Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Feb. 2015 - M 8 S 14.4865

published on 23/02/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Feb. 2015 - M 8 S 14.4865
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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. Mai 2014 (M 8 K 14.1930) gegen den Zustimmungsbescheid des Antragsgegners vom ... März 2014 (Az: ...) wird angeordnet.

II.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf Euro 3.750,-- festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrer Anfechtungsklage vom 5. Mai 2014, bei Gericht eingegangen am 7. Mai 2014, wendet sich die Antragstellerin gegen einen Zustimmungsbescheid des Antragsgegners vom ... März 2014, der der Antragstellerin am 8. April 2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden ist.

Die Antragstellerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und Eigentümerin des Grundstücks ...str. 47, FlNr. ... Auf diesem betreibt die Antragstellerin, eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft, ein Ordenshaus, welches weit überwiegend von betagten Mitgliedern der Ordensgemeinschaft bewohnt wird, wobei nach ihrem Vortrag eine Vielzahl der Wohnräume nach Westen ausgerichtet sei.

Mit dem Bescheid vom ... März 2014 erteilte die Regierung ... dem Staatlichen Bauamt ... die Zustimmung gemäß Art. 73 Abs. 1 BayBO für die Aufstockung des Rückgebäudes der... auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ..., um ein sechstes Obergeschoss. An dieses Vorhabengrundstück grenzt östlich das Grundstück der Antragstellerin an. Unter Ziffer 3 des Bescheidstenors werden die erforderlichen Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO von der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BayBO über die Einhaltung einer Abstandsfläche zu den nördlichen und östlichen Nachbargrundstücken und von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Halbsatz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen zwischen Gebäuden auf dem Baugrundstück (betreffend südliche und westliche Wand des Rückgebäudes zur jeweils gegenüberliegenden Wand der Bestandsgebäude) zugelassen.

In den Bescheidsgründen wird ausgeführt, die Aufstockung sei erforderlich, um der seit Jahren bestehenden allgemeinen Raumnot entgegenzuwirken sowie Flächen zu optimieren, um damit auf geänderte Studienbedingungen z. B. durch die Schaffung von Gruppenräumen zu reagieren. Im Einzelnen sollen fünf neue Büros mit je 18,90 m², zwei Seminarräume mit ca. 69 m² und 70 m², 14 abschließbare Einzelarbeitsplätze mit 3,00 m² für Studenten sowie zwei neue WC-Bereiche geschaffen werden.

Zu den Abweichungen wird ausgeführt, dass diese notwendig seien, da das Rückgebäude mit der beabsichtigten Aufstockung die Abstandsfläche von 1 H zu zwei Bestandsgebäuden auf dem Baugrundstück (in westlicher und südlicher Richtung) und zu Grundstücksnachbarn in nördlicher und östlicher Richtung nicht einhalten könne. Ob und inwieweit für das verfahrensgegenständliche Rückgebäude, das bereits im Bestand die genannten Abstandsflächen nicht einhalte, erforderliche Abweichungen vorlägen, könne dahinstehen, da das Vorhaben aufgrund der baulichen Änderung einer abstandsflächenrechtlichen Neubeurteilung bedürfe. Danach sei im Falle der Nichteinhaltung von Abstandsflächen zu prüfen, ob diesem Umstand durch Zulassung abstandsflächenrechtlicher Abweichungen Rechnung getragen werden könne. Vorliegend lägen die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor. Die erforderliche atypische, von der gesetzlichen Regelung nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung könne sich aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben. Eine entsprechende städtebauliche Situation liege hier vor. Durch die Technikaufbauten sei für das Rückgebäude ...str. 28 bereits im Bestand eine Gebäudehöhe vorgegeben, die durch die Aufstockung nicht überschritten werde. Zwar entstehe durch die Aufstockung ein eigenständiges Geschoss (6. OG), das abstandsflächenrechtlich Auswirkungen nur gegenüber zwei Gebäuden auf dem Baugrundstück, nicht aber gegenüber den Nachbargrundstücken habe. Würde hier die besondere städtebauliche Situation (Atypik) und im weiteren die Zulässigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung in Abrede gestellt, könnten notwendige Vorhaben der vorliegenden Art nicht durchgeführt werden. Insoweit sei es erforderlich, für den Fall einer Anpassung vorhandener Bausubstanz an geänderte Nutzungsanforderungen bzw. im Falle notwendiger baulicher Erweiterung (hier: Aufstockung) gegebenenfalls Abweichungen von den generalisierenden Regelungen des Abstandsflächenrechts zuzulassen. Die beabsichtigte Aufstockung als eigenständiges Geschoss nehme die im Bereich der Technikaufbauten begründete Höhe von 23,97 m auf. Nachdem das entstehende sechste Obergeschoss nordseitig und ostseitig im Umfang der Geschosshöhe zurückgesetzt sei, ergebe sich gegenüber dem nördlichen Nachbargrundstück FlNr. ... und den östlichen Nachbargrundstücken FlNrn. ... und ... keine Änderung der abstandsflächenrechtlich zu berücksichtigenden Gebäudehöhe. Die für die Abstandsfläche heranzuziehende Höhe 1 H sei daher weiterhin der Abstand von der Geländeoberfläche bis zur Oberkante des fünften Obergeschosses mit der auch bisher abstandsflächenrechtlich anzusetzenden Höhe von 21,33 m. Insoweit bringe die Baumaßnahme für die Grundstücksnachbarn keine im abstandsflächenrechtlichen Sinne unvertretbaren Auswirkungen mit sich.

