Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Jan. 2016 - M 8 E1 15.4687

bei uns veröffentlicht am14.01.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750.- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens ...-straße 4 in ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Sie wendet sich gegen die Errichtung einer „Dachterrasse“ auf einer den Beigeladenen mit Baugenehmigung vom ... Juli 2014 genehmigten Garage und begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Bauarbeiten auf dem benachbarten Grundstück ...-straße 2a zur Errichtung einer Dachterrasse durch Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen.

Mit Bescheid vom ... Juli 2014 hatte die Antragsgegnerin unter Pl.Nr. ... eine Baugenehmigung für das Grundstück ...-str. 2, Fl.Nr. ... der Gemarkung ... für den Neubau eines Doppelhauses mit Garagen als Tektur zu Pl.Nr. ... im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt. Zu dem genehmigten Vorhaben gehört u. a. die Errichtung einer Garage unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Anwesen der Antragstellerin.

Mit Schreiben vom 7. September 2015 beantragten die Bevollmächtigten der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin, unverzüglich eine Baueinstellungsverfügung und gegebenenfalls eine Baubeseitigungsanordnung zu erlassen.

Mit Schreiben vom 14. September 2015 erklärte das bauausführende Unternehmen gegenüber der Antragsgegnerin, dass das Carportdach nicht als Dachterrasse oder Balkon genutzt werde. Die Fenstertüren im 1. Stock dienten lediglich zum Austritt für Wartungs- oder Reinigungsarbeiten.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2015 teilte die Antragsgegnerin den Bevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass es nicht zulässig sei, dem Bauherrn Nutzungsabsichten zu unterstellen, die sich aus den konkret vorliegenden Unterlagen nicht ergäben. Es liege grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, ob und in welcher Form sie bauaufsichtlich tätig werde.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2015, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, beantragten die Bevollmächtigten der Antragstellerin,

der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, die Bauarbeiten zur Errichtung einer Dachterrasse auf einer ebenfalls neu errichteten Garage auf dem Anwesen...-straße 2, ... durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig still zu legen.

Man habe mit Schreiben vom 7. September 2015 bei der Antragsgegnerin eine unverzügliche Baueinstellungsverfügung beantragt. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2015 habe sich die Antragsgegnerin endgültig geweigert, eine solche zu erlassen. Es bestehe sowohl ein Anordnungsgrund wie ein Anordnungsanspruch. Die begehrte einstweilige Anordnung sei nötig, weil die Antragsgegnerin ein Einschreiten ablehne und die zügige Ausführung des Vorhabens die Verwirklichung des Abwehranspruchs der Antragstellerin vereiteln oder zumindest wesentlich erschweren werde. Die Garage auf dem Nachbargrundstück werde nunmehr als Carport ausgeführt und statt des Flachdaches eine Dachterrasse gebaut. Die im genehmigten Bauplan enthaltenen normalen Fenster seien zu Türen umgebaut worden, um auf das als Terrasse zu nutzende Carportdach gelangen zu können. Die so entstehende Dachterrasse sei nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Die abstandsflächenrechtliche Situation ändere sich dadurch zulasten der Antragstellerin. Das VG München habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (M 11 K 12.5134) festgestellt, dass bei einer Verschlechterung der abstandsflächenrechtlichen Situation eine neue abstandsflächenrechtliche Gesamtbeurteilung erforderlich sei. Das Anwesen der Antragstellerin werde dadurch noch intensiver einsehbar, zusätzliche Lärm- und Geruchsimmissionen seien zu befürchten. Es sei von nicht hinnehmbaren Störungen zulasten der Antragstellerin auszugehen. Für die Entscheidung über diesen Antrag seien die Grundsätze des intendierten Ermessens gültig, daher hätte ihm zwingend stattgegeben werden müssen (vgl. VG Augsburg, U. v. 7.11.2013 - Au 5 K 12.840).

Mit Schreiben vom 10. November 2015 beantragte die Antragsgegnerin,

der Antrag wird abgelehnt.

Es fehle bereits am Sachverhalt, der einen Anordnungsgrund begründen könnte. Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin und den vorgelegten Fotos sei in keiner Weise ersichtlich, dass die Bauherrin auf der Garage eine Dachterrasse errichte. Allein der Einbau bodentiefer Fenster vermöge den Bau einer Dachterrasse, zu der ein Geländer und ein entsprechender Dachaufbau gehöre, nicht zu begründen.

