Verwaltungsgericht Minden Beschluss, 06. Mai 2014 - 6 L 305/14
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit dem sinngemäßen Inhalt,
3die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in einem noch anhängig zu machenden Klageverfahren vorläufig zu verpflichten, den durch Beschluss des OLG I. vom 00.00.0000 festgesetzten begleiteten Umgang des Antragstellers mit seinem im Juli 2009 geborenen Sohn Q. durchzuführen, indem sie jeweils zwei Mal im Monat für jeweils drei Stunden eine Umgangsbegleitperson und Räumlichkeiten bereitstellt,
4ist unbegründet. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO)
5Es fehlt schon am erforderlichen Anordnungsanspruch, d.h. der überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Antragstellers auf die beantragte Leistung. Für diesen Anspruch müsste hier sogar ein besonders hoher Grad von Wahrscheinlichkeit sprechen, weil die begehrte einstweilige Anordnung - wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum - das vorwegnehmen würde, was vom Antragsteller grundsätzlich allenfalls in einem Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) erreicht, im Falle einer etwaigen Klageabweisung aber nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.
6Vgl. BVerwG, z.B. Beschluss vom 13.8.1999 - 2 VR 1.99 -, DVBl. 2000, 487 = DÖV 1999, 1045 = NJW 2000, 160; Kopp/ Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 123 Rdnr. 14, m.w.N.
7Es besteht keine überwiegende, erst recht keine besonders hohe Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs des Antragstellers gemäß § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII. Danach soll das Jugendamt u.a. bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen vermitteln und in geeigneten Fällen Hilfestellung leisten. Ob es sich im jeweiligen Einzelfall um einen für eine Umgangsbegleitung geeigneten Fall handelt, obliegt zunächst allein der fachlichen Einschätzung durch das Jugendamt. Die zivilgerichtliche Anordnung begleiteten Umgangs gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB ist dabei lediglich eine Voraussetzung dafür, dass das Jugendamt überhaupt eine Entscheidung über die ggf. von ihm zu leistende Umgangsbegleitung treffen kann. Die zivilgerichtliche Anordnung präjudiziert hingegen die Entscheidung des Jugendamtes nicht, jedenfalls dann nicht, wenn sich das Jugendamt - wie hier - nicht schon im familienrechtlichen Verfahren zur Mitwirkung am begleiteten Umfang bereit erklärt oder gar verpflichtet hat. Die fachliche Einschätzung des Jugendamtes ist von der familiengerichtlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig und kann verwaltungsgerichtlich lediglich daraufhin überprüft werden, ob das Jugendamt den unbestimmten Rechtsbegriff des „geeigneten Falles“ zutreffend verstanden hat.
8Vgl. Struck, in: Wiesner, SGB VIII, Komm., 4. Aufl. 2011, § 18 Rdnrn. 32, 33 und 34; Proksch, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 18 Rdnrn. 46 ff. (insbes. 49).
9Die vorbezeichnete verwaltungsgerichtliche Prüfung ist allerdings eingeschränkt. Ob und ggf. in welchem Umfang eine Jugendhilfemaßnahme „geeignet“ ist bzw. einen „geeigneten“ Fall betrifft, bestimmt sich nach dem sozialpädagogischen Sachverstand des Jugendamtes und ist gerichtlich nur begrenzt überprüfbar. Dem Jugendhilfeträger steht bei seiner Entscheidung über eine Hilfeleistung und ggf. die Art und Weise ihrer Gewährung ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.7.2013 - 12 A 892/13 -, www.nrwe.de = juris; BayVGH, Beschluss vom 21.2.2013 - 12 CE 12.2136 -, juris; VG Minden, z.B. Urteil vom 17.1.2014 - 6 K 2523/12 - und Beschluss vom 18.2.2014 - 6 K 2764/13 -.
11Bei der Entscheidung über die Geeignetheit einer Jugendhilfemaßnahme - hier: in Form einer Umgangsbegleitung und deren Ausgestaltung - handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Anspruchstellers und mehrerer Fachkräfte (vgl. § 36 SGB VIII), das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind.
12Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, FEVS 51, 152 = NDV-RD 2000, 4, und vom 18.10.2012 - 5 C 21.11 -, NJW 2013, 1111 = NDV-RD 2013, 45; OVG NRW, Beschluss vom 11.10.2013 - 12 A 1590/13 -, m.w.N.; OVG Schleswig, Beschluss vom 4.7.2006 - 2 O 20/06 -, NJW 2007, 243 = NDV-RD 2006, 105; VG Minden, Urteile vom 15.11.2013 - 6 K 2198/13 -, vom 13.12.2013 - 6 K 1278/11 - und vom 17.1.2014 - 6 K 2523/12 -.
13Nach dieser Maßgabe ist die Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß Hilfeplanprotokoll vom 14.4.2014, in der Anbahnungsphase aus pädagogischen Erwägungen (angesichts der Vorgeschichte des vorliegenden Falles eine behutsame, lediglich schrittweise Annäherung von Vater und Kind) zunächst vier nur jeweils einstündige und anschließend zwei nur zweistündige Umgangstermine zu begleiten, voraussichtlich nicht etwa mit überwiegender oder gar besonders hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, sondern vielmehr aus fachlichen Überlegungen heraus, die in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise gefunden wurden und für das Gericht nachvollziehbar sind, vertretbar und damit voraussichtlich rechtmäßig. Auf die Frage, ob auch Gründe mangelnder Personalkapazität aktuell einer umfangreicheren Umgangsbegleitung durch die Antragsgegnerin oder einen mit ihr kooperierenden Dienst entgegenstehen, dürfte es daneben schon nicht mehr ankommen.
14Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen zum Anordnungsanspruch fehlt es dem Antragsteller auch am zusätzlich erforderlichen Anordnungsgrund, d.h. einem Grund für eine zur Vermeidung unwiederbringlicher Rechtsverluste und damit zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene schnellere Entscheidung, als sie in einem Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) - das der Antragsteller noch gar nicht anhängig gemacht hat - möglich ist.
15Vgl. Kopp/Schenke, a.a.O.
16Denn dem Antragsteller steht es frei, sich unabhängig von und ergänzend zu der Entscheidung der Antragsgegnerin selbst um eine geeignete Person zu bemühen, die seinen Umgang mit seinem Sohn ab sofort in dem ihm durch den Beschluss des OLG I. vom 00.00.0000 ermöglichten und von ihm demgemäß gewünschten ergänzenden Umfang - soweit nicht bereits durch die Antragsgegnerin gewährleistet - begleitet. Ein etwaiger Kostenausgleich dafür zwischen den Beteiligten
17zur Kostenübernahmepflicht des Jugendamtes in „geeigneten“ Fällen vgl. Struck, a.a.O., § 18 Rdnrn. 33 und 34; Proksch, a.a.O., § 18 Rdnrn. 45, 47 und 49; Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Komm. (Stand: Jan. 2014), § 18 Rdnr. 27;
18aber nicht für Fahrtkosten, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.10.2002 - 12 E 658/00 -, NJW 2003, 2257 = JAmt 2003, 489 („rechnen zum sozialhilferechtlich relevanten notwendigen Lebensunterhalt“; dementsprechend auch S. 10 des den vorliegenden Fall betreffenden Beschlusses des OLG I. vom 30.4.2013); Struck, a.a.O., § 18 Rdnr. 31; Grube, a.a.O., § 18 Rdnr. 28
19könnte auch noch nachträglich erfolgen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Mütter und Väter, die allein für ein Kind oder einen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung
- 1.
bei der Ausübung der Personensorge einschließlich der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen des Kindes oder Jugendlichen, - 2.
bei der Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche nach § 1615l des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Mütter und Väter, die mit dem anderen Elternteil nicht verheiratet sind, haben Anspruch auf Beratung über die Abgabe einer Sorgeerklärung und die Möglichkeit der gerichtlichen Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge.
(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts nach § 1684 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sie sollen darin unterstützt werden, dass die Personen, die nach Maßgabe der §§ 1684, 1685 und 1686a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Umgang mit ihnen berechtigt sind, von diesem Recht zu ihrem Wohl Gebrauch machen. Eltern, andere Umgangsberechtigte sowie Personen, in deren Obhut sich das Kind befindet, haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Bei der Befugnis, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen, bei der Herstellung von Umgangskontakten und bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen soll vermittelt und in geeigneten Fällen Hilfestellung geleistet werden.
