Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Juli 2017 - M 9 K 16.474

bei uns veröffentlicht am12.07.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Abweichung von der Örtlichen Bauvorschrift zur Ortsgestalt vom 26. Juli 2012 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 27. November 2014 (i.F.: OGS) zur nachträglichen Legalisierung genehmigungsabweichend mit Flachdächern ausgeführter Garagen.

Das im Eigentum der Klägerin stehende Vorhabensgrundstück FlNr. ..., Gem. S. liegt im Bereich des einfachen Bebauungsplans „S.-Nord“, der neben der Art – WR – auch das Maß der baulichen Nutzung und eine Mindestgröße für die Baugrundstücke festsetzt. Es befindet sich weiter im Geltungsbereich der OGS, Teil A.

Unter dem ... Februar 2013 erhielt die Klägerin Baugenehmigungen für die Errichtung zweier Doppelhäuser (Haus ...) und eines Einfamilienhauses (Haus ...). Alle Garagen wurden dabei mit Satteldächern geplant und auch genehmigt. Am ... Oktober 2014 hörte die Bauaufsichtsbehörde die Klägerin nach Information darüber, dass die Garagen genehmigungsabweichend gebaut worden sei, zur Sache an. Daraufhin beantragte die Klägerin unter dem ... Januar 2015 eine isolierte Abweichung (Bl. ... d. BA) von der OGS.

Am 29. Dezember 2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit streitgegenständlichem Bescheid, Az. 602 – 387/7, ab.

Die Beklagte sei nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. f BayBO sachlich zuständig, da die Änderung der Bedachung ein verfahrensfreies Vorhaben sei. Die Ausführung der Garagen widerspreche Ziff. A.5.1., Teil A OGS, wonach Haupt- und Nebengebäude mit flachgeneigten Satteldächern oder Walmdächern mit einer allseitig gleichen Neigung von 20°-30° und mittigem First zu versehen seien. Der Bauausschuss habe dem Antrag auf Abweichung nach pflichtgemäßem Ermessen nicht zugestimmt, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen; die abweichende Ausführung laufe dem Grundkonzept der OGS zuwider. Die Beklagte habe die Garagensituation in der F.-Straße, insbesondere zwischen P.-A.-Allee und dem E.-Holz untersucht; es gebe zwar vereinzelte Flachdachgaragen, überwiegend seien aber Sattel- und Walmdachgaragen vorzufinden. Mit Ausnahme zweier Fälle seien alle im Antrag genannten Vergleichsfälle in den Jahren 1961-1994 genehmigt worden. Die beiden „Ausreißer“ seien wie folgt zustande gekommen: Die im Jahre 2008 genehmigte Flachdachgarage (TG-Abfahrt, F.-Straße 24) sei unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erfolgt; die Garage in der H.-H.-Str. 40 sei 2012 als Satteldachgarage genehmigt und genehmigungsabweichend als Flachdachgarage ausgeführt worden. Es handele sich nach alledem überwiegend um ältere Bestandsbebauungen. Die Beklagte habe die bestehende OGS 2010-2012 grundlegend überarbeitet; dies ermögliche der Gemeinde eine positive Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes, mit der sie zukünftig nur noch Sattel- oder Walmdächer zulassen wolle. Die verschiedenartigen Charaktere der einzelnen Ortsteile würden durch die Trennung in zwei Teile A und B nachvollzogen. Das Ortsbild von S. werde dabei überwiegend durch Sattel- und Walmdachbebauungen auf den Wohngebäuden geprägt, die auch auf Nebengebäuden und Garagen vorzufinden seien. Es werde darauf hingewiesen, dass auch unter Geltung der alten OGS von 1996 nur noch Satteldächer auf Haupt- und Nebengebäuden erlaubt gewesen seien und seit ihrem Inkrafttreten in der F.-Straße seitens der Beklagten keiner Abweichung mehr zugestimmt worden sei. Eine Ausnahme komme nur in Betracht, wenn es der gestalterischen Einbindung diene; diese Voraussetzung liege für die streitgegenständlichen Garagen nicht vor. Eine baugenehmigungskonforme Ausführung wäre o.W. möglich gewesen; eine nachträgliche Legalisierung komme auch wegen einer Bezugsfallwirkung nicht in Betracht. Die Argumentation mit Verschattung sowie Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke könne angesichts der Dimensionen der Garagen nicht nachvollzogen werden. Die Bebauung in der R.-Straße 24 sei vonseiten der Baugenehmigungsbehörde mit einer Flachdachgarage genehmigt worden, der diesbezüglichen Abweichung sei vonseiten der Beklagten nicht zugestimmt worden.

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 3. Februar 2016 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Sie beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, die beantragte Abweichung zu erteilen.

Hintergrund für die baugenehmigungsabweichende Ausführung sei die Situation auf dem Baugrundstück. Durch die nach einer Auflage zu erhaltenden großen Buchen sei eine erhebliche Verschattung an der Südseite der Gebäude eingetreten, die durch Satteldächer auf den Garagen noch verschlimmert würde. Durch Flachdächer habe zudem eine Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke vermieden werden können. In der Umgebung sei eine Vielzahl von Flachdachgaragen vorzufinden, diese harmonierten auch besser mit den durchweg modernen Häusern und Villen. Ein dörflicher Charakter sei hier nicht gegeben. Die Klägerin habe Anspruch auf die Abweichung, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung lägen vor. In diesem Zusammenhang könne es nicht darauf ankommen, ob die bestehenden Flachdachgaragen in der Umgebung vor Inkrafttreten der Satzung oder danach genehmigt worden seien; entscheidend seien die tatsächliche Situation und die Auswirkung auf das Ortsbild. Es handele sich nicht um ältere Bestandsbebauung, sondern Bebauung aus den 90er-Jahren. Dadurch werde die Umgebung auch deutlich geprägt, was Auswirkungen auch auf die künftige Gestaltung der zusätzlichen Gebäude habe. „Gestalterische Einbindung“ sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht einseitig, sondern aus Sicht eines vernünftigen Betrachters zu interpretieren sei; es müsse sich an den Gebäuden der Umgebung orientiert werden, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass sich diese Bebauung auf absehbare Zeit nicht mehr ändern werde. Die Baumsituation auf dem Grundstück sei ebenfalls zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass in jüngster Zeit entsprechende Gebäude im Geltungsbereich der OGS genehmigt worden seien, stelle sich die Frage, ob die Regelung in der OGS sachgerecht sei und nicht sogar dem Schutzzweck zuwiderlaufe, womit die Grenze der gemeindlichen Gestaltungsfreiheit überschritten werde. Die streitgegenständliche Regelung gelte für das gesamte Gemeindegebiet, womit auf konkrete Unterschiede und unterschiedliche Entwicklungen nicht Rücksicht genommen werde. Im Hinblick auf die tatsächliche Situation sei nicht anzunehmen, dass sich die in Aussicht genommene Regelung in einem absehbaren Zeitraum überhaupt verwirklichen lasse. Für den Bereich A könne nicht gesehen werden, dass eine homogene Bebauung gegeben sei und eine besondere Bedeutung für das Ortsbild, weswegen die Regelung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße und von der Ermächtigung nicht gedeckt sei. Satteldächer auch für Nebengebäude zu fordern würde zudem gar zu einer deutlichen Verschlechterung des Ortsbildes führen, weil damit ein zunehmender Verdichtungseindruck entstehe.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung, der ablehnende Bescheid sei rechtmäßig. Die Verfahrensfreiheit ändere nichts an der Vorgabe des Art. 55 Abs. 2 BayBO. Die Bestimmung der OGS sei wirksam, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung lägen mangels atypischer Verhältnisse nicht vor. Die Flachdachgaragen in der Umgebung stellten ältere Bestandsbebauung dar. Mit der OGS wolle die Beklagte nicht nur den Bestand erhalten, sondern auch zukünftig gestalterisch dafür sorgen, dass Garagen und Nebengebäude ausschließlich mit Sattel- oder Walmdächern errichtet werden. Die Beklagte habe ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt, da keine Ungleichbehandlung vorliege; die Erteilung einer Abweichung sei wegen Fehlens besonderer atypischer Umstände abgelehnt worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins; auf die Niederschrift zum Augenschein vom 12. Juli 2017 wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung von der OGS. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Die von der Klägerin gewählte Dachform bedarf einer Abweichung von der Bestimmung A.5.1. Satz 1 OGS (1.). Die Regelung ist wirksam (2.). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung sind nicht gegeben (3.).

1. Die unveränderte Beibehaltung der von der Klägerin gewählten Dachform der Garagen bedürfte einer Abweichung von A.5.1. Satz 1 OGS. Die errichteten Garagen fallen unter den in A.3.2. OGS definierten Terminus „Nebengebäude“ und sind nach A.5.1. Satz 1 OGS mit flachgeneigten Sattel- bzw. mit Walmdächern auszuführen.

2. A.5.1. Satz 1 OGS ist wirksam.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Ermächtigungsgrundlage, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, verfassungskonform ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.9.2014 – 1 B 14.170 – juris) und dass Regelungen u.a. zur Vorgabe einer Dachform die Ermächtigungsgrundlage grundsätzlich nicht überschreiten (BayVGH, a.a.O.; U.v. 12.1.2012 – 2 B 11.2230 – juris).

b) Die Beklagte konnte eine derartige Regelung auch unter Berücksichtigung des im Ortsteil S. vorhandenen Baubestands treffen, ohne den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage zu überschreiten.

Unabhängig von der Frage, ob vor Inkrafttreten der OGS bereits existente Flachdachgaragen für die Wirksamkeit der Regelungen überhaupt relevant werden können (BayVGH, U.v. 11.9.2014 – 1 B 14.170 – juris tendiert zur Ausklammerung solcher „anfänglicher Abweichler“), führt der vorhandene Baubestand aus mehreren Gesichtspunkten heraus nicht zu einem anfänglichen Wirksamkeitsproblem der OGS-Regelung im Sinne eines Abwägungsdefizits.

Bei Satzungserlass gab es im Geltungsbereich der OGS zum einen nicht derart viele Nebengebäude mit Flachdächern, dass ein quantitatives Überwiegen von Sattel- bzw. Walmdächern und damit eine entsprechende Ortsbildprägung nicht mehr auszumachen (gewesen) wären (vgl. dazu VGH BW, U.v. 11.3.2009 – 3 S 1953/07 – juris). Bereits für die nächste Umgebung, d.h. nur für den Bereich der F.-Straße zwischen E.-Holz und P.-A.-Allee, zeigen die vorgelegten Luftbilder (Bl. 47f. d. BA) und die Aufstellung der Beklagten (Bl. 45 d. BA), dass dieser durch Flach- bzw. Walmdächer geprägt ist. Danach stehen maximal 24 Flachdachgaragen (27 Bauten ./. 3, da diese ungenehmigt bzw. abweichend von der Baugenehmigung errichtet wurden) 42 Sattel- bzw. Walmdachgaragen gegenüber. Damit liegt ein deutliches Übergewicht der Sattel- bzw. Walmdächer vor, aus der sich eine maßgebliche Ortsbildprägung ableiten lässt. Dieser Eindruck hat sich auch im Augenschein bestätigt. Weiter ist – nur ergänzend und ohne dass es tragend darauf ankommt – festzuhalten, dass sich das oben angesprochene Verhältnis zwischen Flachdachgaragen auf der einen und Sattel- bzw. Walmdachgaragen auf der anderen Seiten nach den vorgelegten Luftbildern in einem größeren Umgriff noch weiter zugunsten der Sattel- bzw. Walmdachgaragen verschieben dürfte; bspw. in der H.-H.-Straße sind demnach fast ausschließlich Sattel- bzw. Walmdächer auszumachen.

Zum anderen ist zu beachten, dass Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO den Gemeinden gestattet, im eigenen Wirkungskreis örtliche Vorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind dabei nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben (BayVGH, U.v. 11.9.2014 – 1 B 14.170 – juris; VG München, VG München, U.v. 27.4.2016 – M 9 K 15.5148 – juris). Sie haben einen beträchtlichen gestalterischen Spielraum und dürfen im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen (BayVGH a.a.O.; VG München, a.a.O.). Derartige gestalterische Ziele verfolgt auch die Beklagte, wie die Satzungspräambel zeigt: „Die Gemeinde S.-D. will durch planerische und gestalterische Maßnahmen das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild der einzelnen Gemeindeteile erhalten und verbessern. Dies gilt sowohl für bestehende Baugebiete als auch für neu auszuweisende Bereiche, auch wenn diese Gebiete anderen Funktionen als dem Wohnen dienen. Dabei wird insbesondere angestrebt: Die baulichen Anlagen und die sonstige Nutzung der Grundstücke sollen ein Ortsbild eigenständiger Prägung ergeben. [...]“ Auch wenn im Ortsteil S., wie die Klägerin moniert, bereits eine größere Zahl von Garagen mit Flachdächern vorhanden ist, hindert das die Beklagte von vorn herein nicht daran, im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums auch auf eine positive Gestaltung durch eine sukzessive Herstellung der Einheitlichkeit der Dachlandschaft hinzuwirken (BayVGH, B.v. 10.11.2014 – 2 ZB 13.2429 – juris; VG München, U.v. 27.4.2016 – M 9 K 15.5148 – juris). Eine derartige Entwicklung hin zu einer einheitlichen Dachlandschaft ist angesichts des weitaus geringeren Anteils von Flachdachgaragen auch ohne weiteres möglich. Dabei ist zu beachten, dass es keine Rolle spielen kann, ob sich „die Bebauung in der näheren Umgebung“ – wie von der Klägerin behauptet – auf absehbare Zeit nicht mehr ändern wird; dass diese Ansicht zu kurz greift, zeigt auch die Regelung in A.5.1. Satz 3, wonach die Formvorgabe v.a. auch für die Erneuerung der Dachkonstruktion bei bestehenden Gebäuden gilt.

3. Dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung von A.5.1. OGS gegeben wären, ist nicht dargetan und auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Mit A.5.2. OGS enthält die Satzung selbst eine immanente Ausnahmeregelung. Diese Bestimmung stellt zwar mit der Vorgabe „wenn es der gestalterischen Einbindung dient“ eine tatbestandliche Voraussetzung auf; diese bezieht sich aber, wie auch der 1. Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterte, nach der Systematik der Regelung ersichtlich nur auf die Carports als einfache Stellplätze, hinsichtlich derer man die Möglichkeit eröffnen wollte, sie in bestimmten Fällen von der Verpflichtung, ein aufwändiges Satteldach errichten zu müssen, freistellen zu können. Unabhängig davon trägt die Klägerin ohnehin nichts dafür vor, dass diese Ausnahme von den gebauten Garagen erfüllt würde. Dass ein Flachdach besser zu einem modernen Haus wie einer Villa passe, kann von vorn herein kein Argument sein, da eine derartige Argumentation im Zweifel den kompletten Gebietsbereich A – der die „neueren Siedlungsbereiche“ umfasst – bzw. weite Teile davon erfassen würde und die Ausnahme so zur Regel würde.

Da sich A.5.2. OGS weiterer Aussagen enthält, kommt für den geltend gemachten Anspruch noch eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 und 3 BayBO i.V.m. A.14.1. OGS in Betracht. Danach kann die Beklagte Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Eine Abweichung verlangt einen von der Regel abweichenden Sonderfall und eine atypische Situation (VG München, U.v. 8.8.2012 – M 9 K 10.5497 – juris; U.v. 27.4.2016 – M 9 K 15.5148 – juris). Eine solche Atypik setzt einen Unterschied des zu entscheidenden Falles vom normativen Regelfall voraus (BayVGH, B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris). Demgegenüber kann sich die Atypik nicht aus vergleichbaren Fällen in der Umgebung ergeben (BayVGH a.a.O.).

Eine atypische Fallgestaltung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich um den normativen Regelfall. Die Dachform der klägerischen Garagen weicht von dem nach der Satzung gewollten Erscheinungsbild ab. In einer durch Sattel- bzw. Walmdachgaragen geprägten Dachlandschaft werden die Flachdächer als Fremdkörper wahrgenommen. Die vorgetragene Verschattung der Gartenbereiche stellt keine baugrundstücksbezogene Härte dar, die bspw. aus einem besonderen Grundstückszuschnitt o.Ä. folgen kann, sondern ist ausschließlich durch die Art und Weise der Bebauung bedingt. Würde die Beklagte im Fall der Klägerin von der Anforderung, auch Nebengebäude mit einem Sattel- bzw. Walmdach auszuführen, abweichen, so wäre sie gezwungen, dies in jedem beliebigen anderen Fall ebenso zu tun. Die Einhaltung der Bestimmung könnte wegen der damit bestehenden Bezugsfallwirkung nicht mehr durchgesetzt werden (vgl. dazu z.B. BayVGH, U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.3055 – juris; VG München, U.v. 8.6.2016 – M 9 K 15.2828 – juris). Die Beklagte hat die Erteilung einer Abweichung vorliegend zu Recht wegen des Fehlens besonderer atypischer Umstände abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Juli 2017 - M 9 K 16.474

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Juli 2017 - M 9 K 16.474

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Juli 2017 - M 9 K 16.474 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Juli 2017 - M 9 K 16.474 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Juli 2017 - M 9 K 16.474 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Apr. 2016 - M 9 K 15.5148

bei uns veröffentlicht am 27.04.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig v

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2014 - 2 ZB 13.2429

bei uns veröffentlicht am 10.11.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 11. Sept. 2014 - 1 B 14.170

bei uns veröffentlicht am 11.09.2014

Tenor I. Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2012 wird die Klage abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gesamtschuldnerisch mit Ausnahme der außergericht

Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Juni 2016 - M 9 K 15.2828

bei uns veröffentlicht am 08.06.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägeri

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2009 - 3 S 1953/07

bei uns veröffentlicht am 11.03.2009

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 7. Juli 2006 - 4 K 94/05 - wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2012 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gesamtschuldnerisch mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verfahren erster Instanz.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte oder die Beigeladene vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens sind eine Rückbauanordnung des Landratsamts B. Land vom 23. Januar 2012 für eine aufgeständerte Sonnenkollektoranlage auf dem Grundstück Fl.Nr. .../... der Gemarkung B. gegenüber der Klägerin und eine Duldungsanordnung gegenüber dem Kläger sowie entsprechende Zwangsgeldandrohungen.

Mit Bescheid vom 16. November 2011 lehnte die Beigeladene den Antrag der Kläger auf Abweichung von Nr. 10.1 der örtlichen Gestaltungssatzung (im Folgenden: Satzung) bezüglich der Errichtung einer aufgeständerten Kollektoranlage ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Nr. 10.1 der Satzung vom 23. März 2009 lautet:

„Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen sind parallel zur Dachfläche anzubringen, wobei ein paralleler maximaler Abstand von 15 cm der Sonnenkollektoren- bzw. Photovoltaikanlagenoberfläche zur Dachoberfläche einzuhalten ist. Ein Aufständern der Kollektoren ist unzulässig. (…)“.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2012 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin, bis drei Monate ab Bestandskraft des Bescheids die aufgeständerte Sonnenkollektoranlage parallel zur Dachhaut mit einem maximalen Abstand von 15 cm zur Dachhaut zurückzubauen (Nr. 1 des Bescheids) und drohte für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an (Nr. 2). Der Kläger wurde verpflichtet, den Rückbau der Anlage zu dulden; für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro angedroht. Die auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO gestützte Anordnung gelte auch für nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayBO verfahrensfreie Vorhaben, da auch insoweit das materielle Recht anzuwenden sei. Der Antrag auf Abweichung sei wegen Verstoßes gegen Nr. 10.1 der Satzung von der Beigeladenen bestandskräftig abgelehnt worden; das Landratsamt habe das ihm eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Anpassung der Anlage an das satzungskonforme Maß anzuordnen sei, weil in vergleichbaren Fällen im Gemeindegebiet aufgeständerte Solaranlagen stets zurückgebaut worden seien.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Mai 2012 statt. Ein Verstoß gegen Nr. 10.1 der Satzung liege nicht vor, da diese nicht von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO gedeckt und im Übrigen auch nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 vereinbar sei. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ermächtige nur zum Erlass örtlicher Bauvorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen, wodurch nur objektbezogene, nicht aber im Schwerpunkt umgebungsbezogene Gestaltungsvorschriften zugelassen seien. Demgegenüber verfolge die Beigeladene, wie bereits aus der Präambel ersichtlich sei, mit der Satzung das übergreifende Ziel, „dass das gesamte Erscheinungsbild der Gemeinde (…) durch qualitätsvolle Planung und Gestaltung erhalten und verbessert“ werden solle (Satz 1 der Präambel der Satzung) und alle „baulichen und gärtnerischen Anlagen (…) so zu gestalten (sind), dass sie sich harmonisch ins Orts- und Landschaftsbild einfügen“ (Satz 2 der Präambel). Bereits mit dem Ziel der Gestaltung nicht nur der einzelnen baulichen Anlage, sondern des gesamten Ortsbildes der Gemeinde habe die Beigeladene die ihr zustehende objektbezogene Betrachtungsweise überschritten und eine in den Kompetenzbereich des Bauplanungsrechts fallende Regelung getroffen. Zudem verstoße Nr. 10.1 der Satzung gegen Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sei ein Verbot der Errichtung von Werbeanlagen durch den Satzungsgeber auf der Grundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO nur dort gerechtfertigt und somit verhältnismäßig, wo die vom Gesetzgeber genannten ortsgestalterischen Gründe ein entsprechendes Verbot erforderten. Die Möglichkeit, eine Werbeanlagensatzung für das gesamte Gemeindegebiet zu erlassen, sei nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, weil ein Gemeindegebiet in seiner Gesamtheit in der Regel aus verschiedenen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei. Der Satzungsgeber habe deshalb im Zweifel nach Baugebieten, Bauquartieren und unter Umständen noch weitergehend, etwa nach Straßenzügen, abzustufen. Diese Beschränkungen gälten gleichermaßen für ortsgestalterische Regelungen auf der Grundlage von Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. Die Beigeladene habe zwar die Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen einzelnen Bereichen grundsätzlich erkannt und deshalb den Geltungsbereich der Satzung für die Sondergebiete Haus Hohenfried und Klinik Hohenstaufen (vgl. Nr. 3.2 und 3.3 der Satzung) eingeschränkt. Außerdem habe eine Ortsbildanalyse mit dem Kreisbaumeister stattgefunden mit dem Ergebnis, dass das Gemeindegebiet ein zusammenhängendes Straßen- und Landschaftsbild vorweise. Gleichwohl genüge Nr. 10.1 der Satzung nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. So komme etwa der Bebauung am Ortseingang bzw. Ortsausgang nicht dieselbe Schutzwürdigkeit zu wie den zentralen Bereichen an Rathaus und Kirche. Weiter dürfte eine Differenzierung zwischen der Bebauung in erster Reihe an der B. Straße als Durchgangsstraße und den Häusern in dahinterliegenden Reihen angebracht sein. Eine differenzierte Regelung sei weiter erforderlich hinsichtlich der unterschiedlichen Dachformen (z. B. hinsichtlich vor Inkrafttreten der Satzung ausgeführter Flachdächer) oder bei einzelnen Zweckbauten wie Kindergarten oder Schule etc.. Gerade im Hinblick auf den besonderen Schutz des Eigentumsgrundrechts bedürfe es für einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügenden Eingriff in dieses Grundrecht einer nachvollziehbaren Dokumentation der Ortsbildanalyse mit Begründung der getroffenen Differenzierung. Eine solche gebe es aber nach Angabe der Beigeladenen nicht. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber grundsätzlich vom Vorliegen mehrerer Ortsbilder (verbunden mit der Notwendigkeit entsprechend differenzierter Behandlung in örtlichen Gestaltungsbestimmungen) ausgehe und die Existenz nur eines einzigen einheitlichen Ortsbildes als Ausnahme ansehe. Dafür spreche die Verwendung des Plurals im Wortlaut des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO („von Ortsbildern“).

Nr. 10.1 der Satzung berühre ferner den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz sei hier insoweit berührt, als das Gebiet der Beigeladenen aus verschiedenartigen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei, und der Satz2ungsgeber ortsgestalterische Regelungen daher nicht ohne Weiteres generalisierend auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen dürfe, sondern ggf. entsprechend abstufen müsse. Die Möglichkeit der Erteilung einer Abweichung in Nr. 16.1 der Satzung sei nicht geeignet, die verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung zu gewährleisten, weil auf sie kein Rechtsanspruch bestehe. Wegen der Nichtigkeit der Nr. 10.1 der Satzung sei die erlassene Rückbauanordnung rechtswidrig.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung führt die Beigeladene aus, die Satzung beruhe zu Recht auf Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. Diese Vorschrift eröffne den Gemeinden die Möglichkeit, im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Deshalb dürfe auch in der Präambel - die im Übrigen lediglich als Programmsatz und nicht als rechtsverbindliche Vorgabe verstanden werden könne - davon die Rede sein, dass das gesamte Erscheinungsbild der Gemeinde qualitätsvoll erhalten und verbessert werden solle. Die Erwähnung der Motive und sonstigen Vorstellungen des Satzungsgebers im Rahmen einer Präambel könne allenfalls dazu führen, dass bei auslegungsbedürftigen Bestimmungen auch auf derartige Formulierungen zurückgegriffen werden könne, um so Ziel und Zweck einzelner Regelungen näher zu bestimmen. Darüber hinausgehende Rechtsfolgen entfalte die Präambel nicht.

