Verwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Juli 2016 - 23 K 2594/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks H. Brauweiler, Flur 00, Flurstück 000 (vormals Teilstück aus Flurstück 00) mit der postalischen Anschrift C.----------straße 00; die Kläger zu 2) und zu 3) sind Eigentümer des Grundstücks H. C1. Flur 00, Flurstück 00 (vormals Teilstück aus Flurstück 00) mit der postalischen Anschrift C.----------straße 00. Die Grundstücke der Kläger sind mit Baugenehmigungen vom 30. Oktober 1967 (Kläger zu 1) und 10. Juli 1968 (Kläger zu 2 und zu 3) jeweils mit einem Wohnhaus innerhalb einer Hausgruppe bebaut worden. Auf den Grundstücken befinden sich keine Stellplätze. Unter dem 13. September 1967 übernahm der damalige Eigentümer des damaligen Flurstücks 00 (heute Flurstück 0000) zugunsten der Grundstücke der Kläger eine Baulast für einen Stellplatz mit einer Grundfläche von jeweils 13,75m². Die genaue Lage der Stellplätze ist in einem der Eintragung der Baulast beigefügten Plan gekennzeichnet. Derzeit ist die Stadt G. Eigentümerin des Flurstücks 0000. Tatsächlich sind auf der Fläche keine Stellplätze angelegt. Es finden sich nur eine befestigte Fläche, die aber von Grün überwuchert ist, und zwei Pfosten, die das Auffahren auf das Grundstück verhindern. Das Flurstück 0000 grenzt nicht unmittelbar an die Straße an; zwischen dem Grundstück und der Straße liegt noch das schmale Flurstück 000.
3Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans 40.3N, nach dessen textlichen Festsetzungen Nebenanlagen auf nicht überbaubaren Grundstücksflächen ausgeschlossen sind. Die Baulastflächen liegen nicht innerhalb der durch den Bebauungsplan bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen. Vielmehr ist für die betreffende Fläche „Grünfläche“ festgesetzt. Darüber hinaus befinden sich auf dem Flurstück mehrere im Bebauungsplan als „erhaltenswert“ festgesetzte Bäume.
4Am 3. September 2013 stellten die Kläger jeweils einen Antrag auf Freistellung nach § 67 BauO NRW zur Errichtung einer Doppelgarage auf dem Flurstück 0000, grenzständig zum Flurstück 296 (postalisch C.----------straße 00). In einer E-Mail vom 13. September 2013 an den Architekten der Kläger führte die Sachbearbeiterin der Beklagten u.a. aus, eine Freistellung sei nicht möglich, da der Bebauungsplan 40.3N an der besagten Stelle keine überbaubare Grundstücksfläche ausweise. Weiter heißt es in der E-Mail „für die Genehmigung muß eine Befreiung erteilt werden, die ich hiermit in Aussicht stelle“. Ferner riet die Sachbearbeiterin den Klägern, einen gemeinsamen Bauantrag zu stellen, um Gebühren zu sparen, und führte in diesem Zusammenhang weiter aus „... bitte nächste Woche um Mitteilung, wie sich die Bauherren entschieden haben, damit die Genehmigung zeitnah erteilt werden kann“. Am 16. September 2016 stellten die Kläger den angeratenen einheitlichen Bauantrag. In einem Vermerk vom 18. Februar 2014 über ein an diesem Tag mit den Klägern und ihrer Prozessbevollmächtigen geführtes Gespräch heißt es u.a., die Stadt sei Eigentümerin des Grundstücks und es stelle sich die Frage, ob ein Verkauf des Grundstücks oder eine Nutzungsentschädigung in Frage komme.
5Nach Durchführung eines Ortstermins, in dessen Rahmen eine Ablehnung des Antrags angekündigt worden war, lehnte die Beklagte den Bauantrag mit Bescheid vom 1. April 2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes könne nicht erteilt werden, weil die Freifläche als prägendes Raumbild einen städtebaulichen Zweck erfülle. Zudem sei der geplante Abstand zur Straßenbegrenzungslinie zu gering und die erhaltenswerten Bäume stünden dem Vorhaben entgegen.
6Am 5. Mai 2014 haben die Kläger Klage erhoben. Sie machen geltend, sie hätten einen Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes. Mit den Voraussetzungen der Befreiung habe sich die Beklagte im Ablehnungsbescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Von einem „prägenden Raumbild“ der fraglichen Fläche könne nicht die Rede sein, vielmehr habe sich hier Wildwuchs breit gemacht. Zudem entspreche die Fläche längst nicht mehr dem Zustand im Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes; fast alle im Bebauungsplan gekennzeichneten Bäume seien nicht mehr vorhanden. Dieser Teil der Grünfläche sei nie als Parkanlage genutzt worden. Im Übrigen hätte die Fläche schon aufgrund der Baulast freigehalten werden müssen. Der Abstand zur Straßenbegrenzungslinie sei ausreichend, wenn man ein elektrisches Rolltor nutze. Mit der E-Mail vom 13. September 2013 sei die Befreiung vom Bebauungsplan schon zugesichert worden. Die Beklagte könne sich jetzt nach Treu und Glauben nicht mehr darauf stützen, dass sie als Eigentümerin eine Bebauung nicht zulasse, denn dies sei im ganzen Baugenehmigungsverfahren nie angesprochen worden.
