Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Anfechtungsklage die Aufhebung der gegen ihn erlassenen Beseitigungsanordnung mit Zwangsgeldandrohung vom 29. September 2015.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2012 genehmigte die Beklagte erstmalig die Errichtung einer Doppelhaushälfte mit einem Carport und Geräteschuppen an der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks Fl.Nr. …, …straße 146b/c nach Plan-Nr. … Der genehmigte Carport mit sich daran anschließendem Geräteschuppen verfügte über eine Gesamtlänge von 9 m (vermasst) bei einer Höhe von 2,5 m (abgegriffen). Die Breite der genehmigten Grenzanbauten betrug 3 m (vermasst).

Mit Bescheid vom 20. August 2012 erging die erste Änderungsgenehmigung nach Plan-Nr. …

Mit einer weiteren Änderungsbaugenehmigung vom 22. April 2015 (Plan-Nr. …*) genehmigte die Beklagte unter anderem die Errichtung eines Doppelparkers mit einer Länge von 5,94 m (vermasst) anstelle des ursprünglich genehmigten Carports. Daran anschließend befindet sich ein 3,06 m (vermasst) langer Geräteschuppen mit einer Höhe von 2,5 m (vermasst). Die Gesamtlänge der Grenzanbauten hat eine Länge von 9 m.

Ein weiterer Bauantrag des Klägers vom 7. Dezember 2015 nach Plan-Nr. … für die Errichtung einer zweiten Wohneinheit und Neugestaltung des Carports wurde laut Scheiben der Beklagten vom 17. Dezember 2016 als zurückgezogen betrachtet.

Im Juni und Juli 2015 ließ die Beklagte Kontrollen des genehmigten Vorhabens durchführen und stellte unter anderem fest, dass auf der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks Fl.Nr. … eine ca. 12 m lange und ca. 3 m hohe Holzbetonkonstruktion, bestehend aus fest mit dem Boden verbundenen Betonsäulen und Längs- und Querholzlatten, errichtet wurde. Die mit den Betonsäulen fest verbundene bzw. auf diese angebrachte Holzkonstruktion schließt sich an die westliche Außenwand des Gebäudes an. Im Dachbereich verfügt die aus Längs- und Querlatten bestehende Holzkonstruktion über keine wasserundurchlässige Überdachung. Aus den sich in den Behördenakten befindlichen Bildern ist ersichtlich, dass die errichtete Betonholzkonstruktion im südwestlichen Bereich über eine Entwässerungsrinne verfügt.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 (Ziffer 2) hörte die Beklagte den Kläger hinsichtlich der festgestellten Grenzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze an und wies insbesondere darauf hin, dass eine über die Länge von 9 m hinausgehende Grenzbebauung wegen einem Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO unzulässig sei und mit einem Rückbau der errichteten Holzbetonkonstruktion auf das zulässige Maß, der Erlass einer kostenpflichtigen Verfügung durch die Beklagte vermieden werden könne.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2015, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 20. Juni 2015 zugestellt, verfügte die Beklagte die Einstellung der Bauarbeiten für die Überdachung an der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks und drohte für den Fall der Nichterfüllung der Verfügung ein Zwangsgeld an.

Mit Bescheid vom 29. September 2015 erließ die Beklagte gegen den Kläger eine Beseitigungsanordnung, mit der der Kläger unter Ziffer 1 des Bescheids verpflichtet wurde, die Grenzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze unverzüglich, spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Unanfechtbarkeit der Verfügung auf die zulässigen 9 Meter zurückzubauen. Ziffer 2 des Bescheids bezog sich auf die Verpflichtung des Klägers zur Einreichung von Bauvorlagen für die zweite Wohneinheit in der westlichen Doppelhaushälfte auf dem streitgegenständlichen Grundstück.

Unter Ziffer 3 des Bescheids drohte die Beklagte für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziffer 1 genannten Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- Euro an.

Zur Begründung der Verfügung unter Ziffer 1 führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass bei mehreren örtlichen Kontrollen durch den technischen Außendienst der Beklagten eine Grenzbebauung mit einer Länge von 12 m an der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks festgestellt worden sei. An dieser Stelle sei eine Garage mit Nebengebäude auf einer Länge von 9 Meter genehmigt worden. Eine Grenzbebauung von 12 Metern sei nicht zulässig, da sie die Abstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 9 BayBO zum Nachbarn nicht einhalte. Eine passende Abstandsflächenübernahme des Nachbarn liege nicht vor. Nach der vorliegenden Erklärung seien die Abstandsflächen lediglich weiter nördlich an der westlichen Grundstücksgrenze auf einer Länge von 5,4 m, mit 1 m Tiefe auf dem Nachbargrundstück übernommen worden. Dies sei nicht ausreichend. Erforderlich sei die Mindestabstandsfläche von 3 m auf einer Länge von 12 m.

