Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Nov. 2014 - M 18 E 14.4704

published on 17/11/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Nov. 2014 - M 18 E 14.4704
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Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der nach seinen Angaben über keine persönlichen Dokumente verfügt, bringt vor, afghanischer Staatsangehöriger und am ... 1998 geboren zu sein. Er hat im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt.

Am .... Juli 2014 meldete er sich unter dem Namen ... im Haus ... in der Aufnahmeeinrichtung .... Da er angab, ohne Begleitung und minderjährig zu sein, wurde er von der Antragsgegnerin dort am .... Juli 2014 in Obhut genommen.

Am gleichen Tag informierte die Antragsgegnerin das Amtsgericht .../Familiengericht über die Inobhutnahme und beantragte, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen, falls sich die Minderjährigkeit nach Alterseinschätzung bestätigen würde.

In dem ersten Gespräch zur Alterseinschätzung im August 2014 gab der Antragsteller an, er sei bereits in einer Einrichtung im Landkreis ... untergebracht gewesen.

Am .... Oktober 2014 wurde von der Antragsgegnerin ein zweites Gespräch zur Alterseinschätzung von zwei Mitarbeitern des Jugendamtes der Antragsgegnerin mit dem Antragsteller unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführt. Diese kamen entsprechend der in den Akten der Antragsgegnerin skizzierten Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen des Antragstellers zu dem Ergebnis, dass er volljährig sei und die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme damit nicht vorliegen würden. Sein Geburtsdatum wurde fiktiv auf den ... 1995 festgesetzt.

Am .... Oktober 2014 wurde der Antrag beim Amtsgericht ... auf Vormundsbestellung für den Antragsteller von der Antragsgegnerin zurückgezogen.

Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, die Aufhebung der Inobhutnahme aufzuheben, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller weiterhin in Obhut zu nehmen. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen M 18 K 14.4703 geführt. Mit Telefax vom gleichen Tag stellten die Bevollmächtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO dahingehend,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller weiterhin als Jugendlichen zu behandeln und in einer jugendgeeigneten Einrichtung in Obhut zu nehmen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei vom Stadtjugendamt der Antragsgegnerin älter geschätzt und aus der Einrichtung für Jugendliche in ein Haus für Erwachsene verlegt worden. Nach dem Gespräch zur Altersfestsetzung sei er faktisch aus der Inobhutnahme entlassen und aufgefordert worden, das Haus ... zu verlassen. Ein förmlicher Bescheid über die Ablehnung sei nicht ergangen. Die Altersschätzung sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, jedenfalls bestünden Zweifel, ob der Antragsteller nicht doch minderjährig sei. Er sei derzeit mit Erwachsenen notdürftig und nicht jugendgerecht untergebracht. Er sei psychisch labil, ja sogar krank, und nach den fachärztlichen Feststellungen gefährde die gegenwärtige Unterbringung seine Gesundheit.

Es wurden (im Klageverfahren) ein ärztlicher Brief vom .... September 2014 und ein ärztlicher Brief vom .... Oktober 2014 eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Dr. .... in ... vorgelegt, wonach der Antragsteller u.a. an einer depressiven Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Er sei nicht altersgerecht entwickelt. Aufgrund der bisherigen ärztlichen Kenntnis sei er besonders schutzbedürftig im Sinne eines Minderjährigen. Eine Unterbringung in einer Massenunterkunft sei fachärztlichen kontraindiziert und stelle eine akute psychische Gefährdung des Jugendlichen dar.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 5. November 2014,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Alterseinschätzung des Antragstellers sei durch zwei erfahrene Mitarbeiter des Jugendamtes aufgrund eines ausführlichen sozialpädagogischen Gespräches getroffen worden, nicht allein aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale, wie es der Bayer. Verwaltungsgerichtshof für nicht ausreichend erachtet habe. Für eine körperliche Untersuchung reiche der Amtsermittlungsgrundsatz als Rechtsgrundlage nicht aus, zumal eine medizinisch aussagekräftige Alterseinschätzung nur mit radiologischer Untersuchung des Kiefers und der Schlüsselbeine durchgeführt werden könne, wie sich aus dem beigefügten Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität ... vom .... Mai 2013 ergebe. Es sei sehr zweifelhaft, ob eine solche radiologische Untersuchung zur Altersfeststellung ohne weitere medizinische Indikation zulässig sei. Auch sei die Vornahme medizinischer Untersuchungen auch nach der Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs nur erforderlich, wenn sie zur Ausräumung von Zweifeln nötig sei. Der Antragsteller habe aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes, seiner Art und Ausdrucksweise sowie seines Verhaltens eindeutig und ohne Zweifel als volljährig eingestuft werden können. Die Inobhutnahme sei daher am .... Oktober 2014 mit Bescheid zurückgenommen und der Antrag auf Bestellung eines Vormunds beim Familiengericht ... zurückgezogen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist insbesondere statthaft. Der von der Antragsgegnerin erwähnte Bescheid vom .... Oktober 2014, mit dem angeblich die Rücknahme der Inobhutnahme oder ihre Beendigung verfügt wurde, ist nicht in den Akten enthalten. Unabhängig von einer aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen möglichen Rücknahmebescheid ist die Beendigung der Inobhutnahme jedenfalls faktisch vollzogen, so dass ein Antrag nach § 123 VwGO im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) statthaft ist.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