7Die Kläger beantragen,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2014 zu verpflichten, entsprechend dem Bauantrag vom 16. September 2013 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Doppelgarage zu erteilen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie trägt vor, die fragliche Fläche sei nicht „heruntergekommen“, vielmehr sei die Parkanlage von einem Landschaftsarchitekten geplant worden und sei Gegenstand eines Pflegevertrages. Die hier in Rede stehende Kastanie sei gewiss schon vor Eintragung der Baulast gepflanzt worden, so dass sie als erhaltenswerter Baum zu beachten sei. Die E-Mail vom 13. September 2013 habe keine Bedeutung, weil es jedenfalls an einem Rechtsbindungswillen fehle. Im Übrigen beabsichtige sie nicht, das Grundstück zu verkaufen oder eine Bebauung mit einer Doppelgarage als Eigentümerin zu dulden. Sie könne sich lediglich eine Bebauung mit einem Carport vorstellen.
12Der Berichterstatter hat am 5. April 2016 einen Ortstermin durchgeführt; wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die zulässige Klage ist nicht begründet; den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für eine Doppelgarage nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
15Nach § 75 Abs. 3 BauO NRW ergeht die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter. Dies hat zur Folge, dass zivilrechtliche Rechtspositionen, die der Verwirklichung des Bauvorhabens entgegen stehen könnten, im Baugenehmigungsverfahren im Grundsatz nicht geprüft werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein zivilrechtliches Hindernis für die Verwirklichung des Vorhabens rechtskräftig festgestellt oder offensichtlich ist. In diesem Fall fehlt das Sachbescheidungsinteresse für den Bauantrag.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2015 – 7 A 1237/13 –, Johlen in Gädtke/Czepuk/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, § 75, Rdn. 166f.
17Gemessen hieran besteht kein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, weil jedenfalls inzwischen offensichtlich ist, dass die Stadt Frechen als Eigentümerin des Flurstücks 1554 zivilrechtlich eine Bebauung des Grundstücks mit einer Doppelgarage nicht gestattet. Dies hat die Beklagte mit dem zur Akte gereichten Schreiben vom 18. April 2016 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Da bei der – hier gegebenen – Verpflichtungsklage im Grundsatz die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, musste die Kammer diese eindeutige Erklärung der Beklagten berücksichtigen.
18Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt die zivilrechtliche Erklärung der Beklagten auch nicht gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Die Beklagte hat im Baugenehmigungsverfahren zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sie mit einer Bebauung des Grundstücks mit einer Doppelgarage einverstanden ist. Auch hat sie keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt. Aus dem Umstand, dass sich die Beklagte zunächst mit den bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Fragen der Zulässigkeit des Vorhabens befasst hat, folgt nicht, dass sie zivilrechtlich mit der Bebauung einverstanden war. Aus der grundsätzlichen Beschränkung des „Prüfungsprogramms“ im Baugenehmigungsverfahren auf die baurechtliche Zulässigkeit des zur Genehmigung gestellten Vorhabens folgt vielmehr, dass die für die Bearbeitung des Bauantrags zuständige untere Bauaufsichtsbehörde die Eigentumsverhältnisse am Baugrundstück nicht klären muß, sondern grundsätzlich ausklammern kann. Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch der E-Mail der Sachbearbeiterin vom 13. September 2013 an den Entwurfsverfasser nicht entnommen werden kann, dass die Nutzung des Grundstücks zivilrechtlich unproblematisch ist. Denn auch diese befasst sich – mit Blick auf den Aufgabenbereich der Sachbearbeiterin gut nachvollziehbar – alleine mit den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Fragestellungen. Soweit die Frage der Eigentumsverhältnisse und der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens thematisiert worden ist, haben die Mitarbeiter der Beklagten jedenfalls keine – im Sinne der Kläger - positive Erklärung abgegeben. Aus dem Vermerk über die Besprechung vom 18. Februar 2014 ergibt sich, dass dort angesprochen wurde, dass die Stadt G. Eigentümerin des Grundstücks ist und dass über die Nutzung des Grundstücks durch die Kläger eine privatrechtliche Regelung getroffen werden müsste. Von einem Einvernehmen über die Nutzung ist jedoch nicht die Rede; dies behaupten die Kläger auch nicht.
19Aus den Baulasterklärungen und der Baulasteintragung folgt schon deshalb keine Verpflichtung der Beklagten, die Nutzung des Grundstücks für das Vorhaben zu gestatten, weil die Baulastfläche weder hinsichtlich der Lage noch hinsichtlich der Größe der Fläche (27m²) mit dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben (Fläche von 57,5m²) übereinstimmt.