Die geforderte Maßnahme sei nach Sachlage zur Herstellung rechtmäßiger Zustände geeignet und erforderlich. Sie stünde mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang. Eine Belassung des grenzständigen Nebengebäudes in dieser Länge sei nicht möglich. Gegen die unrechtmäßigen Zustände bezüglich der Grenzbebauung sei bereits mit einem Baueinstand reagiert worden. Die Bauaufsichtsbehörde schreite in gleich gelagerten Fällen regelmäßig durch Baubeseitigungen ein. Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung der Sachlage erlaubten, lägen nicht vor.

Die Beseitigungsanordnung wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 1. Oktober 2015 zugestellt.

Mit einem am selben Tag beim Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2015 und beantragten,

Die mit dem Bescheid vom 29. September 2015 der Beklagten unter Punkt 1 getroffene Verfügung, die Grenzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze auf die zulässigen 9 Meter zurückzubauen, wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 begründeten die Bevollmächtigten des Klägers die Klage und führten im Wesentlichen aus, dass der Kläger an der westlichen Grundstücksgrenze seines Grundstücks lediglich eine Garage mit einer Gesamtlänge von 9 m errichtet und direkt daran anschließend Vorrichtungen für einen nicht überdachten Freisitz mit einer Länge von 3 m getroffen habe. Die Beklagte gehe in ihrem Bescheid vom 29. September 2015 irrtümlich davon aus, dass es sich bei dieser Bebauung um eine bauliche Anlage handele, deren Gesamtlänge mehr als 9 m aufweise. Der sich an die Garage anschließende Freisitz solle nicht überdacht werden.

Der Kläger plane eine Überdachung des Freisitzes mit einer Markise, die jederzeit ein- und ausgefahren werden könne. Zur Befestigung der Markise brauche der Kläger ein Grundgerüst. Das Grundgerüst entspreche dem Grundgerüst des Carports für den Doppelparker. Dieses Grundgerüst bestehe aus Säulen und einer Holzkonstruktion aus Quer- und Längsbalken. Diese Quer- und Längsbalken dienten im Bereich des Carports der Befestigung der Überdachung. Aus optischen Gründen sei das Grundgerüst des Freisitzes in derselben Art und Weise gebaut wie der Carport. Es solle dort jedoch keine feste Überdachung angebracht werden. Die Seiten des Freisitzes seien offen. Auch das Dach des Freisitzes werde im Unterschied zum Carport nicht überdacht sein, sondern lediglich mit einer Markise versehen werden. Markisen seien nicht als Überdachungen anzusehen. Insofern könne der Bereich des Freisitzes, der eine Länge von 3 m aufweise, nicht zu der Garagenanlage mit einer Länge von 9 m zugerechnet werden. Der Kläger halte sich somit an die Vorgaben der Bayerischen Bauordnung in Art. 6 Abs. 9 BayBO.

Mit Schreiben vom 31. August 2016 erwiderte die Beklagte und stellte den Antrag,

Die Klage wird abgewiesen.

Den Abweisungsantrag begründete sie im Wesentlichen damit, dass es sich bei der in Ausführung befindlichen Grenzanlage um eine insgesamt abstandsflächenrelevante Bebauung handele, die nicht nach Art. 6 Abs. 9 BayBO an der Grundstücksgrenze zulässig sei. Die Bebauung sei formell und materiell illegal, so dass ein entsprechender Rückbau auf das zulässige Maß verlangt werden könne. Eine gültige Baugenehmigung für die Grenzbebauung liege nicht vor. Es handele sich dabei um einen unselbstständigen Teil der Gesamtbaumaßnahme, weshalb eine Änderungsgenehmigung beantragt werden solle. Diese existiere jedoch nicht. Eine Aufteilung der Gesamtkonstruktion in einen abstandsflächenrelevanten Teil „Carport“ und einen nicht abstandsflächenrelevanten Teil „Freisitz“ sei rechtlich nicht möglich. Vielmehr seien beide Teile als eine einheitliche - insgesamt abstandsflächenrelevante - bauliche Anlage zu betrachten. Selbst wenn auf der Freisitzkonstruktion nur eine Markise angebracht werden solle, handele es sich um ein Gebäude im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO.

Die Erteilung einer Abweichung wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen habe die Beklagte im konkreten Fall geprüft und mit Bescheid vom 26. August 2015 abgelehnt. Insbesondere sei hier keine atypische Situation ersichtlich. Selbst wenn eine Atypik - wie nicht - vorläge, wäre dem westlichen Nachbarn eine Grenzbebauung in dieser Massivität nicht zumutbar.

Im Übrigen sei die Rückbauverfügung geeignet, um das legitime Ziel der Herstellung von rechtmäßigen Zuständen zu fördern. Sie sei überdies erforderlich zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands. Ein milderes, gleich effektives Mittel, sei nicht ersichtlich, insbesondere da die Erteilung einer Abweichung ausscheide und die Anordnung zudem auch angemessen sei.