Die vermeintliche Unwirksamkeit könne auch nicht aus der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. Januar 2012 abgeleitet werden. Abgesehen davon, dass sich diese Entscheidung mit einer Satzung nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO befasse, während die hier in Rede stehende Satzung auf Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO fuße, und die Baugesetze auch sonst zwischen Gebäuden und Werbeanlagen deutlich unterschieden, sei für den hier zu entscheidenden Streitfall wesentlich, dass das Ortsbild der Beigeladenen im Wesentlichen - mit Ausnahme der in Ziffer 3 der Satzung ausdrücklich erwähnten Teilbereiche - homogen sei. Sowohl Ortseingang als auch Ortsausgang bestünden - wie häufig auch in anderen ländlichen Bereichen - aus geschichtlich gewachsenen Einzelwohnhäusern oder ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen (Wohnhaus mit Stadel). Richtig sei, dass im zentralen Ortsbereich, der sich als Mischgebiet darstelle, eine etwas dichtere Bebauung vorliege. In beiden Fällen handle es sich aber um Bauformen von Einzelhäusern mit E+1 bei durchgehend geneigten Dächern (Regelfall Satteldach). Zur vom Verwaltungsgericht herangezogenen Differenzierung zwischen der Bebauung in erster und zweiter Reihe entlang der Ortsdurchfahrt (B. Str. = B 20) sei festzustellen, dass sich entlang dieser Straße überwiegend historisch gewachsene Geschäftshäuser mit Wohnungen, Gaststätten und sonstigen gewerblichen Nutzungen, teilweise mit Höhenentwicklungen E+2, jedoch durchgehend mit Satteldächern, befänden. In der zweiten Reihe der B. Straße seien Wohnhäuser mit E+1, ebenfalls mit Satteldächern, anzutreffen. Ebenso hätten alle Zweckbauten der Beigeladenen Satteldächer (so bei Schule, Kindergarten, Rathaus, Bauhof, Klärwerksgebäude u. a.). Insgesamt zeigten deshalb auch die vom Verwaltungsgericht angeführten Beispiele für angeblich stark unterschiedliche Ortsbilder innerhalb der Gemeinde, dass gleichwohl die spezifischen Merkmale einer oberbayerischen Hauslandschaft durchgehend vorlägen und deshalb eine weitergehende Differenzierung im Gemeindegebiet - mit Ausnahme der in Ziffer 3 der Satzung selbst ausgenommenen Bereiche - nicht erforderlich sei.

Unzweifelhaft könnten in Ortsgestaltungssatzungen Vorgaben über die Dachform, die Dachneigung und auch die Dacheindeckung sowie Dachauf- und -ausbauten getroffen werden. Gerade das Aufständern von Solaranlagen stelle nach völlig einheitlicher Auffassung eine problematische und im Regelfall verunstaltende Form eines Dachaufbaus dar. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht nicht mit hinreichender Sorgfalt der Frage nachgegangen, ob nicht - falls man die Unwirksamkeit der Regelungen für das gesamte Gemeindegebiet in Betracht ziehe - wenigstens wegen der völlig einheitlichen Dachform im Gemeindegebiet eine generelle und nicht nur auf einzelne Bauquartiere oder Straßenzüge bezogene Regelung isoliert möglich sei. Dem Gebot, vor Verwerfung einer Ortsbausatzung als unwirksam in Gänze die Möglichkeit zu prüfen, ob nicht im Wege der Auslegung mindestens Teile der Satzung eingeschränkt für das gesamte Ortsgebiet gelten könnten, sei von vornherein nicht nachgegangen worden.

Die Beigeladene beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2012 die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten, halten jedoch die Berufung der Beigeladenen für unbegründet.

Der Beklagte stellt keinen Antrag.

Wegen der bei dem Augenschein getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift verwiesen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beigeladenen ist begründet mit der Folge, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Rückbauanordnung ist rechtmäßig.

I.

Art. 76 Satz 1 BayBO ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde, die (teilweise) Beseitigung von Anlagen anzuordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Vorschrift dürfte - jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden - auch auf sog. Rückbauanordnungen Anwendung finden. Gemeint sind dabei diejenigen Fälle, in denen der Bauherr eine baurechtswidrige Anlage errichtet und die Bauaufsichtsbehörde ihm nunmehr aufgibt, diese auf den genehmigten Zustand zurückzubauen. Entsprechendes gilt auch, wenn das Vorhaben zwar wie hier nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa BayBO genehmigungsfrei, aber materiell rechtswidrig ist und der Rückbau auf einen rechtmäßigen Zustand möglich ist. Im vorliegenden Fall erschöpft sich der angeordnete Rückbau tatsächlich in einer bloßen teilweisen Beseitigung, so dass sie von Art. 76 Satz 1 BayBO gedeckt ist (Decker in Simon/Busse, BayBO 2008, Stand Dezember 2013, Art. 76 Rn. 54). Letztlich ist der Umstand, dass das Verwaltungsgericht dem Landratsamt folgend Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO als maßgebliche Befugnisnorm angesehen hat, aber nicht entscheidungserheblich, da bei beiden Varianten die materielle Illegalität des Bauvorhabens Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Rückbauanordnung ist und bei beiden Befugnisnormen im vorliegenden Fall dieselben Ermessenskriterien zur Anwendung kommen.

II.

Die Satzung ist eine öffentlich-rechtliche Vorschrift i. S. d. Art. 76 Satz 1 BayBO. Dabei entbindet die Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa BayBO nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und lassen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt (Art. 55 Abs. 2 BayBO). Dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme auch von aufgeständerten Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren ohne Flächenbegrenzung in den Genehmigungsfreiheitstatbestand die Befugnis der Gemeinden nicht einschränken wollte, gleichwohl Ortsgestaltungssatzungen nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO zu erlassen, folgt bereits aus Art. 57 Abs. 2 Nr. 9 BayBO, der eine entsprechende Befugnis der Gemeinden denknotwendig voraussetzt.

III.

Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift gestattet den Gemeinden, im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften über die besonderen Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen.

Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ist verfassungsgemäß und damit wirksame Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Gestaltungssatzung. Zutreffend stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Vorschrift nicht im Widerspruch zur Kompetenzordnung des Grundgesetzes für die Gesetzgebung von Bund und Ländern (Art. 70 ff. GG) steht. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO wahrt - jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung - die Grenzen der föderalen Kompetenzordnung des Grundgesetzes und steht auch sonst mit höherrangigem Recht in Einklang. Zweck der Vorschrift ist die spezifische Ergänzung und Modifizierung des landesrechtlich normierten Verunstaltungsverbots (Art. 8 BayBO) durch örtliche Bauvorschriften. Zwingende Grenze der landesrechtlichen Zuweisung von Satzungsautonomie an die Gemeinden ist das „Bodenrecht“ als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 18 GG), von der der Bundesgesetzgeber durch die Vorschriften des Baugesetzbuchs über die Bauleitplanung materiell wie verfahrensmäßig abschließend und umfassend Gebrauch gemacht hat (vgl. grundlegend BVerfG, Gutachten v. 16.6.1954 -1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407). Das Ziel der Ortsbildgestaltung ist sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung zugänglich. Zur bodenrechtlichen Ortsbildgestaltung steht der Gemeinde der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene und durch die Vorschriften der Baunutzungsverordnung ergänzte Festsetzungskatalog zur Verfügung. Gestaltungsvorschriften, die über das städtebauliche Instrumentarium des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung hinausgehen, ohne im Rahmen eines Nutzungsregimes Nutzungsrechte an Grund und Boden zuzuweisen, stehen dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht und damit auf der Grundlage des Art. 81 BayBO grundsätzlich auch örtlichen Bauvorschriften offen. Die Ermächtigungsnorm des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO wahrt daher die Grenzen der föderalen Kompetenzordnung (vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318; zu Art. 98 Abs. 1 Nr. 1 BayBO 1994 BayVGH, U. v. 12.1.2012 - 2 B 11.2230 - BayVBl 2012, 699).

IV.

Die genannten Vorschriften der Gestaltungssatzung überschreiten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Grenzen des Regelungsspielraums, den Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO den Gemeinden beim Erlass örtlicher Vorschriften zuweist. Die Vorschrift gestattet den Gemeinden, im eigenen Wirkungskreis örtliche Vorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind danach nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben (BayVGH, B. v. 3.11.2009 - 2 ZB 09.564 - juris; BayVGH, U. v. 2.2.2012 -1 N 09.368 - juris; vgl. auch BVerwG, U. v. 11.10.2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318). Nach Auffassung des Senats sind gestalterische Anforderungen an Dächer im Bereich positiver Gestaltungspflege regelmäßig zulässig, da Dächer in besonderem Maß das Gesamtbild einer Gemeinde bestimmen und Ausdruck eines ortsüblichen und landschaftsgebundenen Baustils sind, wie er häufig in Oberbayern anzutreffen ist (vgl. auch Decker, a. a. O., Art. 81 Rn. 114 m. w. N.). Zur Erzielung von Einheitlichkeit, zur Vermeidung einer unregelmäßigen Dachlandschaft oder im Interesse einer positiven Gestaltungspflege können demnach Dachformen festgelegt sowie Dachauf- und -ausbauten untersagt werden (Decker, a. a. O.). Die Gemeinden haben im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO einen beträchtlichen gestalterischen Spielraum und dürfen im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen (BayVGH, U. v. 9.8.2007 - 25 B 05.1340 - juris).

Zwar wird das Recht eines Bauherrn, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen, durch das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützt und durch das Verbot der Aufständerung von Solaranlagen und die damit einhergehende Nutzungsbeschränkung des Grundeigentums durch die Gestaltungssatzung der Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG lässt demgemäß im Bereich des Bauordnungsrechts, auch bei örtlichen Bauvorschriften aufgrund gemeindlicher Satzungen wie hier nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, nur Nutzungsbeschränkungen zu, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Diesbezüglich hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (E. v. 23.1.2012 - Vf. 18-VII-09 - BayVBl 2012, 397) zwar festgestellt, dass beim Erlass einer Satzung gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO über das Verbot der Errichtung von Werbeanlagen berücksichtigt werden muss, dass das Gebiet einer Gemeinde in der Regel aus verschiedenen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei; Verbote seien deshalb nur gerechtfertigt, soweit ortsgestalterische Gründe sie erforderten. Der Verfassungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung die teilweise Verfassungswidrigkeit einer Werbeanlagensatzung aber vor allem deshalb festgestellt, weil der Normgeber - im entschiedenen Fall die Stadt Nürnberg - bei einzelnen Verboten nicht nach den Gegebenheiten der verschiedenen Stadtbereiche differenziert hat, was bei einer Großstadt wie Nürnberg ohne weiteres nachvollziehbar ist. Die Entscheidung schließt jedoch nicht aus, dass aus ortsgestalterischen Gründen in (kleineren) Gemeinden Verbote für das gesamte Gemeindegebiet erlassen werden können‚ um auf diese Weise auf das örtliche Gesamterscheinungsbild Einfluss zu nehmen (vgl. BVerwG‚ B. v. 10.7.1997 - 4 NB 15/97 - ZfBR 1997‚ 327).

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen unter Berücksichtigung der traditionellen Dachformen im Gemeindegebiet der Beigeladenen und des Charakters als Fremdenverkehrsgemeinde keine Bedenken gegen das generelle Verbot der Aufständerung von Solarkollektoren im Gemeindegebiet und damit auch auf dem Dach des Hauses der Kläger.

Der Senat hat sich davon überzeugen können, dass im Gemeindegebiet die Dachlandschaft vorwiegend von Satteldächern geprägt ist. Die beim Augenschein vorgefundenen Pult- oder Flachdächer führen nicht zu einer gegenteiligen Beurteilung. Der Anbau an das Anwesen B.straße ... verfügt zwar über ein Pult- oder Flachdach, der Bauamtsleiter der Beigeladenen hat aber darauf hingewiesen, dass das Gebäude 1963/1964 vor Inkrafttreten der Gestaltungssatzung im Jahr 1975 genehmigt worden ist. Im Hinblick auf den im Jahr 2013 errichteten Kindergarten der Beigeladenen, der über zwei gegeneinander gestellte Pultdächer verfügt, hat der Bauamtsleiter nachvollziehbar erläutert, dass in diesem Fall eine Ausnahme von der Satzung erteilt worden sei, da bei Errichtung eines Satteldaches unmittelbar neben der Dorfkirche eine wesentliche Beeinträchtigung des Blickfeldes zur Kirche eingetreten wäre und außerdem eine ausreichende Belichtung des Kindergartens sichergestellt werden sollte. Auch die entlang der Bundesstraße errichteten Gebäude, die teils aus Wohnbebauung und teils aus gewerblicher Bebauung bestehen, verfügen nach dem Ergebnis des Augenscheins im Regelfall über ein Satteldach. Soweit sich der Kläger darauf beruft, auf dem Grundstück B. Str. ... solle das leerstehende ehemalige Kurmittelhaus abgerissen und im Rahmen eines Bebauungsplans durch ein Wohn- und Geschäftshaus ersetzt werden, hat der Vertreter der Beigeladenen unter Vorlage des Bebauungsplanentwurfs erklärt, dass das Hauptgebäude ein Satteldach erhalte und nur aus Schallschutzgründen auf der Seite zur Bundesstraße ein Scheddach vorgesehen sei.

Stellt sich das Ortsbild nach dem Ergebnis des Augenscheins im Hinblick auf die Dachformen (Satteldächer) als nahezu durchgehend einheitlich dar, so war es der Beigeladenen auch nicht verwehrt, zur Wahrung der Einheitlichkeit der Dachlandschaft für das Gemeindegebiet eine Aufständerung von Solaranlagen zu verbieten (vgl. BayVGH‚ B. v. 3.11.2009 - 2 ZB 09.564 - juris Rn. 10). Daran ändert auch nichts, dass sich auf dem Dach des Anwesens B.str. ... auf der Westseite ebenso wie auf dem Dach des Anwesens S.-straße ... (leicht) aufgeständerte Solaranlagen befinden. Insoweit haben die Vertreter des Landratsamts darauf hingewiesen, dass ihnen diese Anlagen bislang nicht bekannt waren und ein bauaufsichtliches Einschreiten geprüft werde. Gegen die aufgeständerte Solaranlage am Anwesen Bichstr. 8 wurde ohnehin eine Rückbauanordnung erlassen (s. hierzu das Verfahren 1 B 14.170). Soweit auf dem Grundstück W.-weg ... im Garten auf einer Holzlege eine aufgeständerte Solaranlage angetroffen wurde, haben die Behördenvertreter erklärt, diese bislang wegen der eingeschränkten Einsehbarkeit in den Garten des Grundstücks nicht gekannt zu haben.

Da das Landratsamt die beiden ihm bislang bekannten Fälle aufgegriffen hat, ist die Ermessensbetätigung auch unter Beachtung des Art. 3 GG nicht zu beanstanden. Dass in anderen Gemeinden eine abweichende Haltung hinsichtlich der Gestaltung von Solaranlagen eingenommen wird, ist wegen der Gebietshoheit der Beigeladenen (Art. 6 GO) rechtlich unerheblich.

V.

Schließlich geht auch der Vortrag der Kläger ins Leere, die Satzung sei insgesamt funktionslos geworden, weil in erheblichem Maß gegen verschiedenste Bestimmungen der Satzung verstoßen werde. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte die von den Klägern gerügte Vorschrift für sich gesehen weiterhin Bestand‚ weil sie nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den möglicherweise funktionslosen Satzungsbestimmungen steht (vgl. BayVGH a. a. O. Rn. 12 ff.).

VI.

Nach alledem erweisen sich auch die Duldungsanordnung und die Zwangsgeldandrohungen als rechtmäßig.