20Im Übrigen wäre das Vorhaben der Kläger auch bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Dies gilt auch dann, wenn man die E-Mail vom 13. September 2013 als Zusicherung der Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung des maßgeblichen Bebauungsplanes über Nebenanlagen außerhalb der überbaubaren Fläche versteht. Denn dann würde es zum einen an einer weiter notwendigen Befreiung für die Beseitigung festgesetzter Bäume fehlen. Zum andern ist das Vorhabengrundstück nicht erschlossen, weil es nicht an die öffentliche Verkehrsfläche grenzt. Denn zwischen dem Baugrundstück und dem Straßenraum befindet sich noch das weitere (schmale) Flurstück 000. Dies bedarf mit Blick auf das zivilrechtliche Hindernis jedoch keiner Vertiefung.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Juli 2016 - 23 K 2594/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer nachträglichen Baugenehmigung für die Verglasung straßenseitiger Balkone.
3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung L. , Flur 34, Flurstück 2060/124 mit der postalischen Anschrift Q. Straße 22 in L. . Das Grundstück ist mit einem fünfgeschossigen Wohnhaus bebaut und verfügt im 1. bis 4. Obergeschoss über straßenseitige Balkone. Das Gebäude grenzt straßenseitig an die Verkehrsfläche der Q. Straße (Flurstück 576), die im Eigentum der Beklagten steht. Nach Norden grenzt es unmittelbar an das ebenfalls mehrgeschossig bebaute Grundstück Gemarkung L. Flur 34, Flurstück 1753/124 mit der Anschrift Q. Straße 24. Für das Gebäude des Klägers liegen Baugenehmigungen vom 10. Oktober 1961, 23. Dezember 1966 und 11. Dezember 1967 vor. Danach sind die Balkone mit einer Breite von 4,40 m und einer Tiefe (Auskragung) von 1,25 m sowie einem Abstand von 1,25 m zur Nachbargrenze zum Grundstück Q. Straße 24 genehmigt.
4Das Bauaufsichtsamt der Beklagten erklärte mit Schreiben vom 15. Mai 1990 gegenüber dem Voreigentümer des Grundstücks Q. Straße 22 auf dessen Anfrage vom 19. Februar 1990 hin, eine Verglasung der Balkone sei zulässig, bedürfe aber einer bauaufsichtlichen Genehmigung.
5Am 9. August 2010 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Verglasung straßenseitiger Balkone, für die Verbreiterung der straßenseitig vorhandenen Dachgaube bis zur Giebelwand, für das Herstellen eines Innenhofs im Erdgeschoss sowie für die Nutzungsänderung von einem Imbiss in ein Büro mit Wohnräumen im Erdgeschoss. In den beigefügten Bauvorlagen sind im 1. bis 4. Obergeschoss straßenseitige Balkone im Einzelnen dargestellt. Deren Tiefe (Auskragung) beträgt nach den Bauvorlagen 1,25 m, das tatsächliche Maß beträgt nach einer Messung der Beklagten vom 9. Dezember 2014 jedoch1,42 m. Der seitliche Abstand zum Haus Q. Straße 24 beträgt nach den Bauvorlagen 1,365 m, der tatsächliche Abstand beträgt nach der Messung der Beklagten vom 9. Dezember 2014 aber nur 0,915 m.
6Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 30. September 2010 ab. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus: Die vorhandenen Balkone überschritten die durch den Fluchtlinienplan Nr. 272 festgesetzte Baufluchtlinie. Durch die Änderung der Balkone in Wintergärten bzw. Erker werde der Bestandsschutz dieser baulichen Anlage aufgehoben. Die zu errichtenden Wintergärten fügten sich auch nicht in die Umgebung ein, sie seien deshalb planungsrechtlich unzulässig.
7Der Kläger hat am 8. November 2010 Klage erhoben und zunächst sinngemäß den Antrag angekündigt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. September 2010 zu verpflichten, ihm die begehrte Baugenehmigung für das beantragte Vorhaben zu erteilen.
8Die Beklagte genehmigte mit Bescheid vom 23. Dezember 2010 das Bauvorhaben des Klägers, soweit es das Erdgeschoss betraf; die Beteiligten haben im Umfang der erteilten Genehmigung das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte stellte bei einer Ortsbesichtigung am 24. Januar 2011 fest, dass die straßenseitigen Balkone inzwischen verglast worden waren.
9Der Kläger hat zur Begründung der Klage vorgetragen: Der Fluchtlinienplan könne der Verglasung der Balkone nicht entgegengehalten werden. Die vorhandenen Balkone genössen Bestandsschutz, der zur Instandsetzung und auch zur Errichtung der in Rede stehenden Verglasung berechtige. Zudem wiesen verschiedene Gebäude in der Umgebung ebenfalls Erker bzw. Balkone auf, welche nicht weniger ins Auge fielen. Hierzu hat der Kläger Bildmaterial zu den Objekten Q. Straße 5, 7 und 36 vorgelegt.