Mit Schriftsätzen vom 17. Oktober 2016 und 8. November 2016 vertieften die Bevollmächtigten des Klägers insbesondere ihre Rechtsausführungen hinsichtlich der Abstandsflächenrelevanz einer mit jederzeit entfernbaren Markise versehenen Freisitzkonstruktion und schilderten die Genehmigungshistorie sowie die Chronologie der gegenüber dem Kläger ergangen bauaufsichtlichen Verfügungen und diesbezüglichen gerichtlichen (Eil-)Verfahren.

Der Rechtsstreit wurde am 28. November 2016 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung stellten die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts-, die vorgelegten Behördenakten sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2016 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 29. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I. Die angefochtene Beseitigungsanordnung unter Ziffer 1 des Bescheids erweist sich insgesamt als rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung liegen vor.

Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Eine Beseitigungsanordnung kann ergehen, wenn die zu beseitigende Anlage sich in ihrem Bestand als formell und materiell illegal darstellt (BayVGH, B. v. 20.01.2003 - 20 ZB 99.3616 - juris Rn. 3).

Gemessen an diesen Vorgaben sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beseitigungsanordnung erfüllt. Die nicht verfahrensfreie Holzbetonkonstruktion an der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks ist nicht genehmigt und damit formell rechtswidrig und widerspricht auch dem materiellen Recht, so dass nicht auf andere Weise - durch Erteilung einer Baugenehmigung - rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

1. Grundsätzlich bedarf die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen der Baugenehmigung, soweit sich aus den Vorschriften der Art. 56 bis 58, 72 und 75 nichts anderes ergibt. Die Grenzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze bedarf als Teil eines genehmigungspflichtigen Gesamtbauvorhabens - Neuerrichtung eines Doppelhauses - einer Baugenehmigung.

Für die errichtete Holzbetonkonstruktion an der Grundstücksgrenze liegt eine bauaufsichtliche Genehmigung nicht vor, da mit der (Tektur-)Baugenehmigung vom 22. April 2015 nur eine Grenzbebauung mit einer Gesamtlänge von 9 m genehmigt wurde. Für eine 12 m lange Holzbetonkonstruktion, bestehend aus einem Carport und einem Freisitz an der westlichen Grundstücksgrenze, liegt dagegen keine entsprechende Baugenehmigung vor.

Der Argumentation der Klägerseite, bei dem errichteten Freisitz und Carport handele es sich nicht um eine einheitliche bauliche Anlage, weshalb diese jeweils für sich genommen zu betrachten sei, kann nicht gefolgt werden, da sich die Grenzbebauung sowohl optisch als auch konstruktiv als eine Einheit darstellt, die nicht in zwei voneinander unabhängige Teile aufgeteilt werden kann.

Daher ist die bestehende 12 m lange Grenzbebauung als eine einheitliche - genehmigungspflichtige - Anlage zu betrachten.

2. Die streitgegenständliche Grenzbebauung widerspricht jedenfalls insoweit dem materiellen Baurecht, als sie die Länge von 9 m überschreitet. Sie verstößt gegen die Vorschriften des Bauordnungsrechts und ist damit nicht genehmigungsfähig.

Die an der Grundstücksgrenze errichtete Holzbetonkonstruktion mit einer Länge von 12 m unterliegt nicht der Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO und ist damit abstandsflächenrelevant. Da die erforderlichen gesetzlichen Abstandsflächen nicht auf dem Grundstück des Klägers eingehalten werden können bzw. keine entsprechende Abstandsflächenübernahme von Seite des Eigentümers des westlich angrenzenden Grundstücks besteht und auch kein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO gegeben ist, kann eine Baugenehmigung für die bestehende Grenzbebauung nachträglich nicht erteilt werden.

2.1 Gemäß Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO sind in den Abstandsflächen der Gebäude ohne eigene Abstandsfläche Garagen einschließlich deren Nebenräume mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Da vorliegend die Gesamtlänge von 9 m überschritten wird, ist die Privilegierungsnorm des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO nicht anzuwenden.

Die Abstandsflächenrelevanz der bestehenden Grenzbebauung scheidet vorliegend auch nicht etwa deswegen aus, da es sich dabei um eine nicht überdeckte Konstruktion handelt.