Mit Schreiben vom 26. November 2015 teilten die Beigeladenen mit, dass eine Nutzung des Carports als Dachterrasse nicht beabsichtigt sei. Man habe lediglich bodentiefe Terrassentüren statt der bodentiefen Fenster eingebaut, um das Garagendach, das entsprechend der erteilten Baugenehmigung zu begrünen sei, regelmäßig ordnungsgemäß warten zu können. Es werde auch keine Terrassenumwehrung angebracht.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 erwiderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin, dass die planabweichende Ausführung der Fenster als Balkon- bzw. Terrassentüren nur geschehen sei, um das Carportdach als Dachterrasse zu nutzen. Es sei nicht glaubhaft, dass dies nur zu Wartungszwecken geschehen sei, denn die Dachkonstruktion des Carports bedürfe keiner Wartung. Die Fertigstellung der beabsichtigten Dachterrasse sei nur im Wege einer einstweiligen Anordnung zu unterbinden.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 erwiderten die Beigeladenen, die Übergabe des fertigen Hauses werde am 16. Dezember 2015 stattfinden. Die unterstellte Dachterrasse sei nicht ausgeführt worden und auch nicht vorhanden. Es gebe kein Geländer oder entsprechende Aufbauten.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2015 ersuchten die Bevollmächtigten der Antragstellerin das Gericht, mit einer Entscheidung bis Ende KW 2 im Jahr 2016 zu warten. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2016 teilten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass nach Rücksprache mit dieser nunmehr über den Antrag entschieden werden möge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen und die vorgelegten Lichtbilder verwiesen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Das Gericht kann nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zwar auch schon vor Klageerhebung einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung dringend notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder um drohende Gewalt zu verhindern (Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 23). Dabei muss der Antragsteller jedoch eine Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechtes oder rechtlich geschützten Interesses (Anordnungsanspruch) geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft machen (§ 123 Abs. 2 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend.

1. Es kann dahin stehen, ob dem Antrag nach § 123 VwGO bereits das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Das bauausführende Unternehmen hat mit Schreiben vom 14. September 2015 gegenüber der Antragsgegnerin erklärt, dass das Geragendach nicht als Dachterrasse/Balkon genutzt werde, sondern die Fenstertüren im 1. Obergeschoss lediglich zum Austritt für Wartungs- und Reinigungsarbeiten dienen sollen. Ferner haben die Beigeladenen mit Schreiben vom 26. November 2015 und vom 14. Dezember 2015 diesen Sachvortrag bestätigt und versichert, dass das Carportdach weder derzeit noch künftig als Dachterrasse genutzt werde. Daher sei auch kein Geländer errichtet und auch zukünftig keine Dachaufbauten zur Errichtung einer Dachterrasse beabsichtigt. Es werde darüber hinaus allen Beteiligten angeboten, nach erfolgter Begrünung ein Foto des Daches zu überlassen. Schließlich wurde auch darauf hingewiesen, dass die Fertigstellung und Übergabe des streitgegenständlichen Anwesens am 16. Dezember 2015 erfolge.

Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin davon ausgeht, dass durch die mittlerweile unbestrittene Baufertigstellung sowie der glaubhaften Erklärungen der Beigeladenen das Rechtschutzbedürfnis für den vorliegenden Eilantrag, der auf Baueinstellung gerichtet ist, nicht entfällt, ist der Antrag nach § 123 VwGO jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.

2. Der Eilantrag ist unbegründet, weil die Antragstellerin weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat und darüber hinaus das Ermessen der Antragsgegnerin auf Erlass einer Baueinstellung nach Art. 75 BayBO nicht zugunsten der Antragstellerin auf Null reduziert ist.

2.1 Die Antragstellerin hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, der es rechtfertigen würde, das im Verfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich geltende Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu durchbrechen.