10Der Kläger hat zunächst beantragt,
11die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 30. September 2010 zu verpflichten, ihm die begehrte Baugenehmigung zu erteilen, soweit der Bauantrag vom 9. August 2010 die Verglasung der straßenseitigen Balkone und die Erweiterung der straßenseitigen Glaube im Spitzboden bis zur Giebelwand betrifft.
12Die Beklagte hat sinngemäß zunächst beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat vorgetragen, sie sei mit der Überbauung ihres Eigentums an der Verkehrsfläche der Q. Straße durch die Balkone nicht einverstanden.
15Das Verwaltungsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2013 das Verfahren, soweit die Beteiligten es für erledigt erklärt haben, eingestellt und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: In dem noch anhängigen Umfang sei die Klage zulässig, aber nicht begründet. Für den Bauantrag fehle es bereits an dem erforderlichen Sachbescheidungsinteresse. Das Vorhaben des Klägers rage im Hinblick auf die Balkonanlage, wie der Auszug aus dem Liegenschaftskataster zeige, in das Flurstück 576 (Q. Straße), das im Eigentum der Beklagten stehe. Die Beklagte habe die Zustimmung zu der Überbauung ihres Eigentums verweigert. Für ihre Bereitschaft, diesen Standpunkt aufzugeben, sei nichts ersichtlich. Das Bauvorhaben sei aber auch in der Sache nicht mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar. Die Beklagte habe im Ablehnungsbescheid zutreffend ausgeführt, dass der geplanten Erweiterung der Gaube § 6 BauO NRW entgegenstehe. Da der Kläger durch den Bauantrag die baulichen Veränderungen als ein Vorhaben zum Gegenstand der Beurteilung gemacht habe, sei das Vorhaben insgesamt nicht genehmigungsfähig.
16Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger mündliche Verhandlung beantragt und weiter vorgetragen: Er habe auch hinsichtlich des gestellten Bauantrags auf Verglasung der straßenseitigen Balkone ein Sachbescheidungsinteresse. Die Beklagte habe schon im Jahre 1990 erklärt, dass eine derart geplante Änderung der Balkone zulässig sei.
17Hinsichtlich der Erweiterung der straßenseitigen Gaube im Spitzboden des Gebäudes Q. Straße hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Bauantrag und die Klage zurückgenommen.
18Der Kläger hat beantragt,
19die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 30. September 2010 zu verpflichten, ihm auf seinen Bauantrag vom 9. August 2010 die Baugenehmigung für die Verglasung der straßenseitigen Balkone am Objekt Q. Straße 22 in L. zu erteilen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat weiterhin geltend gemacht, sie sei mit der baulichen Änderung der straßenseitigen Balkone nicht einverstanden und verweigere deshalb die Zustimmung zu Überbauung der in ihrem Eigentum stehenden Verkehrsfläche der Q. Straße.
23Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, eingestellt und im übrigen mit Urteil vom 12. April 2013 die Klage abgewiesen; zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Aus den Gründen des Gerichtsbescheids vom 30. Januar 2013 fehle es für den Bauantrag an dem erforderlichen Sachbescheidungsinteresse. Das Vorbringen des Klägers und das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben ihres Bauaufsichtsamts vom 15. Mai 1990 an den Voreigentümer ändere nichts an dieser Bewertung. Die Duldungspflicht nach § 912 BGB erstrecke sich nicht auf eine Erweiterung bzw. Umgestaltung des vorhandenen Überbaus. Die Beklagte sei berechtigt, die Zustimmung zu der Überbauung ihres Eigentums zu versagen.
24Der Kläger trägt zur Begründung der vom Senat - wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache - zugelassenen Berufung vor: Die vom Gericht angenommene zivilrechtliche Zustimmungsverweigerung der Beklagten liege überhaupt nicht vor bzw. sei irrelevant. Bereits im Jahre 1990 sei die erforderliche Zustimmung betreffend den durch die Balkone geschaffenen Zustand gegenüber seinem Rechtsvorgänger unstreitig rechtswirksam erteilt worden. Eine neue Zustimmung gegenüber dem Rechtsnachfolger sei entbehrlich, da die bereits erteilte Zustimmung dem Gebäude anhafte und damit auch ihm als Rechtsnachfolger zuzurechnen sei. Das Verwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass sich aufgrund der Verglasung kein neuerliches Zustimmungserfordernis ergebe. Die im Luftraum überbaute Fläche habe sich durch die Verglasung der Balkone nicht verändert. Lediglich die Nutzung der in Rede stehenden Gebäudeteile habe sich leicht verändert.
25Das Verwaltungsgericht habe es zudem vollständig versäumt, über die Baugenehmigung selbst zu entscheiden. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Fluchtlinienplans 272 bestehe für die Balkonanlage Bestandsschutz, welcher nicht durch die Verglasung der Balkone erloschen sei, sondern diese ebenfalls mit umfasse. Die im Zuge einer Instandhaltung zwingend erforderliche Balkonsanierung einschließlich einer Verglasung führe nicht zu einer wesentlichen und relevanten Veränderung des bestandsgeschützten Baukörpers. Das Vorhaben füge sich des Weiteren in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Verglasung führe nicht zu einer optischen Andersartigkeit. Zudem sei das insgesamt für die Beurteilung der Frage des Einfügens im Sinne von § 34 BauGB relevante Geviert, in welchem sich das Objekt befinde, vollständig neu bebaut worden. Auf der anderen Seite der Straße sei ein moderner Gebäudekomplex errichtet, welcher nunmehr das Bild des gesamten Straßenzugs dominiere. Das Gebäude des Klägers füge sich heute unproblematisch in die Umgebung ein, diese sei städteplanerisch bewusst modernisiert und aufgelockert worden.