Die Kläger tragen gemäß § 154 Abs. 1‚ § 159 S. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich in beiden Rechtszügen, da ihre Klage erfolglos geblieben ist. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten im Verfahren erster Instanz selbst, da sie dort - im Gegensatz zum Berufungsverfahren - keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 7. Juli 2006 - 4 K 94/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verfügung zum Umbau ihres Walmdachs in ein Satteldach. Bei dem Wohnhaus handelt es sich um ein Fertighaus der Firma ... („...-Massivhaus“), das in Stil und Farbe toskanischen Landhäusern nachempfunden ist. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. ... (...-...-... …) in ... .... Das Grundstück ist bebaut mit einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung und einer angebauten Doppelgarage. Das Hauptgebäude ist mit einem auf vier Seiten abgewalmten Dach mit einer Dachneigung von 28° versehen. Die Firstlinie verläuft in Nord-Süd-Richtung und knickt auf der Nordseite über einem Vorbau nach Westen ab. Auch die Garage ist mit einem Walmdach (Dachneigung 16°) versehen. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans und der Örtlichen Bauvorschriften „Unter der ... Straße“ der Gemeinde ... vom 16.09.2002 (Satzungsbeschluss). Die Baugrundstücke befanden sich ursprünglich im Eigentum der Gemeinde. Der Bebauungsplan setzt u.a. die Stellung der Gebäude (Firstrichtung parallel zu der Erschließungsstraße mit Möglichkeit einer Drehung um 90° in besonderen Fällen) fest. Die Örtlichen Bauvorschriften schreiben zur Gestaltung der Gebäude Satteldächer mit einer Dachneigung von 28 - 32° vor; Abweichungen können bei untergeordneten Gebäudeteilen und Nebengebäuden zugelassen werden. Ausnahmsweise kann anstelle des Satteldachs ein gegeneinander höhenversetztes Pultdach zugelassen werden.
Mit Bauantrag vom 15.05.2003 beantragte die Klägerin, das Wohnhaus in der jetzt verwirklichten Gestalt mit einem Walmdach mit Dachneigung von 28° errichten zu dürfen. Mit Deckblatt vom 21.06.2003 wurde der Bauantrag dahin geändert, dass die Walmbedachung jeweils durch ein Satteldach mit gleicher Dachneigung ersetzt wurde. Mit dieser Maßgabe wurde das Vorhaben mit Baubescheid vom 11.08.2003 genehmigt und durch Nachtragsbaugenehmigung vom 13.11.2003 (bezüglich eines Stellplatzes und Überschreitung der Baugrenze durch die Garage) ergänzt. Nachdem festgestellt worden war, dass mit der Erstellung des Walmdachs begonnen wurde, stellte das Landratsamt Lörrach mit Verfügung vom 01.12.2003 den Bau sofort vollziehbar ein. Unter dem 27.11.2003 beantragte die Klägerin eine Befreiung von der Festsetzung der Dachform zugunsten eines Walmdachs bei Einhaltung der vorgeschriebenen Traufhöhe und Dachneigung. Diesen Antrag erhielt sie nicht aufrecht und beantragte stattdessen, ihr eine Änderung des Hauptdachs auf der Ostseite, einen Rückbau des Walmdachs zu einem Satteldach entsprechend der Genehmigung sowie umlaufende gleiche Traufhöhen am Gebäude zu gestatten. Diesem Antrag wurde durch eine weitere Nachtragsbaugenehmigung vom 05.02.2004 entsprochen. Die Genehmigungen vom 11.08.2003 und vom 05.02.2004 wiesen unter „besondere Bedingungen und Auflagen“ auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans hin, soweit in den Bescheiden nicht ausdrücklich eine Ausnahme oder Befreiung zugelassen worden sei.
In der Folgezeit wurde festgestellt, dass das Dach weitergebaut und das Dachflächenfenster in das nicht genehmigte Walmdach eingebracht war. Es fand ein Ortstermin der auf bauordnungsrechtliche Maßnahmen drängenden Gemeinde sowie Schriftwechsel zwischen den Prozessbevollmächtigten der Gemeinde und der Klägerin statt.
Mit Verfügung vom 22.07.2004 gab das Landratsamt Lörrach der Klägerin auf, die ungenehmigten Walmdächer auf dem Wohnhaus und der Garage ihres Anwesens durch Satteldächer entsprechend der Baugenehmigung vom 05.02.2004 oder auf eine andere zugelassene Ausführungsart innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Bestandskraft zu ersetzen. Für den Fall der Nichtdurchführung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,-- EUR angedroht. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der verfügte Umbau der formell wie materiell baurechtswidrigen Walmdächer in Satteldächer sei geeignet aber auch erforderlich, um rechtmäßige Zustände der Gebäude herbeizuführen. Es seien bereits mehrere Anträge bzw. Anfragen von Bauwilligen aus dem Baugebiet bezüglich Walmdächern abschlägig beschieden worden, in zwei Fällen hätten die Bauherrn sogar Mehraufwand für die Dachänderung an ihrem Fertighaus in Kauf nehmen müssen. Eine Befreiung von den Gestaltungsvorschriften scheide aus. Die Umbauverfügung stehe auch nicht außer Verhältnis zur Zielsetzung. Gemeinde wie Landratsamt hätten von Anfang an zu erkennen gegeben, dass an der Dachgestaltung mit Satteldächern ausnahmslos festgehalten werde. Gegen diese Verfügung legte die Klägerin am 27.08.2004 Widerspruch ein, den sie, teilweise unter Bezugnahme auf einen Einspruch im parallel laufenden Bußgeldverfahren, ausführlich begründete.
Am 23.09.2004 leitete die Klägerin ein Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan und die Örtlichen Bauvorschriften „Unter der ... Straße“ ein (Az.: 3 S 2266/04). Das Verfahren wurde auf Anregung des Berichterstatters mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss vom 15.03.2005 zum Ruhen gebracht.
Mit Bescheid vom 16.12.2004, zugestellt am 20.12.2004, wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch mit ausführlicher Begründung zurück: Es sei ermessensfehlerfrei, wenn der Umbau des formell wie materiell baurechtswidrigen Walmdachs verfügt worden sei. Die Umbauverpflichtung sei weder unverhältnismäßig noch widerspreche sie dem Gleichheitsgrundsatz. Der derzeit baurechtswidrige Zustand strahle negativ in die Öffentlichkeit aus. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindere jedenfalls bei Schwarzbauten die Behörden nicht daran, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen. Denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gebaut. Daher könne die Klägerin mit ihrem Vorbringen zu erheblichen technischen und finanziellen Aufwand nicht durchdringen. Hinzu komme, dass die Klägerin nicht nur in voller Kenntnis bewusst gegen geltende Bauvorschriften verstoßen, sondern sich in voller Absicht und zielstrebig über die maßgeblichen Vorschriften hinweggesetzt habe. Damit habe sie die Konsequenzen nicht nur billigend in den Kauf genommen, sondern geradezu provoziert. Zur Aufrechterhaltung der Baumoral sei es in solchen Fällen besonders notwendig, gegen rechtswidrige Bauvorhaben einzuschreiten. Auch wenn das Gebäude in architektonischer Hinsicht gelungen sei, könne nicht gestattet werden, dass objektiv-rechtliche städtebauliche Bestimmungen durch eigene subjektive Vorstellungen der Bauherrn ersetzt würden. Gegen die Zulässigkeit der Regelung über die Dachform nach § 74 Abs. 1 LBO bestünden keine Bedenken. Auf den Gleichheitsgrundsatz könne sich die Klägerin nicht berufen.
Mit ihrer am 19.01.2005 erhobenen Klage hat die Klägerin bestritten, bewusst oder auch nur in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der gewählten Dachform gebaut zu haben. Sowohl der damalige Planverfasser wie auch der Bauleiter hätten ihr erklärt, mit dem Walmdach, einer Sonderform des Satteldachs, gehe es in Ordnung. Die Örtlichen Bauvorschriften seien unwirksam, weil abwägungsfehlerhaft. Überdies beruhe die Verfügung auf Ermessensfehlern. Ihre erheblichen, dem geforderten Umbau entgegenstehenden Interessen seien nicht ausreichend gewichtet worden. Bei einem Umbau müsse die Statik massiv verändert werden und es entstehe ein erheblicher finanzieller Aufwand. Ein Auszug während der Bauarbeiten sei der pflegebedürftigen alten Mutter der Klägerin nicht zumutbar. Das Verschulden der Klägerin sei falsch bewertet worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klagebegründung verwiesen.
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage mit Urteil vom 07.07.2006 - 4 K 94/05 - abgewiesen: Das ungenehmigt errichtete Walmdach widerspreche den Örtlichen Bauvorschriften. Das dort geforderte Satteldach sei eine technisch und rechtlich eingeführte Dachform. Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot sei nicht festzustellen. Eine Abwägung durch den Gemeinderat der Gemeinde ... zwischen den widerstreitenden Interessen der Gemeinde und der Grundstückseigentümer habe stattgefunden, auch wenn sich dies nicht deutlich aus den Verfahrensakten entnehmen lasse. Es handle sich bei den Regelungen über die Dachform um eine Vorschrift, die weder die bauliche Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke einschränke noch den Bauherrn übermäßige gestalterische Vorgaben mache. Die jeweils berührten Interessen lägen im Übrigen auch offen zu Tage. Der Gemeinde gehe es ersichtlich darum, durch Vorgabe einer bestimmten Dachform ein in sich geschlossenes Baugebiet zu schaffen und dadurch für eine gewisse Einheitlichkeit der Dachlandschaft im Plangebiet zu sorgen. Nach Darstellung der Gemeinde sollten die neuen Gebäude in das bestehende bauliche und landschaftliche Umfeld eingebunden werden, um die angestrebte architektonische und städtebauliche Qualität zu sichern. Hinter diesem gestalterischen Ziel seien die Eigentümerinteressen an möglichst ungeschmälerter Erhaltung der Gestaltungsfreiheit nicht unangemessen zurückgestellt. Die Klägerin könne auch keine Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO von diesen Festsetzungen verlangen. Dass im Baugebiet bislang von der Festsetzung „Satteldach“ nur in einem Fall „für ein Pultdach“ befreit worden sei, belege nichts Gegenteiliges. Pultdächer seien als Ausnahmen in den Örtlichen Bauvorschriften ausdrücklich vorgesehen.
Ermessensfehler lägen nicht vor. Bei der Entscheidung über das „ob“ einer Abbruchsanordnung handle es sich um ein sog. intendiertes Ermessen. Insofern werde auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Bei der Ermessensentscheidung seien die Belange der Klägerin (Kosten) ebenso berücksichtigt worden, wie die hartnäckige Verfolgung der Errichtung eines Walmdachs. Die Klägerin habe ersichtlich bewusst versucht, durch immer neue Bauanträge Zeit zu gewinnen und das Landratsamt hinzuhalten. Während sie in den Bauanträgen nach der Baueinstellung stets bekundet habe, sie werde das Walmdach in ein Satteldach umändern, habe sie auf der Baustelle genau das Gegenteil realisiert. Letztlich spreche alles dafür, dass sie von Anfang an versucht habe, ein Walmdach - ob mit oder ohne Baugenehmigung - zu verwirklichen. Dies werde dadurch bestätigt, dass bereits der „Unterbau“ des Wohnhauses stets nur für ein Walmdach konzipiert gewesen sein müsse. Mit dem Argument, der bauleitende Architekt sei „an allem Schuld“ könne die Klägerin nicht durchdringen, selbst wenn dieser nicht von ihr angewiesen worden wäre, ein Walmdach zu errichten. Ein Architekt, der keine genehmigungsfähige Planung leiste bzw. die genehmigte Planung umsetze, mache sich dem Bauherrn gegenüber schadensersatzpflichtig. Angesichts des dokumentierten Verfahrensgangs könne abgesehen davon auch keine Gutgläubigkeit der Klägerin in Bezug auf die Äußerung des bauleitenden Architekten angenommen werden, eine Befreiung sei ohne Weiteres zu bekommen. Die Umbauverfügung sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Da die Klägerin in Kenntnis der Rechtswidrigkeit bzw. der ablehnenden Haltung der Gemeinde gleichwohl die ursprüngliche nicht genehmigte Walmdachplanung verwirklicht habe, erscheine der geforderte Rückbau auch dann als verhältnismäßig, wenn dafür tatsächlich Kosten i.H.v. 140.000,-- EUR aufzuwenden wären. Auch im Verhältnis zu den gesamten Baukosten werde dadurch die der Klägerin zumutbare Opfergrenze nicht überschritten. Ein Regress gegen den bauleitenden Architekten erscheine durchaus erfolgversprechend, möglicherweise komme auch ein Regress gegen die Fertighausfirma ... in Betracht. Hierzu bedürfe es jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Eine Hinnahme des in die Öffentlichkeit ausstrahlenden Verstoßes durch die Klägerin und eine bloße Ahndung als Ordnungswidrigkeit könne als Kapitulation der Behörden vor der Schaffung vollendeter Tatsachen gedeutet und als Einladung zur Nachahmung missverstanden werden. Nach alldem komme es auf die Frage der sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin und ihrer Familie nicht mehr entscheidend an. Abschließend bleibe festzustellen, dass die von der Klägerin befürchteten Belastungen durch die Umbaumaßnahmen wie auch die von ihr angegebenen Gebäudeschäden infolge der Baueinstellung und die durch verzögerte Fertigstellung entstandenen Mehrkosten allein in ihren Verantwortungsbereich fielen und nichts für die Frage der Unverhältnismäßigkeit des Dachumbaus hergäben.
10 
Die Klägerin hat gegen dieses am 07.09.2006 zugestellte Urteil die vom Senat durch Beschluss vom 15.08.2007 - 3 S 2152/06 - zugelassene Berufung, nach mehrfacher, rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist, am 17.12.2007 begründet. Sie macht, in Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags, zusammenfassend geltend: Die Umbauverfügung sei schon mangels materieller Baurechtswidrigkeit des Walmdachs rechtswidrig. Die ein Satteldach fordernden Örtlichen Bauvorschriften seien nichtig. Sie widersprächen dem nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geforderten Gebot der sachlichen Rechtfertigung. Es fehle an einem hinreichenden Gestaltungskonzept zur Verwirklichung bestimmter baugestalterischer Absichten. Die Gemeinde habe eine erforderliche Ortsbildanalyse nicht vorgenommen. Die Begründung zu den Gestaltungsvorschriften sei lediglich formelhaft. Die Festsetzung von Satteldächern verfehle auch das eigene gestalterische Ziel, eine „lebendige“ Dachlandschaft zu erhalten. Vor Aufstellung des Bebauungsplans habe es in ... keine Dachlandschaft mit Satteldächern gegeben. Die Örtlichen Bauvorschriften seien auch abwägungsfehlerhaft. Eine Abwägung habe schon nicht in der gebotenen Weise stattgefunden. Die Anforderungen müssten insofern angesichts des Gewichts von Regelungen zur Dachform nicht zu gering angesetzt werden. Es handle sich um einen Eingriff in die Baufreiheit. Das beanstandete Walmdach sei jedoch auch bei Gültigkeit der Örtlichen Bauvorschriften zulässig. Walmdächer seien eine Sonderform des Satteldachs. Vorliegend sei ein „Sattel“ vorhanden. Die Klägerin habe jedenfalls einen Befreiungsanspruch nach § 56 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 LBO im Zusammenspiel mit § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO, da sie auf der Südseite des Daches eine energiesparende Solaranlage angebracht habe. Solches habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auch schon für eine Photovoltaikanlage entschieden. Das Walmdach sei auch mit öffentlichen Belangen vereinbar, da es einen Beitrag zur angestrebten lebendigen Dachlandschaft leiste. Schließlich sei das Umbauverlangen auch ermessensfehlerhaft. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz und belaste die Klägerin unverhältnismäßig. Die Klägerin habe nicht auf eigenes Risiko rechtswidriges Handeln in Kauf genommen und habe nicht in „schwarz gebaut“. Dies ergebe sich aus dem Geschehen vor und während des Baues. Sie habe sich in gutem Glauben an die Aussagen beider am Bau beteiligten Architekten mit dem Änderungswunsch an die Gemeinde gewandt. Beide Architekten hätten die Problemlosigkeit einer Befreiung hervorgehoben. Die Klägerin habe durch Stellung des Befreiungsantrag vom 01.12.2003 erst das behördliche Verfahren gegen sie in Lauf gesetzt. Die Maßnahme sei auch deswegen unverhältnismäßig, weil sie der Allgemeinheit keinen städtebaulichen Nutzen bringe. Das Gebäude sei, wie auch das Regierungspräsidium einräume, architektonisch gelungen und füge sich harmonisch in die Umgebung ein. Es falle gestalterisch nicht auf und stelle keinen Fremdkörper dar. Im Baugebiet sei ein ebenfalls satzungswidriges auffälliges Pultdach zugelassen worden.
11 
Die Klägerin beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07. Juli 2006 - 4 K 94/05 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts Lörrach vom 22. Juli 2004 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16. Dezember 2004 aufzuheben,
13 
hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07. Juli 2006
14 
- 4 K 94/05 - zu ändern und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16. Dezember 2004 aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er verweist auf die Begründung des angegriffenen Urteils und führt zusätzlich aus: Das Satteldach sei verlangt worden, weil es in der Gemeinde ... die am weitesten verbreitete Dachform darstelle. Man habe damit ein Mindestmaß an ortstypischen Merkmalen festgelegt. Die Festsetzung habe nach dem Planungswillen des Gemeinderats gleichzeitig dazu gedient, Bauformen mediterraner Baukultur, wie sie unter der Bezeichnung „Typ Toskana“ von Fertigbaufirmen zunehmend vertrieben würden, in dem Baugebiet auszuschließen. Ein Bauvorhaben dieser Stilrichtung sei Ausgangspunkt für die Festlegung der Dachform Satteldach gewesen. In einem vergleichbaren Verfahren hätte die Gemeinde nach § 34 BauGB gezwungenermaßen zustimmen müssen. Eine Ortsbildanalyse hätte nicht durchgeführt werden müssen. Die Gemeinde habe zudem in den Kaufverträgen mit der Klägerin und den übrigen Bauwilligen im Plangebiet auf den Bebauungsplan und die Örtlichen Bauvorschriften hingewiesen; beim Abschluss des Kaufvertrags mit der Klägerin 2002 sei der Bebauungsplan in Kraft gewesen. Die Klägerin könne sich abgesehen davon wegen Fristablaufs nicht mehr auf Abwägungsmängel bei der Entscheidung über die Örtlichen Bauvorschriften berufen.
18 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Bau- und Bebauungsplanakten Bezug genommen sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos und sonstigen Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die zulässige, insbesondere - nach rechtzeitig beantragter Verlängerung - fristgemäß und ausführlich begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu Recht als unbegründet abgewiesen (A.). Die im Hilfsantrag auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage ist unzulässig (B.).
A.
20 
Die im Hauptantrag angegriffene Beseitigungs- bzw. Umbauverfügung vom 22.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2004 ist rechtmäßig (I.) und auch frei von Ermessensfehlern (II.). Sie verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. §§ 113 Abs. 1, 114 Satz 1 VwGO).
I.
21 
Die Beklagte war berechtigt, die streitige Verfügung aufgrund der (kumulativ einschlägigen) Ermächtigungen nach § 65 Satz 1 LBO (bezüglich Teilabbruch) und § 47 Abs. 1 LBO (bezüglich der statisch-baulichen Umgestaltung des Dachstuhls) zu erlassen. Denn das von der Klägerin errichtete Dach auf dem Hauptgebäude und auf der Garage ist von Anbeginn an fortlaufend sowohl formell wie materiell baurechtswidrig und es können auch nicht auf andere Weise - durch Befreiung - rechtmäßige Zustände hergestellt werden (zur Zugehörigkeit letzterer Voraussetzung zum Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, VBlBW 2004, 263 ff.).
22 
1. An der formellen Baurechtwidrigkeit des streitgegenständlichen Daches bestehen keine Zweifel. Dessen tatsächliche Ausführung weicht sowohl von den genehmigten Bauvorlagen der Ausgangsbaugenehmigung vom 11.08.2003 in der Fassung der ersten Nachtragsbaugenehmigungen vom 13.11.2003 als auch von der maßgeblichen - der Klägerin hinsichtlich der bereits verwirklichten Traufhöhe sowie der Dach- und Außenwandgestaltung an der Ost- und Nordseite entgegenkommenden - zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 05.02.2004 ab. Die Klägerin hat das Wohnhaus entsprechend ihrem ersten, nicht genehmigten Antrag vom 15.05.2003 mit einem auf vier Seiten abgewalmten Dach versehen und auch die im Norden an das Wohnhaus angebaute Doppelgarage hat auf ihren freien Seiten ein abgewalmtes Dach erhalten. Genehmigt ist jeweils aber nur ein durchgehendes, nach Westen hin abknickendes Satteldach auf dem Wohnhaus und ein ebensolches Satteldach im Garagenbereich (vgl. die mit Genehmigungsvermerk versehen Lagepläne vom 12.05.2003 bzw. vom 01.10.2003, den Plan Grundriss Obergeschoss vom 21.06.2003 sowie die Ansichtenpläne vom 07.12.2003).
23 
2. Das streitige Dach ist auch materiell baurechtswidrig. Es widerspricht der baugestalterischen Regelung über die Dachform in den Örtlichen Bauvorschriften der Gemeinde ... für das Baugebiet „Unter der ... Straße“ vom 16.09.2002 (künftig ÖBV). Nach Nr. 1.1. Satz 1 der ÖBV sind Satteldächer mit 28 - 35° Dachneigung (Änderung vom 20.01.2003) festgesetzt. Diese Dachform muss strikt eingehalten werden, die Abweichungsmöglichkeit nach Nr. 1.1 Satz 2 der ÖBV bezieht sich ersichtlich nur auf die Dachneigung. Als einzige Abweichungsmöglichkeit sieht Nr. 1.1 Satz 3 der ÖBV vor, dass ausnahmsweise statt der Satteldächer auch Pultdächer in einer bestimmten baugestalterischen Beschaffenheit zugelassen werden können.
24 
2.1 Das von der Klägerin verwirklichte Dach ist mit Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV nicht vereinbar. Es entspricht weder auf dem Hauptgebäude noch auf der Garage der Dachform des Satteldaches, sondern ist jeweils als Walmdach gestaltet.
25 
Der Begriff des „Walmdachs“ ist in der Rechtspraxis wie der Bautechnik geklärt. Ein Walmdach unterscheidet sich nach eindeutigen Kriterien von der Dachform des Satteldachs. Ein Satteldach zeichnet sich nach allgemeinem Sprachgebrauchs dadurch aus, dass sich zwei schräge Dachflächen in einer Firstlinie schneiden und an den Seitenwänden des Gebäudes dreieckige Giebel entstehen. Wesentlich sind mithin zwei Elemente: Zum einen ein in gerader Linie verlaufender Dachfirst (der „Sattel“) und zum anderen zwei meist auf der Schmalseite verlaufende, von den Dachflächen umschlossene, ein oberes Dreieck bildende und in der Regel senkrecht verlaufende Wandflächen (die Giebel); deswegen ist teilweise auch die Bezeichnung „Giebeldach“ geläufig. Ein Satteldach liegt auch bei abknickenden Gebäudeteilen (und abknickenden Dachfirsten) vor, sofern beide Gebäudeaußenwände als Giebelwände ausgestaltet sind. Mit den aufgezeigten Merkmalen lässt sich das - durchgehende wie das abknickende - Satteldach von der Dachform des Walmdachs klar abgrenzen. Maßgeblich für ein Walmdach ist, dass - anders als beim Zelt- oder Pyramidendach, bei dem die Dachflächen in einem oberen Punkt zusammenlaufen - zwar ein (im Verhältnis zum Satteldach verkürzter) Dachfirst vorhanden ist, es jedoch an senkrechten Giebelwänden fehlt, weil auch die seitlichen Begrenzungsflächen als abgeschrägte Dachflächen ausgebildet sind (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.02.2008 - 3 S 2555/07 -, ESVGH 58, 182 ff.; Urteil vom 17.03.2004 - 5 S 2591/93 -, ESVGH 44, 315). Auch beim Walmdach können die Gebäudeteile und der First abknicken, sofern die Dächer an den abknickenden Gebäudeseiten abgewalmt sind. Sind die Giebel nicht vollständig abgewalmt, sondern enden die seitlichen Dachflächen oberhalb der Traufe des Hauptdachs, spricht man von einem Schopfwalmdach oder Krüppelwalmdach (VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Ein Walmdach mit verkürztem Sattel (sog. Mittelfirst) ist demnach entgegen der von der Klägerin im Verfahren vertretenen Auffassung kein Unterfall des Satteldachs, sondern eine eigenständige Dachform.
26 
Gemessen daran handelt es sich im vorliegenden Fall zweifelsfrei um ein typisches und „vollständiges“ - an beiden abknickenden Seitenwänden gleichmäßig bis zum umlaufenden Dachtrauf abgeschrägtes - Walmdach. Die für ein Satteldach notwendig erforderlichen Giebel sind weder am Hauptgebäude noch an der Garage vorhanden.
27 
2.2 Die Festsetzung von Satteldächern in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV ist auch wirksam.
28 
a) Verfahrensrechtliche Gültigkeitsbedenken gegen die ÖBV sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 74 Abs. 1 LBO sind sie als Festsetzungen zulässigerweise zusammen mit dem Bebauungsplan beschlossen worden, wobei sich das Verfahren für ihren Erlass in vollem Umfang nach den bauplanungsrechtlichen Vorschriften richtet (§ 74 Abs. 7 LBO; zur Zulässigkeit der Aufnahme der ÖBV in einem Bebauungsplan, vgl. im Einzelnen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.04.2002 - 8 S 172/02 -, VBlBW 2003, 123). Verfahrensfehler aus dem Katalog der - auch auf ÖBV anwendbaren - Planerhaltungsvorschrift des § 214 BauGB (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149) wären im Übrigen unbeachtlich geworden, da sie - trotz ordnungsgemäßen Hinweises gemäß § 215 Abs. 2 BauGB in der Bekanntmachung - nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB 1998 gegenüber der Gemeinde... gerügt worden sind. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs gilt die Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB als Element der Planerhaltung nicht nur in Normenkontrollverfahren, sondern auch in Verfahren, in denen Bebauungspläne oder Örtliche Bauvorschriften, wie hier, inzident zu prüfen sind (Urteil vom 05.10.2006, a.a.O.).
29 
b) Auch materiell rechtlich entspricht die Satteldachpflicht in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV Satteldächern den gesetzlichen Anforderungen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
30 
aa) Die Festsetzung der Dachform eines Satteldachs in den ÖBV ist bestimmt (zum Begriff des Satteldachs siehe oben) und auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO gedeckt. Danach können die Gemeinden u.a. zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten unbebauten Gebieten Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen stellen. Dachformen sind in diesem Sinn Gestaltungselemente von Gebäuden. Mit derartigen Regelungen zur Gestaltung der Dachlandschaft greifen die ÖBV auch nicht unzulässig in die dem Bundesgesetzgeber (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zugewiesene Kompetenz zur städtebaulichen Ortsbildgestaltung ein (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB). Denn bundesrechtlich steht der Gemeinde nur der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Regelungen über die Dachform oder die sonstige äußere Gestaltung baulicher Anlagen - mit Ausnahme von Regelungen über die Gebäudestellung (Firstrichtung) gehören nicht dazu, sie können auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 BauGB oder der BauNVO daher nicht getroffen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O. sowie BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169).
31 
bb) Die Festsetzung von Satteldächern als der ausschließlich zulässigen Dachform im Gebiet „Unter der ... Straße“ ist entgegen dem Einwand der Klägerin auch von „baugestalterischen Absichten“ i.S.v. § 74 Abs. 1 LBO getragen. Mit dieser Ermächtigung räumt der Gesetzgeber den Gemeinden nicht nur die Befugnis zur Abwehr verunstaltender Anlagen ein, sondern verleiht ihnen darüber hinaus das Recht zur positiven Gestaltungspflege in Teilen des Gemeindegebiets (so bereits VGH Bad.-Württ., NK-Beschluss vom 26.08.1982 - 5 S 858/82 -, VBlBW 1983, 1180 - zu § 111 LBO 1972). Mit dem Regelungskatalog in Nr. 1 der ÖBV (Dachform, Dachneigung, Dachaufbauten, Dacheinschnitte, Dach- und Wandmaterialien) macht die Gemeinde ... ersichtlich von diesem Recht zur Gestaltungspflege Gebrauch. Die dortigen Regelungen sollen - ergänzend zu den städtebaulichen Regelungen über die abgestuften Gebäudehöhen und Gebäudestellungen (vgl. Nrn. 2.2 - 2.5. Textteil des Bebauungsplans) - der „Gestaltung der Gebäude“ (so die Überschrift) in ihrer individuellen Erscheinungsform einerseits und in ihrem übergreifenden optischen Bezug zum Plan- und Gemeindegebiet andererseits dienen. Beide Zielrichtungen ergeben sich schon aus Art und Typus der einzelnen Gestaltungsvorgaben sowie aus Nr. 6 der Planbegründung („Städtebauliche Gestaltung“). Danach soll mit den die Gestaltungsregelungen die „Einbindung der neuen Gebäude in das bestehende bauliche und landschaftliche Umfeld“ gewährleistet werden, um die „angestrebte architektonische und städtebauliche Qualität auch rechtlich zu sichern“. Die Satteldachpflicht zielt in diesem Sinn auf die Einbettung der „Dachlandschaft“ des Plangebiets in dessen „bauliches Umfeld“ ab. Den Anforderungen an ein nachvollziehbares Konzept im Sinne von § 74 Abs. 1 LBO ist damit genügt. Die Frage, ob sich dieses Konzept gegenüber anderen Belangen durchsetzen kann, ist eine Frage der Abwägung (dazu nachfolgend).
32 
cc) Die Forderung nach Satteldächern verstößt auch nicht gegen das Gebot, die von der beabsichtigten Regelung berührten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin, die entgegen der Auffassung der Beklagten innerhalb der hier geltenden Frist von 7 Jahren allerdings noch rügefähig wären (vgl. § 215 Abs. 2 BauGB 1998), teilt der Senat nicht.
33 
Zwar findet die nur für Bebauungspläne geltende Regelung des § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. auf örtliche Bauvorschriften auch dann keine (unmittelbare) Anwendung, wenn diese - wie hier - zusammen mit einem Bebauungsplan beschlossen werden. Denn § 74 Abs. 7 LBO verweist nur für das Verfahren zum Erlass dieser Vorschriften auf das BauGB, während es sich bei § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Regelung handelt. Die Verpflichtung der Gemeinde zu einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ergibt sich jedoch unabhängig von einer solchen Verweisung aus dem Umstand, dass mit den von ihr erlassenen Örtlichen Bauvorschriften Inhalt und Schranken des privaten Eigentums geregelt werden und hierbei die Interessen der Allgemeinheit sowie die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.06.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.; Urteil des Senats vom 11.10.2006, a.a.O.; st. Rechtspr. auch der anderen Oberverwaltungsgerichte, vgl. dazu etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56; OVG NRW, Urteil vom 07.11.1995 - 11 A 293/94 -, NVwZ-RR 1996, 491 f.; s. auch BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164/79 -). Dem ist der Satzungsgeber vorliegend gerecht geworden.
34 
aaa) Fehler im Abwägungsvorgang liegen nicht vor.
35 
Zunächst sind Fehler in Gestalt eines Abwägungsausfalls (keine Abwägung mit privaten Interessen) oder eines Abwägungsdefizits (Ausklammerung erkennbarer abwägungserheblicher privater Interessen) nicht zu erkennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gemeinderat sich mit den für und gegen eine Satteldachpflicht sprechenden Belangen in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass örtliche Baugestaltungsvorschriften nicht zu den zentralen Regelungen eines Bebauungsplans gehören, sondern die maßgeblichen bodenrechtlichen Festsetzungen lediglich ergänzen. Dies gilt auch für Regelungen über die Dachform für ein durch die städtebaulichen Festsetzungen zum Nutzungsmaß (Grundfläche, Höhe, Stockwerkszahl) bereits weitgehend determiniertes Gebäude. Das Verlangen nach einer bestimmten Dachform stellt auch keine im Verhältnis zu anderen typischen Gestaltungsvorschriften im Dachbereich (etwa: Farbe der Dacheindeckung, Vorgabe der Dachneigung, Regelung von Dachaufbauten) außergewöhnliche Belastung für die Grundstückseigentümer dar. Angesichts der beschränkten Bedeutung dieser Regelung kann allein aus dem Fehlen von Abwägungshinweisen in den Verfahrensakten nicht geschlossen werden, dass der Gemeinderat sich bei der Beschlussfassung nicht mit den für und gegen die Vorgabe einer bestimmten Dachform sprechenden Belangen abwägend befasst hat (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.). Auch in der Begründung der ÖBV mussten die abwägungserheblichen Gesichtspunkte nicht umfassend zum Ausdruck kommen, zumal die Pflicht zur Begründung mangels Geltung des § 9 Abs. 8 BauGB, aber auch aus rechtsstaatlichen Gründen für Örtliche Bauvorschriften generell nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.11.1992 - 4 NB 28.92 -, DVBl. 1993, 116 ff., sowie etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.05.1995 - 1 L 165/94 -, Juris). Vor diesem Hintergrund kommen die für die Dachform des Satteldachs angeführten öffentlichen Belange durch den knappen aber inhaltlich klaren Hinweis in der Begründung, dass die neuen Gebäude (unter anderem) in das bestehende bauliche Umfeld des Baugebiets eingebunden werden sollen, hinreichend zum Ausdruck. Mit dieser Einbindung war gewollt, wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeht, Satteldächer als die in der Gemeinde ... vorherrschende Dachform auch in dem großen Neubaugebiet verpflichtend einzuführen, diese Dachform mithin als dominierendes ortstypisches Gestaltungselement zu festigen und abzusichern. Gleichzeitig wollte man damit dem Haus der Klägerin vergleichbare Walmdachgebäude mediterranen Zuschnittes („Toskana-Häuser“) aus dem Baugebiet zugunsten herkömmlicher Hausformen heraushalten. Hintergrund war, dass ein derartiges, von der Gemeinde als gestalterisch unpassend empfundenes Wohnhaus von der Baurechtsbehörde auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB hätte zugelassen werden müssen. Da während des Bebauungsplanverfahrens Einwendungen der Grundstückseigentümer gegen das - aus den ausliegenden Plänen klar ersichtliche - Satteldachkonzept nicht erhoben wurden, brauchte der Gemeinderat auf diese Gestaltungsinteressen nicht ausdrücklich einzugehen.
36 
Der Gemeinderat ist bei der Definition des Gestaltungskonzepts auch von zutreffenden Tatsachengrundlagen ausgegangen. Es trifft entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu, dass Satteldächer in ... quantitativ ein derartiges Übergewicht über andere Dachformen haben, dass sie das Ortsbild schon bisher maßgeblich prägen. Dies ergibt sich eindeutig aus den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und eingesehenen Luftbildern der Gemeinde und wird auch durch die von der Klägerin vorgelegten Fotos nicht widerlegt. Aus diesen ergibt sich zwar, was im Übrigen unstreitig ist, dass sich im Gemeindegebiet von ... auch eine Reihe meist älterer Häuser mit Walm- oder Krüppelwalmbedachung befinden, darunter auch zwei Gebäude unmittelbar östlich des Plangebiets (vgl. Fotos Bl. 89 ff. VG-Akte sowie Fotos aus der mündlichen Verhandlung). Die insgesamt deutliche Überzahl der Satteldachgebäude und deren prägende Wirkung auf das Ortsbild von ... wird dadurch nicht in Frage gestellt. Dies lässt sich auch ohne Ortstermin eindeutig aus den vorliegenden Luft- und Übersichtsbildern erkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.12.2008 - 4 BN 26.08 -, Juris).
37 
Schließlich ist das Plankonzept auch nicht in sich widersprüchlich. Die Aussage in der Planbegründung, man wolle die „lebendige optische Dachlandschaft“ in ... zur Geltung bringen, bezieht sich zweifelsfrei nur auf die im vorhergehenden Satz erwähnte Firstrichtung der Gebäude, die - historische Vorbilder aufgreifend - ausnahmsweise auch rechtwinklig um 90° abknicken darf (vgl. dazu Nr. 6 Satz 3 der Begründung); eine Vielfalt der Dachformen wird damit ersichtlich nicht angestrebt.
38 
bbb) Das dargelegte Gestaltungskonzept der Gemeinde ... begegnet auch im Ergebnis keinen Bedenken.
39 
Da die Baufreiheit der Eigentümer eingeschränkt wird, muss den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Die Einschränkung der Baufreiheit muss mithin sachlich gerechtfertigt sein und die Interessen der Allgemeinheit und die privaten Interessen der Eigentümer müssen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs stellt die gezielte Gestaltung etwa des Orts- oder Landschaftsbildes ein bedeutsames öffentliches Anliegen dar, das prinzipiell zur Einschränkung privater Eigentümerbefugnisse führen kann. Je gewichtiger die konkrete Gestaltungsaufgabe (das Gestaltungskonzept) ist, umso eingehender dürfen gestalterische Festsetzungen sein, ohne das Übermaßverbot zu verletzen. Umgekehrt reicht das Ziel einer einheitlichen Gestaltung allein um der Einheit oder gar Uniformität willen regelmäßig nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 11.10.2006 - 3 S 337/06 -, VBlBW 2007, 220 ff. unter Zusammenfassung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs; ähnlich OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56 ff.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2002 - 1 KN 1310/01 -, ZfBR 2003, 54 ff.).
40 
Dem wird die Regelung in Nr. 1.1 der ÖBV noch gerecht. Das Ziel, die vorherrschende Satteldachlandschaft in ... zu erhalten und durch Einführung der Satteldachpflicht in dem recht großen und durch seine Hanglage besonders ortsbildprägenden Plangebiet zu festigen, ist schlüssig, nachvollziehbar und hat hinreichendes Gewicht. Es beschränkt sich nicht auf eine isolierte Betrachtung des Baugebiets, sondern strahlt auf das Ortsbild aus und die angestrebte Satteldachform ist auch kein der Uniformität dienender Selbstzweck (zum Schutzgut der Einheitlichkeit einer auf das Ortsbild ausstrahlenden Dachlandschaft vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Dass das Satteldachkonzept gestalterisch zwingend oder anderen Gestaltungskonzepten auch nur überlegen sein muss, ist nicht erforderlich. Es muss auch nicht ein das Ortsbild in bodenrechtlicher Hinsicht prägendes Gewicht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169 ff.).
41 
Die Interessen der Grundstückseigentümer an der freien Wahl der Dachform bzw. an der Verwirklichung von mediterranen Walmdachgebäuden gerade im Plangebiet konnten ohne Verstoß gegen das Übermaßverbot hinter die öffentlichen Gestaltungsinteressen zurückgestellt werden. Wie an anderer Stelle erwähnt, sind örtliche Gestaltungsvorschriften typischerweise nur von untergeordneter Bedeutung und mit zentralen städtebaulichen Eigentumsbeschränkungen nicht vergleichbar. Regelmäßig schränken solche Gestaltungsbestimmungen weder die bauliche Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nennenswert ein noch beschränken sie den Bauherrn übermäßig in seinen Gestaltungswünschen oder verursachen erhebliche zusätzliche Kostenbelastungen (so zu Recht VGH Bad.-Württ., Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006, a.a.O.). Auf dieser Bedeutungsebene sind außer Regelungen über Art und Farbgestaltung der Dacheindeckungen (so Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006) auch Regelungen über bestimmte Dachformen anzusiedeln (siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.09.2002 - 8 S 1046/02 -, BRS 65 Nr. 146: Anordnung von Flachdächern, zur Sicherung vorhandener Gartenhofbebauung). Die Pflicht, Satteldächer zu errichten, schränkt die durch das Maß der baulichen Nutzung vorgegebene Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nicht zusätzlich ein. Vielmehr bietet ein Satteldach im Vergleich zu Walmdächern oder Zeltdächern dem Bauherrn die Möglichkeit, die planungsrechtlichen Nutzungswerte optimal auszuschöpfen. Die Errichtung von Satteldächern verursacht gegenüber Walm- oder Zeltdächern regelmäßig auch keinen höheren finanziellen Aufwand. Das Recht eines Bauherrn auf freie Wahl der Dachform aus bauästhetischen Gründen ist zwar nicht gering zu gewichten, es genießt hier aber keinen Vorrang gegenüber dem Gestaltungskonzept der Gemeinde. Dies würde erst recht gelten, wenn - wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen und auch aus den Bebauungsplanakten ersichtlich - bereits in den Grundstückskaufverträgen der Gemeinde mit den Bauherren die Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug genommen und zur Bedingung der Bebaubarkeit gemacht worden sein sollten. Auf die Kunstfreiheit können sich Eigentümer im Plangebiet nicht zusätzlich berufen. Art. 5 Abs. 3 GG gewährt nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigerweise gezogenen Schranken hinwegzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164.79 -, BRS 35 Nr. 133).
42 
3. Das planwidrig erstellte Walmdach kann auch nicht im Wege einer Befreiung von der Festsetzung in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV legalisiert werden. Da die streitige Regelung ihre Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 1 LBO findet, richten sich die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch sämtlich nicht vor. Gründe des allgemeinen Wohls erfordern die Zulassung des Walmdachs auf dem Hauptgebäude und der Garage nicht. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insofern im Hinblick auf die auf dem südlichen Walmdachflügel angebrachten Solarzellen auf § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO i.V.m. § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO. Zwar hat der erkennende Gerichtshof aus einem Zusammenwirken der Abweichungsregel des § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO mit der Befreiungsmöglichkeit nach § 56 Abs. 5 Nr. 1 LBO einen (sogar ermessensgebundenen) Anspruch auf Befreiung bejaht (Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Auf dieses Urteil kann die Klägerin sich aber nicht stützen, denn der dortige Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. In der zitierten Entscheidung ging es um die Befreiung von Baugestaltungsvorschriften über die Dachfarbe für beide Dachflächen eines Satteldachs, weil die Anbringung von Modulen einer Photovoltaikanlage zwangsläufig dazu führte, dass etwa 99 % der Fläche der südlichen Dachhälfte optisch schwarz in Erscheinung trat, wobei die Voltaikanlage nur in dieser dunklen Farbe erhältlich und funktionsfähig war. Im vorliegenden Fall hängt die Funktionsfähigkeit der Solarzellen jedoch nicht davon ab, dass sie auf der Südseite des Daches angebracht werden. Dort entfalten sie zwar die höchste Energieeffektivität. Sie können jedoch auch auf einer anderen, insbesondere der westlichen Dachfläche mit einem durchaus noch angemessenen Auswirkungsgrad installiert werden. So handhaben es auch anders ausgerichtete Wohnhäuser im Plangebiet. Die Verwirklichung der Solaranlage auf sinnvoller energiewirtschaftlicher Basis „steht und fällt“ damit keineswegs, wenn das vorgeschriebene Satteldach gefordert wird. Zudem ist auf Nr. 2.5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu verweisen, wonach bei Einzelhäusern die Firstrichtung in besonderen Fällen auch um 90° gedreht werden kann.