(4) Ein junger Volljähriger hat bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen.
(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Anordnung ist zu befristen. Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist der Vater des am 12.3.1992 geborenen F. X. und einer im November 1994 geborenen Tochter. Nachdem F. bereits als Jugendlicher verschiedene ambulante und stationäre erzieherische Jugendhilfeleistungen der Beklagten erhalten hatte - wobei die Zusammenarbeit der Beklagten mit dem Kläger und der Kindesmutter ebenso wie das zwischenzeitliche Zusammenleben von F. mit seinen Eltern teilweise problematisch war - und im August 2010 eine dreijährige Ausbildung zum Koch begonnen hatte, bewilligte die Beklagte ihm gemäß seinen Anträgen vom 18.1. und 15.9.2011 für die Zeit vom 1.2.2011 bis zum 29.2.2012 Hilfe für einen jungen Volljährigen in der Form des betreuten Wohnens in einer eigenen Wohnung. Die von F. erbetene Unterstützung bei der Lebensführung in einer eigenen Wohnung wurde durch zwei Sozialarbeiter des Jugendamtes der Beklagten geleistet, die F. in seinem zweiten Hilfeantrag als eine große Hilfe beim Umgang mit amtlichen Papieren und bei der Haushaltsführung bezeichnete. Dadurch entstanden der Beklagten Kosten in Gestalt eines täglichen Pflegesatz von 55,94 €, eines täglichen Bekleidungsgeldes von 1,34 € und eines monatlichen Taschengeldes von zunächst 98,28 €, das sich ab Januar 2012 auf 100,98 € erhöhte. Diese Kosten wurden teilweise durch F. Ausbildungsnettovergütung gedeckt, und zwar bis September 2011 mit monatlich 359,21 € und ab Oktober 2011 mit monatlich 391,79 €.
3Mit zwei Schreiben vom 2.2.2011, deren Eingang der Kläger am 5.2.2011 bestätigte, teilte die Beklagte dem Kläger und der Kindesmutter die zum Monatsanfang begonnene Hilfe für ihren Sohn sowie ihre mögliche jeweilige eigene Kostenbeitragspflicht mit und klärte sie über die unterhaltsrechtlichen Folgen der Hilfeleistung auf. Gegenüber F. Mutter erließ die Beklagte am 4.7.2012 einen Kostenbeitragsbescheid.
4Nach wiederholtem Schriftwechsel der Beteiligten, in dessen Verlauf der Kläger zuletzt ein von der Beklagten abgelehntes Vergleichsangebot einer Kostenbeitragszahlung von 3.000 € unterbreitete, setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid ebenfalls vom 4.7.2012 für die Zeit vom 5.2. bis zum 31.12.2011 folgende monatlichen Kostenbeiträge wegen der für F. geleisteten Hilfe fest: anteilig 608,57 € (= 710 € x 24/28) für Februar, 710 € für Juli, 525 € für September und im Übrigen jeweils 475 €, insgesamt 5.643,57 €. Dabei berücksichtigte die Beklagte beitragsmindernd die im Vergleich mit F. mindestens gleichrangige Unterhaltsberechtigung der Tochter gegenüber dem Kläger.
5Am 4.8.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, bei der seinem Sohn erbrachten Hilfe der Beklagten habe es sich um keine kostenbeitragspflichtigen vollstationären Jugendhilfeleistungen gehandelt. Der Kläger behauptet, sein Sohn habe die Betreuungsleistungen nur grobmaschig erhalten. Etwa einmal im Monat hätten ihn zwei Sozialarbeiter des Jugendamtes in seiner mit Hilfe des Amtes angemieteten kleinen Wohnung besucht, und einmal wöchentlich habe er sich das Taschengeld im Jugendamt abgeholt. Der sonstige Kontakt seines Sohnes mit den Sozialarbeitern habe sich auf drei Hilfeplangespräche im Jugendamt beschränkt. Er bestreite den von den Sozialarbeitern behaupteten Umfang seiner Betreuung. Die Hilfe in einer „sonstigen betreuten Wohnform“ müsse aber lückenlos und durchgehend über Tag und Nacht geleistet werden, also von hoher Betreuungsintensität geprägt sein, um sie auf eine Stufe mit einer kostenbeitragspflichtigen vollstationären Vollzeitpflege oder intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung außerhalb des Elternhauses stellen zu können. Die geleistete Hilfe sei zudem nach Maßgabe des § 41 SGB VIII ungeeignet gewesen. Im Übrigen bestreite er die Höhe der angeblich ungedeckten Kosten. Der Tagespflegesatz sei nicht leistungsangemessen.
