Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 16.3180

bei uns veröffentlicht am08.09.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Vormerkung für eine Sozialwohnung mit höherer Dringlichkeit.

Der am... geborene Kläger stellte am ... Mai 2016 bei der Beklagten einen Antrag auf Registrierung für eine öffentlich geförderte Wohnung für sich, seine Ehefrau und zwei Kinder (geb. in den Jahren 2006 und 2010; Bl. 1 der Behördenakte - BA). Zur Begründung gab er an, der Vermieter habe ihnen geschrieben, die Mietwohnung werde verkauft (Bl. 3 BA).

Zum Zeitpunkt der Antragstellung wohnte der Kläger mit seiner Familie in einer 55 qm großen 2-Zimmer-Wohnung mit Küche in der ...-strasse ... in München. Aus dem vorgelegten Mietvertrag ergibt sich, dass das Mietverhältnis bis 31. Juli 2016 befristet ist (Bl. 14 BA). Der Vermieter teilte dem Kläger mit Schreiben vom ... März 2016 mit, dass beabsichtigt sei, die Wohnung zu verkaufen. Ein Immobilienbüro soll die Wohnungen vermarkten und veräußern. Der Kläger solle dies soweit wie möglich unterstützen (Bl. 16 BA).

Die interne Prüfung der Beklagten der Mitteilung des Vermieters an den Kläger vom ... März 2016 ergab, dass der Verkauf einer Wohnung kein rechtlich zulässiger Kündigungsgrund sei. Auch sei der Zeitmietvertrag nicht qualifiziert befristet, da die Modernisierungsmaßnahmen zu pauschal genannt seien und der Eigenbedarf wohl nicht gegeben sei (Bl. 17 BA).

Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 wurde der Kläger von der Beklagten für eine öffentlich geförderte 3 ½ - Zimmerwohnung mit 89 Gesamtpunkten (80 Grundpunkte, 8 Vorrangpunkte, 1 Anwesenheitspunkt) in Rangstufe I vorgemerkt.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am ... Juli 2016 zur Niederschrift des Gerichts Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid vom 24. Juni 2016 insoweit aufzuheben, als die Dringlichkeit des Vormerkantrags in Rangstufe I lediglich mit 89 Punkten bewertet worden ist und die Beklagte zu verpflichten, die Dringlichkeit des Vormerkantrags in Rangstufe I höher, mit einer Punktzahl zu bewerten, die es ermöglicht, kurzfristig Wohnungsvorschläge zu erhalten.

Zur Begründung machte er geltend, die ihm von der Beklagten zuerkannte Punktezahl sei nicht ausreichend, um kurzfristig Wohnungsvorschläge zu erhalten. Seine Familie und er benötigten dringend eine größere Wohnung; die derzeitige Wohnung sei zu klein. Auf dem freien Wohnungsmarkt hätten sie keine Chance.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 4. August 2016 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Bewertung der Dringlichkeit sei nach der einschlägigen Dienstanweisung (Punktetabelle) erfolgt. Hierbei seien 80 Grundpunkte wegen Überbelegung zuerkannt worden, da der Haushalt beengt untergebracht sei. Es seien 75 Grundpunkte zuzüglich 5 Punkte Erhöhung entsprechend der Ziffer 3 der Dienstanweisung vergeben worden. Eine höhere Bewertung der Dringlichkeit wegen Überbelegung sei nicht möglich. Zusätzlich seien 8 Vorrangpunkte (10% der Grundpunkte) und 1 Anwesenheitspunkt für 3 Jahre Hauptwohnsitzzeiten vergeben worden. Von einer rechtswirksamen Kündigung könne nicht ausgegangen werden, was aber ohnehin nur mit 74 Grundpunkten zu bewerten wäre, die in den 80 Grundpunkten wegen Überbelegung aufgehen würden.

Zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2016 entschieden werden, obwohl der Kläger hierzu nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 18. August 2016 form- und fristgerecht zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde ferner darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2016, mit dem der Kläger mit 89 Gesamtpunkten in Rangstufe I für eine öffentlich geförderte 3 ½ - Zimmerwohnung vorgemerkt wurde, erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist Art. 5 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG). Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).

Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14. 04. 1999 - 24 S 99.110).

Die Bewertung des vom Kläger vorgetragenen Lebenssachverhaltes mit 80 Grundpunkten ist vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden. Die geltend gemachte Überbelegung wurde zu Recht mit 75 Grundpunkten eingestuft (4 Personen in 2 Räumen mit Küche). Da in der Familie Kinder leben, wurde die Überbelegung zu Recht gem. 3. der Punktetabelle mit dem nächsthöheren Wert der Überbelegungspunktetabelle bewertet, d. h. mit 80 Grundpunkten. Die Festsetzung einer höheren Grundpunktezahl scheidet im Vergleich zu anderen Wohnungsnotstandsfällen aus. Auch aufgrund des vorgelegten Vermieterschreibens vom .... März 2016 ist keine weitere Erhöhung der Grundpunktezahl vorzunehmen, da es sich dabei zum einen nicht um ein Kündigungsschreiben handelt, zum anderen selbst eine rechtswirksame Kündigung nur mit 74 Grundpunkten zu bewerten wäre, die in den 80 Grundpunkten wegen Überbelegung aufgehen würden.

Der Kläger hat zu Recht als Mitglied eines Haushalts mit Kindern zusätzlich 10% der Grundpunkte, also 8 Vorrangpunkte, erhalten und 1 Anwesenheitspunkt für die dreijährige Anwesenheit mit Hauptwohnsitz in München.

Die derzeitige Einstufung der Dringlichkeit des Antrags des Klägers mit insgesamt 89 Punkten ist daher rechtmäßig.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 16.3180

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 16.3180

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 16.3180 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Referenzen

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.