II.
43 
Der Beklagte hat den Umbau des Walmdachs in ein Satteldach auch ohne Ermessensfehler angeordnet. Er hat die für und gegen diese Maßnahme sprechenden öffentlichen und privaten Interessen umfassend und ihrem tatsächlichen und rechtlichen Gewicht entsprechend gegeneinander abgewogen und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der §§ 47 und 65 Satz 1 LBO entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).
44 
1. Der Beklagte hat erkannt, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung oder - wie hier - die Umgestaltung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Sauter, Komm. zur LBO, 3. Aufl., § 65 Rn. 44 m.w.N.). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen (sog. intendiertes Ermessen). Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, diesen Zustand ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 11.04.2002 - 4 C 4.01 -, NVwZ 2002, 1250 m.w.N.).
45 
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Das öffentliche Interesse an der Umwandlung der baurechtswidrigen Walmbedachung in ein Satteldach hat vorliegend keinesfalls geringeres Gewicht als im gesetzlich intendierten Regelfall. Ihm kommt angesichts des Verhaltens der Klägerin im Gegenteil besondere Bedeutung zu. Darauf weisen sowohl der Ausgangs- wie der Widerspruchsbescheid zutreffend hin. Die Klägerin hat die Walmbedachung in voller Kenntnis der formellen wie der materiellen Baurechtswidrigkeit errichtet. Im Ursprungsbauantrag vom 15.05.2003 begehrte sie ein Walmdach in der heutigen Gestalt. Dem von ihr unterschriebenen Antrag war ein gesonderter Befreiungsantrag bezüglich dieser Dachform beigefügt. Der Befreiungsantrag wurde damit begründet, dass der Bauherr „ein Haus nach dem Vorbild eines (existierenden) Musterhauses einer Fertighausfirma“ wünsche, das „bei Satteldachausführung seinen gestalterischen Charakter komplett verlieren würde“. Dies zeigt, dass die Klägerin das Haus von Anfang an als unveränderte Einheit gemäß der Musterhausplanung errichten wollte. An dieser Absicht hielt sie auch fest, nachdem die Befreiung abgelehnt war (vgl. die durch Grüneintrag durchgestrichenen Ursprungspläne) und obwohl ihr Architekt geänderte Pläne für ein Satteldach einreichte, die dann Gegenstand der Baugenehmigung vom 11.08.2003 und der Nachtragsbaugenehmigung vom 13.11.2003 waren. Der Inhalt dieser Nachtragsgenehmigung war der Klägerin bekannt, denn sie hat die genehmigten Pläne für ein Satteldach durch Unterschrift gebilligt (vgl. insbesondere den genehmigten Quer- und Längsschnittplan vom 21.06.2003, Bl. 61 d. Bauakten). Der Klägerin war auch damals schon bewusst, dass die Baurechtsbehörde auf der Errichtung des Satteldachs bestehen würde. Denn die Baugenehmigung vom 11.08.2003 wies ausdrücklich darauf hin, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans einzuhalten sind, „soweit in diesem Bescheid nicht ausdrücklich eine Ausnahme oder Befreiung zugelassen wurde“. Ohne Rücksicht darauf wurde in der Folgezeit an dem Walmdach zügig weitergebaut (vgl. Fotos Bl. 218 d. Bauakten), was nach Entdeckung Ende November 2003 zum Erlass der für sofort vollziehbar erklären Baueinstellungsverfügung vom 01.12.2003 führte. Ein am gleichen Tag gestellter erneuter Befreiungsantrag bezüglich der Dachform wurde zurückgezogen. Stattdessen beantragte die Klägerin unter dem 07.12.2003 wiederum unterschriftlich den „Rückbau des Walmdaches zum Satteldach DN 28 o wie genehmigt“ und erhielt hierfür am 05.02.2004 die Nachtragsbaugenehmigung, die abermals auf die Pflicht zur strikten Einhaltung der planerischen Vorgaben hinwies. Ungeachtet dessen setzte die Klägerin (entgegen anderslautender Versprechungen ihres Architekten, vgl. AV vom 11.02.2004) aber weder diese Rückbaugenehmigung um noch kam sie der Verpflichtung zur Einstellung der Bauarbeiten nach. Stattdessen baute sie - über bloßen provisorischen Nässeschutz des Gebäudes weit hinausgehend - in der Zeit bis März 2004 zusätzlich Dachflächenfenster in das ungenehmigte Walmdach ein. Auf diesbezügliche Schreiben des Landratsamts Lörrach reagierte die Klägerin nicht, sondern setzte erneut die Dacharbeiten fort. Im Juni 2004 wurde schließlich festgestellt, dass am Walmdach Regenrinnen und Regenabläufe angebracht, neue Dachlattungen aufgenagelt und später auch die Dachziegel aufgebracht waren (Aktenvermerke v. 11.06. u.v. 23.06.2004, Bl. 489, 497 R d. Bauakten), was dann zur hier streitgegenständlichen Verfügung vom 22.07.2004 führte.
46 
2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, dass die Klägerin sich - zurechenbar - fortgesetzt und anhaltend baurechtswidrig verhalten hat. Von ihrem Ursprungsziel, ihr Wohnhaus gemäß den Plänen des Musterfertighauses mit Walmdach auf jeden Fall, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht die Rechtslage zu errichten, ist sie niemals abgerückt. Hieraus haben die Behörden zutreffend ein gewichtiges öffentliches Interesse an baurechtlichem Einschreiten abgeleitet, um der Beachtung geltenden Baurechts Geltung zu verschaffen und derart beharrliche Verstöße im Interesse rechtstreuer Bauherrn wirksam zu unterbinden. Dahinter durften die bauästhetischen und finanziellen Interessen der Klägerin am Fortbestand der illegalen Walmbedachung zurückgestellt werden. Darauf, ob der Umbau im Verhältnis zum geforderten Satteldach einen gestalterischen „Gewinn“ bedeutet kommt es nicht an. Das Walmdachhaus im toskanischen Stil ist, wie die Fotos zeigen, für sich gesehen durchaus ansprechend und architektonisch gelungen. Die Klägerin kann aber nicht verlangen, dieses Fertighaus auch in einem Plangebiet zu errichten, in dem derartige Haustypen aus gestalterischen Gründen unerwünscht und ausgeschlossen sind. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der geforderte Rückbau wegen der hohen Kosten unverhältnismäßig sei. Da sie das Fertighaus ohne vorherige Baugenehmigung bestellt und errichtet hat, geht dies grundsätzlich zu ihren Lasten. Der zweifellos erhebliche finanzielle Aufwand für den geforderten - technisch allerdings unstreitig möglichen - Rückbau ist ihr daher zuzumuten, der Rahmen ihrer „Opfergrenze“ wird dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nicht überschritten.
47 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch ein Verstoß der Umbauverfügung gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht zu erkennen. Unstreitig ist im Baugebiet bisher kein einziges Walmdach zugelassen worden, andere Bauanträge für Fertighäuser mit Walmbedachung Walmdächer wurden abgelehnt (vgl. Schriftverkehr der Gemeinde ... mit den Architekten, Band 4 der Bebauungsplanakten). Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene genehmigte Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... widerlegt die strikte Ablehnungspraxis für Walmdächer nicht, da es mit einem abknickenden Satteldach mit seitlichen Giebeln versehen ist. Es entspricht insofern dem Dach in der der Klägerin in der Baugenehmigung vom 05.02.2004 genehmigten Gestalt. Darauf, ob das - einzige - Walmdachgebäude der Klägerin im Plangebiet besonders prägend in Erscheinung tritt, kam es für die Ermessensbetätigung nicht entscheidend an.
B.
48 
Der auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Widerspruchsbescheid kann gesondert nur dann angegriffen werden, wenn er eine erstmalige (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder eine im Verhältnis zum Ausgangsbescheid zusätzliche selbstständige Beschwer erhält. Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg bestätigt lediglich den Ausgangsbescheid des Landratsamts Lörrach, „verbösert“ ihn inhaltlich aber nicht. Eine zusätzliche Beschwer lediglich wegen - wie die Klägerin meint - „verbösernder“ Ermessenserwägungen, sieht das Gesetz nicht vor. Etwaige Rechtsfehler bei der Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid, die im Ausgangsbescheid noch nicht enthalten waren, wären der Ausgangsbehörde zuzurechnen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1989 - 6 S 2694/88 - VBlBW 1990, 297-298 m.w.N.; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 79 Rn. 11).
49 
Im Übrigen waren die dem Regierungspräsidium von der Klägerin vorgehaltenen Wertungen, sie habe sich „in voller Absicht zielstrebig“ über die baurechtlichen Vorschriften hinweggesetzt und habe die Konsequenzen „geradezu provoziert“, für dessen Entscheidung aber ersichtlich auch nicht tragend.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
51 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
52 
Beschluss vom 11. März 2009
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 140.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die zulässige, insbesondere - nach rechtzeitig beantragter Verlängerung - fristgemäß und ausführlich begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu Recht als unbegründet abgewiesen (A.). Die im Hilfsantrag auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage ist unzulässig (B.).
A.
20 
Die im Hauptantrag angegriffene Beseitigungs- bzw. Umbauverfügung vom 22.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2004 ist rechtmäßig (I.) und auch frei von Ermessensfehlern (II.). Sie verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. §§ 113 Abs. 1, 114 Satz 1 VwGO).
I.
21 
Die Beklagte war berechtigt, die streitige Verfügung aufgrund der (kumulativ einschlägigen) Ermächtigungen nach § 65 Satz 1 LBO (bezüglich Teilabbruch) und § 47 Abs. 1 LBO (bezüglich der statisch-baulichen Umgestaltung des Dachstuhls) zu erlassen. Denn das von der Klägerin errichtete Dach auf dem Hauptgebäude und auf der Garage ist von Anbeginn an fortlaufend sowohl formell wie materiell baurechtswidrig und es können auch nicht auf andere Weise - durch Befreiung - rechtmäßige Zustände hergestellt werden (zur Zugehörigkeit letzterer Voraussetzung zum Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, VBlBW 2004, 263 ff.).
22 
1. An der formellen Baurechtwidrigkeit des streitgegenständlichen Daches bestehen keine Zweifel. Dessen tatsächliche Ausführung weicht sowohl von den genehmigten Bauvorlagen der Ausgangsbaugenehmigung vom 11.08.2003 in der Fassung der ersten Nachtragsbaugenehmigungen vom 13.11.2003 als auch von der maßgeblichen - der Klägerin hinsichtlich der bereits verwirklichten Traufhöhe sowie der Dach- und Außenwandgestaltung an der Ost- und Nordseite entgegenkommenden - zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 05.02.2004 ab. Die Klägerin hat das Wohnhaus entsprechend ihrem ersten, nicht genehmigten Antrag vom 15.05.2003 mit einem auf vier Seiten abgewalmten Dach versehen und auch die im Norden an das Wohnhaus angebaute Doppelgarage hat auf ihren freien Seiten ein abgewalmtes Dach erhalten. Genehmigt ist jeweils aber nur ein durchgehendes, nach Westen hin abknickendes Satteldach auf dem Wohnhaus und ein ebensolches Satteldach im Garagenbereich (vgl. die mit Genehmigungsvermerk versehen Lagepläne vom 12.05.2003 bzw. vom 01.10.2003, den Plan Grundriss Obergeschoss vom 21.06.2003 sowie die Ansichtenpläne vom 07.12.2003).
23 
2. Das streitige Dach ist auch materiell baurechtswidrig. Es widerspricht der baugestalterischen Regelung über die Dachform in den Örtlichen Bauvorschriften der Gemeinde ... für das Baugebiet „Unter der ... Straße“ vom 16.09.2002 (künftig ÖBV). Nach Nr. 1.1. Satz 1 der ÖBV sind Satteldächer mit 28 - 35° Dachneigung (Änderung vom 20.01.2003) festgesetzt. Diese Dachform muss strikt eingehalten werden, die Abweichungsmöglichkeit nach Nr. 1.1 Satz 2 der ÖBV bezieht sich ersichtlich nur auf die Dachneigung. Als einzige Abweichungsmöglichkeit sieht Nr. 1.1 Satz 3 der ÖBV vor, dass ausnahmsweise statt der Satteldächer auch Pultdächer in einer bestimmten baugestalterischen Beschaffenheit zugelassen werden können.
24 
2.1 Das von der Klägerin verwirklichte Dach ist mit Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV nicht vereinbar. Es entspricht weder auf dem Hauptgebäude noch auf der Garage der Dachform des Satteldaches, sondern ist jeweils als Walmdach gestaltet.
25 
Der Begriff des „Walmdachs“ ist in der Rechtspraxis wie der Bautechnik geklärt. Ein Walmdach unterscheidet sich nach eindeutigen Kriterien von der Dachform des Satteldachs. Ein Satteldach zeichnet sich nach allgemeinem Sprachgebrauchs dadurch aus, dass sich zwei schräge Dachflächen in einer Firstlinie schneiden und an den Seitenwänden des Gebäudes dreieckige Giebel entstehen. Wesentlich sind mithin zwei Elemente: Zum einen ein in gerader Linie verlaufender Dachfirst (der „Sattel“) und zum anderen zwei meist auf der Schmalseite verlaufende, von den Dachflächen umschlossene, ein oberes Dreieck bildende und in der Regel senkrecht verlaufende Wandflächen (die Giebel); deswegen ist teilweise auch die Bezeichnung „Giebeldach“ geläufig. Ein Satteldach liegt auch bei abknickenden Gebäudeteilen (und abknickenden Dachfirsten) vor, sofern beide Gebäudeaußenwände als Giebelwände ausgestaltet sind. Mit den aufgezeigten Merkmalen lässt sich das - durchgehende wie das abknickende - Satteldach von der Dachform des Walmdachs klar abgrenzen. Maßgeblich für ein Walmdach ist, dass - anders als beim Zelt- oder Pyramidendach, bei dem die Dachflächen in einem oberen Punkt zusammenlaufen - zwar ein (im Verhältnis zum Satteldach verkürzter) Dachfirst vorhanden ist, es jedoch an senkrechten Giebelwänden fehlt, weil auch die seitlichen Begrenzungsflächen als abgeschrägte Dachflächen ausgebildet sind (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.02.2008 - 3 S 2555/07 -, ESVGH 58, 182 ff.; Urteil vom 17.03.2004 - 5 S 2591/93 -, ESVGH 44, 315). Auch beim Walmdach können die Gebäudeteile und der First abknicken, sofern die Dächer an den abknickenden Gebäudeseiten abgewalmt sind. Sind die Giebel nicht vollständig abgewalmt, sondern enden die seitlichen Dachflächen oberhalb der Traufe des Hauptdachs, spricht man von einem Schopfwalmdach oder Krüppelwalmdach (VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Ein Walmdach mit verkürztem Sattel (sog. Mittelfirst) ist demnach entgegen der von der Klägerin im Verfahren vertretenen Auffassung kein Unterfall des Satteldachs, sondern eine eigenständige Dachform.
26 
Gemessen daran handelt es sich im vorliegenden Fall zweifelsfrei um ein typisches und „vollständiges“ - an beiden abknickenden Seitenwänden gleichmäßig bis zum umlaufenden Dachtrauf abgeschrägtes - Walmdach. Die für ein Satteldach notwendig erforderlichen Giebel sind weder am Hauptgebäude noch an der Garage vorhanden.
27 
2.2 Die Festsetzung von Satteldächern in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV ist auch wirksam.
28 
a) Verfahrensrechtliche Gültigkeitsbedenken gegen die ÖBV sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 74 Abs. 1 LBO sind sie als Festsetzungen zulässigerweise zusammen mit dem Bebauungsplan beschlossen worden, wobei sich das Verfahren für ihren Erlass in vollem Umfang nach den bauplanungsrechtlichen Vorschriften richtet (§ 74 Abs. 7 LBO; zur Zulässigkeit der Aufnahme der ÖBV in einem Bebauungsplan, vgl. im Einzelnen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.04.2002 - 8 S 172/02 -, VBlBW 2003, 123). Verfahrensfehler aus dem Katalog der - auch auf ÖBV anwendbaren - Planerhaltungsvorschrift des § 214 BauGB (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149) wären im Übrigen unbeachtlich geworden, da sie - trotz ordnungsgemäßen Hinweises gemäß § 215 Abs. 2 BauGB in der Bekanntmachung - nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB 1998 gegenüber der Gemeinde... gerügt worden sind. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs gilt die Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB als Element der Planerhaltung nicht nur in Normenkontrollverfahren, sondern auch in Verfahren, in denen Bebauungspläne oder Örtliche Bauvorschriften, wie hier, inzident zu prüfen sind (Urteil vom 05.10.2006, a.a.O.).
29 
b) Auch materiell rechtlich entspricht die Satteldachpflicht in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV Satteldächern den gesetzlichen Anforderungen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
30 
aa) Die Festsetzung der Dachform eines Satteldachs in den ÖBV ist bestimmt (zum Begriff des Satteldachs siehe oben) und auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO gedeckt. Danach können die Gemeinden u.a. zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten unbebauten Gebieten Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen stellen. Dachformen sind in diesem Sinn Gestaltungselemente von Gebäuden. Mit derartigen Regelungen zur Gestaltung der Dachlandschaft greifen die ÖBV auch nicht unzulässig in die dem Bundesgesetzgeber (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zugewiesene Kompetenz zur städtebaulichen Ortsbildgestaltung ein (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB). Denn bundesrechtlich steht der Gemeinde nur der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Regelungen über die Dachform oder die sonstige äußere Gestaltung baulicher Anlagen - mit Ausnahme von Regelungen über die Gebäudestellung (Firstrichtung) gehören nicht dazu, sie können auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 BauGB oder der BauNVO daher nicht getroffen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O. sowie BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169).
31 
bb) Die Festsetzung von Satteldächern als der ausschließlich zulässigen Dachform im Gebiet „Unter der ... Straße“ ist entgegen dem Einwand der Klägerin auch von „baugestalterischen Absichten“ i.S.v. § 74 Abs. 1 LBO getragen. Mit dieser Ermächtigung räumt der Gesetzgeber den Gemeinden nicht nur die Befugnis zur Abwehr verunstaltender Anlagen ein, sondern verleiht ihnen darüber hinaus das Recht zur positiven Gestaltungspflege in Teilen des Gemeindegebiets (so bereits VGH Bad.-Württ., NK-Beschluss vom 26.08.1982 - 5 S 858/82 -, VBlBW 1983, 1180 - zu § 111 LBO 1972). Mit dem Regelungskatalog in Nr. 1 der ÖBV (Dachform, Dachneigung, Dachaufbauten, Dacheinschnitte, Dach- und Wandmaterialien) macht die Gemeinde ... ersichtlich von diesem Recht zur Gestaltungspflege Gebrauch. Die dortigen Regelungen sollen - ergänzend zu den städtebaulichen Regelungen über die abgestuften Gebäudehöhen und Gebäudestellungen (vgl. Nrn. 2.2 - 2.5. Textteil des Bebauungsplans) - der „Gestaltung der Gebäude“ (so die Überschrift) in ihrer individuellen Erscheinungsform einerseits und in ihrem übergreifenden optischen Bezug zum Plan- und Gemeindegebiet andererseits dienen. Beide Zielrichtungen ergeben sich schon aus Art und Typus der einzelnen Gestaltungsvorgaben sowie aus Nr. 6 der Planbegründung („Städtebauliche Gestaltung“). Danach soll mit den die Gestaltungsregelungen die „Einbindung der neuen Gebäude in das bestehende bauliche und landschaftliche Umfeld“ gewährleistet werden, um die „angestrebte architektonische und städtebauliche Qualität auch rechtlich zu sichern“. Die Satteldachpflicht zielt in diesem Sinn auf die Einbettung der „Dachlandschaft“ des Plangebiets in dessen „bauliches Umfeld“ ab. Den Anforderungen an ein nachvollziehbares Konzept im Sinne von § 74 Abs. 1 LBO ist damit genügt. Die Frage, ob sich dieses Konzept gegenüber anderen Belangen durchsetzen kann, ist eine Frage der Abwägung (dazu nachfolgend).
32 
cc) Die Forderung nach Satteldächern verstößt auch nicht gegen das Gebot, die von der beabsichtigten Regelung berührten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin, die entgegen der Auffassung der Beklagten innerhalb der hier geltenden Frist von 7 Jahren allerdings noch rügefähig wären (vgl. § 215 Abs. 2 BauGB 1998), teilt der Senat nicht.
33 
Zwar findet die nur für Bebauungspläne geltende Regelung des § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. auf örtliche Bauvorschriften auch dann keine (unmittelbare) Anwendung, wenn diese - wie hier - zusammen mit einem Bebauungsplan beschlossen werden. Denn § 74 Abs. 7 LBO verweist nur für das Verfahren zum Erlass dieser Vorschriften auf das BauGB, während es sich bei § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Regelung handelt. Die Verpflichtung der Gemeinde zu einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ergibt sich jedoch unabhängig von einer solchen Verweisung aus dem Umstand, dass mit den von ihr erlassenen Örtlichen Bauvorschriften Inhalt und Schranken des privaten Eigentums geregelt werden und hierbei die Interessen der Allgemeinheit sowie die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.06.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.; Urteil des Senats vom 11.10.2006, a.a.O.; st. Rechtspr. auch der anderen Oberverwaltungsgerichte, vgl. dazu etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56; OVG NRW, Urteil vom 07.11.1995 - 11 A 293/94 -, NVwZ-RR 1996, 491 f.; s. auch BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164/79 -). Dem ist der Satzungsgeber vorliegend gerecht geworden.
34 
aaa) Fehler im Abwägungsvorgang liegen nicht vor.
35 
Zunächst sind Fehler in Gestalt eines Abwägungsausfalls (keine Abwägung mit privaten Interessen) oder eines Abwägungsdefizits (Ausklammerung erkennbarer abwägungserheblicher privater Interessen) nicht zu erkennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gemeinderat sich mit den für und gegen eine Satteldachpflicht sprechenden Belangen in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass örtliche Baugestaltungsvorschriften nicht zu den zentralen Regelungen eines Bebauungsplans gehören, sondern die maßgeblichen bodenrechtlichen Festsetzungen lediglich ergänzen. Dies gilt auch für Regelungen über die Dachform für ein durch die städtebaulichen Festsetzungen zum Nutzungsmaß (Grundfläche, Höhe, Stockwerkszahl) bereits weitgehend determiniertes Gebäude. Das Verlangen nach einer bestimmten Dachform stellt auch keine im Verhältnis zu anderen typischen Gestaltungsvorschriften im Dachbereich (etwa: Farbe der Dacheindeckung, Vorgabe der Dachneigung, Regelung von Dachaufbauten) außergewöhnliche Belastung für die Grundstückseigentümer dar. Angesichts der beschränkten Bedeutung dieser Regelung kann allein aus dem Fehlen von Abwägungshinweisen in den Verfahrensakten nicht geschlossen werden, dass der Gemeinderat sich bei der Beschlussfassung nicht mit den für und gegen die Vorgabe einer bestimmten Dachform sprechenden Belangen abwägend befasst hat (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.). Auch in der Begründung der ÖBV mussten die abwägungserheblichen Gesichtspunkte nicht umfassend zum Ausdruck kommen, zumal die Pflicht zur Begründung mangels Geltung des § 9 Abs. 8 BauGB, aber auch aus rechtsstaatlichen Gründen für Örtliche Bauvorschriften generell nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.11.1992 - 4 NB 28.92 -, DVBl. 1993, 116 ff., sowie etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.05.1995 - 1 L 165/94 -, Juris). Vor diesem Hintergrund kommen die für die Dachform des Satteldachs angeführten öffentlichen Belange durch den knappen aber inhaltlich klaren Hinweis in der Begründung, dass die neuen Gebäude (unter anderem) in das bestehende bauliche Umfeld des Baugebiets eingebunden werden sollen, hinreichend zum Ausdruck. Mit dieser Einbindung war gewollt, wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeht, Satteldächer als die in der Gemeinde ... vorherrschende Dachform auch in dem großen Neubaugebiet verpflichtend einzuführen, diese Dachform mithin als dominierendes ortstypisches Gestaltungselement zu festigen und abzusichern. Gleichzeitig wollte man damit dem Haus der Klägerin vergleichbare Walmdachgebäude mediterranen Zuschnittes („Toskana-Häuser“) aus dem Baugebiet zugunsten herkömmlicher Hausformen heraushalten. Hintergrund war, dass ein derartiges, von der Gemeinde als gestalterisch unpassend empfundenes Wohnhaus von der Baurechtsbehörde auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB hätte zugelassen werden müssen. Da während des Bebauungsplanverfahrens Einwendungen der Grundstückseigentümer gegen das - aus den ausliegenden Plänen klar ersichtliche - Satteldachkonzept nicht erhoben wurden, brauchte der Gemeinderat auf diese Gestaltungsinteressen nicht ausdrücklich einzugehen.
36 
Der Gemeinderat ist bei der Definition des Gestaltungskonzepts auch von zutreffenden Tatsachengrundlagen ausgegangen. Es trifft entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu, dass Satteldächer in ... quantitativ ein derartiges Übergewicht über andere Dachformen haben, dass sie das Ortsbild schon bisher maßgeblich prägen. Dies ergibt sich eindeutig aus den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und eingesehenen Luftbildern der Gemeinde und wird auch durch die von der Klägerin vorgelegten Fotos nicht widerlegt. Aus diesen ergibt sich zwar, was im Übrigen unstreitig ist, dass sich im Gemeindegebiet von ... auch eine Reihe meist älterer Häuser mit Walm- oder Krüppelwalmbedachung befinden, darunter auch zwei Gebäude unmittelbar östlich des Plangebiets (vgl. Fotos Bl. 89 ff. VG-Akte sowie Fotos aus der mündlichen Verhandlung). Die insgesamt deutliche Überzahl der Satteldachgebäude und deren prägende Wirkung auf das Ortsbild von ... wird dadurch nicht in Frage gestellt. Dies lässt sich auch ohne Ortstermin eindeutig aus den vorliegenden Luft- und Übersichtsbildern erkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.12.2008 - 4 BN 26.08 -, Juris).
37 
Schließlich ist das Plankonzept auch nicht in sich widersprüchlich. Die Aussage in der Planbegründung, man wolle die „lebendige optische Dachlandschaft“ in ... zur Geltung bringen, bezieht sich zweifelsfrei nur auf die im vorhergehenden Satz erwähnte Firstrichtung der Gebäude, die - historische Vorbilder aufgreifend - ausnahmsweise auch rechtwinklig um 90° abknicken darf (vgl. dazu Nr. 6 Satz 3 der Begründung); eine Vielfalt der Dachformen wird damit ersichtlich nicht angestrebt.
38 
bbb) Das dargelegte Gestaltungskonzept der Gemeinde ... begegnet auch im Ergebnis keinen Bedenken.
39 
Da die Baufreiheit der Eigentümer eingeschränkt wird, muss den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Die Einschränkung der Baufreiheit muss mithin sachlich gerechtfertigt sein und die Interessen der Allgemeinheit und die privaten Interessen der Eigentümer müssen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs stellt die gezielte Gestaltung etwa des Orts- oder Landschaftsbildes ein bedeutsames öffentliches Anliegen dar, das prinzipiell zur Einschränkung privater Eigentümerbefugnisse führen kann. Je gewichtiger die konkrete Gestaltungsaufgabe (das Gestaltungskonzept) ist, umso eingehender dürfen gestalterische Festsetzungen sein, ohne das Übermaßverbot zu verletzen. Umgekehrt reicht das Ziel einer einheitlichen Gestaltung allein um der Einheit oder gar Uniformität willen regelmäßig nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 11.10.2006 - 3 S 337/06 -, VBlBW 2007, 220 ff. unter Zusammenfassung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs; ähnlich OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56 ff.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2002 - 1 KN 1310/01 -, ZfBR 2003, 54 ff.).
40 
Dem wird die Regelung in Nr. 1.1 der ÖBV noch gerecht. Das Ziel, die vorherrschende Satteldachlandschaft in ... zu erhalten und durch Einführung der Satteldachpflicht in dem recht großen und durch seine Hanglage besonders ortsbildprägenden Plangebiet zu festigen, ist schlüssig, nachvollziehbar und hat hinreichendes Gewicht. Es beschränkt sich nicht auf eine isolierte Betrachtung des Baugebiets, sondern strahlt auf das Ortsbild aus und die angestrebte Satteldachform ist auch kein der Uniformität dienender Selbstzweck (zum Schutzgut der Einheitlichkeit einer auf das Ortsbild ausstrahlenden Dachlandschaft vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Dass das Satteldachkonzept gestalterisch zwingend oder anderen Gestaltungskonzepten auch nur überlegen sein muss, ist nicht erforderlich. Es muss auch nicht ein das Ortsbild in bodenrechtlicher Hinsicht prägendes Gewicht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169 ff.).
41 
Die Interessen der Grundstückseigentümer an der freien Wahl der Dachform bzw. an der Verwirklichung von mediterranen Walmdachgebäuden gerade im Plangebiet konnten ohne Verstoß gegen das Übermaßverbot hinter die öffentlichen Gestaltungsinteressen zurückgestellt werden. Wie an anderer Stelle erwähnt, sind örtliche Gestaltungsvorschriften typischerweise nur von untergeordneter Bedeutung und mit zentralen städtebaulichen Eigentumsbeschränkungen nicht vergleichbar. Regelmäßig schränken solche Gestaltungsbestimmungen weder die bauliche Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nennenswert ein noch beschränken sie den Bauherrn übermäßig in seinen Gestaltungswünschen oder verursachen erhebliche zusätzliche Kostenbelastungen (so zu Recht VGH Bad.-Württ., Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006, a.a.O.). Auf dieser Bedeutungsebene sind außer Regelungen über Art und Farbgestaltung der Dacheindeckungen (so Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006) auch Regelungen über bestimmte Dachformen anzusiedeln (siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.09.2002 - 8 S 1046/02 -, BRS 65 Nr. 146: Anordnung von Flachdächern, zur Sicherung vorhandener Gartenhofbebauung). Die Pflicht, Satteldächer zu errichten, schränkt die durch das Maß der baulichen Nutzung vorgegebene Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nicht zusätzlich ein. Vielmehr bietet ein Satteldach im Vergleich zu Walmdächern oder Zeltdächern dem Bauherrn die Möglichkeit, die planungsrechtlichen Nutzungswerte optimal auszuschöpfen. Die Errichtung von Satteldächern verursacht gegenüber Walm- oder Zeltdächern regelmäßig auch keinen höheren finanziellen Aufwand. Das Recht eines Bauherrn auf freie Wahl der Dachform aus bauästhetischen Gründen ist zwar nicht gering zu gewichten, es genießt hier aber keinen Vorrang gegenüber dem Gestaltungskonzept der Gemeinde. Dies würde erst recht gelten, wenn - wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen und auch aus den Bebauungsplanakten ersichtlich - bereits in den Grundstückskaufverträgen der Gemeinde mit den Bauherren die Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug genommen und zur Bedingung der Bebaubarkeit gemacht worden sein sollten. Auf die Kunstfreiheit können sich Eigentümer im Plangebiet nicht zusätzlich berufen. Art. 5 Abs. 3 GG gewährt nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigerweise gezogenen Schranken hinwegzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164.79 -, BRS 35 Nr. 133).
42 
3. Das planwidrig erstellte Walmdach kann auch nicht im Wege einer Befreiung von der Festsetzung in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV legalisiert werden. Da die streitige Regelung ihre Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 1 LBO findet, richten sich die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch sämtlich nicht vor. Gründe des allgemeinen Wohls erfordern die Zulassung des Walmdachs auf dem Hauptgebäude und der Garage nicht. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insofern im Hinblick auf die auf dem südlichen Walmdachflügel angebrachten Solarzellen auf § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO i.V.m. § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO. Zwar hat der erkennende Gerichtshof aus einem Zusammenwirken der Abweichungsregel des § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO mit der Befreiungsmöglichkeit nach § 56 Abs. 5 Nr. 1 LBO einen (sogar ermessensgebundenen) Anspruch auf Befreiung bejaht (Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Auf dieses Urteil kann die Klägerin sich aber nicht stützen, denn der dortige Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. In der zitierten Entscheidung ging es um die Befreiung von Baugestaltungsvorschriften über die Dachfarbe für beide Dachflächen eines Satteldachs, weil die Anbringung von Modulen einer Photovoltaikanlage zwangsläufig dazu führte, dass etwa 99 % der Fläche der südlichen Dachhälfte optisch schwarz in Erscheinung trat, wobei die Voltaikanlage nur in dieser dunklen Farbe erhältlich und funktionsfähig war. Im vorliegenden Fall hängt die Funktionsfähigkeit der Solarzellen jedoch nicht davon ab, dass sie auf der Südseite des Daches angebracht werden. Dort entfalten sie zwar die höchste Energieeffektivität. Sie können jedoch auch auf einer anderen, insbesondere der westlichen Dachfläche mit einem durchaus noch angemessenen Auswirkungsgrad installiert werden. So handhaben es auch anders ausgerichtete Wohnhäuser im Plangebiet. Die Verwirklichung der Solaranlage auf sinnvoller energiewirtschaftlicher Basis „steht und fällt“ damit keineswegs, wenn das vorgeschriebene Satteldach gefordert wird. Zudem ist auf Nr. 2.5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu verweisen, wonach bei Einzelhäusern die Firstrichtung in besonderen Fällen auch um 90° gedreht werden kann.
II.
43 
Der Beklagte hat den Umbau des Walmdachs in ein Satteldach auch ohne Ermessensfehler angeordnet. Er hat die für und gegen diese Maßnahme sprechenden öffentlichen und privaten Interessen umfassend und ihrem tatsächlichen und rechtlichen Gewicht entsprechend gegeneinander abgewogen und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der §§ 47 und 65 Satz 1 LBO entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).
44 
1. Der Beklagte hat erkannt, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung oder - wie hier - die Umgestaltung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Sauter, Komm. zur LBO, 3. Aufl., § 65 Rn. 44 m.w.N.). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen (sog. intendiertes Ermessen). Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, diesen Zustand ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 11.04.2002 - 4 C 4.01 -, NVwZ 2002, 1250 m.w.N.).
45 
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Das öffentliche Interesse an der Umwandlung der baurechtswidrigen Walmbedachung in ein Satteldach hat vorliegend keinesfalls geringeres Gewicht als im gesetzlich intendierten Regelfall. Ihm kommt angesichts des Verhaltens der Klägerin im Gegenteil besondere Bedeutung zu. Darauf weisen sowohl der Ausgangs- wie der Widerspruchsbescheid zutreffend hin. Die Klägerin hat die Walmbedachung in voller Kenntnis der formellen wie der materiellen Baurechtswidrigkeit errichtet. Im Ursprungsbauantrag vom 15.05.2003 begehrte sie ein Walmdach in der heutigen Gestalt. Dem von ihr unterschriebenen Antrag war ein gesonderter Befreiungsantrag bezüglich dieser Dachform beigefügt. Der Befreiungsantrag wurde damit begründet, dass der Bauherr „ein Haus nach dem Vorbild eines (existierenden) Musterhauses einer Fertighausfirma“ wünsche, das „bei Satteldachausführung seinen gestalterischen Charakter komplett verlieren würde“. Dies zeigt, dass die Klägerin das Haus von Anfang an als unveränderte Einheit gemäß der Musterhausplanung errichten wollte. An dieser Absicht hielt sie auch fest, nachdem die Befreiung abgelehnt war (vgl. die durch Grüneintrag durchgestrichenen Ursprungspläne) und obwohl ihr Architekt geänderte Pläne für ein Satteldach einreichte, die dann Gegenstand der Baugenehmigung vom 11.08.2003 und der Nachtragsbaugenehmigung vom 13.11.2003 waren. Der Inhalt dieser Nachtragsgenehmigung war der Klägerin bekannt, denn sie hat die genehmigten Pläne für ein Satteldach durch Unterschrift gebilligt (vgl. insbesondere den genehmigten Quer- und Längsschnittplan vom 21.06.2003, Bl. 61 d. Bauakten). Der Klägerin war auch damals schon bewusst, dass die Baurechtsbehörde auf der Errichtung des Satteldachs bestehen würde. Denn die Baugenehmigung vom 11.08.2003 wies ausdrücklich darauf hin, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans einzuhalten sind, „soweit in diesem Bescheid nicht ausdrücklich eine Ausnahme oder Befreiung zugelassen wurde“. Ohne Rücksicht darauf wurde in der Folgezeit an dem Walmdach zügig weitergebaut (vgl. Fotos Bl. 218 d. Bauakten), was nach Entdeckung Ende November 2003 zum Erlass der für sofort vollziehbar erklären Baueinstellungsverfügung vom 01.12.2003 führte. Ein am gleichen Tag gestellter erneuter Befreiungsantrag bezüglich der Dachform wurde zurückgezogen. Stattdessen beantragte die Klägerin unter dem 07.12.2003 wiederum unterschriftlich den „Rückbau des Walmdaches zum Satteldach DN 28 o wie genehmigt“ und erhielt hierfür am 05.02.2004 die Nachtragsbaugenehmigung, die abermals auf die Pflicht zur strikten Einhaltung der planerischen Vorgaben hinwies. Ungeachtet dessen setzte die Klägerin (entgegen anderslautender Versprechungen ihres Architekten, vgl. AV vom 11.02.2004) aber weder diese Rückbaugenehmigung um noch kam sie der Verpflichtung zur Einstellung der Bauarbeiten nach. Stattdessen baute sie - über bloßen provisorischen Nässeschutz des Gebäudes weit hinausgehend - in der Zeit bis März 2004 zusätzlich Dachflächenfenster in das ungenehmigte Walmdach ein. Auf diesbezügliche Schreiben des Landratsamts Lörrach reagierte die Klägerin nicht, sondern setzte erneut die Dacharbeiten fort. Im Juni 2004 wurde schließlich festgestellt, dass am Walmdach Regenrinnen und Regenabläufe angebracht, neue Dachlattungen aufgenagelt und später auch die Dachziegel aufgebracht waren (Aktenvermerke v. 11.06. u.v. 23.06.2004, Bl. 489, 497 R d. Bauakten), was dann zur hier streitgegenständlichen Verfügung vom 22.07.2004 führte.
46 
2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, dass die Klägerin sich - zurechenbar - fortgesetzt und anhaltend baurechtswidrig verhalten hat. Von ihrem Ursprungsziel, ihr Wohnhaus gemäß den Plänen des Musterfertighauses mit Walmdach auf jeden Fall, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht die Rechtslage zu errichten, ist sie niemals abgerückt. Hieraus haben die Behörden zutreffend ein gewichtiges öffentliches Interesse an baurechtlichem Einschreiten abgeleitet, um der Beachtung geltenden Baurechts Geltung zu verschaffen und derart beharrliche Verstöße im Interesse rechtstreuer Bauherrn wirksam zu unterbinden. Dahinter durften die bauästhetischen und finanziellen Interessen der Klägerin am Fortbestand der illegalen Walmbedachung zurückgestellt werden. Darauf, ob der Umbau im Verhältnis zum geforderten Satteldach einen gestalterischen „Gewinn“ bedeutet kommt es nicht an. Das Walmdachhaus im toskanischen Stil ist, wie die Fotos zeigen, für sich gesehen durchaus ansprechend und architektonisch gelungen. Die Klägerin kann aber nicht verlangen, dieses Fertighaus auch in einem Plangebiet zu errichten, in dem derartige Haustypen aus gestalterischen Gründen unerwünscht und ausgeschlossen sind. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der geforderte Rückbau wegen der hohen Kosten unverhältnismäßig sei. Da sie das Fertighaus ohne vorherige Baugenehmigung bestellt und errichtet hat, geht dies grundsätzlich zu ihren Lasten. Der zweifellos erhebliche finanzielle Aufwand für den geforderten - technisch allerdings unstreitig möglichen - Rückbau ist ihr daher zuzumuten, der Rahmen ihrer „Opfergrenze“ wird dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nicht überschritten.
47 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch ein Verstoß der Umbauverfügung gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht zu erkennen. Unstreitig ist im Baugebiet bisher kein einziges Walmdach zugelassen worden, andere Bauanträge für Fertighäuser mit Walmbedachung Walmdächer wurden abgelehnt (vgl. Schriftverkehr der Gemeinde ... mit den Architekten, Band 4 der Bebauungsplanakten). Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene genehmigte Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... widerlegt die strikte Ablehnungspraxis für Walmdächer nicht, da es mit einem abknickenden Satteldach mit seitlichen Giebeln versehen ist. Es entspricht insofern dem Dach in der der Klägerin in der Baugenehmigung vom 05.02.2004 genehmigten Gestalt. Darauf, ob das - einzige - Walmdachgebäude der Klägerin im Plangebiet besonders prägend in Erscheinung tritt, kam es für die Ermessensbetätigung nicht entscheidend an.
B.
48 
Der auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Widerspruchsbescheid kann gesondert nur dann angegriffen werden, wenn er eine erstmalige (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder eine im Verhältnis zum Ausgangsbescheid zusätzliche selbstständige Beschwer erhält. Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg bestätigt lediglich den Ausgangsbescheid des Landratsamts Lörrach, „verbösert“ ihn inhaltlich aber nicht. Eine zusätzliche Beschwer lediglich wegen - wie die Klägerin meint - „verbösernder“ Ermessenserwägungen, sieht das Gesetz nicht vor. Etwaige Rechtsfehler bei der Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid, die im Ausgangsbescheid noch nicht enthalten waren, wären der Ausgangsbehörde zuzurechnen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1989 - 6 S 2694/88 - VBlBW 1990, 297-298 m.w.N.; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 79 Rn. 11).
49 
Im Übrigen waren die dem Regierungspräsidium von der Klägerin vorgehaltenen Wertungen, sie habe sich „in voller Absicht zielstrebig“ über die baurechtlichen Vorschriften hinweggesetzt und habe die Konsequenzen „geradezu provoziert“, für dessen Entscheidung aber ersichtlich auch nicht tragend.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
51 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
52 
Beschluss vom 11. März 2009
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 140.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2012 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gesamtschuldnerisch mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verfahren erster Instanz.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte oder die Beigeladene vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens sind eine Rückbauanordnung des Landratsamts B. Land vom 23. Januar 2012 für eine aufgeständerte Sonnenkollektoranlage auf dem Grundstück Fl.Nr. .../... der Gemarkung B. gegenüber der Klägerin und eine Duldungsanordnung gegenüber dem Kläger sowie entsprechende Zwangsgeldandrohungen.