Die Abweichungen seien unter Berücksichtigung des Zwecks der Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Der Zweck des Abstandsflächenrechts bestehe vor allem darin, eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten, was auch nach Durchführung der Baumaßnahme gewahrt sei. Die Zulassung der abstandsflächenrechtlichen Abweichungen werde auch der Anforderung an eine rechtmäßige Ermessensausübung gerecht, die sich im Wesentlichen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gleichheitssatz zu orientieren habe. Diesen Grundsätzen werde insbesondere dadurch Rechnung getragen, dass die von der Universität zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten und in Form der Aufstockung verwirklichten Räumlichkeiten zu keinen im Sinne des Abstandsflächenrechts negativen Auswirkungen gegenüber den Nachbarn führten. Bei der hier gegebenen baulichen und abstandsflächenrechtlichen Situation sei es ermessensgerecht, die Abweichungen zuzulassen.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2014 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. Mai 2014 gegen den Zustimmungsbescheid des Antragsgegners vom ... März 2014 (Az: *...) wird angeordnet.

Zur Begründung wurde auf die im Hauptsacheverfahren eingereichten Schriftsätze vom 15. Mai 2014 und 10. September 2014 verwiesen, woraus sich die Rechtswidrigkeit der Zustimmung zur Aufstockung wegen der Verletzung der nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften ergebe. Dies sei nach Auffassung der Antragstellerseite offensichtlich, so dass dem Antrag im Sinne der Evidenzrechtsprechung bereits aus diesem Grunde stattzugeben sei. Zumindest bestünden aber begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. In diesem Fall sei eine Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse des Bauherrn einerseits und dem Aussetzungsinteresse des Nachbarn andererseits vorzunehmen. § 212 a Abs. 1 BauGB entziehe lediglich profilaktisch erhobenen Nachbarklagen im Sinne von „Bauverhinderungsklagen“ den Suspensiveffekt, wovon vorliegend nicht die Rede sein könne. Eine Verletzung geschützter Nachbarrechte könne nicht ausgeschlossen werden, worauf auch der erhebliche Begründungsaufwand des Antragsgegners zur Bewältigung der Abstandsflächenproblematik hindeute. Der Bauherr sei darüber hinaus eine staatliche Einrichtung und unterliege deswegen in besonderem Maße der Bindung an Gesetz und Recht. Das Bauvorhaben sei im Verhältnis zum gesamten Raumprogramm der ... als untergeordnet bzw. marginal zu bezeichnen. Es könne schlechterdings nicht davon ausgegangen werden, dass eine gewisse Verzögerung zu spürbaren oder gar nennenswerten Beeinträchtigungen des Lehrbetriebs der Universität führe. Demgegenüber stehe das Interesse der Antragstellerin, dass die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werde. Sei das Terrassengeschoss erst errichtet, sei nicht anzunehmen, dass es im Falle eines klagestattgebenden Urteils wieder beseitigt werden würde.