Zwar regelt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass vor den Außenwänden von oberirdischen Gebäuden grundsätzlich Abstandsflächen einzuhalten sind. Ein Gebäude im Sinne des Art. 6 Abs. 1 BayBO ist nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 2 BayBO eine selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlage (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO), die von Menschen betreten werden kann. Eine Überdeckung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO muss jedoch auf eine gewisse Dauer eingefügt sein und eine bestimmte Festigkeit und Verbindung mit den Trägern haben. Voraussetzung für das Vorliegen einer Überdachung ist daher eine Abgrenzung zum Freiraum und Abschirmung gegenüber Witterungseinflüssen (vgl. vgl. Dirnberger in: Simon/Busse, BayBO, 122. EL Januar 2016, Art. 2 Rn. 246; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 16.2.2016 - OVG 10 N 22.13 - juris Rn. 8). Bei einer Markise, die auf eine feste, mit dem Erdboden verbundene Konstruktion angebracht ist, handelt es nach der Rechtsprechung um eine Überdachung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO, auch wenn diese zeitweilig, witterungsbedingt angebracht und wieder entfernt werden kann, sodass ein mit der Markise versehener Freisitz vorliegend abstandsflächenrelevant wäre (vgl. OVG NRW, U.v. 16.5.1997 - 7 A 6272/95 - juris Rn. 12 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 9.10.1986 - 26 B 84 A.2610 - BRS 46 Nr. 133).

Jedoch auch wenn der streitgegenständliche Freisitz im Anschluss an den 9 m langen Carport ohne Überdachung belassen wird, ist die Abstandflächenrelevanz der Gesamtanlage an der westlichen Grundstücksgrenze zu bejahen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenze auch vor anderen Anlagen, von denen gebäudegleiche Wirkungen ausgehen, erforderlich. Ob einer Anlage oder Einrichtung gebäudegleiche Wirkungen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO zukommen, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts bestimmen. Von Bedeutung sind dabei nicht nur die Größe der Anlage, sondern etwa auch das Material, aus dem sie besteht, sowie ihre Zweckbestimmung. Erforderlich ist eine Würdigung der mit den Abstandsflächenbestimmungen verfolgten Zielsetzungen, wie bspw. Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung eines Grundstücks als Grundlage für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Verhinderung der Brandübertragung und Wahrung des Wohnfriedens (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris).

Bei der streitgegenständlichen baulichen Anlage an der Grundstücksgrenze, die aus Sicht des Gerichts als eine einheitliche bauliche Anlage zu beurteilen ist, handelt es sich um eine massive Konstruktion in Form eines Holzgerüstes, das auf fest mit dem Erdboden verbundenen Betonsäulen gründet. Die Konstruktion verfügt über eine Gesamtlänge von 12 m und eine Höhe von 3 m und tritt optisch deutlich in Erscheinung, wie insbesondere aus den dem Gericht vorliegenden Satellitenbildern (vgl. www.google.de/maps) ersichtlich ist. Aufgrund der aus quer- und längsverlaufenden Holzlatten bestehenden Überdachungskonstruktion entsteht der Eindruck einer massiven Einhausung. Zwar ist diese Überdachungskonstruktion nicht geeignet, gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Sie wirkt jedoch wie eine 12 m lange Einhausung direkt an der Grundstücksgrenze, die insbesondere gegenüber dem westlichen Nachbar eine gebäudegleiche Wirkung hat. Wegen der Massivität der Gesamtanlage sind Belange der Belichtung und Belüftung vorliegend beeinträchtigt.

Im Übrigen erscheint der Vortrag der Klägerseite, es sei keine Überdachung des Freisitzes geplant, insoweit nicht nachvollziehbar, als im südwestlichen Bereich der Holzkonstruktion eine Dachrinne zur Entwässerung des Dachbereichs angebracht ist.

2.2 Die vorliegend gemäß Art. 6 Abs. 1 BayBO anfallenden Abstandsflächen können auf dem klägerischen Grundstück nicht eingehalten werden, da die Anlage direkt an der Grundstücksgrenze errichtet wurde. Da auch keine Abstandsflächenübernahme mit den erforderlichen Abmessungen von 12 m x 3 m besteht, ist einen Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht vorliegend zu bejahen.

2.3 Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu, da es bereits an der erforderlichen atypischen Grundstückssituation fehlt (vgl. BayVGH, B.v. 26.03.2015 - 2 ZB 13.2395). Denn soweit ein sinnvolles Vorhaben auch dergestalt verwirklicht werden kann, dass gleichwohl die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden, kann eine Atypik nicht mehr angenommen werden. Für die Frage der Atypik ist vielmehr von Bedeutung, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks - auch unter den Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO - möglich und zumutbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris). Hier könnte der Abstandsflächenverstoß bereits durch die Kürzung der Grenzbebauung auf die nach Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO zulässigen 9 m ausgeräumt werden.

3. Die Beklagte hat bei dem Erlass der streitgegenständlichen Verfügung rechtsfehlerfrei von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht (Art. 76 BayBO). Sie hat sich bei ihrer Ermessensausübung mit allen relevanten Gesichtspunkten auseinandergesetzt und das private Interesse des Klägers an der Beibehaltung der streitgegenständlichen Grenzbebauung mit dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften - insbesondere unter Berücksichtigung des fehlenden Nachbareinverständnisses - abgewogen. Die von der Beklagten gefundene Ermessensentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

4. Das auf der Grundlage der Art. 29, 31, 36 VwZVG angedrohte Zwangsgeld begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Insbesondere ist die Zwangsgeldhöhe von 2.000,- Euro im Hinblick auf den gesetzlichen Rahmen nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG von mindestens 15,- und höchstens 50.000,- Euro unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an dem Unterbleiben der Beseitigung angemessen.

