Verwaltungsgericht Köln Urteil, 24. Sept. 2014 - 10 K 7663/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin begehrt die Erstattung von Schülerfahrkosten für ihre 1996 geborene Tochter N. . Die Tochter der Klägerin besuchte im Schuljahr 2013/2014 die etwa 1,8 km von der Wohnung der Familie entfernte Gesamtschule Marienheide. N. ist wegen einer Muskelerkrankung schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G, B und H. Nach einer ärztlichen Stellungnahme des Oberarztes Dr. U. , Kinderklinik T. , vom 26.07.2013 kann die Tochter der Klägerin Strecken von ca. 200 m zu Fuß gehen und ist nur selten – zur Überbrückung weiter Wege – auf den Rollstuhl angewiesen. Aufgrund der Schwere der Erkrankung sei sie jedoch nicht in der Lage, selbständig öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder zu Fuß zur Schule zu gehen. Für den Transport reiche ein PKW ohne besondere Vorrichtungen aus.
3Unter Bezugnahme auf die ärztliche Stellungnahme und unter Vorlage einer Kopie des Schwerbehindertenausweises beantragte die Klägerin unter dem 11.07.2013 die Erstattung von Schülerfahrkosten für die Fahrt mit einem privaten Fahrdienst (Taxi). N. , die früher den Schülerspezialverkehr benutzt habe, habe im Oktober 2011 eine schwere Lungenentzündung erlitten, wonach sich ihr körperliches Leistungsvermögen sehr verschlechtert habe. Seit Januar 2012 habe sie, die Klägerin, ihre Tochter mit dem privaten PKW zur Schule gebracht. Aufgrund beruflicher Veränderungen sei ihr dies nun nicht mehr möglich.
4Mit Schreiben vom 30.09.2013 wie die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und des Schülerspezialverkehrs zwar die Kosten für die Beförderung mit einem Privatfahrzeug übernommen werden könnten; grundsätzlich komme aber gemäß § 16 Abs. 1 Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) nur eine Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro je Kilometer in Betracht. Darüber hinausgehende Kosten könnten nur in besonderen Ausnahmefällen übernommen werden. Die Klägerin werde deshalb aufgefordert, ihre Arbeitszeiten anzugeben sowie die finanzielle Situation der Familie darzulegen.
5Mit Schreiben vom 04.10.2013 teilte die Klägerin mit: Seit Sommer 2013 habe N. geänderte Anfangs- und Endzeiten des Unterrichts. Ihre, der Klägerin, Kernarbeitszeiten ließen jedenfalls für eine Reihe von notwendigen Fahrten an bestimmten - näher bezeichneten - Arbeitstagen nicht mehr zu, dass sie ihre Tochter selbst mit dem PKW zur Schule bringe oder von dort abhole. Für diese Fahrten entstünden nach Auskunft eines ortsansässigen Taxiunternehmens Kosten von monatlich ca. 80 Euro. Die Klägerin fügte dem Schreiben eine Anlage bei, in welcher der Arbeitgeber die Arbeitszeiten bestätigt. Die Klägerin erklärte ferner: Für die Überprüfung der Einkommensverhältnisse sehe sie keinen Anlass. Sie habe bisher keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen, und stelle den Erstattungsantrag nur, weil sie aus den dargelegten Gründen die notwendigen Fahrten nicht mehr in vollem Umfang selbst durchführen könne. Nach der Schülerfahrkostenverordnung gebe es in einem solchen Fall einen Anspruch auf Übernahme der notwendigen Kosten.
6Mit Bescheid vom 07.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Taxikosten ab: Fahrkosten für die Beförderung mit einem Privatfahrzeug entstünden vorliegend zwar notwendig. Der Höhe nach sei eine Kostenübernahme aber grundsätzlich auf eine Wegstreckenentschädigung gemäß § 16 Abs. 1 SchfkVO begrenzt. Diese werde für das Schuljahr 2013/2014 in Höhe von 0,13 Euro je Kilometer Schulweg gewährt, auch für die Leerfahrten der Begleitperson (§ 11 SchfkVO). Höhere Kosten würden nicht übernommen. Zwar räume § 16 Abs. 2 SchfkVO für besonders begründete Ausnahmefälle die Möglichkeit ein, eine Wegstreckenentschädigung in Höhe der tatsächlich entstehenden Kosten für die Beförderung mit einem Taxi zu erstatten. Ein solcher Ausnahmefall liege jedoch nicht vor bzw. sei nicht feststellbar. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die voraussichtlich entstehenden Taxikosten aus finanziellen Gründen nicht selbst tragen könne, da die dazu keine Angaben gemacht habe. Nach § 26 Abs. 2 VwVfG gehe die insoweit fehlende Mitwirkung zu Lasten der Klägerin.
7Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.11.2013 zu verpflichten, ihr die im Schuljahr 2013/2014 angefallenen Taxikosten für die Schülerbeförderung ihrer Tochter N. in tatsächlicher Höhe - über die Wegstreckenentschädigung nach § 16 Abs. 1 Schülerfahrkostenverordnung hinaus - zu erstatten.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
14Die zulässige Klage ist nicht begründet.
15Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
16Nach § 97 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) i.V.m. der Verordnung zur Ausführung des § 97 Abs. 4 SchulG vom 16.04.2005, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.04.2012 (SchfkVO) hat der Schulträger die Kosten, die für die wirtschaftlichste, der Schülerin oder dem Schüler zumutbare Art der Beförderung zur Schule und zurück notwendig entstehen, zu übernehmen, vgl. §§ 1, 4, 5, 12 SchfkVO. Wegen der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
17Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Schülerfahrkosten in Höhe der tatsächlich entstandenen Taxikosten. Zu Recht hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid die dem Grunde nach hier - mit Blick auf die festgestellte Schwerbehinderung der Tochter der Klägerin und die ärztliche Stellungnahme vom 26.07.2013 - unstreitig zu erstattenden Schülerfahrkosten der Höhe nach gemäß § 16 Abs. 1 SchfkVO auf die in dieser Vorschrift als Regelfall vorgesehene Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro je Kilometer begrenzt. Die Entscheidung, ob über die pauschalierte Wegstreckenentschädigung hinaus Taxikosten in tatsächlicher Höhe übernommen werden, liegt gemäß § 16 Abs. 2 SchfkVO im Ermessen des Schulträgers und setzt einen „besonders begründeten Ausnahmefall“ voraus. Soweit § 97 Abs. 1 SchulG den Schulträger verpflichtet, die „notwendig entstehenden“ Schülerfahrkosten zu erstatten, ist diese Formulierung nicht dahin auszulegen, dass „alle entstehenden“ Kosten übernommen werden müssten. Denn der Gesetzgeber hat in § 97 Abs. 4 Nr. 3 SchulG zugleich den Verordnungsgeber ermächtigt, die Schülerfahrkosten auf einen Höchstbetrag zu begrenzen, was u.a. durch die grundsätzlich alle Kosten für die Beförderung in einem Privatfahrzeug abdeckende Wegstreckenentschädigung nach § 16 Abs. 1 SchfkVO geschehen ist,
18vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 30.01.1997 - 19 A 4243/95 -, juris, Rn. 17, zu der seinerzeit geltenden (insoweit wortgleichen) Regelung des § 7 Schulfinanzgesetz.
19Die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid, eine Übernahme von Taxikosten werde abgelehnt, wenn die Beförderung des Kindes zur Schule jedenfalls in zumutbarer Weise sichergestellt sei, insbesondere die Eltern finanziell hinreichend leistungsfähig seien, sind in dem dargelegten rechtlichen Rahmen nicht zu beanstanden.
20Vgl. Urteil der Kammer vom 19.03.2014- 3120/13 -; ebenso VG Düsseldorf, Urteil vom 02.12.2010 - 12 K 4571/10 -, juris.
21Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, zur Zahlung der nach ihren Angaben monatlich in Höhe von etwa 80 Euro anfallenden Taxikosten finanziell nicht in der Lage zu sein, und ihre Einkommensverhältnisse nicht dargelegt. Wirken die Eltern – wie hier die Klägerin – an der Ermittlung der Einkommensverhältnisse nicht mit, geht dies zu ihren Lasten, wie die Beklagte ebenfalls zutreffend ausgeführt hat.
22Soweit über den schülerfahrkostenrechtlichen Rahmen hinausgehende Kosten anfallen, kann der Beförderungsbedarf grundsätzlich – ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen im vorliegenden Verfahren zu überprüfen wären - bei dem zuständigen Träger der Sozialleistungen als Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII (Hilfen zu einer angemessen Schulbildung) geltend gemacht werden,
23vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.11.2005 – 19 E 808/05 -, juris (hier zu den Personalkosten für eine Begleitperson) mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.09.1992 – 5 C 7.87 -, NVwZ-RR 1993, 198 (Kosten der Beförderung eines behinderten Schülers zur Schule im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG a.F.).
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere
- 1.
Auskünfte jeder Art einholen, - 2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen, - 3.
Urkunden und Akten beiziehen, - 4.
den Augenschein einnehmen.
(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.
(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Falls die Behörde Zeugen und Sachverständige herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.