Das Vorhabensgebäude verfüge derzeit über sechs Geschosse, die Wandhöhe betrage unter Einschluss der Attika des sechsten Geschosses 21,33 m. Die Breite des Gebäudes gegenüber den östlich angrenzenden Grundstücken betrage 43,95 m, der Gebäudeabstand zur Grenze des Grundstücks der Antragstellerin betrage 11,50 m. Über dem sechsten Geschoss befinde sich derzeit ein Technikgeschoss, das mit seiner Breitseite mit 25 m bei einer Tiefe von 7 m nach Osten ausgerichtet sei. Es habe eine Geschossfläche von 175 m² und sei um 7 m von der östlichen Außenwand der darunterliegenden Geschosse abgerückt und habe eine Höhe von 3,64 m. Das Technikgeschoss solle beseitigt werden und an seine Stelle ein siebtes Geschoss mit einer Breite von 39,65 m x 17,25 m Tiefe und mit einer Geschossfläche von 683,96 m² treten. Das neue Geschoss sei bei einer Höhe von ebenfalls 3,64 m lediglich um 4,50 m von der östlichen Fassade der darunterliegenden Geschosse zurückgesetzt. Seine Geschossfläche solle damit fast das 4-fache der Geschossfläche des zu beseitigenden Dachgeschosses betragen. Es entstünden Aufenthaltsräume, die u. a. auch durch Fenster in der Ostfassade belichtet würden.

Die Zustimmung nach Art. 73 BayBO sei rechtswidrig, der Antragsgegner habe den Antrag auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BayBO zu den östlichen Grundstücken und damit zu dem Grundstück der Antragstellerin zu Unrecht die Zustimmung erteilt. Das Gebäude halte bereits im Bestand die erforderliche Abstandsfläche von 1 H gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin nicht ein. Aufgrund der baulichen Änderungen bedürfe das Vorhaben einer abstandsflächenrechtlichen Neubeurteilung. Diese müsse zu einer negativen Beurteilung führen, da es bereits an der für die Erteilung einer Abweichung gebotenen Atypik fehle. Zudem seien das bisherige Technikgeschoss und das neue siebte Geschoss in ihren Auswirkungen auf die östlichen Nachbargrundstücke nicht vergleichbar, so dass eine Vertiefung der bereits bestehenden Abstandsflächenverletzung erfolge.

Die für eine Abweichung erforderliche Atypik werde mit dem Vorliegen einer besonderen städtebaulichen Situation begründet, die jedoch nicht nachvollziehbar begründet werde. Es werde lediglich ausgeführt, dass bei einer Verneinung einer besonderen städtebaulichen Situation bzw. Atypik, notwendige Vorhaben der vorliegenden Art nicht durchgeführt werden könnten. Die Unmöglichkeit der Durchführbarkeit des Vorhabens bei Beachtung des Abstandsflächenrechts solle also nach dieser Argumentation die besondere städtebauliche Situation und damit die erforderliche Atypik begründen. Die Unmöglichkeit der Durchführung des Vorhabens sei aber keine Frage einer besonderen städtebaulichen Situation als mögliche Fallgruppe einer Atypik. Erschwernisse oder gar die Unmöglichkeit der Durchführung des Vorhabens begründeten die Atypik gerade nicht. Vielmehr sei das Vorliegen einer besonderen städtebaulichen Situation in dem Sinne zu verstehen, dass Belange des Städtebaus die Zulassung einer Abweichung rechtfertigten. Welcher städtebauliche Belang vorliegend die Aufstockung eines im Übrigen planungsrechtlich zweifelhaften rückwärtigen Solitärs rechtfertigen könnte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Aufstockung diene allein der Erfüllung von Raumbedürfnissen der ***, also subjektiven Bedürfnissen.

Gegen die Argumentation des Antragsgegners, durch die vorhandenen Technikaufbauten sei bereits im Bestand eine Gebäudehöhe vorgegeben, die durch die Aufstockung nicht überschritten werde, so dass das durch die Aufstockung entstehende eigenständige Geschoss keine abstandsflächenrechtlichen Auswirkungen gegenüber den Nachbargrundstücken habe, wird vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin eingewandt, aufgrund der tatsächlichen baulichen Umstände sei diese Einschätzung fehlerhaft. Zutreffend sei allein die gleiche Höhe der beiden Geschosse, ansonsten unterschieden sich diese gravierend. Das vorhandene Technikgeschoss sei mit seiner für das Grundstück der Antragstellerin relevanten Breitseite von 25 m wesentlich kürzer als das Neugeschoss. Es sei westlich weiter von der Kante der darunterliegenden Geschosse zurückgesetzt. Vor allem enthalte es keine Aufenthaltsräume, so dass es keinerlei Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Antragstellerin ermögliche. Dagegen rücke das neu hinzutretende Geschoss bei gleicher Höhe, aber mit einer Breite von fast 40 m deutlich näher an die Kante der darunterliegenden Geschosse heran. Es enthalte Aufenthaltsräume mit einer Befensterung nach Osten, so dass völlig neue und stark erweiterte Einblicksmöglichkeiten in das Wohngrundstück der Antragstellerin ermöglicht würden. Dies müsse die Antragstellerin nicht hinnehmen, da es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs einer Abweichung entgegenstehe, wenn durch einen Umbau der Wohnfriede des Nachbarn durch Einsicht aus nächster Nähe gestört werden könne (BayVGH, B.v. 1.7.1993 - 2 CS 93.1437, BRS 55, 528).