1.  Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder

2. …oder

3. ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VIII umfasst die Inobhutnahme die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen.

Anspruchsberechtigte sowohl nach den Nrn. 1 und 3 des § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als auch nach Abs. 1 Satz 2 dieser Norm sind nur Kinder und Jugendliche. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII ist im Sinn des SGB VIII Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.

Der Antragsteller wurde durch die Antragsgegnerin am .... Juli 2014 vorläufig in Obhut genommen, da er angab, unbegleitet und minderjährig zu sein. Eine Inobhutnahme Volljähriger wäre rechtswidrig, so dass die Antragsgegnerin zunächst das Alter des Antragstellers festzustellen hatte. Hierfür war die Durchführung eines Gesprächs zur Alterseinschätzung nicht ausreichend. Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung (auch) die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833 und 12 C 14.1865, BeckRS 2014, 56870, Rz. 21). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhut bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (BayVGH B.v. 23.9.2014, a.a.O., Rz. 22). Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat die Antragsgegnerin im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (BayVGH B.v. 23.9.2014, a.a.O., Rz. 23 m.w.N.). Eine entsprechende Altersdiagnose zur Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten steht vorliegend jedoch noch aus, so dass der Antragsteller vorläufig weiter in Obhut zu nehmen ist.

Wie der BayVGH im o.g. Beschluss vom 23. September 2014 eindeutig festgestellt hat, ist für die Alterseinschätzung eine medizinische Untersuchung erforderlich, die vorliegend nicht durchgeführt wurde. Daher soll nur kurz noch zu den in der Antragserwiderung enthaltenen Punkten Stellung genommen werden:

Zu dem Umstand, dass keine Rechtsgrundlage für die Durchführung medizinischer Untersuchungen vorhanden ist, ist anzumerken, dass zunächst alle Erkenntnismöglichkeiten im Einvernehmen mit dem Antragsteller auszuschöpfen sind. Erst bei der Weigerung durch den Antragsteller können entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden. Dass der Antragsteller sich weigert, medizinische Untersuchungen zuzulassen, ist bisher weder vorgetragen noch ersichtlich.

Für das Vorliegen von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Antragstellers ist auf den Zeitpunkt vor Durchführung des Alterseinschätzungsverfahrens abzustellen. Die Vornahme medizinischer Untersuchungen ist nach Auffassung des BayVGH zur Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten in jedem Fall erforderlich. Das gilt daher selbst dann, wenn nach der Einschätzung der Antragsgegnerin nach Durchführung ihres Alterseinschätzungsverfahrens keine Zweifel an der Volljährigkeit mehr bestehen.

2.  Der Antragsteller konnte auch den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft machen (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Der Antragsteller wurde bereits wieder in eine Erstaufnahmeeinrichtung für erwachsene Flüchtlinge verlegt. Da die Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung jedoch nicht annähernd gleichwertig sind, ist der Anordnungsgrund insbesondere auch im Hinblick auf die kinder- und jugendpsychiatrischen Feststellungen zu bejahen (vgl. BayVGH B.v. 23.9.2014, a.a.O., Rz. 27).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant
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published on 23/09/2014 00:00

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben. II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen
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Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Im Sinne dieses Buches ist

1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen,
2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist,
3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist,
4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist,
5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht,
6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.

(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.

(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.

(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.