Für das Gericht ist nicht ersichtlich, warum es ihr nicht möglich sein sollte, bis zur Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, das noch nicht einmal anhängig gemacht worden ist, abzuwarten, ob die Beigeladenen entgegen ihrer mehrfachen Bekundungen das Dach des Carports tatsächlich als Dachterrasse nutzen werden. Eine bauliche Anlage, die die Errichtung einer Dachterrasse belegen oder zumindest ansatzweise nahelegt, ist nicht ersichtlich. So fehlt es an einer erkennbaren Terrassenumwehrung oder einem Bodenbelag, der sich als Terrassenboden eignet. Allein der Umstand, dass statt einem bodentiefen Fenster nunmehr verfahrensfrei zwei Balkontüren an der Ostseite im 1. Obergeschoss verwirklicht wurden, ist nicht geeignet die Errichtung einer Dachterrasse sowie eine unmittelbare drohende Gefährdung eines geschützten Drittrechts der Antragstellerin zu belegen.

Ein Anordnungsgrund ist daher nicht glaubhaft gemacht worden. Der Eilantrag ist schon allein deshalb unbegründet.

Wenn man zugunsten der Antragstellerin unterstellt, dass ein Anordnungsgrund vorliegt, insbesondere mit der gegenwärtig lediglich befürchteten Nutzung des Carportdachs als Dachterrasse bis zum Abschluss des noch nicht anhängigen Hauptsacheverfahrens für die Antragstellerin schlechthin unzumutbare Beeinträchtigungen verbunden sind, dann ist der Antrag gem. § 123 VwGO jedenfalls wegen fehlender Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und einer fehlenden Ermessensreduzierung der Antragsgegnerin auf Null unbegründet.

2.2. Ein Anordnungsanspruch wurde ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der Antragsgegnerin, genauer auf vorläufige Einstellung der Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beigeladenen, kann sich grundsätzlich aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ergeben. Ein Anordnungsanspruch eines Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten setzt jedoch voraus, dass das Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt und das behördliche Ermessen ausnahmsweise auf Null reduziert ist. Beides ist vorliegend weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich.

2.2.1 Die (planabweichende) Errichtung von zwei Balkontüren statt des mit der Baugenehmigung vom ... Juli 2014 genehmigten bodentiefen Fensters ist gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d) BayBO grundsätzlich auch vor Fertigstellung der Anlage verfahrensfrei.

Die Verfahrensfreiheit entbindet die Beigeladenen zwar nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung von Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden und lässt auch die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse der Antragsgegnerin unberührt, Art. 55 Abs. 2 BayBO. Ein bauaufsichtliches Einschreiten setzt allerdings nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO voraus, dass Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden.

2.2.2 Die errichteten Balkontüren an der Ostseite im 1. Obergeschoss stehen jedoch nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die Errichtung der Garage ist mit der bestandskräftigen Baugenehmigung vom ... Juli 2014 genehmigt worden. Jedenfalls solange das Garagendach nicht planabweichend gebaut oder planabweichend als Dachterrasse genutzt wird, ist die Garage mit einer Gesamtlänge von 6 m und einer Höhe von nicht mehr als 3 m als Grenzgarage gem. Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO grundsätzlich zulässig (vgl. zur Dachterrasse auf Grenzgarage BayVGH, B. v. 10.7.2015 - 15 ZB 13.2671 - juris).

Es ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Beigeladenen, entgegen ihrer ausdrücklichen Erklärungen mit Schreiben vom 26. November 2015 und vom 14. Dezember 2015 das Carportdach als Dachterrasse nutzen bzw. trotz Baufertigstellung entgegen ihrer Zusicherung Geländer oder entsprechenden Dachaufbauten zur Errichtung einer Dachterrasse anbringen.

2.3 Schließlich fehlt es darüber hinaus an einer Reduzierung des der Antragsgegnerin zustehenden Ermessens hinsichtlich des Ergreifens bauaufsichtlicher Maßnahmen auf Null.

Grundsätzlich würde ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften, als Rechtsfolge des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO der Bauaufsichtsbehörde ein Ermessen eröffnen, ob und wie sie einschreitet. Entsprechend hat der betroffene Nachbar bei Vorliegen eines Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften gegenüber der Bauaufsichtsbehörde zunächst nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten (Schwarzer/König, 4. Aufl. 2012, BayBO, Art. 54 Rn. 20). Einen Anspruch auf Einschreiten hat der Nachbar grundsätzlich nur, wenn jede andere Entscheidung angesichts der Schwere der Rechtsverletzung auch unter Berücksichtigung der Belange des Bauherrn ermessensfehlerhaft wäre, wenn also das Ermessen zugunsten des Nachbarn „auf Null“ reduziert ist (vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2002 - 2 ZB 00.780 - juris Rn. 2; BayVerfGH, E. v. 3.12.1993 - Vf. 108-VI-92, BayVBl 1994, 110 - juris Rn. 26; BVerwG, U. v. 4.6.1996 - 4 C 15/95, NVwZ-RR 1997, 271 - juris Rn. 17 f.).