6Der Kläger beantragt,
7den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 4.7.2012 aufzuheben.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie macht geltend, die Fachkräfte ihres Jugendamtes hätten ihr Auswahlermessen bei der Beantwortung der Frage, in welcher Weise der von ihnen erkannte Hilfebedarf F. gedeckt werden solle, rechtmäßig ausgeübt. Die Hilfe sei wegen der Vorgeschichte in der Familie und F. persönlicher Situation Anfang 2011 notwendig gewesen. Ohne unterstützende Jugendhilfe hätte die akute Gefahr bestanden, dass F. seine Ausbildung abgebrochen hätte und dass seine gesamte, damals defizitäre Persönlichkeitsentwicklung und Lebensführung gefährdet worden wäre. Die ihm geleistete Hilfe sei, auch wenn sie in seiner eigenen Wohnung erbracht worden sei, vollstationär gewesen, weil es sich um eine auf einem schlüssigen Konzept beruhende betreute Wohnform gehandelt habe, die ihn auf ein selbstständiges Leben habe vorbereiten sollen. Als Angebot mit der Zielsetzung, ein möglichst hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit des jungen Menschen zu erreichen, sei eine lückenlose und durchgehende Betreuung weder erforderlich noch pädagogisch angemessen. In welchem Umfang und mit welcher Intensität F. das mit dem Konzept verbundene Hilfeangebot letztlich angenommen habe, sei insoweit unerheblich. Abzustellen sei allein darauf, dass er die Betreuungsleistungen je nach Bedarf ständig habe nachfragen können; zum Umfang der konkreten Betreuungsleistungen machen die Beklagte und die beiden Sozialarbeiter, die für F. Betreuung zuständig waren, nähere Angaben. Die Beklagte ist der Auffassung, der geschützte Rahmen einer vollstationären Hilfegewährung sei als stabilisierender Faktor für den Hilfeerfolg erforderlich gewesen, weil F. sich bei seiner Verselbstständigung seinerzeit nicht auf die Unterstützung durch seine Eltern habe verlassen können. Die Betreuungsdichte von 1 : 8 bei 14 Betreuungsplätzen rechtfertige den durch eine Betriebserlaubnis des Landesjugendamtes abgedeckten, in einer Leistungsvereinbarung festgeschriebenen Tagespflegesatz, in den sowohl der Lebensunterhalt des jungen Menschen als auch die Betreuungsleistungen einkalkuliert seien. Die vorgenommene monatsweise Berechnung des Kostenbeitrags für diese Hilfemaßnahme entspreche den im Urteil des OVG NRW vom 1.4.2011 - 12 A 1292/09 - aufgestellten Grundsätzen.
11Die Kammer hat zeitgleich mit dem vorliegenden Verfahren über die Klage von F. Mutter im Verfahren 6 K 2524/12 gegen den an sie gerichteten Kostenbeitragsbescheid verhandelt.
12Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 6 K 2524/12 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (fünf Hefte) verwiesen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die zulässige Anfechtungsklage, über die im Einverständnis der Beteiligten der Kammervorsitzende als Berichterstatter entscheidet (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO), ist unbegründet. Die Beklagte verlangt mit ihrem Bescheid vom 4.7.2012 für den Zeitraum vom 5.2. bis zum 31.12.2011 rechtmäßig einen Kostenbeitrag in der jeweils festgesetzten monatlichen Höhe. Sämtliches Vorbringen des Klägers bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung stellt die Rechtmäßigkeit der streitigen Kostenbeitragsfestsetzung nicht in Frage.
16Der - formell rechtmäßige - Bescheid vom 4.7.2012 hat seine Ermächtigungsgrundlage in den §§ 92 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5, 91 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Nr. 5 Buchst. b SGB VIII. Danach erfolgt die (getrennte) Heranziehung der Elternteile zu den vollstationären Leistungen der Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII), die der Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34 SGB VIII) entspricht, durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird.
