Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Aug. 2016 - M 4 E 16.3766
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Verlängerung der Übergangsfrist für die Ablegung der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt nach der Ordnung der Ersten Prüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen in Form der Bekanntmachung vom 7. November 2002 -LPO I (alt)-.
Die Antragstellerin ist gegenwärtig in einem Lehramtsstudiengang an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt immatrikuliert und befindet sich im 43. Fachsemester. Seit mehr als 22 Jahren leidet sie an der chronischen und unheilbaren Erkrankung „Lupus erythematodes“.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom
Mit Schreiben vom … 2016 wies die Antragstellerin den Antragsgegner darauf hin, dass sie mit dem Schreiben vom … 2016 nicht einverstanden sei. Mit Schreiben vom … 2015 bestätigte sie, dass ihr Schreiben vom … 2016 als Widerspruch zu werten sei.
Mit Schriftsatz vom
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- zu verpflichten, die Übergangsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 2 LPO I (neu) auf mindestens Herbst 2018 zu verlängern.
Nach mündlicher Erläuterung des Bevollmächtigten der Antragstellerin bezieht sich sein Antrag nicht - wie in seinem Schriftsatz aufgeführt - auf die Höchststudiendauer, sondern auf die in § 123 Abs. 2 Satz 2 LPO I (neu) geregelte Übergangsfrist.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass § 123 Abs. 2 LPO I (neu) für die Antragstellerin keine Anwendung finden könne. Insbesondere mit Augenmerk auf die Inklusion sei eine Ausnahme zuzulassen. Der Antragstellerin sei eine Examensablegung nach den Modalitäten der LPO I (neu) aufgrund der bei der Antragstellerin bestehenden körperlichen und gesundheitlichen Einschränkungen nicht möglich. Anders als in der LPO I (alt) seien im Rahmen der LPO I (neu) die mündlichen Examensprüfungen weitgehend in den betreffenden Teildisziplinen durch schriftliche Prüfungen ersetzt, die innerhalb des Prüfungszeitraums für die schriftlichen Prüfungen für ein Fach jeweils an fünf direkt aufeinanderfolgenden Tagen stattfänden. Diese körperlichen Anstrengungen seien für die Antragstellerin aufgrund ihrer Krankheit nicht zu bewältigen. Es bestehe nur eine Leistungsfähigkeit von einigen wenigen Stunden pro Tag. Leistungen von über fünf Stunden pro Tag, noch dazu auf Examensniveau, seien von der Antragstellerin nur mit mindestens einem Tag Pause zwischen den Prüfungen zu bewältigen. Bei einem durch eine langjährige chronische Krankheit bedingten besonderen Studienverlauf könnte die für den Regelfall konzipierte Übergangsvorschrift keine Anwendung finden. Zumindest müsste die Übergangszeit entsprechend um die krankheitsbedingten Ausfallzeiten verlängert werden. Dies gelte insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Inklusion. Zudem habe die Antragstellerin auf die alten Prüfungsmodalitäten vertraut. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse sie sich auf die bei ihrem Studienbeginn geltenden Prüfungsmodalitäten verlassen können.
Mit Telefax vom
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt erfolglos.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Demnach muss der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den sog. Anordnungsgrund) wie auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Die Antragstellerin hat schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn sie hat keinen Anspruch auf Verlängerung der in § 123 Abs. 2 Satz 2 LPO I (neu) geregelten Übergangsfrist von acht Jahren. § 123 Abs. 2 Satz 2 LPO I (neu) ist verfassungsmäßig und die darin geregelte Übergangsfrist verhältnismäßig. Auch der Vertrauensschutz der Antragstellerin steht dem nicht entgegen.
1. Die in § 123 Abs. 2 Satz 2 LPO I (neu) geregelte Übergangsfrist von acht Jahren ist verhältnismäßig und die Regelung insgesamt verfassungsmäßig. Sie bot Studierenden in angemessen langer Weise die Möglichkeit, ihr Studium noch nach der LPO I (alt) abzuschließen. Das Gericht ist insofern davon überzeugt, dass acht Jahre eine angemessen lange Zeit sind, um Härtefällen vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz - GG - Rechnung zu tragen. Der Antragsgegner war auch nicht über das Vorsehen einer Übergangsfrist hinaus verpflichtet, eine zusätzliche Härtefallklausel vorzusehen. Übergangsregelungen dienen ohnehin schon dazu, Härten zu vermeiden oder zumindest gering zu halten. Dass diese nicht völlig ausgeschlossen werden können, liegt in der Natur jeder Rechtsänderung, die in bestehende Lebensplanungen eingreift. Auch bei Übergangsregelungen ist der Gesetzgeber befugt, zu typisieren und von untypischen Ausnahmefällen abzusehen (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - juris Rn. 88). Das gilt insbesondere, wenn die Überführung in das neue Recht wie vorliegend besonders schonend ausgestaltet ist, weil die gewählte Übergangsfrist noch über die Regelstudienzeit des betroffenen Studiengangs hinausgeht. Schöpfen Studierende die rechtmäßige Auslauffrist aus, haben sie selbst die Konsequenzen zu tragen, wenn ihnen die Ablegung einer Prüfung oder Studienleistung - aus welchen Gründen auch immer - bis zum Ende der Frist nicht gelingt (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, B. v. 23.3.2015 - 9 A 1479/13.Z - juris Rn. 14 f.).
2. Dem steht auch kein Vertrauensschutz der Antragstellerin entgegen. Bei Änderungen einer Prüfungsordnung gebietet es der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht, die erforderlichen Übergangsregelungen so zu gestalten, dass Prüfungen nach der alten Prüfungsordnung erst dann eingestellt werden, nachdem auch der letzte Student, der noch nach der alten Prüfungsordnung studiert hat, sein Studium beendet hat.
Zwar erlangt ein Studierender mit der Zulassung zum Studium einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf Beendigung dieses Studiums in angemessener Zeit. Es besteht jedoch kein Anspruch darauf, nach einer zu Beginn des Studiums geltenden Prüfungsordnung bis zum Schluss des Studiums weiterstudieren zu können. Vielmehr darf eine Prüfungsordnung, wie jedes Recht, mit Wirkung für die Zukunft geändert werden. Allerdings muss dem Prüfling aufgrund des sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes die Möglichkeit geboten werden, sich in zumutbarer Weise auf die Rechtsänderung einzurichten. Das erfordert regelmäßig eine Übergangsregelung, um übermäßige, unzumutbare Benachteiligungen zu vermeiden, bei deren Konzipierung der Hochschule aber ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Dieser erstreckt sich auch darauf, die Übergangsregelung mit einem Stichtag zu verbinden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich mit gewissen Härten verbunden ist. Wie bereits ausgeführt trägt die hier getroffene Übergangsregelung dem schützenswerten Vertrauen der Antragstellerin hinreichend Rechnung; ein darüber hinausgehender Vertrauensschutz stand der Antragstellerin nicht zu (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, B. v. 23.3.2015 - 9 A 1479/13.Z - juris Rn. 8 f. m. w. N.)
3. Den schützenswerten Interessen der Antragstellerin bei Anwendung der LPO I (neu) wird darüber hinaus auch dadurch Rechnung getragen werden, dass sie bei Ableistung der Prüfung - nach Vorlage entsprechender Atteste - Nachteilsausgleich in Anspruch nehmen kann. Auch die LPO I (neu) enthält diesbezüglich Möglichkeiten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG -.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
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(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.