Nach diesen Maßstäben ist die bloße Befürchtung der Antragstellerin, dass das Carportdach als Dachterrasse genutzt werde, nicht ausreichend.

Selbst wenn man den ursprünglichen Antrag auf Baueinstellung nach Art. 75 BayBO trotz anwaltlicher Vertretung und trotz ausreichender Gelegenheit zur Antragsumstellung als Antrag auf Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 BayBO auslegen wollte, würden die objektiven äußeren Umstände auch den Erlass einer solchen Nutzungsuntersagung nicht rechtfertigen. Die bloße Unterstellung einer künftig befürchteten Dachterrassennutzung ohne entsprechende bauliche Anlagen wie beispielsweise eine Terrassenumwehrung oder andere objektivierbare Anhaltspunkte würde jedenfalls zu keiner Ermessensreduzierung zugunsten der Antragstellerin „auf Null“ führen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene haben keinen Antrag gestellt und sich daher auch keinem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt, so dass es der Billigkeit i. S. d. § 162 Abs. 3 VwGO entspricht, der Antragstellerin nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. in Verbindung mit Nr. 9.7.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2015 - 15 ZB 13.2671

bei uns veröffentlicht am 10.07.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen den zwangsgeldbewehrten Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2012 mit dem ihnen untersagt wird, die auf ihrer Grenzgarage errichtete Dachterrasse zu nutzen oder nutzen zu lassen (Nr. 1 des Bescheidstenors) und aufgegeben wird, das auf dem Garagendach errichtete Geländer zu beseitigen (Nr. 3 des Bescheidstenors). Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. November 2013 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtmittel der Kläger.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger die Dachterrasse formell illegal errichtet haben, ist nicht ernstlich zweifelhaft.

aa) Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO nichts anderes bestimmt ist. Für die Errichtung von Dachterrassen ist nichts anderes bestimmt.

bb) Insbesondere können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf die Regelung in Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. e BayBO berufen, wonach unbedeutende bauliche Anlagen wie u. a. „Terrassen“ verfahrensfrei sind.

Die Ausnahme von der Genehmigungspflicht für die Errichtung von unbedeutenden baulichen Anlagen wie „Terrassen“ wurde bereits mit der Bayerischen Bauordnung vom 21. August 1969 (GVBl 263) eingeführt (Art. 83 Abs. 1 Nr. 23 BayBO 1969). Spätestens seit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Januar 1979 (69 XV 75 - BayVBl 1979, 501) ist geklärt, dass unter Terrassen in diesem Sinn Anlagen zu verstehen sind, die von einem Gebäude ebenerdig oder nur in geringer Höhe ausgehen. Da Terrassen, wie schon der Begriff zeigt (abgeleitet von lat. terra = Erde, Erdboden), üblicherweise nur ebenerdig oder in geringer Höhe angelegt sind, lässt sich aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. e BayBO nicht entnehmen, dass Dachterrassen verfahrensfrei ausgeführt werden könnten (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO Stand Februar 2015, Art. 57 Rn. 373, 377; Jäde in Dirnberger/Bauer/Weiß, BayBO Stand Februar 2015, Art. 57 Rn. 278; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO Stand April 2015, Art. 57 Rn. 183; grundlegend Troidl, „Genehmigungspflicht und Genehmigungsfähigkeit von Dachterrassen“, BayVBl 2007, 295, jeweils m. w. N.). Hätte der Gesetzgeber auch Dachterrassen verfahrensfrei stellen wollen, ist davon auszugehen, dass er dies angesichts der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur inzwischen ausdrücklich geregelt hätte.