Mit Bescheid vom 16. November 2011 lehnte die Beigeladene den Antrag der Kläger auf Abweichung von Nr. 10.1 der örtlichen Gestaltungssatzung (im Folgenden: Satzung) bezüglich der Errichtung einer aufgeständerten Kollektoranlage ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Nr. 10.1 der Satzung vom 23. März 2009 lautet:

„Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen sind parallel zur Dachfläche anzubringen, wobei ein paralleler maximaler Abstand von 15 cm der Sonnenkollektoren- bzw. Photovoltaikanlagenoberfläche zur Dachoberfläche einzuhalten ist. Ein Aufständern der Kollektoren ist unzulässig. (…)“.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2012 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin, bis drei Monate ab Bestandskraft des Bescheids die aufgeständerte Sonnenkollektoranlage parallel zur Dachhaut mit einem maximalen Abstand von 15 cm zur Dachhaut zurückzubauen (Nr. 1 des Bescheids) und drohte für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an (Nr. 2). Der Kläger wurde verpflichtet, den Rückbau der Anlage zu dulden; für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro angedroht. Die auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO gestützte Anordnung gelte auch für nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayBO verfahrensfreie Vorhaben, da auch insoweit das materielle Recht anzuwenden sei. Der Antrag auf Abweichung sei wegen Verstoßes gegen Nr. 10.1 der Satzung von der Beigeladenen bestandskräftig abgelehnt worden; das Landratsamt habe das ihm eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Anpassung der Anlage an das satzungskonforme Maß anzuordnen sei, weil in vergleichbaren Fällen im Gemeindegebiet aufgeständerte Solaranlagen stets zurückgebaut worden seien.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Mai 2012 statt. Ein Verstoß gegen Nr. 10.1 der Satzung liege nicht vor, da diese nicht von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO gedeckt und im Übrigen auch nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 vereinbar sei. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ermächtige nur zum Erlass örtlicher Bauvorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen, wodurch nur objektbezogene, nicht aber im Schwerpunkt umgebungsbezogene Gestaltungsvorschriften zugelassen seien. Demgegenüber verfolge die Beigeladene, wie bereits aus der Präambel ersichtlich sei, mit der Satzung das übergreifende Ziel, „dass das gesamte Erscheinungsbild der Gemeinde (…) durch qualitätsvolle Planung und Gestaltung erhalten und verbessert“ werden solle (Satz 1 der Präambel der Satzung) und alle „baulichen und gärtnerischen Anlagen (…) so zu gestalten (sind), dass sie sich harmonisch ins Orts- und Landschaftsbild einfügen“ (Satz 2 der Präambel). Bereits mit dem Ziel der Gestaltung nicht nur der einzelnen baulichen Anlage, sondern des gesamten Ortsbildes der Gemeinde habe die Beigeladene die ihr zustehende objektbezogene Betrachtungsweise überschritten und eine in den Kompetenzbereich des Bauplanungsrechts fallende Regelung getroffen. Zudem verstoße Nr. 10.1 der Satzung gegen Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sei ein Verbot der Errichtung von Werbeanlagen durch den Satzungsgeber auf der Grundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO nur dort gerechtfertigt und somit verhältnismäßig, wo die vom Gesetzgeber genannten ortsgestalterischen Gründe ein entsprechendes Verbot erforderten. Die Möglichkeit, eine Werbeanlagensatzung für das gesamte Gemeindegebiet zu erlassen, sei nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, weil ein Gemeindegebiet in seiner Gesamtheit in der Regel aus verschiedenen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei. Der Satzungsgeber habe deshalb im Zweifel nach Baugebieten, Bauquartieren und unter Umständen noch weitergehend, etwa nach Straßenzügen, abzustufen. Diese Beschränkungen gälten gleichermaßen für ortsgestalterische Regelungen auf der Grundlage von Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. Die Beigeladene habe zwar die Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen einzelnen Bereichen grundsätzlich erkannt und deshalb den Geltungsbereich der Satzung für die Sondergebiete Haus Hohenfried und Klinik Hohenstaufen (vgl. Nr. 3.2 und 3.3 der Satzung) eingeschränkt. Außerdem habe eine Ortsbildanalyse mit dem Kreisbaumeister stattgefunden mit dem Ergebnis, dass das Gemeindegebiet ein zusammenhängendes Straßen- und Landschaftsbild vorweise. Gleichwohl genüge Nr. 10.1 der Satzung nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. So komme etwa der Bebauung am Ortseingang bzw. Ortsausgang nicht dieselbe Schutzwürdigkeit zu wie den zentralen Bereichen an Rathaus und Kirche. Weiter dürfte eine Differenzierung zwischen der Bebauung in erster Reihe an der B. Straße als Durchgangsstraße und den Häusern in dahinterliegenden Reihen angebracht sein. Eine differenzierte Regelung sei weiter erforderlich hinsichtlich der unterschiedlichen Dachformen (z. B. hinsichtlich vor Inkrafttreten der Satzung ausgeführter Flachdächer) oder bei einzelnen Zweckbauten wie Kindergarten oder Schule etc.. Gerade im Hinblick auf den besonderen Schutz des Eigentumsgrundrechts bedürfe es für einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügenden Eingriff in dieses Grundrecht einer nachvollziehbaren Dokumentation der Ortsbildanalyse mit Begründung der getroffenen Differenzierung. Eine solche gebe es aber nach Angabe der Beigeladenen nicht. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber grundsätzlich vom Vorliegen mehrerer Ortsbilder (verbunden mit der Notwendigkeit entsprechend differenzierter Behandlung in örtlichen Gestaltungsbestimmungen) ausgehe und die Existenz nur eines einzigen einheitlichen Ortsbildes als Ausnahme ansehe. Dafür spreche die Verwendung des Plurals im Wortlaut des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO („von Ortsbildern“).