17Der Sohn des Klägers erhielt von der Beklagten im streitbefangenen Zeitraum zu Recht vollstationäre Leistungen nach § 41 SGB VIII. Die Rechtmäßigkeit der Jugendhilfeleistung ist - nach dem seit Oktober 2005 geltenden Kostenbeitragsrecht ebenso wie nach der vorherigen Rechtslage - Voraussetzung für eine rechtmäßige Heranziehung zu einem Kostenbeitrag.
18Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29.4.1999 - 16 A 1224/97 -, FamRZ 2000, 293 = juris, und vom 6.6.2008 - 12 A 144/06 -, FamRZ 2008, 2314 = www.nrwe.de = juris, sowie Beschluss vom 14.1.2009 - 12 E 1693/08 -; Wiesner, SGB VIII, Komm., 4. Aufl. 2011, § 91 Rdnr. 13.
19Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Nach § 41 Abs. 2 SGB VIII gelten für die Ausgestaltung der Hilfe u.a. die §§ 34 und 35a SGB VIII entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
20Die dem Sohn des Klägers bewilligte Hilfe entsprach einer vollstationären Hilfe zur Erziehung in einer sonstigen betreuten Wohnform i.S.d. § 34 SGB VIII. Zu den sonstigen betreuten Wohnformen gehört auch das betreute Einzelwohnen als eine Variante der Heimerziehung, die als Verselbstständigungsstufe gerade für junge Volljährige in besonderer Weise in Betracht kommt. Kennzeichnend für diese Hilfeform ist das Leben des hilfebedürftigen jungen Menschen in einer Einzelwohnung bei ständiger Erreichbarkeit eines außerhalb dieser Wohnung lebenden Betreuers, wobei die Betreuungsintensität - entgegen der Meinung des Klägers - keineswegs gleich hoch sein muss wie etwa bei einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung i.S.d. § 35 SGB VIII. Vielmehr unterscheidet sich die Hilfe zur Erziehung in einer sonstigen betreuten Wohnform vor allem durch ihr geringeres Maß an Betreuung gerade von der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung.
21Vgl. Wiesner, a.a.O., § 34 Rdnr. 25; Struck/Trenczek, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 34 Rdnr. 2, § 35 Rdnrn. 3 und 6.
22Der Sohn des Klägers hat antragsgemäß ein solches betreutes Einzelwohnen als Jugendhilfeleistung erhalten. Dass das betreute Einzelwohnen, wie es die Beklagte bei F. praktiziert hat, eine gängige Form der Hilfeleistung in einer sonstigen betreuten Wohnform darstellt, wird schon dadurch indiziert, dass der Beklagten bereits vor Jahren eine Betriebserlaubnis des Landesjugendamtes nach § 45 SGB VIII für diese Art der Betreuungsleistung erteilt wurde. Diese Form der Hilfe ist namentlich gegenüber jungen Volljährigen wie dem Sohn des Klägers geprägt durch ihren Angebotscharakter, lässt also dem jungen Volljährigen bewusst ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit, in welchem Umfang er die Hilfe für seine Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung tatsächlich in Anspruch nehmen will. Deshalb liegt es in der Natur der Sache, dass die Betreuungsintensität im betreuten Einzelwohnen zu verschiedenen Zeitabschnitten und je nach Bedarf tatsächlich sehr unterschiedlich ausfallen kann. Dies haben die Beklagte und die beiden für F. tätig gewesenen Mitarbeiter des Betreuten Wohnens in ihren Schriftsätzen zutreffend näher ausgeführt; die Kammer nimmt an Stelle näherer Darlegungen zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf jene Ausführungen Bezug. Demgemäß brauchte die Kammer den widerstreitenden Behauptungen der Beteiligten zu der Frage, in welchem Umfang der Sohn des Klägers die Hilfe der Beklagten tatsächlich in Anspruch genommen bzw. erhalten, auf seinem von § 41 SGB VIII gerade gewünschten Weg zur allmählichen Verselbstständigung als junger Volljähriger von dem das Hilfekonzept prägenden durchgängigen Angebot im Einzelnen Gebrauch gemacht hat, nicht weiter nachzugehen. Entscheidend ist allein die Bereitstellung eines vom Sohn des Klägers grundsätzlich ständig - zeitlich begrenzt lediglich durch die Dienstzeiten der Mitarbeiter der Beklagten - abrufbaren Betreuungsangebotes, um diesem Angebot unabhängig vom Umfang seiner Inanspruchnahme den Charakter einer vollstationären Hilfe i.S.d. §§ 34 und 91 Abs. 1 SGB VIII zusprechen zu können.