cc) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht weiter davon aus, dass die Dachterrasse keine andere unbedeutende Anlage oder ein unbedeutender Teil einer Anlage i. S.v. Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. e BayBO ist. Dies folgt, neben den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (UA Rn. 33), schon daraus, dass Terrassen als verfahrensfreier Gegenstand in Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. e BayBO selbstständig geregelt sind und Dachterrassen wie zuvor ausgeführt wurde hiervon nicht erfasst sind (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, a. a. O., Art. 57 Rn. 370).

dd) Ob die Genehmigungspflicht daneben auch aus einer Funktionsänderung der unter der Dachterrasse liegenden Grenzgarage folgt, kann - soweit es um die Genehmigungspflichtigkeit der Dachterrasse geht - ebenso offen bleiben, wie die von den Klägern thematisierten Fragen zur abstandsflächenrechtlichen Privilegierung von Grenzgaragen oder Gebäuden ohne Aufenthaltsraum.

b) In materiell-rechtlicher Hinsicht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die errichtete Dachterrasse Abstandsflächen auslöst. Auch dies ist nicht ernstlich zweifelhaft. Insoweit kann dahinstehen, ob dies - worauf das Verwaltungsgericht abstellt - aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO (nachfolgend Doppelbuchst. aa) oder aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 8 Nr. 2 BayBO (nachfolgend Doppelbuchst. bb) folgt.

aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen (von oberirdischen Gebäuden) freizuhalten, die wegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Dies gilt entsprechend für andere Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Als gegenüber einer Garage eigenständige bauliche Anlage ist nach Auffassung von Dirnberger (a. a. O., Art. 6 Rn. 245) zu prüfen, ob die Dachterrasse für sich genommen die Wirkung wie ein Gebäude besitzt. Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht aus, das die Rechtsauffassung von Dirnberger zutreffend wiedergibt. Der gegen diese Auffassung gerichtete Einwand, von einer Terrasse, die ganz ausschließlich über ein Badezimmer aus zu betreten sei, gehe keine Wirkung wie von einem Gebäude aus, weil sie allenfalls kurzfristig betreten werde und keine neuen Sichtbeziehungen eröffnet würden, ist unzutreffend.

Gebäude sind selbstständig benutzbare (nicht: benutzte), überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können (nicht: müssen; vgl. Art. 2 Abs. 2 BayBO). Anlagen, von denen im Hinblick auf die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts (Belichtung, Belüftung, Besonnung, Brandschutz und/oder ggf. Wohnfriede) Wirkungen wie von einem Gebäude ausgehen, wie z. B. Einfriedungen, Mauern, größere Aufschüttungen, Plakatanschlagtafeln, Antennenmasten, Container, Holzstapel u.ä. (vgl. beispielhafte Aufzählung von Dhom in Simon/Busse, a. a. O., Art. 6 Rn. 27) setzen deshalb gerade nicht voraus, dass sie betreten werden, betreten werden können oder Sichtbeziehungen eröffnen.

Darauf, ob das „angebrachte bzw. zurückzubauende Geländer“ „völlig offen und licht gestaltet“ ist, was angesichts der undurchsichtigen Glasflächen in der Sache schon nicht zutrifft, kommt es nicht an, weil das Vorliegen einer Außenwand oder eines Außenwandteils grundsätzlich nicht von der Ausgestaltung der Wand abhängt (BayVGH, B.v. 26.3.2015 - 2 ZB 13.2395 - juris Rn. 3 m. w. N.).

bb) Davon abgesehen würde die Terrasse auch dann Abstandsflächen auslösen, wenn sie nicht auf der Grenzgarage errichtet worden wäre, die darunter liegende Grenzgarage also hinweggedacht (und eine Bodenplatte für die Terrasse hinzugedacht) wird. Nach Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO bleiben nur untergeordnete Vorbauten wie etwa Balkone unter bestimmten Maßvorgaben bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht. Eine Terrasse, die in Höhe des Dachs der oberirdischen Grenzgarage vor die Hauswand tritt, ist „wie ein Balkon“ ein Vorbau i. S. d. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO. Vorbauten lösen demnach, wenn sie - wie hier - die festgelegten Obergrenzen überschreiten, als unselbstständige Bestandteile der Außenwand Abstandsflächen aus (vgl. Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand Februar 2015, Art. 6 Rn. 391 ff., 427 ff. m. w. N.).