5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergeht gemäß § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2016 - M 8 K 15.4746

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2016 - M 8 K 15.4746

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2016 - M 8 K 15.4746 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2016 - M 8 K 15.4746 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2016 - M 8 K 15.4746 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. März 2015 - 2 ZB 13.2395

bei uns veröffentlicht am 26.03.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2015 - 2 ZB 13.2522

bei uns veröffentlicht am 17.08.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für da

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann als Nachbarin eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch ihrem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

a) Der erteilten Baugenehmigung fehlt nicht die nötige Bestimmtheit.

Richtig ist, dass im Plan „Lageplan Abstandsflächen“ ein Abstand der Aufschüttung von 0,5 bis 1,5 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze angegeben ist. Dies würde jedoch allenfalls dann die nötige Bestimmtheit der Baugenehmigung entfallen lassen, wenn es der Klägerin nicht möglich wäre, die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen und damit eine mögliche Verletzung der sie schützenden Nachbarrechte zu überprüfen. Vorliegend ist es jedoch nach Abstandsflächenrecht nicht relevant, ob die Aufschüttung unmittelbar an der Grundstücksgrenze beginnt oder von dieser einen gewissen Abstand einhält. Denn eine Erdaufschüttung ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. B.v. 12.11.2001 - 2 ZB 99.3484 - BayVBl 2003, 120) nur dann abstandsflächenrechtlich relevant, wenn von dieser gebäudegleiche Wirkungen ausgehen. Dies hat der Senat für eine Aufschüttung mit einer Höhe von fast 6 m und einer Länge von 180 m bei einer Böschungsneigung von bis zu 33° verneint (zu Art. 6 Abs. 9 BayBO a. F.). Ob einer Anlage oder Einrichtung gebäudegleiche Wirkungen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO zukommen, lässt sich dabei nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts bestimmen. Von Bedeutung sind dabei nicht nur die Größe der Anlage, sondern etwa auch das Material, aus dem sie besteht, sowie ihre Zweckbestimmung. Bei Würdigung der mit den Abstandsflächenbestimmungen verfolgten Zielsetzungen - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung eines Grundstücks als Grundlage für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Verhinderung der Brandübertragung und Wahrung des Wohnfriedens - und der Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesetzgeber mit der von ihm festgelegten Wandhöhe H im Prinzip einen Lichteinfallswinkel von 45° als ausreichend zugrunde gelegt hat, was sich auch darin zeigt, dass Dachflächen nach Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO bei einer Dachneigung von bis zu 45° abstandsflächenrechtlich nicht relevant sind, kann im vorliegenden Fall nicht von einer gebäudegleichen Wirkung der hier mit einer Neigung von 45° sowie einem gesamten Höhenunterschied von etwas über 5 m auf einer Länge von ca. 25 m vorgenommenen Aufschüttung gesprochen werden. Die Aufschüttung setzt zudem auf ein hängiges Gelände auf, das bereits jetzt einen Höhenversatz im Bereich der Aufschüttung von etwas über 5 m hat. Dieser Höhenversatz wird lediglich modelliert und im oberen Bereich eine größere ebene Fläche gestaltet. Da die Aufschüttung als solche somit nicht abstandsflächenrechtlich relevant ist, könnte sie auch unmittelbar an der Grundstücksgrenze beginnen. Entsprechend ist es auch zulässig, die Aufschüttung in einem Abstand von 0,50 m zu errichten oder aber erst in einem Abstand von 1,5 m. Hier wird den Bauherrn - entsprechend ihrem Wunsch - lediglich ein gewisser Spielraum eingeräumt. Eine genaue Festlegung war hingegen gerade nicht erforderlich, so dass eine Unbestimmtheit insoweit ausscheidet (so auch OVG RhPf, U.v. 2.5.2013 - 1 A 11021/12 - IBR 2013, 708).

Die Baugenehmigung ist auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 5.9.1996 - 4 B 162.96 - BRS 58 Nr. 76) nicht unbestimmt. Dort heißt es, dass eine zugunsten eines Nachbarn erlassene Regelung in einer Baugenehmigung nicht deshalb rechtswidrig ist, weil die Überprüfung ihrer Einhaltung nur einem Fachmann zweifelsfrei möglich ist. Zum einen lässt sich die Einhaltung der Regelung, nämlich ob die Aufschüttung nun in einem Abstand von 0,5 m bis 1,5 m errichtet worden ist, ohne weiteres auch von einem Laien überprüfen. Zum anderen handelt es sich schon nicht um eine Regelung in der Baugenehmigung, die zugunsten der Klägerin als Nachbarin erlassen wurde, weil sie gerade nicht der Einhaltung des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts dient, sondern lediglich den Bauherrn einen Spielraum bei der Ausführung des Bauvorhabens gibt. Die Aufschüttung ist nicht abstandsflächenrechtlich relevant.