Nr. 10.1 der Satzung berühre ferner den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz sei hier insoweit berührt, als das Gebiet der Beigeladenen aus verschiedenartigen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei, und der Satz2ungsgeber ortsgestalterische Regelungen daher nicht ohne Weiteres generalisierend auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen dürfe, sondern ggf. entsprechend abstufen müsse. Die Möglichkeit der Erteilung einer Abweichung in Nr. 16.1 der Satzung sei nicht geeignet, die verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung zu gewährleisten, weil auf sie kein Rechtsanspruch bestehe. Wegen der Nichtigkeit der Nr. 10.1 der Satzung sei die erlassene Rückbauanordnung rechtswidrig.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung führt die Beigeladene aus, die Satzung beruhe zu Recht auf Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. Diese Vorschrift eröffne den Gemeinden die Möglichkeit, im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Deshalb dürfe auch in der Präambel - die im Übrigen lediglich als Programmsatz und nicht als rechtsverbindliche Vorgabe verstanden werden könne - davon die Rede sein, dass das gesamte Erscheinungsbild der Gemeinde qualitätsvoll erhalten und verbessert werden solle. Die Erwähnung der Motive und sonstigen Vorstellungen des Satzungsgebers im Rahmen einer Präambel könne allenfalls dazu führen, dass bei auslegungsbedürftigen Bestimmungen auch auf derartige Formulierungen zurückgegriffen werden könne, um so Ziel und Zweck einzelner Regelungen näher zu bestimmen. Darüber hinausgehende Rechtsfolgen entfalte die Präambel nicht.

Die vermeintliche Unwirksamkeit könne auch nicht aus der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. Januar 2012 abgeleitet werden. Abgesehen davon, dass sich diese Entscheidung mit einer Satzung nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO befasse, während die hier in Rede stehende Satzung auf Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO fuße, und die Baugesetze auch sonst zwischen Gebäuden und Werbeanlagen deutlich unterschieden, sei für den hier zu entscheidenden Streitfall wesentlich, dass das Ortsbild der Beigeladenen im Wesentlichen - mit Ausnahme der in Ziffer 3 der Satzung ausdrücklich erwähnten Teilbereiche - homogen sei. Sowohl Ortseingang als auch Ortsausgang bestünden - wie häufig auch in anderen ländlichen Bereichen - aus geschichtlich gewachsenen Einzelwohnhäusern oder ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen (Wohnhaus mit Stadel). Richtig sei, dass im zentralen Ortsbereich, der sich als Mischgebiet darstelle, eine etwas dichtere Bebauung vorliege. In beiden Fällen handle es sich aber um Bauformen von Einzelhäusern mit E+1 bei durchgehend geneigten Dächern (Regelfall Satteldach). Zur vom Verwaltungsgericht herangezogenen Differenzierung zwischen der Bebauung in erster und zweiter Reihe entlang der Ortsdurchfahrt (B. Str. = B 20) sei festzustellen, dass sich entlang dieser Straße überwiegend historisch gewachsene Geschäftshäuser mit Wohnungen, Gaststätten und sonstigen gewerblichen Nutzungen, teilweise mit Höhenentwicklungen E+2, jedoch durchgehend mit Satteldächern, befänden. In der zweiten Reihe der B. Straße seien Wohnhäuser mit E+1, ebenfalls mit Satteldächern, anzutreffen. Ebenso hätten alle Zweckbauten der Beigeladenen Satteldächer (so bei Schule, Kindergarten, Rathaus, Bauhof, Klärwerksgebäude u. a.). Insgesamt zeigten deshalb auch die vom Verwaltungsgericht angeführten Beispiele für angeblich stark unterschiedliche Ortsbilder innerhalb der Gemeinde, dass gleichwohl die spezifischen Merkmale einer oberbayerischen Hauslandschaft durchgehend vorlägen und deshalb eine weitergehende Differenzierung im Gemeindegebiet - mit Ausnahme der in Ziffer 3 der Satzung selbst ausgenommenen Bereiche - nicht erforderlich sei.

Unzweifelhaft könnten in Ortsgestaltungssatzungen Vorgaben über die Dachform, die Dachneigung und auch die Dacheindeckung sowie Dachauf- und -ausbauten getroffen werden. Gerade das Aufständern von Solaranlagen stelle nach völlig einheitlicher Auffassung eine problematische und im Regelfall verunstaltende Form eines Dachaufbaus dar. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht nicht mit hinreichender Sorgfalt der Frage nachgegangen, ob nicht - falls man die Unwirksamkeit der Regelungen für das gesamte Gemeindegebiet in Betracht ziehe - wenigstens wegen der völlig einheitlichen Dachform im Gemeindegebiet eine generelle und nicht nur auf einzelne Bauquartiere oder Straßenzüge bezogene Regelung isoliert möglich sei. Dem Gebot, vor Verwerfung einer Ortsbausatzung als unwirksam in Gänze die Möglichkeit zu prüfen, ob nicht im Wege der Auslegung mindestens Teile der Satzung eingeschränkt für das gesamte Ortsgebiet gelten könnten, sei von vornherein nicht nachgegangen worden.

Die Beigeladene beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2012 die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten, halten jedoch die Berufung der Beigeladenen für unbegründet.

Der Beklagte stellt keinen Antrag.

Wegen der bei dem Augenschein getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift verwiesen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beigeladenen ist begründet mit der Folge, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Rückbauanordnung ist rechtmäßig.

I.

Art. 76 Satz 1 BayBO ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde, die (teilweise) Beseitigung von Anlagen anzuordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Vorschrift dürfte - jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden - auch auf sog. Rückbauanordnungen Anwendung finden. Gemeint sind dabei diejenigen Fälle, in denen der Bauherr eine baurechtswidrige Anlage errichtet und die Bauaufsichtsbehörde ihm nunmehr aufgibt, diese auf den genehmigten Zustand zurückzubauen. Entsprechendes gilt auch, wenn das Vorhaben zwar wie hier nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa BayBO genehmigungsfrei, aber materiell rechtswidrig ist und der Rückbau auf einen rechtmäßigen Zustand möglich ist. Im vorliegenden Fall erschöpft sich der angeordnete Rückbau tatsächlich in einer bloßen teilweisen Beseitigung, so dass sie von Art. 76 Satz 1 BayBO gedeckt ist (Decker in Simon/Busse, BayBO 2008, Stand Dezember 2013, Art. 76 Rn. 54). Letztlich ist der Umstand, dass das Verwaltungsgericht dem Landratsamt folgend Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO als maßgebliche Befugnisnorm angesehen hat, aber nicht entscheidungserheblich, da bei beiden Varianten die materielle Illegalität des Bauvorhabens Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Rückbauanordnung ist und bei beiden Befugnisnormen im vorliegenden Fall dieselben Ermessenskriterien zur Anwendung kommen.

II.

Die Satzung ist eine öffentlich-rechtliche Vorschrift i. S. d. Art. 76 Satz 1 BayBO. Dabei entbindet die Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa BayBO nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und lassen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt (Art. 55 Abs. 2 BayBO). Dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme auch von aufgeständerten Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren ohne Flächenbegrenzung in den Genehmigungsfreiheitstatbestand die Befugnis der Gemeinden nicht einschränken wollte, gleichwohl Ortsgestaltungssatzungen nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO zu erlassen, folgt bereits aus Art. 57 Abs. 2 Nr. 9 BayBO, der eine entsprechende Befugnis der Gemeinden denknotwendig voraussetzt.

III.

Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift gestattet den Gemeinden, im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften über die besonderen Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen.

Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ist verfassungsgemäß und damit wirksame Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Gestaltungssatzung. Zutreffend stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Vorschrift nicht im Widerspruch zur Kompetenzordnung des Grundgesetzes für die Gesetzgebung von Bund und Ländern (Art. 70 ff. GG) steht. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO wahrt - jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung - die Grenzen der föderalen Kompetenzordnung des Grundgesetzes und steht auch sonst mit höherrangigem Recht in Einklang. Zweck der Vorschrift ist die spezifische Ergänzung und Modifizierung des landesrechtlich normierten Verunstaltungsverbots (Art. 8 BayBO) durch örtliche Bauvorschriften. Zwingende Grenze der landesrechtlichen Zuweisung von Satzungsautonomie an die Gemeinden ist das „Bodenrecht“ als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 18 GG), von der der Bundesgesetzgeber durch die Vorschriften des Baugesetzbuchs über die Bauleitplanung materiell wie verfahrensmäßig abschließend und umfassend Gebrauch gemacht hat (vgl. grundlegend BVerfG, Gutachten v. 16.6.1954 -1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407). Das Ziel der Ortsbildgestaltung ist sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung zugänglich. Zur bodenrechtlichen Ortsbildgestaltung steht der Gemeinde der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene und durch die Vorschriften der Baunutzungsverordnung ergänzte Festsetzungskatalog zur Verfügung. Gestaltungsvorschriften, die über das städtebauliche Instrumentarium des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung hinausgehen, ohne im Rahmen eines Nutzungsregimes Nutzungsrechte an Grund und Boden zuzuweisen, stehen dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht und damit auf der Grundlage des Art. 81 BayBO grundsätzlich auch örtlichen Bauvorschriften offen. Die Ermächtigungsnorm des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO wahrt daher die Grenzen der föderalen Kompetenzordnung (vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318; zu Art. 98 Abs. 1 Nr. 1 BayBO 1994 BayVGH, U. v. 12.1.2012 - 2 B 11.2230 - BayVBl 2012, 699).

IV.

Die genannten Vorschriften der Gestaltungssatzung überschreiten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Grenzen des Regelungsspielraums, den Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO den Gemeinden beim Erlass örtlicher Vorschriften zuweist. Die Vorschrift gestattet den Gemeinden, im eigenen Wirkungskreis örtliche Vorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind danach nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben (BayVGH, B. v. 3.11.2009 - 2 ZB 09.564 - juris; BayVGH, U. v. 2.2.2012 -1 N 09.368 - juris; vgl. auch BVerwG, U. v. 11.10.2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318). Nach Auffassung des Senats sind gestalterische Anforderungen an Dächer im Bereich positiver Gestaltungspflege regelmäßig zulässig, da Dächer in besonderem Maß das Gesamtbild einer Gemeinde bestimmen und Ausdruck eines ortsüblichen und landschaftsgebundenen Baustils sind, wie er häufig in Oberbayern anzutreffen ist (vgl. auch Decker, a. a. O., Art. 81 Rn. 114 m. w. N.). Zur Erzielung von Einheitlichkeit, zur Vermeidung einer unregelmäßigen Dachlandschaft oder im Interesse einer positiven Gestaltungspflege können demnach Dachformen festgelegt sowie Dachauf- und -ausbauten untersagt werden (Decker, a. a. O.). Die Gemeinden haben im Rahmen des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO einen beträchtlichen gestalterischen Spielraum und dürfen im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen (BayVGH, U. v. 9.8.2007 - 25 B 05.1340 - juris).

Zwar wird das Recht eines Bauherrn, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen, durch das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützt und durch das Verbot der Aufständerung von Solaranlagen und die damit einhergehende Nutzungsbeschränkung des Grundeigentums durch die Gestaltungssatzung der Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG lässt demgemäß im Bereich des Bauordnungsrechts, auch bei örtlichen Bauvorschriften aufgrund gemeindlicher Satzungen wie hier nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, nur Nutzungsbeschränkungen zu, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Diesbezüglich hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (E. v. 23.1.2012 - Vf. 18-VII-09 - BayVBl 2012, 397) zwar festgestellt, dass beim Erlass einer Satzung gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO über das Verbot der Errichtung von Werbeanlagen berücksichtigt werden muss, dass das Gebiet einer Gemeinde in der Regel aus verschiedenen Bereichen bestehe, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig sei; Verbote seien deshalb nur gerechtfertigt, soweit ortsgestalterische Gründe sie erforderten. Der Verfassungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung die teilweise Verfassungswidrigkeit einer Werbeanlagensatzung aber vor allem deshalb festgestellt, weil der Normgeber - im entschiedenen Fall die Stadt Nürnberg - bei einzelnen Verboten nicht nach den Gegebenheiten der verschiedenen Stadtbereiche differenziert hat, was bei einer Großstadt wie Nürnberg ohne weiteres nachvollziehbar ist. Die Entscheidung schließt jedoch nicht aus, dass aus ortsgestalterischen Gründen in (kleineren) Gemeinden Verbote für das gesamte Gemeindegebiet erlassen werden können‚ um auf diese Weise auf das örtliche Gesamterscheinungsbild Einfluss zu nehmen (vgl. BVerwG‚ B. v. 10.7.1997 - 4 NB 15/97 - ZfBR 1997‚ 327).

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen unter Berücksichtigung der traditionellen Dachformen im Gemeindegebiet der Beigeladenen und des Charakters als Fremdenverkehrsgemeinde keine Bedenken gegen das generelle Verbot der Aufständerung von Solarkollektoren im Gemeindegebiet und damit auch auf dem Dach des Hauses der Kläger.

Der Senat hat sich davon überzeugen können, dass im Gemeindegebiet die Dachlandschaft vorwiegend von Satteldächern geprägt ist. Die beim Augenschein vorgefundenen Pult- oder Flachdächer führen nicht zu einer gegenteiligen Beurteilung. Der Anbau an das Anwesen B.straße ... verfügt zwar über ein Pult- oder Flachdach, der Bauamtsleiter der Beigeladenen hat aber darauf hingewiesen, dass das Gebäude 1963/1964 vor Inkrafttreten der Gestaltungssatzung im Jahr 1975 genehmigt worden ist. Im Hinblick auf den im Jahr 2013 errichteten Kindergarten der Beigeladenen, der über zwei gegeneinander gestellte Pultdächer verfügt, hat der Bauamtsleiter nachvollziehbar erläutert, dass in diesem Fall eine Ausnahme von der Satzung erteilt worden sei, da bei Errichtung eines Satteldaches unmittelbar neben der Dorfkirche eine wesentliche Beeinträchtigung des Blickfeldes zur Kirche eingetreten wäre und außerdem eine ausreichende Belichtung des Kindergartens sichergestellt werden sollte. Auch die entlang der Bundesstraße errichteten Gebäude, die teils aus Wohnbebauung und teils aus gewerblicher Bebauung bestehen, verfügen nach dem Ergebnis des Augenscheins im Regelfall über ein Satteldach. Soweit sich der Kläger darauf beruft, auf dem Grundstück B. Str. ... solle das leerstehende ehemalige Kurmittelhaus abgerissen und im Rahmen eines Bebauungsplans durch ein Wohn- und Geschäftshaus ersetzt werden, hat der Vertreter der Beigeladenen unter Vorlage des Bebauungsplanentwurfs erklärt, dass das Hauptgebäude ein Satteldach erhalte und nur aus Schallschutzgründen auf der Seite zur Bundesstraße ein Scheddach vorgesehen sei.

Stellt sich das Ortsbild nach dem Ergebnis des Augenscheins im Hinblick auf die Dachformen (Satteldächer) als nahezu durchgehend einheitlich dar, so war es der Beigeladenen auch nicht verwehrt, zur Wahrung der Einheitlichkeit der Dachlandschaft für das Gemeindegebiet eine Aufständerung von Solaranlagen zu verbieten (vgl. BayVGH‚ B. v. 3.11.2009 - 2 ZB 09.564 - juris Rn. 10). Daran ändert auch nichts, dass sich auf dem Dach des Anwesens B.str. ... auf der Westseite ebenso wie auf dem Dach des Anwesens S.-straße ... (leicht) aufgeständerte Solaranlagen befinden. Insoweit haben die Vertreter des Landratsamts darauf hingewiesen, dass ihnen diese Anlagen bislang nicht bekannt waren und ein bauaufsichtliches Einschreiten geprüft werde. Gegen die aufgeständerte Solaranlage am Anwesen Bichstr. 8 wurde ohnehin eine Rückbauanordnung erlassen (s. hierzu das Verfahren 1 B 14.170). Soweit auf dem Grundstück W.-weg ... im Garten auf einer Holzlege eine aufgeständerte Solaranlage angetroffen wurde, haben die Behördenvertreter erklärt, diese bislang wegen der eingeschränkten Einsehbarkeit in den Garten des Grundstücks nicht gekannt zu haben.

Da das Landratsamt die beiden ihm bislang bekannten Fälle aufgegriffen hat, ist die Ermessensbetätigung auch unter Beachtung des Art. 3 GG nicht zu beanstanden. Dass in anderen Gemeinden eine abweichende Haltung hinsichtlich der Gestaltung von Solaranlagen eingenommen wird, ist wegen der Gebietshoheit der Beigeladenen (Art. 6 GO) rechtlich unerheblich.

V.

Schließlich geht auch der Vortrag der Kläger ins Leere, die Satzung sei insgesamt funktionslos geworden, weil in erheblichem Maß gegen verschiedenste Bestimmungen der Satzung verstoßen werde. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte die von den Klägern gerügte Vorschrift für sich gesehen weiterhin Bestand‚ weil sie nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den möglicherweise funktionslosen Satzungsbestimmungen steht (vgl. BayVGH a. a. O. Rn. 12 ff.).

VI.

Nach alledem erweisen sich auch die Duldungsanordnung und die Zwangsgeldandrohungen als rechtmäßig.

Die Kläger tragen gemäß § 154 Abs. 1‚ § 159 S. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich in beiden Rechtszügen, da ihre Klage erfolglos geblieben ist. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten im Verfahren erster Instanz selbst, da sie dort - im Gegensatz zum Berufungsverfahren - keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung einer Abweichung von der Satzung der Beklagten „Örtliche Bauvorschrift zur Ortsgestalt“ vom 26. Juli 2012 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 27. November 2014 (OGS) hinsichtlich der Farbe der Dacheindeckung. Nach B.6.2 Satz 1 OGS sind bei geneigten Dächern „Eindeckungen mit dem Erscheinungsbild von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen zu verwenden“.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …- …, …straße * * (Baugrundstück) im Gemeindegebiet der Beklagten. Mit Bescheid vom … Oktober 2013 wurde ihnen die Genehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Baugrundstück erteilt. In den der Genehmigung zugrunde liegenden Plänen wird die Dacheindeckung „naturrot/rotbraun“ bezeichnet. Nachdem eine Baukontrolle ergab, dass die Kläger für die Dacheindeckung braune Dachziegel verwendet haben sollen, forderte das Landratsamt München die Kläger auf, die Dacheindeckung zu ändern.

Mit Antrag vom 10. Juni 2014 begehrten die Kläger bei der Beklagten für das Gebäude auf dem Baugrundstück die Erteilung einer isolierten Abweichung von B.6.2 OGS zur Zulassung der Dacheindeckung mit dunkelbraunen Dachziegeln. Zur Begründung des Antrags führten sie aus, dass das Dach weitgehend der OGS entspreche, da es sich um ein Satteldach mit ausreichendem Dachüberstand handle. Der verwendete Farbton (RAL 8014) komme der Farbe „rotbraun“ sehr nahe, da er in der RAL-Farbkarte direkt neben dem Farbton „rotbraun“ (RAL 8012) stehe. Im Übrigen spiegle der gesamte Neubau die gestalterische Intention der örtlichen Bauvorschrift wider. Das Dach steche nicht aus dem Ortsbild hervor.

Mit Bescheid vom … Oktober 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer isolierten Abweichung hinsichtlich der Dacheindeckung ab. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die braune bzw. dunkelbraune Dacheindeckung der Kläger dem Grundkonzept der örtlichen Bauvorschrift zuwider laufe. Das Ortsbild des Ortsteils …, in dem sich das Bauvorhaben befinde, werde durch überwiegende Satteldachbebauungen mit naturroten bis rotbraunen Dacheindeckungen geprägt. Lediglich vereinzelt seien ältere Bestandsgebäude mit abweichenden Dacheindeckungen vorhanden, die zwischen 1962 und 1994 erbaut worden seien. Die örtliche Bauvorschrift lege seit 1996 für … ausschließlich rote Dacheindeckungen fest. Eine nachträgliche Legalisierung scheide aus, da ansonsten mit einem Trend zu einer nicht gewollten Dacheindeckung zu rechnen wäre. Die rot bis rotbraune Dacheindeckung sei die überwiegende, ortsbildprägende und einheitliche Dachlandschaft, die in … erhalten bleiben solle.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2015 hat der Bevollmächtigte der Kläger Klage gegen die Beklagte erhoben.

Er beantragt,

Unter Aufhebung des Bescheids vom … Oktober 2015 wird die Beklagte verpflichtet, den Antrag der Kläger auf Zulassung einer isolierten Abweichung von der gemeindlichen Ortsgestaltungssatzung für die Dacheindeckung des Einfamilienhauses und des Carports mit braunen bzw. dunkelbraunen Tondachziegeln anstelle von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.

Zur Begründung wurde vorgetragen, die Dacheindeckung sei mit dem Grundkonzept der örtlichen Bauvorschrift vereinbar. Das Grundkonzept der örtlichen Bauvorschrift erschöpfe sich nicht in der Farbe der Dacheindeckung, sondern versuche, den lokalen Baustil des Ortsteils … zu bewahren. Die Architektur des Hauses und des Carports der Kläger entspreche diesem lokalen Baustil. Im Übrigen bestünden ernsthafte rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der Ortsgestaltungssatzung. Diese könne keine Anforderungen stellen, die dem tatsächlich vorhandenen baulichen Bestand zuwider laufe. Dies sei hier bei der Dachfarbe der Fall. Aus einem Luftbild ergebe sich, dass das aktuelle Ortsbild zahlreiche dunklere Dächer aufweise. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob die Festlegung der Dachfarbe für den Ortsteil … in Teil B der Ortsgestaltungssatzung eine Ungleichbehandlung gegenüber den benachbarten Ortsteilen darstelle, bei denen die Ortsgestaltungssatzung in Teil A sogar anthrazitfarbene Dacheindeckungen zulasse.

Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2015 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Ortsgestaltungssatzung sei wirksam. Insbesondere liege dieser ein ausreichendes planerisches Konzept zugrunde. Die Regelung sei hinreichend bestimmt und diene auch der positiven Gestaltung des Ortsbildes. Das Ortsbild von … sei geprägt durch Satteldachbebauungen mit naturroten bis rotbraunen Dacheindeckungen. Die örtlichen Bauvorschriften der Beklagten würden schon seit 1996 rote Dacheindeckungen vorsehen. Die Dacheindeckung der Kläger habe den Farbton „sepiabraun“ (RAL 8014). Es handle sich dabei um einen braun bis grauschwarzen Farbton. Rotanteile seien nur marginal und für den objektiven Betrachter nicht wahrnehmbar.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Hierzu sowie zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Abweichung von der Ortsgestaltungssatzung der Beklagten. Der Bescheid der Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Streitgegenstand ist aufgrund der ausdrücklichen Antragstellung des Bevollmächtigten der Kläger lediglich der behauptete Anspruch auf erneute Verbescheidung des Antrags der Kläger vom 10. Juni 2014. Ein solcher Anspruch auf erneute Verbescheidung besteht nicht. Die hier in Streit stehende Bestimmung B.6.2 OGS ist wirksam (1.). Die von den Klägern gewählte Dacheindeckung bedarf einer Abweichung von der OGS (2.). Die Voraussetzungen für eine Erteilung einer Abweichung sind nicht gegeben, da keine atypischen Verhältnisse vorliegen (3.).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung über die begehrte isolierte Abweichung, da B.6.2 OGS eine wirksame Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geforderte Dachgestaltung darstellt.

