Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Juli 2014 - 23 S 14.50305

published on 10/07/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Juli 2014 - 23 S 14.50305
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Gericht

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Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit der Wolof, der über Belgien, wo er seit drei Jahren gelebt und mehrfach erfolglos Asylantrag gestellt hatte, in die Bundesrepublik Deutschland gelangte und am 11. März 2014 Asylantrag stellte.

Nach Feststellung eines entsprechenden EURODAC-Ergebnisses erklärte auf Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 die zuständige belgische Behörde mit Schreiben vom 5. Mai 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags, nachdem der Antragsteller dort erstmals im August 2010 Asylantrag gestellt hatte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Mai 2014 erklärte die Antragsgegnerin den Asylantrag für unzulässig (Nr. 1). Die Abschiebung nach Belgien wurde angeordnet (Nr. 2).

Durch Schriftsatz vom 28. Mai 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 30. Mai 2014, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hiergegen Klage (M 23 K 14.50304) und beantragte für das vorliegende Verfahren,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Eine Begründung erfolgte nicht.

Durch Schriftsatz vom 9. Juli 2014 wurde ein ärztliches Attest des Dr. ... vom ... Juli 2014 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg.

Das Gericht bezweifelt die Zuständigkeit Belgiens für die Prüfung des Asylantrags nicht, nachdem der Antragsteller dort - wie selbst eingeräumt - mehrfach erfolglos Asylantrag gestellt hatte. Belgien ist als Mitgliedsstaat der Europäischen Union kraft Gesetzes sicherer Drittstaat und haben die belgischen Behörden ihre Zuständigkeit anerkannt (Art. 18 ff. VO (EU) Nr. 604/2013 - „Dublin-III“).

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2011 (C-411/10 und C-493/10 - juris; bestätigt zuletzt durch: EuGH v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11 und v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12) ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der (nunmehr) Dublin-III-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. -juris) muss es sich aufdrängen, dass der betreffende Ausländer von einem der dort im Einzelnen bezeichneten und vom normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen ist.

Gemessen hieran ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Belgien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. im Sinne Art. 3 EMRK zu unterfallen. Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Belgien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen (vgl. auch: VG Göttingen v. 11.10.2013, Az. 2 B 806/13; VG Düsseldorf v. 20.01.2014, Az. 13 L 2363/13.A; VG Düsseldorf v. 02.04.2014, Az. 13 L 155/14.A; VG Bremen v. 04.09.2013, Az. 4 V 1037/13.A; VG Augsburg v. 10.07.2012, Az. Au 6 E 12.30220; VG Augsburg v. 13.02.2014, Az. Au 7 S 14.30057; VG Augsburg v. 31.03.2014, Az. Au 7 S 14.30254; VG München v. 05.12.2013, Az. M 25 S 13.31185; VG München v. 06.11.2013, Az. M 18 S 13.31115; VG München v. 20.11.2013, Az. M 21 S 13.31157; VG München v. 14.01.2014, Az. M 21 S 13.31397; VG München v. 16.01.2014, Az. M 25 S7 13.31359). Ferner hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die wirtschaftliche Situation eines Asylbewerbers schlechter sein wird als in dem anderen Vertragsstaat, nicht ausreicht, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Art. 3 EMRK kann nicht so ausgelegt werden, dass er die Vertragsstaaten verpflichtet, jeder Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; diese Regelung enthält auch keine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR v. 18.06.2013, Az. 53852/11 = ZAR 2013, 338). Im Übrigen wird auch weder von der Klägerseite vorgetragen noch ist dem erkennenden Gericht sonst bekannt, dass namhafte sachverständige Institutionen, Nichtregierungsorganisationen oder insbesondere der UNHCR eine Empfehlung dahingehend ausgesprochen hätten, Asylbewerber nicht nach Belgien zu überstellen (vgl. zur besonderen Relevanz der vom UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem zuständigen Mitgliedstaat: EuGH v. 30.05.2013, Rs. C-528/11 = NVwZ-RR 2013, 660 ff.).

Gründe dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO die Prüfung des Asylantrags im Wege des Selbsteintrittsrechtes übernehmen müsste und das Ermessen insoweit auf Null reduziert sein könnte, sind nicht ersichtlich, insbesondere sind die von Antragseite vorgetragenen und ärztlich dokumentierten Erkrankungen des Antragstellers - wie teilweise bereits geschehen - ohne Weiteres in Belgien behandelbar.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
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published on 02/04/2014 00:00

Tenor Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I. aus L. werden abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Gründe: 2
published on 20/01/2014 00:00

Tenor Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T.     aus L.       werden abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Gründe:2D
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Annotations

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.