Auch hinsichtlich der Höhenangaben sind die eingereichten und genehmigten Bauvorlagen nicht widersprüchlich. Insbesondere stimmt der „Lageplan Abstandsflächen“ mit den beiden Plänen „Längsschnitte“ und „Querschnitte“ bezüglich der jeweils darin eingetragenen Höhenangaben überein. Es ist nicht substantiiert von Seiten der Klägerin dargelegt, wo genau sich in den genehmigten Plänen lediglich „eine Höhe der Geländeauffüllung von bis zu 2,8 m“ ergeben soll. Vielmehr entsprechen die in den jeweiligen Schnitten angegebenen Höhenmaße den auf dem „Lageplan Abstandsflächen“ eingezeichneten Höhenmaßen am jeweiligen Punkt. So weist der Längsschnitt 0+8,00 m am Schnittpunkt mit dem Querschnitt 0+10,00 m eine Höhe 358,40 m auf. Auf dem „Lageplan Abstandsflächen“ befindet sich in unmittelbarer Nähe dieses Schnittpunkts die Höhenangabe 358,35 m, welche auch von der Klägerin mehrfach genannt wird. Eine Divergenz zwischen dem „Lageplan Abstandsflächen“ und den Plänen „Längsschnitte“ und „Querschnitte“ dahingehend, dass dort lediglich ein Höhenunterschied von 2,8 m für die Aufschüttung gezeigt werde, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Klägerin verkennt vermutlich, dass zwar der Höhenunterschied von der Grundstücksgrenze zum höchsten Punkt der Aufschüttung etwas mehr als 5 m beträgt, die Aufschüttung als solche jedoch für sich genommen auf dem natürlichen Gelände aufsetzt und entsprechend niedriger ist.

b) Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme liegt nicht vor (§ 34 Abs. 1 BauGB, § 15 Abs. 1 BauNVO). Die Klägerin beruft sich insoweit auf eine erdrückende Wirkung der Aufschüttung auf dem Grundstück der Beigeladenen. Die sogenannte erdrückende Wirkung von Gebäuden auf die Nachbarbebauung kann eine Verletzung von Nachbarrechten darstellen. Sie ist jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen gegeben. In Betracht kommt eine besonders große Kubatur des Gebäudes, durch das bei den Bewohnern benachbarter Häuser in besonderer Weise unverhältnismäßige Belastungen im Sinn einer erdrückenden Wirkung eintreten können (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Februar 2015. § 34 Rd. 142). Zudem können auch Einsichtsmöglichkeiten zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme führen, jedoch nur dann wenn die Abstände so gering sind, dass nicht mehr zumutbare Einsichtsmöglichkeiten auf Nachbargrundstücke eröffnet werden (vgl. OVG LSA, U.v. 22.6.2006 - 2 L 910/03 - juris).

Vorliegend lässt sich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht feststellen. Zwar handelt es sich durchaus um eine große Aufschüttung mit einer Höhe von teilweise über 5 m und entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf einer Länge von ca. 26 m. Die dadurch am bestehenden Gebäude geschaffene ebene Fläche für eine Terrasse befindet sich allerdings in einer Entfernung von ca. 2 m am südöstlichen Ende der Aufschüttung und von knapp 6 m im Südwesten (Höhenpunkt 358,35 m) - jeweils ausgehend von der Oberkante Geländeauffüllung. Die Terrasse ist gegenüber der Oberkante Geländeauffüllung noch zum Gebäude hin zurückversetzt und hält einen größeren Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze ein. Das Wohngebäude der Klägerin hingegen ist von der gemeinsamen Grundstücksgrenze mehr als 25 m entfernt und befindet sich nach den Feststellungen des Erstgerichts in etwa auf derselben Höhenlage wie das Gebäude der Beigeladenen und der davor befindlichen Terrasse. Bei diesen örtlichen Gegebenheiten ist eine Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die zusätzlich geschaffenen Einsichtsmöglichkeiten auszuschließen. Zwar mag das Grundstück der Klägerin im jetzigen Gartenbereich noch bebaubar sein, doch ist hier nur die derzeit vorhandene Bebauung zu berücksichtigen. Eine künftige Bebauung könnte zudem im Rahmen der architektonischen Selbsthilfe einen ausreichenden Sozialabstand sicherstellen.

