Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 23. Juni 2010 - 5 B 9/10
Gründe
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Der vorläufige Rechtsschutzantrag des Antragstellers, mit welchem er (sinngemäß) beantragt,
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den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu untersagen, den ausgeschriebenen Dienstposten eines Abteilungsleiters, Abteilung 4, bei dem D. des Landes Sachsen-Anhalt und eine dementsprechende Beförderung mit einem Konkurrenten vorzunehmen bzw. keinen arbeitsrechtlichen Vertrag abzuschließen bis über die Bewerbung des Antragstellers erneut entschieden wurde,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
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Bei einem sogenannten Konkurrentenstreitverfahren der vorliegenden Art ist die notwendige Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) für den Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgrund der bevorstehenden und nicht rückgängig zu machenden Ernennung eines Konkurrenten stets gegeben. Der erforderliche Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf erneute Entscheidung über die Bewerbung ist zumindest dann gegeben, wenn die Erfolgsaussichten des abgelehnten Bewerbers bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint (vgl. nur: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.09.2002, 2 BvR 857/02; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.01.2004, 2 VR 3.03; OVG LSA, Beschluss vom 26.08.2009, 1 M 52/09; alle juris).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur: Urteil vom 21.08.2003, 2 C 14.02; juris) entspricht es dem bei der Beförderung nach Artikel 33 Abs. 2 GG zu beachtenden Grundsatz der Bestenauslese, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen.
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Aufgrund des organisatorischen Ermessens des Dienstherrn ist dieser jedoch grundsätzlich befugt, die Auswahl der Bewerber anhand eines zuvor in der Ausschreibung festgelegten Anforderungsprofils vorzunehmen. Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er anderenfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben – in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene – Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (OVG LSA, Beschluss vom 13.04.2010, 1 M 53/10).
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Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils für die zu besetzende Stelle ist die öffentliche Verwaltung aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Die Festlegung des Anforderungsprofils unterliegt als vorweggenommener wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerfG, Beschluss vom 08.10.2007, 2 BvR 1848/07, mit Verweis auf: Nieders. OVG, Beschluss vom 24.08.2004, 5 ME 92/04, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.03.1994, 13 B 10166/94; alle juris). Fehler im Anforderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, entweder nicht am Leistungsgrundsatz orientierten Gesichtspunkten oder aber auf solchen von mit dem Leistungsgrundsatz nicht vergleichbarem Gewicht (dazu OVG LSA, B. v. 16.06.2010, 1 M 78/10) beruhen.
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Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils können Bewerber von vornherein ausgeschlossen werden, die die Anforderungen des Dienstherrn an die entsprechende Stellenbesetzung nicht erfüllen. Aus sachlichen Gründen vorgenommene Verengungen des Bewerberfeldes durch ein in die Ausschreibung aufgenommenes Anforderungsprofil sind deshalb von der Rechtsprechung allgemein gebilligt worden (vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 16.08.2001, 2 A 3.00; Urteil vom 25.11.2004, 2 C 17.03; OVG Münster, Beschluss vom 15.01.2003, 1 B 2230/02; VGH Kassel, Beschluss vom 13.03.2003, 1 TG 75/03; OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.11.1995, 5 M 6322/95, Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 28.09.2006, 5 ME 229/06; OVG Hamburg, Beschluss vom 12.02.2007, 1 Bs 354/06; OVG NRW, Beschluss vom 10.03.2009, 1 B 1518/08; alle juris). Aufgrund dieser Verengung des Bewerberfeldes erübrigt sich in diesen Fällen die Einholung aktueller dienstlicher Beurteilungen und die daran gemessene vergleichende Bewertung von Eignung und Leistung der Bewerber, wenn von vornherein feststeht, dass ein Bewerber eine bestimmte Voraussetzung, die der Dienstherr im Anforderungsprofil festlegt und die er vorher öffentlich bekannt gemacht hat, nicht erfüllt . Das Anforderungsprofil darf aber nicht dazu führen, dass einer Reihe von potentiell geeigneten und im Übrigen nicht unqualifizierten Bewerbern von vornherein die Chance zum Vergleich ihrer durch die dienstlichen Beurteilungen bescheinigten dienstlichen Leistungen genommen wird.