23Der Sachverhalt, der dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des VG Köln
24Urteil vom 6.5.2010 - 26 K 6023/09 -, www.nrwe.de = juris
25zu Grunde lag, unterscheidet sich wesentlich vom hier vorliegenden Sachverhalt und ist mit ihm schon deshalb nicht vergleichbar. In jenem Fall beliefen sich die von einem Betreuungsverein abgerechneten tatsächlichen Fachleistungsstunden auf monatlich höchstens 381,68 € bei einem Stundensatz von 72,70 €, was einem Betreuungsaufwand von nur etwa fünf Stunden im Monat entspricht. Die Beklagte hat dem Kläger jedoch Betreuungsleistungen nach einem ganz anderen Konzept erbracht, nämlich als ununterbrochen geltendes Angebot für einen demgemäß pauschal abgerechneten Tagespflegesatz von knapp 56 €. Damit ist der vorliegende Fall anders als der vom VG Köln beurteilte Sachverhalt, der in der Tat nur auf eine weitmaschige Betreuung des dortigen Hilfeempfängers schließen ließ, gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Hilfeleistung der Beklagten prinzipiell ständig, lediglich beschränkt durch die Dienstzeiten der Mitarbeiter des Betreuten Wohnens, angeboten wurde.
26Die Hilfeleistung der Beklagten war voll- und nicht lediglich teilstationär oder ambulant. Eine Jugendhilfeleistung ist vollstationär, wenn sie über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erfolgt - eine teilstationäre Leistung wäre demgegenüber durch die regelmäßige Rückkehr des Hilfeempfängers ins Elternhaus für einen Teil des Tages und die Beibehaltung seines Lebensmittelpunktes dort gekennzeichnet - und daher die Gewährung von Unterkunft in die Leistung einbezogen ist.
27Vgl. Wiesner, a.a.O., § 91 Rdnr. 6; Schindler, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 91 Rdnrn. 4 und 12, unter Hinweis auf ähnliche Überlegungen des BVerwG im Urteil vom 12.12.2002 - 5 C 48.01 -, NJW 2003, 2399 = FEVS 54, 311.
28Dabei ist unbeachtlich, wie die Gewährung von Unterkunft außerhalb des Elternhauses konkret ausgestaltet ist. Sie kann z.B. - wie hier - in einer separaten Wohnung erfolgen, wobei wiederum unmaßgeblich ist, wer die Wohnung angemietet hat.
29Vgl. Schindler, a.a.O., Rdnr. 4.
30Von ambulanten Jugendhilfeleistungen unterscheiden sich die voll- und teilstationären Leistungen dadurch, dass sie sich nicht auf die Beratung oder eine therapeutische Arbeit beschränken.
31Vgl. Schindler, a.a.O., Rdnr. 12.
32Maßgebend für die Bejahung einer vollstationären Leistung durch Hilfe für einen jungen Volljährigen in einer sonstigen betreuten Wohnform ist im vorliegenden Fall nach alledem, dass F. während des streitbefangenen Zeitraums über Tag und Nacht außerhalb seines Elternhauses in einer unter maßgeblicher Beteiligung und Kontrolle des Jugendamtes angemieteten Wohnung lebte und dort ständig in erheblichem Umfang verschiedene, über eine bloß beratende Tätigkeit weit hinausgehende Betreuungsleistungen der Beklagten in Anspruch nehmen konnte.
33Diese Hilfeleistung für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung war rechtmäßig. Die Beklagte durfte sie als notwendig und geeignet ansehen.
34Ob eine Maßnahme notwendig und geeignet ist, bestimmt sich nach dem sozialpädagogischen Sachverstand des Jugendamtes und ist gerichtlich nur begrenzt überprüfbar. Dem Jugendhilfeträger steht bei seiner Entscheidung über eine Hilfeleistung und ggf. die Art und Weise ihrer Gewährung ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.7.2013 - 12 A 892/13 -, www.nrwe.de = juris; BayVGH, Beschluss vom 21.2.2013 - 12 CE 12.2136 -, juris.
36Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Jugendhilfemaßnahme handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des jungen Menschen und mehrerer Fachkräfte (vgl. § 36 SGB VIII), das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, FEVS 51, 152 = NDV-RD 2000, 4, und vom 18.10.2012 - 5 C 21.11 -, NJW 2013, 1111 = NDV-RD 2013, 45; OVG NRW, Beschluss vom 11.10.2013 - 12 A 1590/13 -, m.w.N.; OVG Schleswig, Beschluss vom 4.7.2006 - 2 O 20/06 -, NJW 2007, 243 = NDV-RD 2006, 105; VG Minden, Urteile vom 15.11.2013 - 6 K 2198/13 - und vom 13.12.2013 - 6 K 1278/11 -.
38Nach dieser Maßgabe ist die Entscheidung der Beklagten über die Notwendigkeit und die Art der dem Sohn des Klägers im streitbefangenen Zeitraum bewilligten Hilfe rechtlich einwandfrei. Es ist fachlich gut vertretbar und nachvollziehbar, dass die Beklagte angesichts ihrer über mehrere Jahre hinweg gewonnenen Vorerfahrungen mit F. und seinen Eltern sowie mit früheren Hilfeleistungen einerseits einen vollstationären Betreuungsrahmen außerhalb des Elternhauses, andererseits aber auch größtmögliche persönliche Entwicklungsmöglichkeiten F. für erforderlich hielt. Diesen Vorüberlegungen wurde das bewilligte betreute Wohnen in einer eigenen Wohnung in besonderer Weise gerecht. Eine regelmäßige „Überwachung“ F. durch die Betreuer daraufhin, ob er alle getroffenen Vereinbarungen zum Wohnverhalten ausnahmslos einhielt - was der Kläger als notwendig bezeichnet -, war gegenüber F. als jungem Volljährigen gerade angesichts des angestrebten Ziels seiner Verselbstständigung aus fachlich gut vertretbarer Sicht nicht geboten. Ob der Kläger eine andere Vorstellung von einer geeigneten und notwendigen Hilfe für seinen Sohn hat, ist rechtlich ohne Belang.
39Gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat die Beklagte den Kläger - als zusätzliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit ihres Kostenbeitragsbescheides - mit dem Schreiben vom 2.2.2011 inhaltlich ausreichend über die zivilrechtlichen Folgen einer öffentlich-rechtlichen Kostenbeitragspflicht (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) aufgeklärt
40zu den Anforderungen vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2012 - 5 C 22.11 -, NJW 2013, 629 = NDV-RD 2013, 20 = JAmt 2013, 38; OVG NRW, Beschlüsse vom 26.6.2008 - 12 E 683/07 -, JAmt 2008, 547 = www.nrwe.de = juris, sowie vom 9.9.2010 ‑ 12 A 1567/09 - und vom 13.3.2012 - 12 A 1662/11 -, jew. www.nrwe.de = juris
41und ihm die Leistungsgewährung mitgeteilt. Das hat den Beginn der grundsätzlichen Kostenbeitragspflicht des Klägers am 5.2.2011, dem Tag, an dem das Schreiben vom 2.2.2011 entsprechend § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als bekanntgegeben gilt
42vgl. VG Minden, Urteile vom 24.5.2013 - 6 K 1775/12 - und vom 19.7.2013 - 6 K 1305/13 -, jew. www.nrwe.de = juris, sowie vom 13.12.2013 - 6 K 522/11 -
43und dem Kläger ausweislich seines Antwortschreibens vom 5.2.2011 auch spätestens vorlag, zur Folge.
