Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. Mai 2019 - M 22 E 19.2257

published on 28/05/2019 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. Mai 2019 - M 22 E 19.2257
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Gericht

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Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterbringung in einem Einzelzimmer im Rahmen der Obdachlosenfürsorge.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2019 kündigte der Antragsteller das Mietverhältnis über ein von ihm bewohntes Apartment im Stadtgebiet der Antragsgegnerin mit Wirkung zum 30. April 2019. Derzeit hat der Antragsteller bis einschließlich 30. Mai 2019 ein Pensionszimmer angemietet.

Im Rahmen einer Vorsprache des Antragstellers am 30. April 2019 bot die Antragsgegnerin ihm die Unterbringung in einem Zwei-Bett-Zimmer an. Der Antragsteller bezog diese Notunterkunft in der Folge jedoch nicht.

Am 13. Mai 2019 beantragte der Antragsteller zur Niederschrift des Gerichts,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn ab 30. Mai 2019 in einem Ein-Bett-Zimmer im Rahmen der Obdachlosenfürsorge unterzubringen.

Zur Begründung des Antrags trägt der Antragsteller vor, er habe das Mietverhältnis für seine bisherige Wohnung aus zwingenden medizinischen Gründen kündigen müssen. Aus eben diesen gesundheitlichen Gründen könne er auch keinen Gebrauch vom Angebot der Antragstellerin machen, ihn in einem Doppelzimmer unterzubringen. Er leide an starken Depressionen und Tremor, sodass eine Unterbringung gemeinsam mit einer fremden Person seinen Gesundheitszustand extrem verschlechtern würde. Mit seinen letzten finanziellen Reserven habe er sich bis 30. Mai 2019 ein Pensionszimmer anmieten können. Dies sei ihm für die nachfolgende Zeit nicht möglich. Der Antrag sei dringlich, da er befürchte, dass ihm die Antragsgegnerin auch nach dem 30. Mai 2019 lediglich eine Unterbringung in einem Mehrbettzimmer anbieten werde.

Der Antragsteller legte im Verfahren zwei fachärztliche Stellungnahmen vom 27. November 2018 bzw. 16. Mai 2019 vor. Darin wird eine erhöhte Formaldehydbelastung festgestellt, die wahrscheinlich auf Emissionen der vom Antragsteller bis 30. April 2019 bewohnten Wohnung zurückgehe. Diesem werde daher der Auszug aus der Wohnung empfohlen. Zudem leide er an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit phobischen und depressiven Zügen. Der Antragsteller sei daher nicht in der Lage, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, vielmehr werde die Unterbringung in einer eigenen Wohnung befürwortet.

Die Antragsgegnerin beantragt mit Schreiben vom 20. bzw. 21. Mai 2019, den Antrag abzuweisen.

Die Unterbringung in einem Einzelzimmer komme nur aus zwingenden gesundheitlichen Gründen nach Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attestes in Betracht. Bei Würdigung der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich keine Erforderlichkeit einer derartigen Unterbringung. Es werde lediglich die Unterbringung in einer eigenen Wohnung empfohlen. Eine medizinisch indizierte Notwendigkeit zur Unterbringung im Einzelzimmer folge hieraus nicht. Das Angebot der Antragsgegnerin auf Zurverfügungstellung eines Bettplatzes in einem Mehrbettzimmer bestehe weiterhin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier nicht vor.

2.1 Die Antragsgegnerin hat als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG) die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer - unfreiwilligen - Obdachlosigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729), wobei ein Tätigwerden nicht den Eintritt der Obdachlosigkeit voraussetzt, sondern schon im Vorfeld, wenn eine solche unmittelbar bevorsteht, veranlasst ist. Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen (zumindest) auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Die von der Sicherheitsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge dient dabei nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 - 4 CE 12.1509 - juris Rn. 5). Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei freilich die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 - 4 CE 12.1509 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 14.7.2005 - 4 C 05.1551; bestätigend zuletzt mit B.v. 18.2.2019 - 4 CE 19.238 - juris Rn. 4). Dabei steht der Sicherheitsbehörde bei der Auswahl der Unterkunft ein weites Ermessen zu. Der Betroffene kann grundsätzlich nicht die Unterbringung in einer bestimmten oder von ihm gewünschten Unterkunft geltend machen. Die Zuweisung eines Einzelzimmers kommt aufgrund der vorstehenden Erwägung nur dann in Betracht, wenn auf andere Art eine menschenwürdige Unterbringung nicht gewährleistet werden kann.

2.3 Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Darlegung eines Anordnungsanspruchs auf Zurverfügungstellung eines Einzelzimmers (die grundsätzliche Verpflichtung zur Unterbringung wird von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt) ist vorliegend nicht Genüge getan. Der Antragsteller hat durch die Vorlage der ärztlichen Stellungnahmen insbesondere nicht glaubhaft machen können, dass das der Antragsgegnerin bei der Auswahl der Unterkunft zustehende Ermessen auf die Unterbringung in einem Einzelzimmer beschränkt wäre. Aus den Attesten lässt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen, dass einzig durch die Zurverfügungstellung eines Einzelzimmers eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung erfolgen könnte. Es ist vielmehr überhaupt nicht ersichtlich, welche Folgen und Auswirkungen eine Unterbringung des Antragstellers in einem Mehrbettzimmer haben könnte. Es wird lediglich empfohlen, dem Antragsteller eine eigene Wohnung zur Verfügung zu stellen, damit dieser in der Folge auch wieder einer geregelten Berufstätigkeit nachgehen könne. Damit wird jedoch keine zwingend medizinisch indizierte Notwendigkeit der Unterbringung in einem Einzelzimmer zum Ausdruck gebracht. Es ist weiter darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin die Zurverfügungstellung eines Einzelzimmers nicht kategorisch ausschließt; vielmehr bleibt es dem Antragsteller unbenommen - hierauf hat die Antragsgegnerin auch in der Antragserwiderung hingewiesen - gegebenenfalls eine ärztliche Begutachtung durch den mit entsprechenden Prüfungen von der Antragsgegnerin beauftragten Arzt durchführen zu lassen (oder sonst ein hinreichend aussagekräftiges fachärztliches Gutachten beizubringen) und auf diesem Weg die Erforderlichkeit einer Unterbringung in einem Einzelzimmer glaubhaft zu machen. Von dieser Möglichkeit hat der Antragsteller bisher jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde nur insoweit zum Tätigwerden verpflichtet ist, als es um die Obdachlosenunterbringung zur Abwehr von Gefahren für Leib und körperliche Unversehrtheit des Betroffenen geht. Darüber hinausgehende Problemlagen, die insbesondere die gesundheitlichen Bedürfnisse des Antragstellers wie auch die Beschaffung einer Wohnung betreffen, sind nicht von der Antragstellerin als Obdachlosenbehörde zu lösen (vgl. VG München, B.v. 21.5.2014 - M 22 E 14.1370 - juris Rn. 17; VG München, B.v. 28.9.2009 - M 22 E 09.3987). Dem Antragsteller kann insoweit nur angeraten werden, gegebenenfalls sozialhilferechtliche Leistungsansprüche nach §§ 67 ff SGB XII (Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) geltend zu machen.

3. Der Antrag war dementsprechend mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffer 1.5 sowie Ziffer 35.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
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published on 18/02/2019 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe
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Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.