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Kriterien im Anforderungsprofil werden zudem ausschließlich durch das zu besetzende Amt bedingt. Sachfremd und sachwidrig sind deshalb Erwägungen bei der Aufstellung eines Anforderungsprofils etwa dann, wenn sie sich nicht oder nicht ausreichend an dem Grundsatz der Bestenauslese bzw. seinen Einzelkriterien orientieren. Weiter darf durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass gerade die in den dienstlichen Beurteilungen der Bewerber enthaltenden persönlichkeitsbedingten Werturteilen unberücksichtigt bleiben. Dies ist zum Beispiel bei der Forderung nach einem „diplomatischen Geschick“, „hervorragende Eignung zur Mitarbeiterführung“ oder sonstigen sog. „soft skills“ als „weiche“ Kriterien der Fall. Denn derartige persönlichkeitsbedingte Werturteile erschließen sich in der Regel erst durch das Studium der dienstlichen Beurteilung. Dagegen ist zum Beispiel die Absolvierung einer bestimmten Prüfung oder Leitungserfahrung als Voraussetzung im Anforderungsprofil unbedenklich. Denn derartige objektiv nachprüfbare Voraussetzungen lassen sich ohne persönlichkeitsbedingte Werturteile und damit ohne nähere Bewertung der dienstlichen Beurteilung feststellen (vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 28.09.2006, 5 ME 229/06; juris).
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Deshalb versteht es sich zur Überzeugung der Kammer nicht nur aus rechtlichen Gründen von selbst, dass wegen der durch ein Anforderungsprofi eintretenden vorzeitigen Verengung des Bewerberkreises dieses hinreichend bestimmt, klar, eindeutig und in sich schlüssig sowie nachvollziehbar sein muss. Fehler und Unklarheiten des Anforderungsprofils gehen daher zu Lasten des Dienstherrn. Bei der gerichtlichen Prüfung ist jedoch zu beachten, dass sich gerade fachspezifische Ausschreibungen an einen bestimmten Bewerberkreis richten, denen die Bedeutung bestimmter fachlicher Formulierungen bewusst ist.
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Dies vorausgeschickt ist vorliegend der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers rechtlich nicht etwa bereits deshalb geboten, weil der Antragsgegner zu 1. das mit der Stellenausschreibung vom 08.12.2008 eingeleitete Besetzungsverfahren im August 2009 abgebrochen und mit einem veränderten Anforderungsprofil ein neues Ausschreibungsverfahren eingeleitet hat. Das ursprüngliche Anforderungsprofil lautete:
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- eine hohe Führungskompetenz sowie vielfältige Führungserfahrungen auch auf verschiedenen Verwaltungsebenen, Fähigkeiten bei der Moderation von Konflikten
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- hohe fachliche Kompetenz in den Politikfeldern der Abteilung sowie Kompetenzen in der Einbeziehung von Querschnittsdimensionen (u. a. Gender Mainstreaming)
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- eine ausgeprägte strategisch-konzeptionelle Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit
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- Erfahrungen bei der verantwortlichen Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisationen
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- ein hohes Maß an Selbstreflexion
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- eine überzeugende Präsentationsfähigkeit und ein souveränes Auftreten
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- einschlägige Verwaltungskompetenz (vor allen in Gesetzgebungsverfahren, bei der Initiierung und Umsetzung von Programmen und im Haushaltsrecht)
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- überdurchschnittliche Flexibilität, Engagement und Belastbarkeit.
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In dem nunmehr der Stellenbesetzung zugrunde gelegten Anforderungsprofil heißt es:
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Konstitutive Anforderungen:
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- Erfüllung der Voraussetzungen für den höheren Verwaltungsdienst
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- ein aktives unbefristetes Beschäftigungsverhältnis im D.
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- ein mindestens nach A 16 besoldetes Statusamt bzw. eine Eingruppierung mindestens in der Entgeltgruppe E 15 Ü sowie das aktuelle Innehaben einer Führungsfunktion
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- langjährige Führungserfahrungen auf verschiedenen Ebenen,
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- hohe fachliche Kompetenz in den Politikfeldern der Abteilung sowie Kompetenzen in der Einbeziehung von Querschnittsdimensionen (u. a. Gender Mainstreaming) –
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vorausgesetzt wird die Wahrnehmung einer mehrjährigen Gestaltungsverantwortung in mindestens zwei fachlichen Handlungsfeldern der Abteilung 4
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- einschlägige Verwaltungskompetenz (vor allem bei der Initiierung und Umsetzung von Programmen und im Haushaltsrecht sowie bei Gesetzgebungsverfahren)
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Deskriptive Anforderungen:
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- eine hohe Führungskompetenz sowie ausgeprägte Fähigkeiten bei der Moderation von Konflikten
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- eine ausgeprägte strategisch-konzeptionelle Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit
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- ein hohes Maß an Selbstreflexion
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- überdurchschnittliche Flexibilität, Engagement und Belastbarkeit
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- Erfahrungen bei der verantwortlichen Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisationen
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- eine überzeugende Präsentationsfähigkeit und ein souveränes Auftreten.