26Der Kläger beantragt,
27unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. April 2013 nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen
30Sie trägt zur Begründung vor: Es fehle an einem Sachbescheidungsinteresse. Habe - wie vorliegend - der zivilrechtlich Berechtigte seine Zustimmung verweigert, stehe der Verwertung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ein schlechthin nicht ausräumbares Hindernis jedenfalls dann entgegen, wenn nichts auf die Bereitschaft hindeute, den von ihm nach außen hin dokumentierten Standpunkt aufzugeben. Ein Sachbescheidungsinteresse liege auch nicht deshalb vor, weil sie zur Duldung der Überbauung gemäß § 912 BGB analog verpflichtet wäre. Zu einer solchen Duldung sei der Eigentümer nicht verpflichtet, wenn der Überbau wie dargestellt optisch und funktional erweitert werde. Nach dem Sinn und Zweck der Norm seien allenfalls solche Maßnahmen zu dulden, die den bereits vorhandenen Überbau in seiner konkreten Gestalt nicht veränderten, sondern nur instandsetzten. Von einer solchen Instandsetzung könne aber gerade nicht die Rede sein, wenn etwas völlig Neues geschaffen werde. So verhalte es sich aber gerade hier: Die Balkone seien durch die Verglasung in Wintergärten ausgebaut worden. Selbst bei einer großzügigen Auslegung könne jedoch aus den oben genannten Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass ein Wintergarten einen verbesserten, also instandgesetzten Balkon darstelle. Ungeachtet dessen sei die Klage aber auch in der Sache unbegründet, da die Verglasung nicht genehmigungsfähig sei. Aus einem Bestandsschutz lasse sich hier kein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für die Verglasung herleiten. Das Vorhaben stehe auch nicht im Einklang mit dem Bauplanungsrecht. Es verstoße zunächst gegen den Fluchtlinienplan Nr. 272, der eine straßenseitige Fluchtlinie festsetzte. Das Vorhaben erfülle auch nicht die Anforderungen des § 34 Abs. 1 BauGB, da es sich nicht in den maßgeblichen Umgebungsbereich einfüge. Nach den maßgeblichen Grundsätzen sei davon auszugehen, dass die Q. Straße im Abschnitt zwischen den Hausnummern 2 bis 26 die nähere Umgebung des Grundstücks darstelle. Dieser Bereich der Q. Straße sei durch eine weit gehend homogene, die Fluchtlinien nicht überschreitende Bebauung geprägt. Soweit sich der Kläger auf die Bebauung auf der anderen Straßenseite der Q. Straße berufe, sei dem entgegenzuhalten, dass die dortige Bebauung ein eigenständiges, durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans geregeltes Baugebiet bilde. Es könne daher nicht als Vergleichsfall im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB herangezogen werden.
31Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 6. November 2014 in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die hierzu gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Dokumentation ihrer Messungen vom 9. Dezember 2014 am Gebäude Q. Straße 22 Bezug genommen.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
34Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
35I. Für die Klage kann allerdings nicht mit Blick auf die zivilrechtliche Erklärung der Beklagten, sie erteile für die zur Genehmigung gestellte Überbauung ihres Grundeigentums im Bereich der Q. Straße keine Zustimmung, das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden.
36Voraussetzung der Zulässigkeit jeder Klage ist, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung des Gerichts hat. Hieran fehlt es, wenn der Rechtsschutz unnütz in Anspruch genommen wird. Dies ist der Fall, wenn er nicht geeignet ist, zur Verbesserung der subjektiven Rechtsstellung des Klägers beizutragen. In diesem Sinne nutzlos ist eine Rechtsverfolgung auch dann, wenn ihr Ziel die Erteilung einer Genehmigung ist, die sich mit Rücksicht auf die privatrechtlichen Verhältnisse nicht verwirklichen lässt. Hat der zivilrechtlich Berechtigte seine Zustimmung verweigert, so steht der Verwertung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ein schlechthin nicht ausräumbares Hindernis entgegen, solange nichts auf seine Bereitschaft hindeutet, den von ihm nach außen hin dokumentierten Standpunkt aufzugeben. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.
37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1992 - 4 B 140.92 -, juris.
38Insoweit gelten keine strengeren Anforderungen als in Bezug auf das im Rahmen der Begründetheit einer Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung zu prüfende Sachbescheidungsinteresse. Hierfür ist anerkannt, dass das Sachbescheidungsinteresse mit Blick auf ein entsprechendes zivilrechtliches Hindernis nur dann fehlt, wenn das Bestehen dieses Hindernisses rechtskräftig festgestellt oder offensichtlich ist.