Mit Schreiben vom 20. November 2014 wies der Berichterstatter der erkennenden Kammer den Vertreter des Antragsgegners darauf hin, dass in den Planunterlagen kein Abstandsflächenplan enthalten sei. Daraufhin wurde mit Schreiben vom 27. Januar 2015 vom Vertreter des Beklagten eine Stellungnahme der Regierung ... vom 23. Januar 2015 vorgelegt. Danach sei vom Staatlichen Bauamt ... bei der Anhörung der ... nach Art. 73 Abs. 1 Satz 3 BayBO auch ein Abstandsflächenplan vorgelegt worden. In diesem Plan sei an der Ostfassade des verfahrensgegenständlichen Gebäudes 1 H mit 25,40 m eingetragen. Dieses Maß stimme nicht und widerspreche auch den anderen eingereichten Planunterlagen, weshalb im weiteren Verfahren der Plan nicht mehr vorgelegt worden sei. Die Regierung ... ... habe im Zustimmungsverfahren von der Anforderung eines eigenständigen Abstandsflächenplans abgesehen, da sich aus den vorgelegten Verfahrens- und Planunterlagen die abstandsflächenrechtliche Situation, soweit für die Beurteilung des Vorhabens erforderlich, habe nachvollziehen lassen. Insbesondere sei vorliegend zu berücksichtigen, dass sich hinsichtlich der abstandsflächenrelevanten Höhe des Rückgebäudes ...str. 28 durch die beabsichtigte Baumaßnahme keine Änderung der bisher bereits maßgeblichen Gebäudehöhe zum Grundstück der Antragstellerin ergebe (1 H = 21,33 m). Im Bedarfsfall könne ein aktualisierter Abstandsflächenplan nachgereicht und zum Gegenstand der Zustimmungsentscheidung erklärt werden. Weiter habe das Staatliche Bauamt ... zur Frage des Baubeginns mitgeteilt, dass der Zuschlag der ersten Bauleistung spätestens bis Mitte Februar und der Beginn der ersten Bauleistung bis Mitte März 2015 zu erfolgen habe. Die Regierung ... habe das Staatliche Bauamt ... gleichwohl gebeten, nicht vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren mit der Baumaßnahme zu beginnen.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 hat sich die Prozessvertretung der Regierung ... für den Antragsgegner bestellt und mit Schreiben vom 19. Februar 2015 beantragt:

Der Eilantrag wird abgelehnt.

Zur Begründung wurde auf die Stellungnahme im Hauptsacheverfahren verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg, da die in der Hauptsache von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben wird, da die angefochtene Zustimmung vom ... März 2014 bei summarischer Prüfung nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 RdNr. 146; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 RdNr. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt, a. a. O., § 80 RdNr. 73 f.).

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Zustimmung zugelassene Bauvorhaben in bauordnungsrechtlicher Hinsicht möglicherweise gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Zustimmungsverfahren zu prüfen waren, Art. 73 Abs. 2 Satz 3 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung - und entsprechend gegen einen Zustimmungsbescheid - nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris RdNr. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009, a. a. O.). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 - 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58 - juris RdNr. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 - 2 CS 08/2132 - juris RdNr. 3).

Für die hier streitgegenständliche bauaufsichtliche Zustimmung nach Art. 73 BayBO gilt entsprechendes. Die beabsichtigte Aufstockung des Universitätsgebäudes bedarf im Hinblick auf Art. 73 Abs. 1 Satz 4 BayBO einer bauaufsichtlichen Zustimmung, da sie zur Erweiterung des Bauvolumens führt, so dass dieses nicht verfahrensfreie Bauvorhaben gemäß Art. 73 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BayBO einer Zustimmung der Regierung... bedarf. Gemäß Art. 73 Abs. 2 Satz 2 BayBO entscheidet die Regierung... über Abweichungen von sonstigen Vorschriften, soweit sie drittschützend sind. Vorliegend wurden Abweichungen gemäß Art. 63 BayBO von der Einhaltung der Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO beantragt, so dass die Abstandsflächenvorschriften vom Prüfungsumfang im bauaufsichtlichen Zustimmungsverfahren erfasst sind.