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Zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ist auch in einem nach Fortsetzung der Auswahlverfahrens angestrengten vorläufigen Rechtsschutzverfahren hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung der Frage nachzugehen, ob der Dienstherr das ursprüngliche Auswahlverfahren abbrechen und ein neues Auswahlverfahren durchführen durfte (OVG NRW, Beschl. v. 23.06.2008, 6 B 560/08; juris). Ausweislich des Auswahlvermerkes vom 04.12.2009 habe sich im Rahmen des ersten Stellenausschreibungsverfahrens als Mangel für eine rechtlich nicht zu beanstandende und sachgerechte Durchführung der Auswahlentscheidung erwiesen, dass im Anforderungsprofil nicht nach notwendigen Voraussetzungen und darüber hinausgehenden (leistungsdifferenzierenden) Anforderungsmerkmalen unterschieden worden sei. Das Anforderungsmerkmal der „hohen fachlichen Kompetenz in den Politikfeldern der Abteilung“ sei durch die Heranziehung eines anhand der Personalakten überprüfbaren Indikators präzisiert worden. Dabei müsse der entsprechende Nachweis nicht mehr in allen Politikfeldern erbracht werden, für eine entsprechende Eignungsfeststellung genüge der Nachweis einer hohen fachlichen Kompetenz in zwei Handlungsfeldern der Abteilung. Dementsprechend wurde das Anforderungsprofil in konstitutive und deskriptive Anforderungen unterteilt.
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Grundsätzlich ist der Dienstherr rechtlich nicht gehindert, ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit zu beenden (BVerwG, Urt. v. 25.04.1996, 2 C 21.95; juris). Als eine aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende verwaltungspolitische Entscheidung berührt der Abbruch des Auswahlverfahrens grundsätzlich nicht die Rechtstellung von Bewerbern. Dass für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen (BVerwG, Urt. v. 25.04.1996, 2 C 21.95; juris). Jedoch verlangt die Wahrung der an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Rechte der Bewerber eine angemessene Verfahrensgestaltung. Denn durch den Abbruch eines laufenden Stellenbesetzungsverfahrens kann der Dienstherr grundsätzlich die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern. Haben sich auf eine Ausschreibung hin geeignete bzw. gut geeignete Bewerber gemeldet, bedarf es einer ganz besonders nachvollziehbaren Begründung dafür, dass das Stellenbesetzungsverfahren trotz des Verfassungsprinzips der Bestenauslese abgebrochen wird (VG Bremen, Beschl. v. 29.06.2009, 6 V 127/08; juris).
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Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass das ursprüngliche Stellenbesetzungsverfahren nicht endgültig abgebrochen, sondern mit einem modifizierten Anforderungsprofil fortgesetzt wurde. Ein sachlicher Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens und den Beginn eines erneuten Auswahlverfahrens kann darin zu sehen sein, dass das bisherige Anforderungsprofil unklar formuliert und daher missverständlich ist. In einem solchen Fall kann vor allem nicht ausgeschlossen werden, dass potenzielle Bewerber durch die Formulierung des Anforderungsprofils von einer Bewerbung abgehalten worden sind, weil sie davon ausgehen mussten, die Voraussetzungen nicht zu erfüllen. Demnach ist es sachgerecht, wenn der Dienstherr das Auswahlverfahren in diesen Fällen abbricht und die Stelle mit einem präzisierten oder ggf. veränderten Anforderungsprofil neu ausschreibt (OVG NRW, Beschl. v. 23.06.2008, 6 B 560/08; juris).