cc) Welcher der beiden Herleitungen (vorstehend Doppelbuchst. aa oder bb) zu folgen ist, kann dahinstehen. Auch der umfassend von den Klägern diskutierten Frage, ob mit der Errichtung einer Terrasse auf einem Grenzgebäude i. S.v. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO gleichsam eine Entprivilegierung des darunter liegenden Grenzgebäudes eintritt, muss insoweit nicht nachgegangen werden. Fest steht jedenfalls, dass die Dachterrasse nicht an der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung der Grenzgarage teilhat. Denn Balkone oder Terrassen sind - obschon sie selbst keine Aufenthaltsräume sind - funktional typischerweise der Nutzung von Aufenthaltsräumen zuzurechnen. Grenzgebäude nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO dürfen demgegenüber keine Aufenthaltsräume enthalten. Damit einher geht eine der Nutzung von Aufenthaltsräumen gleichstehende - quasi ins Freie verlagerte - Nutzung auf Balkonen oder Terrassen (vgl. auch Dhom in Simon/Busse, a.a.O, Art. 6 Rn. 546 m. w. N.; Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, a. a. O., Art. 6 Rn. 269, 273). Dem entsprechend ist eine Dachterrasse auf einem privilegierten Grenzgebäude, das lediglich die Bodenplatte der Dachterrasse ersetzt, kein funktionaler Teil des Grenzgebäudes. Dies sehen offenbar auch die Kläger so (vgl. Zulassungsbegründung vom 20.1.2014 S. 12). Ferner ist es ohne Belang, dass die Dachterrasse der Kläger ihren Zugang lagebedingt vom Badezimmer aus hat und ausschließlich dem „Trocknen von Handtüchern o.ä.“ dienen soll (gegen Letzteres spricht allerdings die aufwändige Gestaltung der Dachterrassenumwehrung). Unabhängig davon folgt aus der in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO festgelegten Höhenbegrenzung, dass privilegierte Grenzgebäude eine mittlere Wandhöhe von 3 m nicht überschreiten dürfen. Sähe man also die Dachterrasse als Bestandteil des Grenzgebäudes an, so würde die Dachterrassenumwehrung, deren Oberkante Bezugspunkt für die Berechnung der Wandhöhe ist, die zur Privilegierung einzuhaltende Höhenbegrenzung nicht wahren.

Die Oberkante der errichteten Dachterrassenumwehrung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als oberer Bezugspunkt der nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO („bis zum oberen Abschluss der Wand“) für die Abstandsflächenberechnung maßgebenden Wandhöhe anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2015 - 2 ZB 13.2395 - juris Rn. 2). Unterer Bezugspunkt ist die Geländeoberfläche. Hiernach ist von der Projektion der Dachterassenumwehrung auf die Geländeoberfläche aus gemessen ein Abstand von über 3 m zu den gemeinsamen Grundstücksgrenzen mit den Nachbargrundstücken einzuhalten (Höhe der Garage ca. 2,50 m, Höhe des Geländers ca. 0,9 m). Ob hier die Privilegierung des Art. 6 Abs. 6 BayBO für die Dachterrasse in Anspruch genommen werden darf, hängt u. a. davon ab, in welchem Umfang und an welchen Seiten des baulichen Bestands dieses Abstandsflächenprivileg bereits in Anspruch genommen wird. Vorliegend kann dies offen bleiben, denn selbst dann, wenn die Privilegierung des Art. 6 Abs. 6 BayBO hier zur Anwendung kommen würde, wäre vor der Dachterrassenumwehrung ein Mindestabstand von 3 m zu den Grundstücksgrenzen einzuhalten (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO). Das ist unstreitig nicht der Fall. Die Dachterrasse ist deshalb, so wie sie errichtet wurde, wegen Verletzung der Vorschriften über die Abstandsflächen auch materiell-rechtlich illegal.

c) Ob für den Hilfsantrag der Kläger, den Bescheid der Beklagten dahin abzuändern, dass den Klägern untersagt wird, die auf dem Grundstück errichtete Dachterrasse in einem Bereich zu nutzen, der einen Grenzabstand von 3 m zur nördlichen Grundstücksgrenze unterschreitet, sowie das Geländer so zu kürzen und zurückzu-versetzen, dass durchgängig ein Abstand von 3 m zur nördlichen und westlichen Grundstücksgrenze eingehalten wird, ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, kann dahinstehen. Jedenfalls erweisen sich die ausgesprochene Nutzungsuntersagungsverfügung und Beseitigungsanordnung insgesamt als rechtmäßig.