39Vgl. Johlen, in Gädtke u. a., BauO NRW, 12. Auflage, § 75, Rn. 166 f.
40Beides ist hier nicht der Fall. Dass eine - als erforderlich unterstellte - zivilrechtliche Zustimmung fehlt, ist schon deshalb nicht offensichtlich, weil es aus der maßgeblichen Perspektive eines objektiven Empfängers durchaus in Betracht kam, das Schreiben des Bauaufsichtsamts der Beklagten vom 15. Mai 1990 als zivilrechtliche Zustimmung zu werten und es gegebenenfalls der weiteren Überprüfung in der Sache bedürfte, ob die Beklagte eine solche Zustimmung in wirksamer Weise widerrufen hat.
41II. Die Klage ist aber jedenfalls nicht begründet.
42Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Deren Erteilung setzt nicht nur nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW voraus, dass dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, es bedarf für die Baugenehmigung auch eines Antrags im Sinne von § 69 BauO NRW. Es fehlt hier schon an einem solchen Bauantrag (dazu 1.); die Voraussetzungen für die begehrte Baugenehmigung liegen zudem auch deshalb nicht vor, weil die im Berufungsverfahren noch zur Genehmigung gestellte bauliche Änderung planungsrechtlich unzulässig ist (dazu 2.).
431. Die begehrte Baugenehmigung kann nicht erteilt werden, weil es bereits an einem ordnungsgemäßen Bauantrag im Sinne des § 69 BauO NRW fehlt.
44Der Senat geht in Anwendung des § 88 VwGO davon aus, dass sich der Klageantrag auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Umgestaltung der Balkone durch Verglasung in der Weise richtet, wie sie tatsächlich erfolgt und heute am Gebäudebestand ablesbar ist. Dies hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats auf ausdrückliche Nachfrage auch bestätigt.
45Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ist der Bauantrag schriftlich mit allen für seine Bearbeitung sowie für die Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) bei der Bauaufsichtsbehörde einzureichen. Der Bauantrag muss nach Sinn und Zweck dieser Regelung bescheidungsfähig sein. Er muss so klar sein, dass auf ihn, wird ihm stattgegeben, ein hinreichend bestimmter Verwaltungsakt ergehen kann, der Umfang und Bindungswirkung der Baugenehmigung regelt.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009 ‑ 10 A 1075/08 -, BRS 74 Nr. 156, und Urteil vom 12. September 2006 - 10 A 2980/05 -, BRS 70 Nr. 128 = BauR 2007, 350.
47An einem solchen Antrag fehlt es für die begehrte Baugenehmigung, weil der im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über das Verpflichtungsbegehren vorliegende Bauantrag ein in wesentlicher Hinsicht anderes Vorhaben betrifft.
48Dies ergibt sich aus den - auf der Grundlage einer Messung der Beklagten vor Ort, deren Richtigkeit der Kläger nicht bezweifelt hat und für deren Unrichtigkeit auch der Senat keine Anhaltspunkte sieht - festzustellenden Abweichungen zwischen dem Baubestand, um dessen Legalisierung es dem Kläger geht, und dem Inhalt des Bauantrags in Bezug auf die Tiefe (Auskragung) der Balkone und ihren Abstand zum Grundstück Q. Straße 24. Diese Abweichungen - die Auskragung der Balkone beträgt nicht 1,25 m sondern 1,42 m, der Abstand zur Grenze beträgt nicht 1,365 m, sondern 0,915 m, sind rechtlich erheblich. Das resultiert bereits aus der Relevanz dieser Maße für brandschutzrechtliche Fragen unter dem Aspekt des § 31 Abs. 1 bzw. 3 BauO NRW; für die bestehende Gestaltung ist eine Gebäudeabschlusswand zum Gebäude Q. Straße 24 hin erforderlich.
49Vgl. zu diesem Erfordernis näher Radeisen in Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Stand: November 2014, § 31, Rn. 10.
502. Die zur Genehmigung gestellte Änderung ist nicht mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW vereinbar, weil sie planungsrechtlich unzulässig ist.
51Die Genehmigungsfrage ist auch in Bezug auf das Planungsrecht aufgeworfen (dazu a); sie ist negativ zu beantworten, weil auch bei Fehlen einer wirksamen Baugrenzenfestsetzung im von der Beklagten vorgelegten Fluchtlinienplan Nr. 272 jedenfalls § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB unter dem Aspekt des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche einer positiven planungsrechtlichen Beurteilung entgegen steht (dazu b).
52a) Die planungsrechtliche Zulässigkeit ist vorliegend unabhängig davon zu prüfen, dass eine Baugenehmigung für das Gebäude mit straßenseitigen Balkonen von 4,40 m Breite vorliegt.