44Die Beklagte fordert für die Zeit vom 5.2. bis zum 31.12.2011 zu Recht einen Kostenbeitrag in der jeweils monatlich festgesetzten Höhe. Jeder dieser Beträge unterschreitet - nach Abzug der Eigenbeteiligung F. an der Kostendeckung in Höhe seines jeweils einsatzfähigen monatlichen Nettoeinkommens und des jeweils von seiner Mutter geschuldeten Kostenbeitrags (§ 94 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB VIII) - die noch ungedeckten tatsächlichen damaligen Aufwendungen der Beklagten (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Schon in Monaten mit nur 30 Kalendertagen beliefen sich die Aufwendungen angesichts eines Tagespflegesatzes von 55,94 € und eines täglichen Bekleidungsgeldes von 1,34 € sowie des monatlichen Taschengeldes von 98,28 € (bzw. ab Januar 2012 von 100,98 €) insgesamt auf über 1.810 €, wovon nach Abzug der Eigenbeteiligung F. mit einem angerechneten Monatsbetrag von 359,21 € bzw. ab Oktober 2011 von 391,79 € jeweils weit mehr als 1.400 € ungedeckt blieben; für Februar 2011 blieb bei einer für (nur) 27 Tage in Rechnung gestellten Hilfeleistung im Wert von 1.646,18 € nach Abzug des Eigenbeitrags F. ein ungedeckter Aufwand von 1.286,97 €. Die festgesetzten Kostenbeiträge des Klägers und von F. Mutter erreichten zusammengerechnet jedoch in keinem der Monate Februar bis Dezember 2011 einen Betrag in Höhe des jeweils ungedeckten Aufwands der Beklagten; die Höchstsumme ihrer jeweiligen Kostenbeiträge betrug im März 1.185 €.
45Jede der drei Kostenpositionen (Tagespflegesatz, Bekleidungsgeld, Taschengeld) war der Höhe nach angemessen. Das gilt auch für den Tagespflegesatz. Die Beklagte hat mit ihrem Schriftsatz vom 8.1.2014 plausibel dargelegt, wie sich der Pflegesatz zusammensetzt. Die Berücksichtigung der Einzelpositionen, die in den Pflegesatz einfließen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Höhe der Personalkosten, die hier allein schon wegen des Personalschlüssels von 1 : 8 deutlich niedriger sind als die Personalkosten bei anderen stationären Maßnahmen, insbesondere Heimen, ist ohne weiteres angemessen angesichts des Umfangs und der Vielfalt der Aufgaben der Mitarbeiter des Betreuten Wohnens, was die den Kläger mitbetreuende Sozialarbeiterin Elsner in der mündlichen Verhandlung in Ergänzung des vorherigen schriftlichen Vorbringens der Beklagten nochmals ausführlich und überzeugend erläutert hat. Dass diese Kosten nur pauschalierend an Hand von Durchschnitts- und Erfahrungswerten kalkuliert werden können unabhängig davon, in welchem Umfang der einzelne Hilfeempfänger vom umfassenden Hilfeangebot tatsächlich Gebrauch macht, liegt in der Natur der Sache.
46Gegen die Berechnung des jeweiligen monatlichen Kostenbeitrags, bei der sich die Beklagte an der Rechtsprechung des OVG NRW orientiert hat
47vgl. zuletzt das zweite zum Az. 12 A 1292/09 ergangene Urteil vom 16.4.2013, www.nrwe.de = juris
48und u.a. die im Vergleich mit F. mindestens gleichrangige Unterhaltsberechtigung der Tochter des Klägers ihm gegenüber beitragsmindernd durch Zuordnung zu einer niedrigeren Einkommensgruppe berücksichtigt hat (§ 4 Abs. 1 der Kostenbeitragsverordnung), erhebt der Kläger keine Einwendungen.
49Nach alledem kann die Beklagte für den streitbefangenen Zeitraum insgesamt einen von ihr zutreffend aufaddierten Kostenbeitrag des Klägers von 5.643,57 € beanspruchen, davon für Februar 2011 zu Recht anteilig 608,57 € (= 710 € x 24/28).
50Ausführlich zum Erfordernis einer taggenauen Berechnung: VG Minden, Gerichtsbescheid vom 13.8.2012 - 6 K 1629/12 - und Urteil vom 19.4.2013 - 6 K 2743/10 -, jew. www.nrwe.de = juris.
51Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 VwGO, die Anordnungen zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.
(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden.
(3) Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden. Gewährt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen zur Teilhabe, sind die Vorschriften zum Verfahren bei einer Mehrheit von Rehabilitationsträgern nach dem Neunten Buch zu beachten.
(4) Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden.
(5) Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht in Frage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden; die Entscheidung, ob, wie und in welchem Umfang deren Beteiligung erfolgt, soll im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Willensäußerung des Personensorgeberechtigten getroffen werden.