Auch die Höhe und der Umfang der Aufschüttung selbst vermögen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in Form einer erdrückenden Wirkung nicht zu begründen. Der gesamte Bereich war bereits vor der Aufschüttung eine Hanglage, die insbesondere von Osten nach Westen hin bis zur Straße um mehr als 10 m Höhenversatz aufweist. Auch von Norden nach Süden zum Grundstück der Klägerin hin weist das Gelände einen Versatz von bis zu etwas über 5 m auf. Das Gebäude der Beigeladenen liegt auch ohne die Aufschüttung deutlich höher als die gemeinsame Grundstücksgrenze. Angesichts der Entfernung des Gebäudes der Klägerin zur gemeinsamen, im Norden des klägerischen Grundstücks liegenden Grundstücksgrenze erscheint unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen eine erdrückende Wirkung durch die Aufschüttung ausgeschlossen.

c) Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist der Prüfungsumfang gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO beschränkt (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U.v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2454 - BayVBl 2009, 727). Materielles Bauordnungsrecht ist deshalb nicht zu prüfen, es sei denn, dies ist im Rahmen einer vom Bauherrn gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO ausdrücklich beantragten Abweichung geboten. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht zählt somit nicht zum von Art. 59 Satz 1 BayBO vorgegebenen Prüfprogramm. Da vorliegend eine Abweichung nicht beantragt wurde, scheidet eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus.

Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschrift des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen. Zudem hat die Bauaufsichtsbehörde, wie die Klägerin selbst ausführt, die Beigeladenen mehrfach zu einer Änderung ihres Bauantrags aufgefordert, weil die Bauaufsichtsbehörde bei den früheren Fassungen des Bauantrags eine Abstandsflächenverletzung zulasten der Klägerin annahm. Damit ist die Bauaufsichtsbehörde ihren Pflichten aus Art. 65 Abs. 2 BayBO nachgekommen. Die Baugenehmigung erging erst, als die Bauaufsichtsbehörde keine Verletzung des Abstandsflächenrechts mehr erkennen konnte.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen. Zudem fehlt ein substantiierter Vortrag zur Darlegung dieses Zulassungsgrunds.

3. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Insoweit ist bereits fraglich, ob die Klägerin eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung hinreichend dargelegt hat (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf eine Kritik am erstgerichtlichen Urteil. Bei wohlwollender Auslegung betrachtet die Klägerin wohl die Frage als grundsätzlich bedeutsam, ob und in welchem Umfang das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfen ist und welche Folgen es hat, wenn offenkundige Verstöße gegen die Abstandsflächenvorschriften im Rahmen eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nicht geprüft werden. Den ersten Teil der Frage beantwortet bereits das Gesetz. Er ist daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht nach Art. 6 BayBO gehört gemäß dem eindeutigen Wortlaut des Art. 59 Satz 1 BayBO nicht zum Prüfungsumfang im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Der zweite Teil der Frage stützt sich auf die Rechtsauffassung, bei der reinen Verfahrensvorschrift des Art. 65 Abs. 2 BayBO handle es sich um eine drittschützende Norm (vgl. Koehl, BayVBl 2009, 645). Wie bereits unter Ziffer 1. dargelegt, ist dem nicht zu folgen. Mit dieser Auffassung würde die Intention des Gesetzgebers, der das Prüfprogramm aus Gründen der Deregulierung eingeschränkt hat, ad absurdum geführt (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147; B.v. 7.2.2011 - 2 ZB 11.11 - juris). Zudem ist vorliegend die Baugenehmigungsbehörde ihren Pflichten aus Art. 65 Abs. 2 BayBO nachgekommen. Daher käme es auch bei einer Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auf die - wie bereits dargelegt vereinzelt gebliebene - Literaturmeinung an.

4. Ebenso wenig weicht das erstgerichtliche Urteil von der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 5.9.1996 - 4 B 162.96 - BRS 58 Nr. 76) ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Insoweit legt die Klägerin nicht dar, mit welchem Rechtssatz das Verwaltungsgericht hiervon abgewichen sein soll. Sie kritisiert lediglich, dass das Verwaltungsgericht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt sei. Wie bereits unter Ziffer 1. a) dargelegt, lautet die - für den Fall der Klägerin - maßgebliche Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine zugunsten eines Nachbarn erlassene Regelung in einer Baugenehmigung nicht deshalb rechtswidrig ist, weil die Überprüfung ihrer Einhaltung nur einem Fachmann zweifelsfrei möglich ist. Die Klägerin liest in diese Entscheidung dagegen hinein, dass eine Baugenehmigung bei widersprüchlichen Angaben rechtswidrig sei, weil die Überprüfung ihrer Einhaltung nicht einmal einem Fachmann zweifelsfrei möglich sei. Diese Aussage wird in dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht getroffen. Darüber hinaus ist es einem Fachmann ohne weiteres möglich, hier die Bauvorlagen korrekt und zweifelsfrei zu lesen.

