Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 29. Aug. 2016 - 10 L 1848/16
Tenor
1.Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2.Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der (sinngemäße) Antrag,
3die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens für den Antragsteller und dessen Sohn eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen,
4hat keinen Erfolg.
5Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Sinne des § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die - wie hier - durch vorläufige Befriedigung des erhobenen Anspruchs die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumindest teilweise vorwegnehmen, setzen voraus, dass die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, um andernfalls zu erwartende schwere und unzumutbare Nachteile oder Schäden vom Antragsteller abzuwenden (Anordnungsgrund), und dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.
6Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller hinsichtlich der vorläufigen Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller für die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister für seinen minderjährigen Sohn aktivlegitimiert ist und ob überhaupt ein Anordnungsgrund vorliegt. Jedenfalls liegt im Rahmen der im Eilrechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ein Anordnungsanspruch nicht vor.
7Der Antragsteller hat danach keinen Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister gemäß § 51 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 2. Februar 2016 (BGBl. I S. 130).
8Danach hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann.
9Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es liegen keine Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass dem Antragsteller oder seinem Sohn durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann. Der Antragsteller hat zu der von ihm behaupteten Gefahrenlage nichts Belastbares vorgetragen.
10Sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Eilverfahren, nach dem Wegfall der bis zum 1. April 2015 bestehenden Auskunftssperre hätten persönliche Belästigungen und Anfeindungen zugenommen, ist pauschal und durch nichts belegt. Der Antragsteller hat insbesondere keinen Nachweis für die angebliche Gefahrenlage erbracht. Seine Behauptung, aufgrund der Behinderung seines Sohns, seiner ehrenamtlichen Arbeit mit geistig behinderten Menschen und seiner journalistischen Tätigkeit sei ihm gegenüber bereits mehrfach - insbesondere aus rechtsradikalen Kreisen - Gewalt angedroht worden und es sei zu äußerst bedrohlichen Situationen vor seiner Wohnung, in seiner Garage und in seinem direkten Umfeld gekommen, ist substanzlos. Er hat auch nach weiterer Aufforderung zur Stellungnahme zu den angegebenen Gefahrensituationen im Verwaltungs- und Eilverfahren keine konkreten Angaben zu der angeblichen Gefahrenlage, beispielsweise durch die Vorlage polizeilicher Anzeigen, gemacht. Vielmehr erfolgten in den Jahren der Auskunftssperre Anfragen im Wesentlichen von Rechtsanwälten, Bußgeldstellen und Versicherungen.
11Ein Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister folgt auch nicht aus einer fehlenden Benachrichtigung über die Aufhebung der bisherigen Sperre nach § 51 Abs. 4 Satz 3 BMG. Unabhängig davon, ob aufgrund einer solchen fehlenden Benachrichtigung nach § 51 Abs. 4 Satz 3 BMG eine bisher eingetragene Auskunftssperre im Melderegister weiter bestehen bleibt, hat das Bundesmeldegesetz erst ab dem 1. November 2015 das vorher gültige Melderechtsrahmengesetz und die Meldegesetze der Länder abgelöst. Es enthält keine Übergangsvorschriften für vor dem 1. November 2015 aufgehobene Auskunftssperren im Melderegister. Das im Zeitpunkt der Aufhebung der Auskunftssperre am 1. April 2015 gültige Meldegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sah eine solche Benachrichtigung jedoch nicht vor.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz, wobei wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens die Hälfte des Auffangstreitwertes zugrundezulegen ist.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann, hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen unentgeltlich eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen. Ein ähnliches schutzwürdiges Interesse ist insbesondere der Schutz der betroffenen oder einer anderen Person vor Bedrohungen, Beleidigungen sowie unbefugten Nachstellungen. Bei der Feststellung, ob Tatsachen im Sinne des Satzes 1 vorliegen, ist auch zu berücksichtigen, ob die betroffene oder eine andere Person einem Personenkreis angehört, der sich auf Grund seiner beruflichen oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit allgemein in verstärktem Maße Anfeindungen oder sonstigen Angriffen ausgesetzt sieht.
(2) Sofern nach Anhörung der betroffenen Person eine Gefahr nach Absatz 1 nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Melderegisterauskunft nicht zulässig. Ist die betroffene Person nicht erreichbar, ist in den Fällen, in denen eine Auskunftssperre auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde von Amts wegen eingetragen wurde, die veranlassende Stelle anzuhören. Sofern eine Auskunft nicht erteilt wird, erhält die ersuchende Person oder Stelle eine Mitteilung, die keine Rückschlüsse darauf zulassen darf, ob zu der betroffenen Person keine Daten vorhanden sind oder eine Auskunftssperre besteht.
(3) Wurde eine Auskunftssperre eingetragen, sind die betroffene Person und, sofern die Eintragung auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde von Amts wegen erfolgte, zusätzlich die veranlassende Stelle über jedes Ersuchen um eine Melderegisterauskunft unverzüglich zu unterrichten.
(4) Die Auskunftssperre wird auf zwei Jahre befristet. Sie kann auf Antrag oder von Amts wegen verlängert werden. Die betroffene Person ist vor Aufhebung der Sperre zu unterrichten, soweit sie erreichbar ist. Wurde die Sperre von einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde veranlasst, ist diese zu unterrichten, wenn die betroffene Person nicht erreichbar ist.
(5) Die Melderegisterauskunft ist ferner nicht zulässig,
- 1.
soweit die Einsicht in ein Personenstandsregister nach § 63 des Personenstandsgesetzes nicht gestattet werden darf und - 2.
in den Fällen des § 1758 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.