aa) Die Nutzungsuntersagungsverfügung ist bereits wegen der formellen Rechtswidrigkeit der Dachterrasse gerechtfertigt. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

Davon abgesehen haben die Kläger mit der Errichtung der das Abstandsflächenrecht verletzenden Dachterrassenumwehrung ihre Nutzungsabsicht dokumentiert. Sie haben also für sich in Anspruch genommen, die Dachterrasse in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zu nutzen. Es kann weder von den betroffenen Nachbarn noch von der Bauaufsichtsbehörde verlangt werden, die Dachterrassennutzung durch die Kläger oder Dritte laufend daraufhin zu prüfen, ob sie einen Abstand von 3 m (oder mehr, vgl. vorstehend Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. cc) zu Art. 6 Abs. 6 BayBO) zur Grundstücksgrenze wahrt.

bb) Auch die Beseitigungsanordnung für das Geländer (Dachterrassenumwehrung) ist nicht zu beanstanden. Wegen des Verstoßes gegen das materielle Abstandsflächenrecht müssten die Kläger die Dachterrassenumwehrung ohnehin abmontieren und - wenn sie an einer Dachterrassennutzung festhalten wollen - zurückversetzen. Ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen wird nicht eingewandt und ist auch nicht ersichtlich. Die Bauaufsichtsbehörde ist vorliegend auch nicht gehalten, eine ggf. materiell zulassungsfähige Situierung der Dachterrassenumwehrung ohne entsprechenden Bauantrag von sich aus festzulegen.

d) Die Kläger tragen vor, die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Ermessensausübung sowie der Verhältnismäßigkeit und zur Zwangsgeldandrohung fußten auf der formellen und materiellen Illegalität der Dachterrasse. Da diese Rechtsansicht unzutreffend sei, bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Nachdem ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der formellen und materiellen Illegalität der Dachterrasse nicht vorliegen, kommt mangels eigenständiger Darlegungen zur Ermessensausübung, zur Verhältnismäßigkeit und zur Zwangsgeldandrohung insoweit keine Zulassung der Berufung in Betracht (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

a) Die von den Klägern sinngemäß aufgeworfene und für erörterungsbedürftig erklärte Rechtsfrage, ob ein nach Art 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegiertes Grenzgebäude seine Privilegierung (stets) verliert, wenn eine Dachterrasse nur auf einem Teilbereich des Grenzgebäudes errichtet wird, wäre aus Anlass des konkreten Falls keiner Klärung im Berufungsverfahren zugänglich. Wie ausgeführt wurde, löst die errichtete Dachterrasse eine Abstandsflächenpflicht aus, weil sie nicht an der Privilegierung des jeweiligen Grenzgebäudes teilnimmt und bei gegenteiliger Auffassung jedenfalls die Höhenbegrenzung von 3 m für privilegierte Grenzgebäude überschritten würde. Ob die Abstandsflächenpflicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO oder aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO folgt, ist vorliegend ohne Belang, weil die Dachterrasse der Kläger die Maßbegrenzungen für Vorbauten in Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO nicht wahrt.

b) Die für das baden-württembergische Landesrecht getroffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu § 5 Abs. 6 Nr. 2 BauO BW 1995(U.v. 24.7.1998 - 8 S 1306/98 - NVwZ-RR 1999, 428) ist nicht auf den gegenständlichen Fall übertragbar, weil sie zu einer Nachbarklage ergangen ist. Dieser Entscheidung wäre davon abgesehen insoweit nicht zu folgen, als darin - abweichend von Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. b BayBO - ein Mindestabstand von 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze für ausreichend erachtet wird, weil die „Breiten- und Vorsprungsmaße“ für den Nachbarn keine Rolle spielten (anders in Bayern, vgl. z. B. BayVGH, U.v. 23.3.2010 - 15 B 08.2180 - juris Rn. 23; ebs. VGH BW U.v. 10.10.2002 - 5 S 1655/01 - juris Rn. 20: „demgegenüber müssen vor abstandsrechtlich nicht privilegierten Vorbauten, die die k u m u l a t i v e n Maße des § 5 Abs. 6 Nr. 2 BauO BW nicht einhalten, Abstandsflächen liegen“). Im Übrigen aber ist die Erwägung, es könne „keinen Unterschied machen, ob eine solche Wohnfläche im Freien (Anm.: Terrasse/Balkon) auf einer vom Wohngebäude selbst auskragenden Platte oder auf dem Dach eines angebauten Nebengebäudes angelegt wird“, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 47). Vorauszusetzen wäre aber, dass ein solchermaßen fingierter Balkon die für seine Unterordnung erforderlichen Maßbeschränkungen wahrt (so auch die in Bezug genommene Entscheidung des VG München, B.v. 6.9.2004 - M 8 SN 04.3893 - juris Rn. 19). Daran fehlt es hier.