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Unter großzügiger Betrachtung ist das Gericht der Auffassung, dass die vom Antragsgegner zu 1. in dem Auswahlvotum sowie im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Erwägungen nachvollziehbar und im Sinne der Rechtsprechung ausreichend für die Annahme eines sachgerechten Grundes für eine modifizierte Fortsetzung des Auswahlverfahrens sind. Zwar geht insbesondere aus dem Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 28.04.2009 (Blatt 123 Beiakte D zum Verfahren 5 B 10/10 MD) hervor, dass sich der Ministerpräsident insbesondere mit der Auswahl eines landesfremden Bewerbers aus Gründen der Organisationshoheit aus haushalts- und personalwirtschaftlichen Gründen nicht einverstanden erklären wollte. Denn für das zu vergebende Amt stünden grundsätzlich geeignete Landesbeschäftigte zur Verfügung. Dies war angesichts des damals durchgeführten Ranking auch nachvollziehbar. Denn neben der seinerzeit ausgewählten landesfremden Bewerberin waren nachfolgend mehrere Landesbedienstete im Ranking vertreten. Dementsprechend diente das erneute Auswahlverfahren eigentlich nicht der Erweiterung, sondern der Beschränkung des Bewerberkreises. Gleichwohl ist generell gegen eine Beschränkung des Bewerberkreises z. B. auf Bewerber aus der Landesverwaltung (Landeskinder) nichts einzuwenden, solange der Bewerberkreis hinsichtlich der Notwendigkeit der Bestenauslese noch zahlenmäßig aussagekräftig ist. Darüber hinaus war – wie bereits ausgeführt - ausschlaggebend für das veränderte Anforderungsprofil, dass sich im früheren Verfahren als Mangel für eine rechtlich nicht zu beanstandende und sachgerechte Durchführung der Auswahlentscheidung erwiesen habe, dass im Anforderungsprofil nicht nach notwendigen Voraussetzungen und darüber hinausgehenden (leistungsdifferenzierenden) Anforderungsmerkmalen unterschieden worden sei.
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Schließlich – und darauf weist das Gericht besonders hin – steht hier ein nach der Besoldungsgruppe B 5 BBesO bewerteter Dienstposten eines Abteilungsleiters in einer obersten Landesbehörde zur Besetzung an. Damit handelt es sich um einen herausgehobenen Dienstposten innerhalb der Landesverwaltung. Auf die Besonderheiten dieses Dienstpostens als Abteilungsleiter der Abteilung 4 hat der Antragsgegner zu 1. im Auswahlvermerk vom 04.12.2009 hingewiesen und diesen damit beschrieben, dass dieser durch ein aktives und eigenständiges Handeln der Landespolitik bestimmt werde. Die dort betriebene Fachpolitik stehe im öffentlichen Fokus und die Fachpolitik des Sozialministeriums werde im besonderen Maße an den Erfolgen dieser Abteilung gemessen.
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Nach dem rechtlich unbedenklichen Abbruch und Fortgang des Besetzungsverfahrens erfüllt der Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts auf jeden Fall eine weitere im (neuen) konstitutiven Anforderungsprofil aufgestellte und rechtlich unbedenkliche Voraussetzung nicht, nämlich die unter Spiegelstrich 3 des konstitutiven Anforderungsprofils geforderte Voraussetzung der „aktuellen Inhaberschaft einer Führungsfunktion“, was dem Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegen steht.
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Zwar mag es sein, dass nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers dieser seit seiner Beschäftigungsaufnahme im Jahre 1991 bei dem früheren Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales und später im D. in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig war. Auch wurde er mit Wirkung zum 20.12.2006 in das Amt eines Ministerialrates der Besoldungsgruppe A 16 BBesO befördert. Gleichwohl ist der Antragsteller seit August 2002 als Fraktionsreferent für die Bereiche Gesundheit und Soziales sowie Gleichstellung, Familie, Jugend und Sport in der CDU-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt tätig und somit als Beamter von der Wahrnehmung seiner Dienstgeschäfte im D. bis voraussichtlich Ende der 5. Wahlperiode – März 2011 – beurlaubt. Es mag auch zutreffend sein, dass der Antragsteller in dieser - eher dem politischen Bereich anzusiedelnden - Tätigkeit in der CDU-Fraktion in zahlreichen Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt hat.