53Es kommt nicht darauf an, ob dies - wie die Beklagte geltend macht - schon daraus folgt, dass wegen einer in wesentlicher Hinsicht abweichenden Bauausführung der Balkone von einer Bindungswirkung der erteilten Baugenehmigung nicht mehr auszugehen ist. Denn jedenfalls stellt die zur Beurteilung gestellte bauliche Änderung - durch Verglasung der Balkone i. V. m. der damit ermöglichten Nutzung als abgeschlossene Räumlichkeit, mithin nicht nur als Balkon zum offenen Austritt und gelegentlichen Aufenthalt - ein Vorhaben im Sinne des Bauplanungsrechts (§ 29 BauGB) dar, was dazu führt, dass die Genehmigungsfrage insgesamt erneut aufgeworfen wird.
54Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 17.91 -, BRS 55 Nr. 72 = BauR 1994, 81.
55Deshalb kann sich der Kläger auch nicht auf einen Bestandsschutz berufen, der die beabsichtigten Änderungen „umfassen“ könnte. Jenseits der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen aktiven Bestandschutz, der aus Art. 14 GG hergeleitet werden könnte.
56Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. November 2005 ‑ 10 A 1166/04 -, BRS 69 Nr. 100 = BauR 2006, 959.
57Durch die mit der Errichtung der Verglasung bewirkte Schließung der Balkone und die so ermöglichte Nutzung als Teil der jeweiligen Wohneinheiten stellen sich neue Fragen, die für die Genehmigungsfähigkeit erheblich sind. So wird etwa die Geschossfläche des Hauses nicht nur tatsächlich, sondern auch in rechtlich nicht unerheblicher Weise vergrößert. Nach § 20 Abs. 4 BauNVO bleiben zwar Balkone bei der Berechnung der Geschossflächenzahl, die ihrerseits für das Maß der baulichen Nutzung von Belang ist (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, § 17 BauNVO), außer Betracht. Anderes gilt aber für die durch die Verglasung hier hergestellten Bestandteile des Gebäudes in Gestalt der Balkone mit Verglasung. Solche Bestandteile sind - unabhängig davon, ob es sich im Rechtssinne um Wintergärten oder Erker handelt, wie die Beklagte meint - weder in § 20 Abs. 4 BauNVO ausdrücklich genannt noch nach Landesrecht in den Abstandflächen zulässig oder zulassungsfähig. Aus der abstandsrechtlichen Privilegierungsregelung des § 6 Abs. 7 BauO NRW, der auch „Erker“ erwähnt, folgt nichts anderes. Denn die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach dieser Regelung des § 6 Abs. 7 BauO NRW liegen hier nicht vor. Bei einer Breite von tatsächlich etwa 4,50 m sind die Balkone im Verhältnis zur Breite des Gebäudes von knapp 8,50 m zu breit, um nach dieser Bestimmung privilegiert zu sein.
58b) Es bedarf keiner abschließenden Klärung, ob der Fluchtlinienplan Nr. 272 der Beklagten als einfacher Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 3 BauGB kraft Überleitung nach den Bestimmungen des § 233 Abs. 2 und 3 BauGB zu werten,
59vgl. hierzu allg.: OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 10 A 2500/12 -, BauR 2014, 817, m. w. N.,
60und noch wirksam ist und ob er eine Baugrenze festsetzt, die die zur Genehmigung gestellten Bestandteile überschreiten. Denn die zur Genehmigung gestellte Bebauung fügt sich jedenfalls nach der überbauten Grundstücksfläche nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
61Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
62Die Anforderungen des § 34 Abs. 1 BauGB sind im Hinblick auf das Merkmal des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht erfüllt; die im Hinblick auf dieses Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche maßgebliche nähere Umgebung (dazu aa) gibt einen Rahmen vor, den das Vorhaben mit der vorgesehenen Bautiefe überschreitet, weil sich dort keine entsprechenden prägenden Vorbilder finden (dazu bb); das Vorhaben fügt sich auch nicht ausnahmsweise ohne entsprechendes Vorbild nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein (dazu cc).
63aa) Das Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche umfasst neben der konkreten Größe der Grundfläche der baulichen Anlage ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung, d. h. den Standpunkt des Vorhabens innerhalb der prägenden Bebauung.
64Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 4 B 50.08 -, BRS 74 Nr. 95 = BauR 2009, 1564.
65Die für die Beurteilung des Einfügens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 ‑, BVerwGE 55, 369 = BauR 1978, 276.
67Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können. Bezüglich des Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, wird die nähere Umgebung im Regelfall enger als z. B. bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen sein. Die von den überbauten Grundstücksflächen ausgehende Prägung bleibt in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurück. Maßgeblich ist, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung im Einzelfall reichen. Bei der Bestimmung des Rahmens der näheren Umgebung ist zunächst die vorhandene Bebauung in den Blick zu nehmen. Sodann muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden, was den charakteristischen Rahmen für das betreffende Merkmal abgibt. Danach muss also alles außer Acht gelassen werden, das die vorhandene Bebauung nicht prägt oder als Fremdkörper erscheint. Auszusondern sind zum einen solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Zum anderen sind solche Anlagen bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszublenden, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen und wegen ihrer Andersartigkeit bzw. Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung nicht zu beeinflussen vermögen. Dies ist bei wertender Betrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 -, BRS 50 Nr. 75 = BauR 1990, 328.