c) Dass „unter Beachtung des neuen Wortlauts des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 4 BayBO“ („Gebäude ohne Aufenthaltsräume“) über die Zulässigkeit von Dachterrassen noch nicht obergerichtlich entschieden sei, lässt im Übrigen weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache noch deren grundsätzliche Bedeutung erkennen.

aa) Es wurde bereits ausgeführt, dass die Dachterrasse der Kläger dem Wohngebäude zugeordnet ist, von dem aus sie betreten werden kann und demnach als Vorbau i. S. d. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO oder als gegenüber einem privilegierten Grenzgebäude eigenständige bauliche Anlage zu werten ist, die für sich genommen die Wirkung wie ein Gebäude besitzt (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO).

bb) Aus dem „neuen Wortlaut des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 4 BayBO“ folgt nichts anderes.

(1) Gebäude ohne Aufenthaltsräume sind selbstständige benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können, deren Räume aber allenfalls zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (vgl. Art. 2 Abs. 2 und Abs. 5 BayBO). Eine auf einem solchen Grenzgebäude errichtete Dachterrasse ist selbst kein Gebäude; sie unterfällt daher schon vom Wortlaut her nicht dem Begriff „Gebäude ohne Aufenthaltsraum“. Die bautechnische Verbindung einer Dachterrasse mit einem privilegierten Grenzgebäude führt nicht dazu, dass die Dachterrasse gleichsam von der Privilegierung des Grenzgebäudes mitgezogen wird. Welche Voraussetzungen „Gebäude“ erfüllen müssen, damit sie nach Art. 6 Abs. 9 BayBO in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind, ist in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BayBO abschließend geregelt. Danach bleiben bei Grenzgebäuden lediglich Dächer und Giebelflächen bei einer Dachneigung von bis zu 70 Grad unberücksichtigt. Für eine erweiternde Auslegung ist kein Raum.

(2) Aus den Gesetzgebungsmaterialien folgt keine andere Bewertung. Mit dem Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und Änderungsgesetz vom 24. Juli 2007 (GVBl S. 499) wurde die abstandsflächenrechtliche Privilegierung von Grenzgebäuden nicht mehr nur auf „Nebengebäude ohne Feuerstätte“ (vgl. Art. 7 Abs. 4 BayBO 1998 in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) beschränkt, sondern auf „Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten“ erweitert. Nachdem es abstandsflächenrechtlich unerheblich sei, ob Garagen und Gebäude einem Hauptgebäude räumlich-funktional zu- oder untergeordnet seien, spreche die Vorschrift (Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO n. F.) nicht mehr von „Nebengebäuden“ (vgl. LT Drs. 15/7161 S. 44; s.a. Begründung zur Musterbauordnung 2002 S. 21 f.). Dies lässt erkennen, dass es dem Gesetzgeber um die Entkoppelung des Abstandsflächenprivilegs von der Zuordnung des Grenzgebäudes zu einem Hauptgebäude ging, dass ein Grenzgebäude also auch auf Grundstücken möglich ist, auf denen kein Hauptgebäude errichtet ist oder dessen Nutzung nicht erschöpfend durch ein Hauptgebäude geprägt wird. Eine darüber hinausgehende gesetzgeberische Intention kann der Neufassung in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 4 BayBO ersichtlich nicht entnommen werden. Insbesondere sollte nicht der Errichtung von Dachterrassen auf privilegierten Grenzgebäuden Vorschub geleistet werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.