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Jedoch wird bereits aus seiner von ihm abgegebenen Funktionsbeschreibung als Referent innerhalb der CDU-Fraktion ersichtlich, dass es sich dabei gerade nicht um Leitungsfunktionen im Sinne des rechtlich zulässig geforderten konstitutiven Anforderungsprofils handeln kann und sich somit von der Tätigkeit einer Führungsfunktion, wie sie etwa ein Referatsleiter in einer obersten Landesbehörde wahrnimmt, unterscheidet. So wird eine Führungsfunktion in diesem Sinne mit einer Lenkungs- und Leitungsfunktionen und entsprechender Personal- und Weisungsbefugnis wie bei einer Vorgesetztenfunktion zu verstehen sein. Die Inhaberschaft derartiger Führungsfunktion innerhalb seiner Referententätigkeit bei einer politischen Landtagsfraktion hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht und auch aus allgemeinen Erwägungen erschließt sich dies der Kammer nicht. Als Angestellter der Fraktion beschränken sich die fachlichen Aufgaben des Fraktionsreferenten auf die fachliche und fachpolitische Unterstützung und Beratung der politischen Akteure ohne selbst etwa Personal- und Leitungsbefugnisse zu besitzen (vgl. Püschner; Der Fraktionsreferent – ein politischer Akteur; Politik und Zeitgeschichte, Nr. 38, 2009, 14.09.2009 [http://www.bundestag.de/dasparlament/2009/38/Beilage/006.html]; Beck, Handbuch Politikberatung; Die zweite Reihe im Zentrum der Macht; Politikberatung durch Fraktionsreferentinnen und wissenschaftliche Mitarbeiter in Abgeordnetenbüros).
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Dabei lässt das Gericht keinen Zweifel daran, dass auch die Forderung nach der aktuellen Inhaberschaft einer Führungsfunktion dann ein sachgerechtes Element des konstitutiven Anforderungsprofils für die Stellenbesetzung eines Abteilungsleiters (Besoldungsgruppe B 5 BBesO) darstellt, wenn die Anwendung auf den Einzelfall nicht zu einem Zuschnitt nur auf einen Bewerber bzw. der nur von ihm wahrgenommenen Tätigkeit führt. Der Dienstherr fächert ausweislich des Auswahlvermerkes vom 04.12.2009 die Führungsfunktion durchaus in verschiedene Bereiche auf und der Antragsteller mag auch die unter Spiegelstrich 4 geforderte langjährige Führungserfahrung auf verschiedenen Ebenen erfüllen; jedoch ist die von ihm vor zuletzt acht Jahren wahrgenommene Tätigkeit als Referatsleiter nicht als aktuelle Inhaberschaft einer Führungsfunktion anzusehen.
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Dabei ist auch rechtlich unbedenklich, dass die Inhaberschaft einer derartigen Führungsfunktion „aktuell“, also zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung gefordert wird. Mag bei einem derartigen Aktualitätsbezug grundsätzlich die Gefahr bestehen, dass auch dadurch der Bewerberkreis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung gesteuert werden kann. Diese Problematik stellt sich vorliegend im Fall des Antragstellers jedoch nicht. Denn es ist nicht etwa so, dass der Antragsteller die Wahrnehmung einer Führungsfunktion erst kurz vor Erstellung des erneuten Anforderungsprofils oder generell im Zusammenhang mit dem Auswahlverfahren beendete. Denn - wie dargelegt - hat der Antragsteller unzweifelhaft seit dem Jahre 2002 keine derartigen Führungsfunktionen mehr wahrgenommen. Deshalb verhilft dem Antragsteller auch eine am Leistungsgrundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte und im Zweifelsfall „weite“ Auslegung des Begriffs „Führungsfunktion“ – wegen der Nichtinhaberschaft – nicht zum Erfolg.
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Dementsprechend ist der Antragsteller im Falle der erneuten Auswahlentscheidung als chancenlos anzusehen; seine Erfolgsaussichten sind nicht etwa im Sinne der Rechtsprechung offen (vgl. nur: BVerfG, Beschluss vom 24.09.2002, 2 BvR 857/02). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ist in diesen Fällen mangels Anordnungsanspruchs zu versagen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 GKG. Der 6,5- fache Betrag des Endgrundgehaltes der begehrten Besoldungsgruppe B 5 BBesO ist daher nochmals zu halbieren.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 23. Juni 2010 - 5 B 9/10
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Referenzen - Gesetze
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.