum Anbau bestimmten Seite einer einseitig anbaubaren Straße umgelegt werden können, wenn der Ausbau auf den für die Erschließung dieser Grundstücke unerlässlichen Umfang beschränkt wird (OVG RP, 6 A 10971/11.OVG, KStZ 2012, 73, esovgrp, juris; vgl. auch BVerwG, IV C 1.75, BVerwGE 52, 364, juris; BVerwG, 9 C 6.03, NVwZ 2004, 1118, juris). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Fahrbahn der N… Straße im nördlichen, nur einseitig anbaubaren Bereich wurde nämlich in einer Breite von lediglich 4,65 m ausgebaut. Davon entfallen ca. 4,00 m auf den bituminösen Fahrbahnbereich und insgesamt ca. 65 cm auf die beiden seitlichen Pflasterrinnen. Damit ist ein Begegnungsverkehr von zwei Personenkraftwagen bei verminderter Geschwindigkeit möglich (vgl. Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen - EAE 1985/95 -, S. 29; Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen - RASt 06 -, S. 88). Im Begegnungsfall LKW/PKW wird einer der Verkehrsteilnehmer anhalten müssen, während der andere in Schrittgeschwindigkeit vorbeifährt. Schlechthin unentbehrlich ist auch der ca. 1,30 m breite Gehweg auf der Straßenseite mit Anbaubestimmung. Dieser vergleichsweise schmale Fahrbahnausbau vermindert die Attraktivität der N… Straße für den Durchgangsverkehr, trägt aber den von den erschlossenen Grundstücken ausgehenden Verkehrsanforderungen Rechnung und durfte deshalb von der Beklagten auch unter angemessener Berücksichtigung der Tatsache der nur einseitigen Erschließung für unerlässlich und damit für geboten gehalten werden.

32

Angesichts dessen sind die – bereits mehrfach erwähnten – bundesverwaltungsgerichtlichen Grundsätze (BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, juris) auf die N… Straße nicht übertragbar. Es bleibt damit bei der Maßgeblichkeit des durch die tatsächlichen Verhältnisse geprägten Erscheinungsbilds der Straße, das unter aa) dargestellt ist.

33

b) Die Festsetzung des Gemeindeanteils auf 60 v.H. kann nicht beanstandet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp; 6 A 11220/05.OVG, NVwZ-RR 2006, 285, esovgrp, juris) ist der Eigenanteil einer Gemeinde im Einzelfall unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände zu ermitteln, wobei ein ganz überwiegender Anliegerverkehr bei geringem Durchgangsverkehr einen Gemeindeanteil von 25 v. H., ein erhöhter Durchgangs-, aber noch überwiegender Anliegerverkehr regelmäßig einen Gemeindeanteil von 35 bis 45 v. H. rechtfertigt, während bei überwiegendem Durchgangsverkehr davon ausgegangen werden kann, dass der Gemeindeanteil regelmäßig 55 bis 65 v. H. beträgt. Nur bei ganz überwiegendem Durchgangsverkehr, aber nur wenig Anliegerverkehr ist ein Gemeindeanteil von 70 v.H. typischerweise angemessen. Dabei steht der Gemeinde ein Beurteilungsspielraum zu, der eine geringe Bandbreite mehrerer vertretbarer Vorteilssätze einschließt, die nach oben und unten um nicht mehr als 5 % abweichen (vgl. OVG RP, 6 A 68/85.OVG, AS 20, 411 <413>; OVG RP, 6 C 10464/02.OVG, AS 30, 106, KStZ 2003, 35, esovgrp). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Gemeinde gleichsam schematisch fünf Prozentpunkte von den nach den erwähnten Grundsätzen ermittelten Prozentsätzen abziehen darf. Die Bandbreite von 5 % nach oben und unten soll vielmehr einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten, die mit der Bewertung der Anteile des Anlieger- sowie des Durchgangsverkehrs ohne präzise Datenerhebung zwangsläufig verbunden ist (OVG RP, 6 A 11315/06.OVG, AS 34, 99, esovgrp; 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Der Ratsbeschluss zur Festlegung des Gemeindeanteils darf nicht auf sachfremden Überlegungen oder auf einer greifbaren Fehleinschätzung beruhen (vgl. OVG RP, 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, kann der Rat, der mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere den Grundstücksnutzungen, der flächenmäßigen Ausdehnung der Wegeparzelle, den Verkehrsströmen und der Bedeutung einer Gemeindestraße im Gefüge der innerörtlichen Verkehrswege vertraut ist, die Entscheidung über den Gemeindeanteil ohne eine Verkehrszählung und ohne Einschaltung eines Sachverständigen hinreichend zuverlässig treffen (OVG RP, 6 A 11385/05.OVG; 6 A 10468/07.OVG; 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Eine greifbare Fehleinschätzung unterläuft dem Rat, wenn er die gesetzlichen Maßstäbe zur Festlegung des Gemeindeanteils in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung verfehlt, nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt oder sein Beschluss in sich widersprüchlich ist (OVG RP, 6 A 10697/08.OVG, AS 37, 129, esovgrp, juris). Davon kann hier nicht die Rede sein.