Gemäß B.6.2 OGS sind bei geneigten Dächern Eindeckungen mit dem Erscheinungsbild von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen zu verwenden. Dies gilt nicht für untergeordnete Bauteile gemäß Art. 6 Abs. 8 BayBO. Unzulässig sind hochglänzend beschichtete Eindeckungen.

Die Beklagte konnte eine derartige Regelung auch bei Berücksichtigung des im Ortsteil … vorhandenen Baubestands treffen, ohne den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage in Art. 81 BayBO zu überschreiten. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO gestattet den Gemeinden im eigenen Wirkungskreis örtliche Vorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind deshalb nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben (BayVGH, U.v. 11.9.2014 - 1 B 14.170 - juris Rn. 20). Sie haben einen beträchtlichen gestalterischen Spielraum und dürfen im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen (BayVGH a.a.O.). Auch wenn im Ortsteil …, wie die Kläger durch die Vorlage eines Luftbildes dargelegt haben, bereits eine größere Zahl von Gebäuden mit dunkler Dacheindeckung vorhanden ist, hindert das die Beklagte somit nicht daran, im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums auch auf eine positive Gestaltung durch eine sukzessive Herstellung der Einheitlichkeit der Dachlandschaft hinzuwirken (BayVGH, B.v. 10.11.2014 - 2 ZB 13.2429 - juris Rn. 3). Dies gilt hier umso mehr, als die Dachlandschaft nach dem vorgelegten Luftbild eindeutig durch ziegelrote Dächer geprägt wird und eine Entwicklung zu einer einheitlichen Dachlandschaft angesichts des geringen Anteils dunkler Dacheindeckungen ohne weiteres möglich ist.

Die OGS der Beklagten ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Vortrag des Bevollmächtigten der Kläger, es handle sich um einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte unterschiedliche Ortsteile mit verschiedenen Gestaltungsanforderungen belege, ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist es aufgrund der unterschiedlichen Gestalt bestimmter Ortsteile regelmäßig sinnvoll und unter Umständen geboten, die Gestaltungsanforderungen zu differenzieren (BayVerfGH, U.v. 23.1.20112 - Vf.18-VII-09-BayVBl. 2012, 397). Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung von Ortsteilen ist wegen der abweichenden Bausubstanz gegeben.

Die Bestimmung B.6.2 OGS ist auch nicht aufgrund der für die Farbgebung gewählten Formulierung unbestimmt und damit unwirksam. Durch die Regelung „ziegelrot bis rotbraun“ hat die Beklagte ein Spektrum an Farbtönen vorgeben wollen, in denen der Rotanteil mitprägend in Erscheinung tritt. In dieser Form trägt die Formulierung dem Bestimmtheitsgrundsatz ausreichend Rechnung. Der Wille des Normgebers ist bei Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ohne weiteres zu erschließen (BayVGH, U.v. 12.5.2005 - 26 B 03.2454 - juris Rn. 29).

2. Nach dem Ergebnis des Augenscheins widerspricht die von den Klägern gewählte Farbe B.6.2 OGS. Zur unveränderten Beibehaltung des Farbtons der Dacheindeckung der Kläger ist eine Abweichung von der OGS gemäß Art. 63 BayBO i.V.m. B.15.1 OGS erforderlich. Wie die Kläger selbst vortragen, hat die Dacheindeckung den Farbton RAL 8014, der in der RAL-Farbkarte als sepiabraun bezeichnet wird. Ein Rotton ist bei dieser Farbe nicht erkennbar. Er widerspricht daher eindeutig der vorstehend ermittelten Intention von B.6.2 OGS, die auf ein rötliches Erscheinungsbild der Dacheindeckung abzielt.

3. Die Ablehnung einer Abweichung von B.6.2 OGS durch den Bescheid der Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig, eine erneute Verbescheidung kommt nicht in Betracht.

Nach Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BayBO kann die Gemeinde Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Eine Abweichung verlangt einen von der Regel abweichenden Sonderfall und eine atypische Situation (VG München, U.v. 8.8.2012 - M 9 K 10.5497 - juris Rn. 32). Eine solche Atypik setzt einen Unterschied des zu entscheidenden Falles vom normativen Regelfall voraus (BayVGH, B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris). Demgegenüber kann sich die Atypik nicht aus vergleichbaren Fällen in der Umgebung ergeben (BayVGH a.a.O.).

Eine atypische Fallgestaltung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich um den normativen Regelfall. Die Dacheindeckung des klägerischen Anwesens weicht mit ihrem dunklen Erscheinungsbild deutlich von dem nach der Satzung gewollten Erscheinungsbild ab. In einer durch Rottöne geprägten Dachlandschaft wird das Dach als Fremdkörper wahrgenommen. Selbst in dem Luftbild, das die Kläger vorgelegt haben, ist die Dachfläche des klägerischen Hauses aufgrund seiner abweichenden Dacheindeckung deutlich zu erkennen, obwohl der gesamte Ortsteil abgebildet ist.

Allein der Umstand, dass die Kläger sich bei der Gestaltung ihres Hauses im Übrigen an die Vorgaben der OGS gehalten haben, führt nicht dazu, dass hinsichtlich der Dachgestaltung eine Abweichung wegen atypischer Verhältnisse erteilt werden könnte. Die Einhaltung von baurechtlichen Normen lässt sich nicht durch die Erfüllung bzw. Übererfüllung anderer Vorgaben kompensieren. Dies gilt umso mehr, als die Dachgestalt für das Ortsbild von besonderer Bedeutung ist. Die Dachfarbe ist hier sogar wegen der geringen Höhe des Hauses der Kläger im Umfeld besonders deutlich wahrzunehmen. Aufgrund der großen Fläche der Dächer wirkt die Farbgebung dort besonders stark auf das Ortsbild.

Würde die Beklagte im Fall der Kläger von der Anforderung einer rötlich geprägten Dacheindeckung abweichen, so wäre sie gezwungen, dies in jedem beliebigen anderen Fall ebenso zu tun. Die Einhaltung der Bestimmung könnte nicht mehr durchgesetzt werden. Sie hat die Erteilung einer Abweichung zu Recht wegen des Fehlens besonderer, atypischer Umstände abgelehnt.

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Kläger haben gemäß § 154 Abs. 1, § 159 VwGO die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Beigeladene trägt gemäß § 162 Abs. 3 VwGO seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er sich nicht durch die Stellung eines Antrags in ein Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO begeben hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. September 2013 hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die Kläger keinen Anspruch auf Genehmigung des Tekturantrags vom 25. August 2011 haben, weil dieser überwiegend der wirksamen Vorschrift Nr. 7.4.2 der Ortsgestaltungssatzung (OGS) der Beigeladenen vom 11. Dezember 1995 widerspricht. Die Bedenken der Kläger die Rechtsgültigkeit der Vorschrift greifen nicht durch.

a) Die Kläger rügen, dass die Ortsgestaltungssatzung wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam sei. Art. 98 Abs. 1 Nr. 1 BayBO 1994 gestattet den Gemeinden, im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften über die besonderen Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind hiernach nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt; ihnen ist vielmehr über die allgemeinen Anforderungen an die Baugestaltung hinaus die Möglichkeit einer sog. Gestaltungspflege eröffnet (vgl. BayVGH, B. v. 3.11.2009 - 2 ZB 09.564 - juris).

Gemäß Nr. 7.4.2 OGS sind Dachaufbauten unzulässig. Standgauben, Dreiecksgauben sowie Quer- und Standgiebel können, sofern sie sich harmonisch in Höhe, Breite und Anzahl in die Dachfläche integrieren, ausnahmsweise zugelassen werden. Die Ausnahmen können mit Auflagen zur Gestaltung verbunden werden. Ein störendes Nebeneinander ist unzulässig. Nach Auffassung der Kläger ist der Ortsgestaltungssatzung nicht zu entnehmen, auf welche Art und Weise und unter welchen Maßgaben festgestellt werden soll, dass eine harmonische Integration der Dachaufbauten möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG U. v. 16.6.1994 - 4 C 2/94 - BVerwGE 96, 110) liegt ein Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Erfordernis angemessener Bestimmtheit einer Norm bei Verwendung sog. unbestimmter Rechtsbegriffe nur dann vor, wenn es wegen der Unbestimmtheit nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und die Gerichte ausschließen. Aus dem Inhalt der Rechtsvorschrift muss sich mit ausreichender Bestimmtheit ermitteln lassen, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift lässt noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit entfallen (vgl. BVerfG, B. v.10.10.1995 - 1 Bv 1476/91 - BVerfGE 93, 312). Das Ausmaß der geforderten Bestimmtheit lässt sich dabei nicht allgemein festlegen. In erster Linie ist die Eigenart des zu regelnden Sachgebiets maßgebend. Der Normgeber ist zwar gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B. v. 24.11.1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104). Er verfügt aber, wenn er vor der Frage steht, ob er in einer Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder sie ins einzelne gehend fasst, über einen Gestaltungsspielraum, wobei nicht zuletzt auch Erwägungen der praktischen Handhabung seine Entscheidung beeinflussen dürfen.

Gemessen an diesen Grundsätzen, verletzt die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „harmonisch … integrieren“ nicht den Bestimmtheitsgrundsatz. Abzustellen ist hinsichtlich der harmonischen Integration auf das Empfinden des für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters. Harmonisch ist ein Zustand, der vom ästhetischen Empfinden des Betrachters als ausgewogen wahrgenommen wird. Zwar ist den Klägern zuzugestehen, dass sich der Begriff der harmonischen Architektur im Allgemeinen nicht dadurch definieren lässt, dass man auf Aspekte der „Unterordnung“ und der „Einheitlichkeit“ abstellt. In Bezug auf die hier geregelten Dachaufbauten erachtet der Senat jedoch insbesondere vor der Zielsetzung der Ortsgestaltungssatzung, dass sich ein Ortsbild von durchgehend voralpenländischer Prägung ergibt und sich die Gebäude in Stellung, Proportion und Gestaltung in die sie umgebende landschaftliche und städtebauliche Situation einfügen sollen, die genannten Kriterien für sachgerecht. Die in örtlichen Bauvorschriften regelbaren Materien bringen es vielfach mit sich, dass - wie im vorliegenden Fall - unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden müssen. Der unbestimmte Rechtsbegriff ist jedoch hinreichend bestimmbar. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist hinsichtlich der geforderten Integration bereits dadurch begrenzt, dass sie lediglich Standgauben, Dreiecksgauben sowie Quer- und Standgiebel betrifft. Andere Formen von Dachaufbauten werden von der Regelung der Nr. 7.4.2 Satz 2 OGS ohnehin nicht erfasst. Weiter gibt die Vorschrift Kriterien an, nach denen sich der Eindruck der Harmonie bestimmt. So sollen sich die genannten Dachaufbauten in Höhe, Breite und Anzahl in die Dachfläche integrieren. Die Beigeladene hat angesichts der Vielzahl möglicher Dachgestaltungen durch diese Beurteilungskriterien sowie das Erfordernis der „Integration“ in die Dachfläche deutlich gemacht, dass nur solche Dachaufbauten zulässig sind, die sich gegenüber der Gesamtdachfläche unterordnen und die Dachfläche weiter als Einheit erscheinen lassen. Dass hinsichtlich der Rechtsanwendung im einzelnen Fall ein Rest von Unsicherheit verbleibt, folgt aus der Funktion von Rechtsbegriffen der vorliegenden Art als Einschätzungsermächtigung (vgl. BVerfG, B. v. 26.6.1985 - 1 BvR 588/84 - BayVBl 1986, 143).

b) Die Kläger machen geltend, dass die Vorschrift unverhältnismäßig sei, weil unter Nr. 7.4.2 Satz 1 OGS zunächst das absolute Verbot von Dachaufbauten festgelegt werde. Aus der Regelung des Satzes 2 lasse sich kein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufnahme folgern.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die gesamte Vorschrift der Nr. 7.4.2 OGS nur dann mit Art. 14 Abs. 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist, wenn Nr. 7.4.2 Satz 2 OGS nicht als Ermessensvorschrift verstanden wird, sind nicht zu beanstanden. Vielmehr ist auch sonst anerkannt, dass das Wort „können“ als „müssen“ ausgelegt werden muss, wenn dies aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 8.12.1965 - V C 21.64 - BVerwGE 23, 25; BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - BVerwGE 44, 339). So liegt der Fall hier, wie das Erstgericht zutreffend begründet hat.

c) Die Kläger halten den Rückgriff auf das Abstandsflächenrecht zur Beurteilung der Frage, ob eine Unterordnung von Dachaufbauten festgestellt werden kann für fehlerhaft. Den Klägern ist zuzugestehen, dass der Schutzzweck des Abstandsflächenrechts von demjenigen der Ortsgestaltungssatzung zu unterscheiden ist. Indes hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Beurteilung der Unterordnung nicht lediglich auf Art. 6 Abs. 8 Nr. 3a BayBO zurückgegriffen. Vielmehr hat es am 24. April 2013 einen gerichtlichen Augenschein durchgeführt. Auf dieser Grundlage hat das Erstgericht für die im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage einer harmonischen Integration in die Dachfläche ausgeführt, dass eine Integration in die Dachfläche nicht mehr zu erkennen sei. Vielmehr wirkten die Dachaufbauten an der Ost, West- und Südseite mehr wie eine Verlängerung der Gebäudeaußenwand. Bei dem streitgegenständlichen Dach handle es sich nicht um ein Satteldach, sondern um ein Walmdach. Dies führe dazu, dass die Dachgauben an der Stelle des Dachs, an der sie angebracht sind, weit mehr als ein Drittel der sichtbaren Dachfläche beanspruchen, da die seitlichen Dachränder schräg zum Giebel hin zulaufen. Sie wirkten optisch daher besonders massiv und ließen die Dachfläche jeweils erheblich zurücktreten. Der Augenschein hat ausweislich der Urteilsbegründung zudem ergeben, dass die Dachaufbauten eine größere, zusammenhängende Dachfläche, die ein ruhiges Erscheinungsbild nach außen hat, nicht mehr erkennen lassen. Sie fügen sich nicht mehr in die Fläche ein und bleiben damit nicht untergeordnet, sondern dominieren das gesamte Dach. Sie drängen wegen ihrer Breite und Anzahl die Dachfläche in den Hintergrund. Diese Einschätzung ist für den Senat anhand der in den Akten befindlichen Fotos nachvollziehbar.

2. Das Urteil weicht auch nicht in entscheidungserheblicher Weise von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Die Kläger machen geltend, dass das angegriffene Urteil in seiner Begründung im Hinblick auf die Unzulässigkeit der beantragten Dachgauben ausführe, diese stellten kein untergeordnetes Bauteil im Sinn des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3a BayBO dar, weil sie die genannten Maximalgrößen überschritten. Damit weiche das Verwaltungsgericht von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. September 2006 (Az. 2 CS 06.2130) ab. Wie oben bereits dargelegt, ist die Begründung des Erstgerichts in Bezug auf Art. 6 Abs. 8 Nr. 3a BayBO nicht allein tragend gewesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung einer Abweichung von der Satzung der Beklagten „Örtliche Bauvorschrift zur Ortsgestalt“ vom 26. Juli 2012 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 27. November 2014 (OGS) hinsichtlich der Farbe der Dacheindeckung. Nach B.6.2 Satz 1 OGS sind bei geneigten Dächern „Eindeckungen mit dem Erscheinungsbild von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen zu verwenden“.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …- …, …straße * * (Baugrundstück) im Gemeindegebiet der Beklagten. Mit Bescheid vom … Oktober 2013 wurde ihnen die Genehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Baugrundstück erteilt. In den der Genehmigung zugrunde liegenden Plänen wird die Dacheindeckung „naturrot/rotbraun“ bezeichnet. Nachdem eine Baukontrolle ergab, dass die Kläger für die Dacheindeckung braune Dachziegel verwendet haben sollen, forderte das Landratsamt München die Kläger auf, die Dacheindeckung zu ändern.

Mit Antrag vom 10. Juni 2014 begehrten die Kläger bei der Beklagten für das Gebäude auf dem Baugrundstück die Erteilung einer isolierten Abweichung von B.6.2 OGS zur Zulassung der Dacheindeckung mit dunkelbraunen Dachziegeln. Zur Begründung des Antrags führten sie aus, dass das Dach weitgehend der OGS entspreche, da es sich um ein Satteldach mit ausreichendem Dachüberstand handle. Der verwendete Farbton (RAL 8014) komme der Farbe „rotbraun“ sehr nahe, da er in der RAL-Farbkarte direkt neben dem Farbton „rotbraun“ (RAL 8012) stehe. Im Übrigen spiegle der gesamte Neubau die gestalterische Intention der örtlichen Bauvorschrift wider. Das Dach steche nicht aus dem Ortsbild hervor.

Mit Bescheid vom … Oktober 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer isolierten Abweichung hinsichtlich der Dacheindeckung ab. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die braune bzw. dunkelbraune Dacheindeckung der Kläger dem Grundkonzept der örtlichen Bauvorschrift zuwider laufe. Das Ortsbild des Ortsteils …, in dem sich das Bauvorhaben befinde, werde durch überwiegende Satteldachbebauungen mit naturroten bis rotbraunen Dacheindeckungen geprägt. Lediglich vereinzelt seien ältere Bestandsgebäude mit abweichenden Dacheindeckungen vorhanden, die zwischen 1962 und 1994 erbaut worden seien. Die örtliche Bauvorschrift lege seit 1996 für … ausschließlich rote Dacheindeckungen fest. Eine nachträgliche Legalisierung scheide aus, da ansonsten mit einem Trend zu einer nicht gewollten Dacheindeckung zu rechnen wäre. Die rot bis rotbraune Dacheindeckung sei die überwiegende, ortsbildprägende und einheitliche Dachlandschaft, die in … erhalten bleiben solle.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2015 hat der Bevollmächtigte der Kläger Klage gegen die Beklagte erhoben.

Er beantragt,

Unter Aufhebung des Bescheids vom … Oktober 2015 wird die Beklagte verpflichtet, den Antrag der Kläger auf Zulassung einer isolierten Abweichung von der gemeindlichen Ortsgestaltungssatzung für die Dacheindeckung des Einfamilienhauses und des Carports mit braunen bzw. dunkelbraunen Tondachziegeln anstelle von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.

Zur Begründung wurde vorgetragen, die Dacheindeckung sei mit dem Grundkonzept der örtlichen Bauvorschrift vereinbar. Das Grundkonzept der örtlichen Bauvorschrift erschöpfe sich nicht in der Farbe der Dacheindeckung, sondern versuche, den lokalen Baustil des Ortsteils … zu bewahren. Die Architektur des Hauses und des Carports der Kläger entspreche diesem lokalen Baustil. Im Übrigen bestünden ernsthafte rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der Ortsgestaltungssatzung. Diese könne keine Anforderungen stellen, die dem tatsächlich vorhandenen baulichen Bestand zuwider laufe. Dies sei hier bei der Dachfarbe der Fall. Aus einem Luftbild ergebe sich, dass das aktuelle Ortsbild zahlreiche dunklere Dächer aufweise. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob die Festlegung der Dachfarbe für den Ortsteil … in Teil B der Ortsgestaltungssatzung eine Ungleichbehandlung gegenüber den benachbarten Ortsteilen darstelle, bei denen die Ortsgestaltungssatzung in Teil A sogar anthrazitfarbene Dacheindeckungen zulasse.

Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2015 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Ortsgestaltungssatzung sei wirksam. Insbesondere liege dieser ein ausreichendes planerisches Konzept zugrunde. Die Regelung sei hinreichend bestimmt und diene auch der positiven Gestaltung des Ortsbildes. Das Ortsbild von … sei geprägt durch Satteldachbebauungen mit naturroten bis rotbraunen Dacheindeckungen. Die örtlichen Bauvorschriften der Beklagten würden schon seit 1996 rote Dacheindeckungen vorsehen. Die Dacheindeckung der Kläger habe den Farbton „sepiabraun“ (RAL 8014). Es handle sich dabei um einen braun bis grauschwarzen Farbton. Rotanteile seien nur marginal und für den objektiven Betrachter nicht wahrnehmbar.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Hierzu sowie zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Abweichung von der Ortsgestaltungssatzung der Beklagten. Der Bescheid der Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Streitgegenstand ist aufgrund der ausdrücklichen Antragstellung des Bevollmächtigten der Kläger lediglich der behauptete Anspruch auf erneute Verbescheidung des Antrags der Kläger vom 10. Juni 2014. Ein solcher Anspruch auf erneute Verbescheidung besteht nicht. Die hier in Streit stehende Bestimmung B.6.2 OGS ist wirksam (1.). Die von den Klägern gewählte Dacheindeckung bedarf einer Abweichung von der OGS (2.). Die Voraussetzungen für eine Erteilung einer Abweichung sind nicht gegeben, da keine atypischen Verhältnisse vorliegen (3.).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung über die begehrte isolierte Abweichung, da B.6.2 OGS eine wirksame Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geforderte Dachgestaltung darstellt.

Gemäß B.6.2 OGS sind bei geneigten Dächern Eindeckungen mit dem Erscheinungsbild von naturroten bis rotbraunen Tonziegeln oder Betondachsteinen zu verwenden. Dies gilt nicht für untergeordnete Bauteile gemäß Art. 6 Abs. 8 BayBO. Unzulässig sind hochglänzend beschichtete Eindeckungen.

Die Beklagte konnte eine derartige Regelung auch bei Berücksichtigung des im Ortsteil … vorhandenen Baubestands treffen, ohne den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage in Art. 81 BayBO zu überschreiten. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO gestattet den Gemeinden im eigenen Wirkungskreis örtliche Vorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu erlassen. Die Gemeinden sind deshalb nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben (BayVGH, U.v. 11.9.2014 - 1 B 14.170 - juris Rn. 20). Sie haben einen beträchtlichen gestalterischen Spielraum und dürfen im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen (BayVGH a.a.O.). Auch wenn im Ortsteil …, wie die Kläger durch die Vorlage eines Luftbildes dargelegt haben, bereits eine größere Zahl von Gebäuden mit dunkler Dacheindeckung vorhanden ist, hindert das die Beklagte somit nicht daran, im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums auch auf eine positive Gestaltung durch eine sukzessive Herstellung der Einheitlichkeit der Dachlandschaft hinzuwirken (BayVGH, B.v. 10.11.2014 - 2 ZB 13.2429 - juris Rn. 3). Dies gilt hier umso mehr, als die Dachlandschaft nach dem vorgelegten Luftbild eindeutig durch ziegelrote Dächer geprägt wird und eine Entwicklung zu einer einheitlichen Dachlandschaft angesichts des geringen Anteils dunkler Dacheindeckungen ohne weiteres möglich ist.

Die OGS der Beklagten ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Vortrag des Bevollmächtigten der Kläger, es handle sich um einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte unterschiedliche Ortsteile mit verschiedenen Gestaltungsanforderungen belege, ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist es aufgrund der unterschiedlichen Gestalt bestimmter Ortsteile regelmäßig sinnvoll und unter Umständen geboten, die Gestaltungsanforderungen zu differenzieren (BayVerfGH, U.v. 23.1.20112 - Vf.18-VII-09-BayVBl. 2012, 397). Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung von Ortsteilen ist wegen der abweichenden Bausubstanz gegeben.

Die Bestimmung B.6.2 OGS ist auch nicht aufgrund der für die Farbgebung gewählten Formulierung unbestimmt und damit unwirksam. Durch die Regelung „ziegelrot bis rotbraun“ hat die Beklagte ein Spektrum an Farbtönen vorgeben wollen, in denen der Rotanteil mitprägend in Erscheinung tritt. In dieser Form trägt die Formulierung dem Bestimmtheitsgrundsatz ausreichend Rechnung. Der Wille des Normgebers ist bei Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ohne weiteres zu erschließen (BayVGH, U.v. 12.5.2005 - 26 B 03.2454 - juris Rn. 29).

2. Nach dem Ergebnis des Augenscheins widerspricht die von den Klägern gewählte Farbe B.6.2 OGS. Zur unveränderten Beibehaltung des Farbtons der Dacheindeckung der Kläger ist eine Abweichung von der OGS gemäß Art. 63 BayBO i.V.m. B.15.1 OGS erforderlich. Wie die Kläger selbst vortragen, hat die Dacheindeckung den Farbton RAL 8014, der in der RAL-Farbkarte als sepiabraun bezeichnet wird. Ein Rotton ist bei dieser Farbe nicht erkennbar. Er widerspricht daher eindeutig der vorstehend ermittelten Intention von B.6.2 OGS, die auf ein rötliches Erscheinungsbild der Dacheindeckung abzielt.

3. Die Ablehnung einer Abweichung von B.6.2 OGS durch den Bescheid der Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig, eine erneute Verbescheidung kommt nicht in Betracht.

Nach Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BayBO kann die Gemeinde Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Eine Abweichung verlangt einen von der Regel abweichenden Sonderfall und eine atypische Situation (VG München, U.v. 8.8.2012 - M 9 K 10.5497 - juris Rn. 32). Eine solche Atypik setzt einen Unterschied des zu entscheidenden Falles vom normativen Regelfall voraus (BayVGH, B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris). Demgegenüber kann sich die Atypik nicht aus vergleichbaren Fällen in der Umgebung ergeben (BayVGH a.a.O.).