3. Bei der Zulassung einer Abweichung von einer dem Nachbarschutz dienenden Vorschrift des Bauordnungsrechts kann der Nachbar nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen, sondern ist er auch dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Abweichung aus einem anderen Grunde objektiv rechtswidrig ist (BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris RdNr. 17). Die Vorschriften des Abstandsflächenrechts dienen in ihrer Gesamtheit dem Schutz der Nachbarn (BayVGH, U.v. 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224, BayVBl. 1986, 143, 145 - juris nur LS 3).

Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt werden kann (die dann im Wege der Abweichung zuzulassen ist), wird der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, regelmäßig nur dann erreicht, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, B.v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris RdNr. 16; B.v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris RdNr. 8; B.v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris RdNr. 2; B. v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris RdNr. 24; B.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris RdNr. 22; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris RdNr. 16; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris RdNr. 23; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris RdNr. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231, BayVBl. 2012, 535 - juris RdNr. 16; B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris RdNr. 4). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris RdNr. 16; B.v. 22.9.2006 - 25 ZB 01.1004 - juris RdNr. 4; B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris RdNr. 4). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik, da Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris RdNr. 4).

Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B.v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris RdNr. 16). Demgegenüber ist in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen eine atypische Situation dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris RdNr. 23). Zu berücksichtigen ist schließlich, dass tatsächlich vorhandene abstandsflächenwidrige Bebauungsverhältnisse nach Möglichkeit bereinigt und nicht verewigt werden sollen (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.2006 - 25 B 05.1714, BayVBl. 2007, 276 - juris RdNr. 20), weshalb eine Abstandsflächenüberschreitung durch einen Altbestand als solche und für sich allein nicht geeignet ist, die erforderliche Atypik zu begründen. Die erforderliche Atypik ist in Bezug auf die Einhaltung der Abstandsflächen des Art. 6 Abs. 5 BayBO nicht stets allein schon deshalb gegeben, weil das Vorhaben Außenwände eines Altbestands einbezieht, der die Abstandsflächenvorschriften nicht einhält (BayVGH, B. v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris RdNr. 8). Die gesetzlichen Ziele, ein bestimmtes Mindestmaß an Belichtung, Belüftung und Wohnfrieden sicherzustellen, gelten vielmehr für Neubauten und Umbauten gleichermaßen. Dass der Bauherr dadurch vor die Wahl gestellt ist, entweder seinen vom Gesetz abweichenden Altbestand im bisherigen Umfang weiter zu nutzen oder bei einer neuen Genehmigung das geltende Recht einzuhalten, ist im Gesetz selbst angelegt und kann nicht als anormaler, nicht bedachter Ausnahmefall angesehen werden (BayVGH, B. v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris RdNr. 8). Das Vorhandensein eines Altbestandes stellt lediglich eine objektive Gegebenheit dar, die bei Hinzutreten weiterer objektiver Umstände - z. B. Anforderungen der Stadtgestaltung - im Einzelfall eine atypische Sondersituation begründen kann.

Liegt die erforderliche Atypik vor, ist weitere Voraussetzung die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).

4. Eine derartige atypische Sondersituation ist im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung voraussichtlich nicht gegeben. Das vorhandene Gebäude nutzt die in ihm angelegten wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten bereits jetzt unter Verkürzung der Abstandsflächen zu den östlich gelegenen Nachbargrundstücken aus. Das neue Bauvorhaben mit der vorgesehenen Aufstockung dient der weiteren Optimierung dieses Sachverhalts, ist also nicht etwa die Folge einer durch den Altbestand vorgegebenen Zwangslage.

Der Umbau ist für die Antragstellerin als Grundstücksnachbarin auch nicht völlig irrelevant. Auch wenn sich rechnerisch wegen der zurückgesetzten Ausführung der Aufstockung im Osten die Abstandsfläche nicht ändert, so wird doch die Wirkung gegenüber dem jetzt vorhandenen Technikgeschoss mit einer Breite von 25 m durch das vorgesehene siebte Geschoss mit einer Breite von 39,65 m erheblich verstärkt und damit tatsächlich eine Verschlechterung der Verhältnisse auf den östlich angrenzenden Nachbargrundstücken bewirkt. Allein aus dem Umstand, dass das vorhandene Bestandsgebäude bereits die Abstandsflächen nicht einhält und aufgrund der zurückgesetzten Ausführung des Vorhabens durch die Aufstockung rechnerisch keine weitergehenden Abstandsflächen anfallen, kann keine Atypik hergeleitet werden.

Da somit die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg haben wird, erscheint es interessengerecht, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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published on 20/11/2014 00:00

Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. September 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Feb
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.