69Nach den vorliegenden Karten, Plänen und Fotos sowie dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck des Berichterstatters, den er dem Senat in der Beratung vermittelt hat, erstreckt sich die nähere Umgebung hier auf den vom Verwaltungsgericht in seinem Ortstermin in den Blick genommenen Bereich, der die Bebauung an der Q. Straße zwischen der T.---straße und dem F.----platz erfasst. Maßgeblich für diese Abgrenzung sind die Baustrukturen und die Sichtbeziehungen. Der Bebauungsplan für das auf der gegenüber liegenden Straßenseite liegende Baugebiet ist hingegen - anders als die Beklagte meint - nicht für die Abgrenzung maßgeblich.
70Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1975 ‑ 4 C 16.73 -, BauR 1976, 185.
71Die gegen diese Abgrenzung erhobenen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Entgegen seiner Auffassung ist die Bebauung entlang der Q. Straße nördlich der Einmündung der T.---straße - dort befinden sich die erstinstanzlich benannten Bezugsobjekte Q. Straße Nr. 5, 7, 36 - nicht mehr der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zuzurechnen.
72Die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung kann dort zu ziehen sein, wo jeweils einheitlich geprägte Komplexe mit voneinander verschiedenen Bebauungs- und Nutzungsstrukturen aneinander stoßen.
73Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 ‑ 4 B 74.03 -, juris.
74Eine solche Grenze verläuft hier im Bereich der Einmündung der T.---straße , hinter der der nördliche Abschnitt der Q. Straße abknickt. Der südliche Bereich, in dem sich das Haus Q. Straße 22 befindet, ist maßgeblich geprägt durch den dominierenden, mit Baumbestand ausgestatteten Grünstreifen, der die beiden Richtungsfahrbahnen der Q. Straße hier trennt und diesem Teil der Straße auf beiden Seiten den Charakter einer aufgelockerten parkähnlichen Wohnoase vermittelt. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Karten und Luftbildern und entspricht dem Eindruck des Berichterstatters, den er bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat. Davon unterscheidet sich der weiter nördlich gelegene Teil der Q. Straße, der wesentlich enger bebaut ist und über keinen prägenden Mittelstreifen mit Baumbestand verfügt, in erheblicher Weise. Das Gleiche gilt für die Bereiche im weiteren Verlauf der T.---straße . Im Süden markiert der F.----platz eine städtebauliche Zäsur, die die maßgebliche Umgebung abschließt.
75Maßgeblich für diese Abgrenzung ist ferner das Vorhandensein bzw. Fehlen von gegenseitigen Sichtbeziehungen. Der nördlich angrenzende Bereich des abknickenden Verlaufs der Q. Straße ist vom Bereich des Vorhabengrundstücks aus ebenso wenig sichtbar, wie die Bereiche an der T.---straße oder die vom F.----platz in verschiedene Richtungen verlaufenden Straßen. Das Bestehen von Sichtbeziehungen für die gegenseitige Prägung als Aspekt der Abgrenzung von näherer und fernerer Umgebung ist grundsätzlich ein berücksichtigungsfähiger Aspekt.
76Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 ‑ 7 A 2053/07 -, BRS 73 Nr. 132 = BauR 2008, 1853.
77bb) In dem so beschriebenen Bereich fehlt es an prägenden Vorbildern für die zur Genehmigung gestellte Bebauung in Bezug auf das Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche.
78Die genannten Bezugsobjekte an der Q. Straße Nr. 5 und 7 bzw. Nr. 36, die im Ortstermin aufgesucht worden sind, liegen außerhalb des genannten Bereichs und sind deshalb nach diesen Grundsätzen nicht als Vorbild zu berücksichtigen. Andere Vorbilder für eine vergleichbar tiefe Bebauung zur Straßenseite hin konnten im Ortstermin, wie dem Senat in der Beratung vermittelt worden ist, auch auf der gegenüber liegenden Straßenseite der Q. Straße im genannten Bereich nicht festgestellt werden.
79cc) Das Vorhaben ist nicht ausnahmsweise ohne entsprechendes Vorbild in der maßgeblichen näheren Umgebung bauplanungsrechtlich zulässig.
80Das Erfordernis des Einfügens im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hindert nicht schlechthin daran, den durch die Eigenart der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen zu überschreiten; es hindert nur, dies in einer Weise zu tun, die ‑ sei es durch das Vorhaben selbst, sei es infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung - geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen auszulösen oder zu erhöhen. Das sind Spannungen, die potenziell ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung nach sich ziehen können.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 17.91 -, BRS 55 Nr. 72 = BauR 1994, 81.
82Solche Spannungen sind hier aber schon aufgrund der von dem Vorhaben ausgehenden Vorbildwirkung zu bejahen, die es für die angrenzenden Grundstücke entfaltet.
83Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
84Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
85Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO; Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.