Eine atypische Fallgestaltung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Vielmehr handelt es sich um den normativen Regelfall. Die Dacheindeckung des klägerischen Anwesens weicht mit ihrem dunklen Erscheinungsbild deutlich von dem nach der Satzung gewollten Erscheinungsbild ab. In einer durch Rottöne geprägten Dachlandschaft wird das Dach als Fremdkörper wahrgenommen. Selbst in dem Luftbild, das die Kläger vorgelegt haben, ist die Dachfläche des klägerischen Hauses aufgrund seiner abweichenden Dacheindeckung deutlich zu erkennen, obwohl der gesamte Ortsteil abgebildet ist.

Allein der Umstand, dass die Kläger sich bei der Gestaltung ihres Hauses im Übrigen an die Vorgaben der OGS gehalten haben, führt nicht dazu, dass hinsichtlich der Dachgestaltung eine Abweichung wegen atypischer Verhältnisse erteilt werden könnte. Die Einhaltung von baurechtlichen Normen lässt sich nicht durch die Erfüllung bzw. Übererfüllung anderer Vorgaben kompensieren. Dies gilt umso mehr, als die Dachgestalt für das Ortsbild von besonderer Bedeutung ist. Die Dachfarbe ist hier sogar wegen der geringen Höhe des Hauses der Kläger im Umfeld besonders deutlich wahrzunehmen. Aufgrund der großen Fläche der Dächer wirkt die Farbgebung dort besonders stark auf das Ortsbild.

Würde die Beklagte im Fall der Kläger von der Anforderung einer rötlich geprägten Dacheindeckung abweichen, so wäre sie gezwungen, dies in jedem beliebigen anderen Fall ebenso zu tun. Die Einhaltung der Bestimmung könnte nicht mehr durchgesetzt werden. Sie hat die Erteilung einer Abweichung zu Recht wegen des Fehlens besonderer, atypischer Umstände abgelehnt.

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Kläger haben gemäß § 154 Abs. 1, § 159 VwGO die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Beigeladene trägt gemäß § 162 Abs. 3 VwGO seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er sich nicht durch die Stellung eines Antrags in ein Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO begeben hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine isolierte Befreiung vom Bebauungsplan zur Legalisierung eines Mobilfunkmastens. Es handelt sich um den einzigen Mobilfunkmasten im Gemeindegebiet, der eine Gesamthöhe von 13 m (OK-Antennenträger) hat und auf einem Dachfirst angebracht ist.

Die Klägerin betreibt im Gebiet der Beklagten seit 1998 diesen Mobilfunkstandort. Dieser befindet sich auf dem Dach des Hauses …straße … in … (FlNr. 332/6), das in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet (WA) liegt. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans wurde für diesen Bestand bisher nicht erteilt. Im Umgriff um dieses Anwesen befinden sich Wohnhäuser, deren Dächer teilweise, u.a. in der …straße 29 (FlNr. 332/5), in der …straße 21 / und in der …straße 39 (FlNr. 332/9), mit großflächigen - ca. 30 m2 bis 60 m2 - Photovoltaikanlagen ausgestattet sind. Gewerbebetriebe gibt es in der Umgebung ansonsten keine. Im Jahr 2014 ertüchtigte die Klägerin den vorhandenen Antennenmasten dergestalt, dass seitlich neue Antennen befestigt wurden zum Empfang der modernen Übertragungsstandards UMTS, LTE und GMS. Mit Antrag vom … März 2015 beantragte die Klägerin hierfür bei der Beklagten eine isolierte Befreiung von deren Bebauungsplan … Nr. 2, der unter Ziffer 11 der textlichen Festsetzungen im WA auch nichtstörendes Gewerbe als Ausnahme ausschließt.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes … Nr. 2“ hinsichtlich der Zulässigkeit von nicht störenden Gewerbebetrieben ab.

Die Gemeinde sei zur Entscheidung über den Antrag auf Befreiung zuständig (Art. 63 Abs. 3 BayBO), da es sich bei der Errichtung eines Mobilfunkmastens um ein verfahrensfreies Vorhaben nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a BayBO handele. Die Verfahrensfreiheit entbinde aber nicht von der Einhaltung der öffentlichrechtlichen Vorschriften, Art. 55 Abs. 2 BayBO. Das Baugrundstück FlNr. 332/6 befinde sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen qualifizierten Bebauungsplans … Nr. 2“. Bei der Mobilfunkanlage der Firma … … AG handele es sich um eine gewerblich genutzte Anlage; diese unterfalle daher den Einschränkungen der genannten Festsetzungen. Die nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise möglichen nicht störenden Gewerbebetriebe im WA seien ausdrücklich nicht zugelassen (Nr. 11 der Festsetzungen). Eine Befreiung von dieser Festsetzung werde abgelehnt, da die Grundzüge der Planung berührt würden. Die Grundzüge seien regelmäßig dann berührt, wenn wie hier dieselbe städtebauliche Situation bei allen oder jedenfalls einer großen Zahl von Grundstücken gegeben sei, sodass bei diesen mit derselben Berechtigung eine Befreiung erfolgen könnte. Der Ausschluss auch nicht störender Gewerbebetriebe zähle als Festsetzung zu den Kernpunkten des Bebauungsplans. Sie sei per se nicht aus dem Grund erlassen worden, „flächensparend“ zu bauen, sondern um in dem WA Gewerbebetriebe grundsätzlich zu vermeiden. Der Antennenanlage komme auch keine untergeordnete Bedeutung zu, sondern sie habe Auswirkungen auf das Grundkonzept und somit auf die Grundzüge der Planung. Eine Befreiung im vorliegenden Fall würde die Türe für gleichartige Befreiungen öffnen. Dies sei gegenwärtig und stets nicht die Planungsabsicht der Gemeinde gewesen. Eine Ermessensabwägung entfalle, da die Ablehnung allein aufgrund der planungsrechtlichen Unzulässigkeit erfolge. Auch das öffentliche Interesse an einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Antennenanlage dafür nicht zwingend nur an dem gewählten Standort notwendig sei.

Die Klägerin hat am *. Juli 2015 Klage gegen den Bescheid erhoben. Sie beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.6.2015, Az.: … …, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes „… Nr. 2“ zu erteilen.

Die Klägerin betreibe auf dem Grundstück seit 1998 eine Mobilfunkbasisstation für das Mobilfunknetz der … … GmbH. Die Anlage versorge überwiegend das Plangebiet sowie weitere Teile des Gemeindegebiets. Im Zuge des Netzausbaus sei der bestehende Antennenträger auf aktuelle Übertragungsstandards umgerüstet und dabei baugenehmigungsfrei ertüchtigt und mit neuen Antennen bestückt worden. Es gebe Bezugsfälle für Gewerbe. In der gesamten Nachbarschaft würden dachgestützte großflächige Photovoltaikanlagen betrieben. Mit schriftlicher Festsetzung Nr. 2 seien im einschlägigen Bebauungsplan - neben dem Ausschluss störungsfreier Gewerbebetriebe nach Nr. 11 - zunächst auch die in § 14 BauNVO (1969) ausnahmsweise zulässigen Nebenanlagen ausgeschlossen worden. Dieser Ausschluss sei 1986 aufgehoben worden. Die Befreiungsvoraussetzungen seien erfüllt, das Befreiungsermessen auf Null reduziert. Die Grundzüge der Planung würden nicht berührt. Der Ablehnungsentscheidung fehlten eine Erfassung der Planungssituation und eine Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens. Dem Willen des Plangebers von 1976 bzw. 1986 würde es vor dem Hintergrund der damals noch unbekannten Mobilfunktechnologie und der Privatisierung staatlicher Fernmeldeleistungen nicht entsprechen, Versorgungsanlagen nunmehr gewerblicher Anbieter ausnahmslos und dauerhaft auszuschließen. Aufgrund der zeichnerischen Festsetzung einer Trafostation im …weg habe bereits der Plangeber von 1976 gezeigt, dass er der Versorgung dienende Nebenanlagen für zulässig hielt. Spätestens die Planänderung von 1986 beweise, dass der Versorgung dienende Nebenanlagen i.S.d. § 14 Abs. 2 BauNVO (1977) der Planungskonzeption nicht widersprechen würden. Die 1990 erfolgte Privilegierung von Mobilfunksendeanlagen könne nicht unberücksichtigt bleiben. Weiter hätten fernmeldetechnische Leistungen zum Zeitpunkt der Planung noch dem Monopol der Bundespost unterlegen und seien nicht als gewerbliche Nutzungen anzusehen gewesen. Als Konzept der Planung sei deshalb nur der Ausschluss solcher gewerblicher Nutzungen zu erkennen, die nicht der Versorgung des Gebiets dienten und auch keine infrastrukturellen Versorgungsanlagen i.S.d. § 14 BauNVO seien. Die Zulassung einer Mobilfunkanlage sei nicht geeignet, die Gebietsart grundsätzlich zu verändern. Ein Bezugsfall würde nicht entstehen, da § 14 Abs. 2 BauNVO mit seiner Wertung nur fernmeldetechnische Anlagen privilegiere. Umgekehrt könne sich die Klägerin auf die bereits im Plangebiet bestehenden gewerblichen Nutzungen berufen. Die Photovoltaikanlagen stellten gewerbliche Nutzungen dar, da von einer vergüteten Netzeinspeisung auszugehen sei. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbiete vor diesem Hintergrund einen Ausschluss unter Berufung auf Nr. 11 der Bebauungsplanfestsetzungen. Gründe des Allgemeinwohls erforderten die Befreiung, da die Anlage die notwendige Versorgung des Gebiets auch mit den neuen Übertragungsstandards gewährleiste. Die Abweichung sei auch städtebaulich vertretbar, da die Mobilfunkanlage auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 Gegenstand einer rechtmäßigen Planungsentscheidung sein könne. Nachbarliche Interessen stünden nicht entgegen, da die Sicherheitsabstände der 26. Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) eingehalten seien. Für die Ermessensausübung bestehe nur wenig Raum, wenn wie hier die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben seien. Da gewichtige schützenswerte Interessen an der Versagung nicht erkennbar seien, bestehe eine Ermessensreduktion auf Null und die Befreiung sei zu erteilen. Das „Unbehagen“ der Anwohner stelle kein derartiges entgegenstehendes Interesse dar.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 komme nicht in Betracht, da die Anlage § 15 BauNVO widerspreche; die Eigenart des Baugebiets bestehe darin, dass alle - auch nichtstörende Gewerbebetriebe - nach der planerischen Grundkonzeption der Beklagten ausgeschlossen seien. Auch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB sei nicht möglich, da die Grundzüge der Planung berührt würden. In den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung sei deutlich ein planerisches Grundkonzept zu erkennen. Die Beklagte wolle das WA weitestgehend von gewerblichen und sonstigen ausnahmsweise zulässigen Nutzungen freihalten. Der Ausschluss in Nr. 11 der Festsetzungen sei in den weiteren Änderungen des Bebauungsplans jeweils bestätigt worden. Eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans könne mit den Photovoltaikanlagen nicht begründet werden, da diese Anlagen kraft Gesetzes, § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, zulässig seien. Anderenfalls sei heute jeder Bebauungsplan als funktionslos anzusehen, der ein WR oder WA festsetze, da in all diesen Gebieten zwischenzeitlich vergleichbare Anlagen vorhanden seien. Die Mobilfunkstation als Teil einer gewerblichen Hauptnutzung berühre die planerische Grundentscheidung. Die BauNVO beziehe sich mit den Regelungen zum Störpotential von Gewerbebetrieben nicht ausschließlich auf Lärm- und Geruchsimmissionen, sondern auch auf optische Aspekte. Die gewerbliche Zweckbestimmung der Station sei eindeutig, auch optisch, wahrnehmbar. Es handele sich bei der um einen nichtstörenden Gewerbebetrieb. Auf die Merkmale Wohl der Allgemeinheit und nachbarliche Belange komme es nicht mehr an.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins am 8. Juni 2016. Die als Bezugsfälle genannten weiteren Gewerbe im Plangebiet gibt es mit Ausnahme großflächiger Photovoltaikanlagen nicht bzw. nicht mehr. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichts- und die Behördenakte, insbesondere auf das Protokoll des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2016.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten isolierten Befreiung vom Bebauungsplan … Nr. 2 der Beklagten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Beklagte lehnte den Antrag als zuständige Stelle (1.) zu Recht ab, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht gegeben sind (2.).

1. Die Klägerin stellte ihren Antrag korrekterweise bei der Beklagten. Das Vorhaben ist verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb BayBO, weswegen die Beklagte zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer isolierten Befreiung berufen war, Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO. Vorliegend ist, gerade auch deswegen, weil für den Bestand keine Befreiung vorliegt, die Gesamtanlage zu prüfen und nicht etwa nur auf die nachgerüsteten Antennen abzustellen (BayVGH, U.v. 9.8.2007 - 25 B 05.3055 - juris Rn. 26). Die Höhe des die Antennen tragenden Mastens ist ohne Berücksichtigung der Blitzfangstange zu bestimmen (BayVGH, B.v. 22.2.2006 - 14 B 05.1343 - juris). Maßgeblich ist nicht nur der sichtbare oder der den Dachfirst überragende Teil der Anlage, sondern die Gesamthöhe bis zur Verankerung in der Dachkonstruktion (BayVGH, U.v. 1.7.2005 - 25 B 01.2747 - Rn. 9). Vorliegend liegt die OK Antennenträger bei + 13,00, der Dachfirst befindet sich bei + 6,74. Da die Verankerung nur wenig darunter liegt, ist die 10m-Grenze eingehalten.

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine erforderliche (a) Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den nicht funktionslos gewordenen Festsetzungen (b) des Bebauungsplans … Nr. 2 der Beklagten sind nicht gegeben, da die Mobilfunkanlage die Grundzüge der Planung berührt (c).

a) Dem Vorhaben steht der Bebauungsplan … Nr. 2 der Beklagten entgegen, weswegen eine Befreiung erforderlich ist. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich sowohl als fernmeldetechnische Nebenanlage nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO als auch, weil es sich um einen Bestandteil eines gewerblich betriebenen Mobilfunknetzes handelt, als nicht störende gewerbliche (Haupt-) Anlage einzustufen (BayVGH, U.v. 2.8.2007 - 1 BV 05.2105 - juris Rn. 19). Maßgeblich ist der Bebauungsplan … Nr. 2 i.d.F. der Änderungssatzung vom 25. November 1992, dessen Festsetzungen das Vorhaben nach § 29 Abs. 1 und 2 BauGB, Art. 55 Abs. 2 BayBO unabhängig von der Verfahrensfreiheit zu beachten hat. Die textliche Festsetzung in Ziffer 11 schließt die Anlage als nichtstörenden Gewerbebetrieb als Teil einer gewerblichen Hauptanlage auch als Ausnahme aus. Dieser Ausschluss ist nach dem hier weiterhin anwendbaren § 1 Abs. 4 BauNVO 1968 zulässig. Aufgrund der statischen Verweisung in die BauNVO bleibt grundsätzlich deren zum Erlasszeitpunkt des Bebauungsplans maßgebende Fassung insoweit anwendbar, als die jeweilige betroffene Festsetzung nicht Gegenstand der Änderungssatzungen gewesen ist (BayVGH, U.v. 23.12.1998 - 26 N 98.1675 - juris; U.v. 1.7.2005 - 25 B 01.2747 - juris). Vorliegend erfolgten 1986 und 1992 nur punktuelle Änderungen - vgl. Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen -, die nicht die Ziffer 11 betrafen. Die Festsetzung in Ziffer 2 steht der Anlage als fernmeldetechnischer Nebenanlage (BVerwG, B.v. 3.1.2012 - 4 B 27/11 - juris Rn. 3) entgegen. Deren zwischenzeitliche teilweise Zulassung in der Bebauungsplanfassung von 1986 wurde 1992 wieder durch einen vollständigen Ausschluss ersetzt. Dieser ist nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1990, der wegen der Änderungen dieser Ziffer hier anwendbar ist, zulässig (BayVGH, U.v. 23.11.2010 - 1 BV 10.1332 - juris Rn. 43). Demnach hat die Klägerin weder einen Anspruch auf eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO noch auf eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO.

b) Die Bebauungsplanfestsetzungen Nr. 2 und Nr. 11 sind nicht funktionslos geworden. Funktionslos kann eine bauplanerische Festsetzung sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre (Fort-)Geltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, B.v. 6.6.1997 - 4 NB 6/97 -juris Rn. 10ff. m.w.N.).

Vorliegend konnten die klägerseitig zunächst vorgetragenen gewerblichen Nutzungen, die die Regelungen der textlichen Festsetzungen in Ziffer 2 und Ziffer 11 aufgeweicht haben könnten, im Ortstermin nicht festgestellt werden. Im Gebäude …straße 31 befand sich laut Aussage der Klägervertreter zwar längere Zeit ein Partyservice. Dieser hat aber zum einen spätestens mit der Abmeldung im Dezember 2015 seinen Betrieb eingestellt; zum anderen gaben die Vertreter der Beklagten und des Beigeladenen übereinstimmend an, dass ihnen eine Genehmigung dieses nunmehr aufgegebenen Betriebes nicht bekannt gewesen sei. In den Gebäuden …straße 32 und …straße 18 befanden sich kein Elektrobetrieb und kein Kunsthandel. Auch in der …straße 39 war kein Gewerbebetrieb erkennbar.

Die u.a. auf den Dächern der Häuser …straße 29 (FlNr. 332/5), …straße 21 1/2 und …straße 39 (FlNr. 332/9) feststellbaren großflächigen Photovoltaikanlagen führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar stellen sie aufgrund ihrer Dimensionierung - geschätzt ca. 30 m2 bis 60 m2 - gewerbliche Nutzungen dar, da sie der Einspeisung des erzeugten Stroms ins Netz dienen (BayVGH, B.v. 7.12.2010 -15 CS 10.2432 - juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 20.9.2010 - 7 B 985/10 - juris; SächsOVG, B.v. 4.9.2012 - 1 B 254/12 - juris). Für diese Nutzungen wurden -wie die Beteiligten übereinstimmend erklärten - keine Befreiungen erteilt und die Gemeinde ist demnach nicht etwa willentlich bereits mehrfach von ihrer im Bebauungsplan … Nr. 2 festgehaltenen städtebaulichen Vorstellung abgewichen. Auch die Anzahl der Anlagen führt angesichts der strengen Voraussetzungen, die an das - äußerst seltene - Funktionsloswerden einer Bebauungsplanfestsetzung zu stellen sind, noch nicht zu tatsächlichen Verhältnissen, die den Ausschluss gewerblicher Nutzungen auf Dauer obsolet werden ließe (BVerwG, U.v. 3.12.1998 - 4 CN 3/97 - juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 19.10.1998 -15 B 97.337 - juris Rn. 22). Dies gilt umso mehr, als die Beteiligten im Ortstermin übereinstimmend erklärten, dass eine Duldung der Photovoltaikanlagen nicht zielführend sei und angesichts der Tatsache, dass die Vertreter des Beigeladenen überdies angaben, ein Beseitigungskonzept für diese Nutzungen entwickeln zu wollen.

c) Die Befreiung würde die Grundzüge der Planung berühren.

Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Befreiung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer sie in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachte planerische Wille der Gemeinde auf eine bestimmte städtebauliche Ordnung gerichtet, die der Planung als Grundkonzept zugrunde liegt, so stellt dies einen Grundzug der Planung dar. Dieser ist im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB berührt, wenn derart vom Planinhalt abgewichen wird, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Mit anderen Worten muss eine Abweichung -soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen noch gedeckt sein. Es muss angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (BayVGH, U.v. 3.11.2010 - 15 B 08.2426 - juris Rn. 21 m.w.N.; U.v. 24.3.2011 - 2 B 11.59 - juris Rn. 30; U.v. 30.3.2009 - 1 B 05.616 -juris Rn. 59).

Vorliegend ist demnach unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände von einem planerischen Grundkonzept auszugehen.

Ziffer 11 der Bebauungsplanfestsetzungen bestimmt, dass die in § 4 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen für Gewerbebetriebe und Tankstellen nicht zugelassen werden. Nach Ziffer 2 werden Nebenanlagen nach § 14 BauNVO ausgeschlossen; im Allgemeinen Wohngebiet - Ziffer 1 setzt ein solches fest - sind Kleintierställe nicht gestattet.

In diesen Festsetzungen ist deutlich ein planerisches Grundkonzept zu erkennen. Die Beklagte will die festgesetzten Wohngebiete von gewerblichen und sonstigen ausnahmsweise zulässigen Nutzungen freihalten. Der Beklagten kommt es auf möglichst große tatsächliche und optische Wohnruhe an, wie auch z.B. Ziffer 8 der Festsetzungen unterstreicht. Ziffer 8 ordnet an, dass die nicht überbauten Grundstücksflächen gärtnerisch anzulegen und eine im Verhältnis zur Grundstücksgröße festgelegte Anzahl an Bäumen zu pflanzen sind. Wesentliches Element der Planung ist es, die Wohnnutzung kompromisslos reinzuhalten, und eine im Wesentlichen durch Wohngebäude geprägte, nicht durch Nebenanlagen gestörte, ruhige und einheitliche Wohnlandschaft festzuschreiben (BayVGH, U.v. 3.11.2010 - 15 B 08.2426 - juris Rn. 21 m.w.N.; U.v. 9.8.2007 - 25 B 05.3055 -juris Rn. 37). Nach dem Willen der planenden Gemeinde sollte und soll im hier festgesetzten WA nur gewohnt und nicht in irgendeiner Form gewerblich gearbeitet werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Begründung zur Änderung des Bebauungsplans vom 25. November 1992, die als übergeordnetes Ziel der Änderung die „Erhaltung einer ortstypischen Wohnqualität“ vorsah.

Dieses Planungskonzept wurde seit der ersten Fassung des Bebauungsplans -vgl. Ziffer 1, 2, 5, 6, 8 und 11 der textlichen Festsetzungen der Bebauungsplanfassung vom 27. Februar 1975 - auch während dessen Änderungen konsequent beibehalten. Die sich in der nicht geringen Anzahl der Photovoltaikanlagen manifestierenden Abweichungen in der Realität wurden nicht über Befreiungen legalisiert, wie die Beteiligten im Ortstermin übereinstimmend erklärt haben. Sie sind damit von vorn herein nicht geeignet, das planerische Grundkonzept infrage zu stellen, da die Frage, ob die Grundzüge der Planung berührt werden, nur von der jeweiligen Planungssituation abhängt (BVerwG, B.v. 19.5.2004 - 4 B 35/04 - juris). Tatsächliche illegale Abweichungen verändern nicht die Grundzüge der Planung mit der Folge einer erleichterten Zulassung von Befreiungen; diese Ansicht würde dazu führen, dass die Geltung der Festsetzungen eines Bebauungsplans von der Art und Weise ihres Vollzugs abhängig gemacht würde (EZBK/Söfker, BauGB, Stand 120. EL Februar 2016, § 31 Rn. 37a). Dies gilt umso mehr, wenn wie bei Photovoltaikanlagen eine Beseitigung und Wiederherstellung der gewünschten Plansituation ohne Weiteres baulich möglich ist.

Diesem Grundkonzept läuft die klägerische Mobilfunkanlage zuwider. Sie berührt als gewerbliche Nutzung die Grundzüge der Planung. Dies nicht nur, aber auch aufgrund ihrer - auch durch die Nachrüstung erlangten - Dimensionierung im konkreten Fall. Der Antennenträger hat zwar nur eine sichtbare Höhe von etwas mehr als 6 m. Die Ertüchtigung bewirkte jedoch eine deutlich massivere Antennenausführung mit mehreren seitlich angebrachten blockartigen Einrichtungen zum Empfang der neuen Standards UMTS, LTE und GSM). Dadurch tritt sie für einen objektiven Betrachter als „gewerblicher Fremdkörper“ in einem kompromisslos auf Wohnnutzung beschränkten, auch in optischer Hinsicht weitestgehend ungestörten, ruhigen und einheitlichen Wohnumfeld negativ - „optisch laut“ - in Erscheinung und lässt sich von einer privat genutzten Fernsehantenne ohne Weiteres unterscheiden (BayVGH, U.v. 9.8.2007 - 25 B 05.3055 - juris Rn. 39).

Mit ihrer Zulassung würde von den textlichen Festsetzungen in Ziffer 2 und 11 des Bebauungsplans … Nr. 2 abgewichen und das im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachte planerische Grundkonzept, die Wohnnutzung kompromisslos reinzuhalten, aufgeweicht. Dies zeigen vorliegend bereits die Entwicklungen nur auf dem hiesigen Grundstück: Die Legalisierung eines zwischenzeitlich ertüchtigten Antennenträgers würde weitere Befreiungen für gänzlich neue Antennenträger eines anderen Anbieters im Verfahren M 9 K 15.2925 nach sich ziehen (vgl. zu ebendieser Problematik BayVGH, U.v. 9.8.2007 - 25 B 05.3055 - juris Rn. 40). Wegen dieser Bezugsfallwirkung und wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes hat die Beklagte die Befreiung vorliegend zu Recht abgelehnt.

Ohne dass es vorliegend tragend darauf ankäme, merkt die Kammer an, dass aufgrund der Tatsache, dass nach dem erklärten Willen der Beklagten keine Befreiungen für andere Gewerbe erteilt werden sollen und das Landratsamt ein Beseitigungskonzept für gewerbliche Photovoltaikanlagen beabsichtigt, die tatsächliche Gleichbehandlung von gewerblichen Anlagen im Baugebiet gewährleistet ist. Solange die Beklagte keine Befreiung für Photovoltaikanlagen erteilt, kann die Klägerin ebenfalls keine Befreiung nach pflichtgemäßem Ermessen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung vergleichbarer Lebenssachverhalte beanspruchen.

Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, weswegen es der Billigkeit entspricht, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.