34

Vielmehr gibt die Begründung des Beschlusses vom 3. Dezember 2009 widerspruchsfrei und nachvollziehbar Aufschluss über die für die Festlegung des Gemeindeanteils maßgeblichen Erwägungen. Danach wurde der Verkehr „über die Brücke zum östlichen Ortsbereich“ als Durchgangsverkehr betrachtet. Dies umfasst die Straßen nordöstlich der Kleinen N…. Die von der Klägerin vorgenommene Gegenüberstellung der baulich nutzbaren Grundstücke in diesem Bereich (57) und der Grundstücke an der N… Straße (20) ließe unmittelbare Rückschlüsse auf das Verhältnis von Durchgangsverkehr und Anliegerverkehr in der N… Straße nur zu, wenn davon auszugehen wäre, der gesamte Verkehr zu den und von den Straßen nordöstlich der Kleinen N… führe durch die N… Straße. Dies ist indessen für den Verkehr nicht der Fall, der als Ziel den Ortskern hat oder den Ort in westlicher Richtung über die K 20 verlassen möchte. Soweit die Klägerin vorträgt, beim Ausbau der M… Straße und der R… Straße, die über deutlich weniger Durchgangsverkehr als die N… Straße verfügten, habe der Gemeinderat ebenfalls einen Eigenanteil von 60 v.H. festgelegt, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat nämlich durch eine Kopie der Niederschrift über die Ratssitzung vom 5. Mai 2004 dargelegt, dass der Gemeindeanteil sowohl für die M… Straße als auch für die R… Straße 40 v.H. beträgt. Dass die Anlieger dieser beiden Straßen – wie die Klägerin meint – regelmäßig über die N… Straße zur Kreisstraße 20 (Hauptstraße) fahren, erscheint eher fernliegend, selbst wenn sie den Ort in südöstlicher Richtung über die K 20 verlassen. Auch der Verkehr in das und aus dem Neubaugebiet „I… S…“, der in der N… Straße Durchgangsverkehr darstellt, musste den Gemeinderat nicht veranlassen, einen ganz überwiegendem Durchgangsverkehr, aber nur wenig Anliegerverkehr anzunehmen und einen Gemeindeanteil von 70 v.H. festzusetzen. Das gilt in besonderem Maß, wenn man berücksichtigt, dass der Fußgängerverkehr in der N… Straße keineswegs überwiegend Durchgangsverkehr, sondern – im Gegenteil – zum weit überwiegenden Teil Anliegerverkehr darstellt. Schließlich ist dem Gemeinderat der Beklagten mit der Festsetzung des Gemeindeanteils auf 60 v.H. nicht deswegen eine greifbare Fehleinschätzung unterlaufen, weil die N… Straße seitens des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen eines Zuwendungsverfahrens als „verkehrswichtige innerörtliche Straße“ eingestuft wurde. Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, die typische Fallgruppe eines ganz überwiegenden Durchgangsverkehrs, für die regelmäßig ein Gemeindeanteil von 70 v.H. angemessen ist, liege vor.

35

c) Auch die übrigen Bedenken der Klägerin greifen nicht durch. Soweit sie die Auffassung vertritt, das Bauprogramm zum Straßenausbau müsse satzungsrechtlich festgelegt sein, folgt ihr der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht (vgl. BVerwG, 8 C 13.94, BVerwGE 99, 308, juris; BVerwG, IV 15.71, BVerwGE 40, 177, juris). Während die Merkmale, von denen die endgültige erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage abhängt, durch Satzungsrecht zu regeln sind, kann das Bauprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen für jede einzelne Straße durch (einfachen) Ratsbeschluss bestimmt werden. Einrichtungen für die Entwässerung und Beleuchtung beispielsweise müssen danach – wenn sie als Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage gelten sollen – in der Ortssatzung als solche angeführt werden, während die Einteilung der Fläche einer Erschließungsstraße in Fahrbahn, Gehweg, Radweg, Parkstreifen und Grünstreifen (flächenmäßiges Teileinrichtungsprogramm) nicht in dieser qualifizierten Weise satzungsrechtlich festgelegt werden muss. Anders als die Klägerin meint, lässt sich aus der Bestimmung des § 242 Abs. 1 Baugesetzbuch - BauGB - nicht ableiten, dass Ausbaubeiträge für „vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht aufgrund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften“ nicht entstehen konnte, nicht erhoben werden können. Diese Vorschrift schließt lediglich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung „vorhandener Erschließungsanlagen“ aus, lässt aber die Möglichkeit unberührt, Beiträge für den Ausbau solcher „vorhandener Erschließungsanlagen“ zu fordern (vgl. Driehaus, a.a.O., § 2 Rn. 25).

36

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

38

Revisionszulassungsgründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art liegen nicht vor.

39

Beschluss

40

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.824,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.