Weiterhin beruft sich die Klägerin auf eine Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. U.v. 2.5.2013 - 1 A 11021/12 - IBR 2013, 708). Gerügt werden können im Rahmen des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO jedoch nur Abweichungen von Entscheidungen des zuständigen Oberverwaltungsgerichts, also hier des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Abweichungen von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte rechtfertigen die Zulassung der Berufung aus diesem Grund nicht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 45).

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung haben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die beantragte Dachterrassenumwehrung ist abstandsflächenrelevant. Entgegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO kann die hierfür erforderliche Abstandsfläche nicht auf dem eigenen Grundstück nachgewiesen werden. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO ist die für die Abstandsflächenberechnung maßgebliche Wandhöhe das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Oberer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe ist die Oberkante der Terrassenumwehrung.

a) Die Kläger machen geltend, dass es auf die Ausgestaltung des Bauteils ankomme. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach das Vorliegen einer Außenwand oder eines Außenwandteils grundsätzlich nicht von der Ausgestaltung der Wand abhängt. Nur dann, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise die Wirkung einer Wand nicht gegeben ist, kann von einer Abstandsflächenpflicht nicht mehr ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris). Dies ist hier nicht der Fall. Zwar soll eine transparente Einfassung der Dachterrasse entstehen. Diese ist aber geschlossen und zudem ist zu berücksichtigen, dass auch eine vollständig aus Glas hergestellte Einfriedung deutlich optisch wahrnehmbar ist. Auf die Funktion des Geländers als Absturzsicherung kann in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden. Denn entscheidend ist, wie das zu beurteilende Gebäudeteil konkret ausgestaltet ist.

Der Hinweis der Kläger auf die Regelung des Art. 6 Abs. 8 BayBO führt nicht weiter. Systematisch muss zunächst geprüft werden, wie hoch die Wandhöhe im Sinn von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO ist. Erst in einem zweiten Schritt können bestimmte Bauteile nach Art. 6 Abs. 8 BayBO bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleiben. Im Übrigen greift Art. 6 Abs. 8 Nr. 1 BayBO bereits deshalb nicht, weil kein „vor die Außenwand vortretender Bauteil“ gegeben ist. Vorliegend geht es um die Frage, ob die Terrassenumwehrung als Teil der Außenwand anzusehen ist. Für diese Frage gibt Art. 6 Abs. 8 Nr. 1 BayBO nichts her. Gleiches gilt für Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO. Auch dieser ist vom Wortlaut her nicht einschlägig, da keine untergeordnete „Dachgaube“ vorliegt. Für die hier zu beurteilende Fragestellung ist auch diese Vorschrift unergiebig.

b) Es kann nicht beanstandet werden, dass das Erstgericht die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO verneint hat.

Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2002 - 2 CS 01.1506 - juris; B.v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Bei der Zulassung einer Abweichung ist eine atypische Situation zu fordern. In besonderen städtebaulichen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; U. v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B.v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Recht eine Atypik verneint. Richtig ist, dass im vorliegenden Fall ein historisch gewachsener Bebauungszusammenhang vorliegt. Jedoch reicht dies nicht aus, um eine atypische Grundstückssituation zu begründen. Aus den vorliegenden Plänen ist für den Senat ersichtlich, dass keine besonderen Grundstückszuschnitte vorliegen. Auch eine beengte Hinterhofsituation ist für den Senat nicht erkennbar. Dabei kann offen bleiben, ob das Kriterium der Möglichkeit einer sinnvollen Ausnutzung des Grundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 BayBO für die Beurteilung einer atypischen Situation herangezogen werden kann oder ob die sinnvolle Nutzung erst beim Ermessen eine Rolle spielt. Denn jedenfalls sind nach den hier vorliegenden objektiven grundstücksbezogenen Gegebenheiten keine Besonderheiten ersichtlich, die die Annahme einer Atypik rechtfertigen würden.

Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass der Normzweck auch anders erreicht werden könnte und diesbezüglich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2009 (Az 22 BV 08.3427 - juris) verweisen, verfängt dies nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, wieso die Grundsätze dieser Entscheidung hier nicht anwendbar sind (UA S. 14-15).

Konsequenterweise hat das Verwaltungsgericht mangels einer atypischen Lage Ermessensgesichtspunkte nicht mehr geprüft.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten. Dabei ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Frage der Einstufung von Terrassenumwehrungen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt und im Einzelfall nach natürlicher Betrachtungsweise zu beantworten. Soweit die Kläger geltend machen, dass das Vorliegen einer Atypik regelmäßig in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aufgrund der Lage eines Grundstücks im dicht bebauten Innenstadtbereich objektiv bejaht wird, ist dies nicht zutreffend (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris). Der Begriff der Atypik im Rahmen der Prüfung des Art. 63 BayBO ist in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt.

Bei dem vorliegenden einfachen Sachverhalt erkennt der Senat auch keine tatsächlichen Schwierigkeiten. Aufzugs- und Balkonanbauten bzw. Dachterrassenerrichtungen im innerstädtischen Bereich werfen keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.