Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2004 - A 9 K 12103/04

bei uns veröffentlicht am17.12.2004

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.09.2004 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gegenstandswert wird auf EUR 1.500,-- festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Antragstellers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, ist gerichtet auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Ergänzungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.09.2004, mit dem das Bundesamt die ursprüngliche, den Zielstaat Sudan enthaltende Abschiebungsandrohung im bestandskräftigen Bescheid vom 03.02.2000 aufgehoben und eine neue Abschiebungsandrohung bezüglich Nigerias erlassen hat. Dieser Antrag ist sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Antragssteller die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage begehrt. Denn seiner Klage gegen den angefochtenen Ergänzungsbescheid kommt aufschiebende Wirkung zu.
Zwar kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich lediglich die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen bzw. wiederherstellen. Nach allgemeiner Meinung ist jedoch in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO die Feststellung zulässig, dass ein Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt entgegen der Ansicht der zuständigen Behörden aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 80 RdNr. 130, 181; OVG Schleswig-Holstein, B. v. 27.12.2000 - NVwZ-RR 2001, 586). Der Antragsteller hat auch ein entsprechendes Feststellungsinteresse, da die Antragsgegnerin ausweislich der Begründung des angefochtenen Ergänzungsbescheids davon ausgeht, dass der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Der demnach statthafte und auch ansonsten zulässige Antrag des Antragstellers ist begründet.
Aufschiebende Wirkung hat die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylverfahrensgesetz gemäß § 75 AsylVfG nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 oder in den - hier nicht einschlägigen - Fällen des § 73 (Widerruf und Rücknahme der Asylanerkennung). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Vorschrift des § 38 Abs. 1 AsylVfG sieht vor, dass die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist in den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, einen Monat beträgt. Die „sonstigen Fälle“, für die nach dieser Vorschrift die Monatsfrist gilt und an die auch die Regelung in § 75 AsylVfG anknüpft, betreffen Ablehnungsentscheidungen des Bundesamtes, die als einfach unbegründet ergehen. Dies folgt systematisch aus den Sonderregelungen in §§ 36 Abs. 1 und 38 Abs. 2 AsylVfG, die für Fälle der Unbeachtlichkeit, der offensichtlichen Unbegründetheit oder der Rücknahme des Asylantrags eine Ausreisefrist von einer Woche vorsehen. Greifen diese Sonderregelungen nicht ein und liegt auch kein Folgeantrag vor, für den § 71 Abs. 4 AsylVfG auf § 36 Abs. 1 AsylVfG verweist, liegt ein sonstiger Fall im Sinne des § 38 Abs. 1 AsylVfG vor. So liegt es auch hier.
Das Bundesamt hat mit Bescheid vom 03.02.2000 den Asylantrag des Antragstellers als einfach unbegründet abgelehnt und im selben Bescheid eine Abschiebungsandrohung bezüglich Sudans mit einer Ausreisefrist von einem Monat gemäß § 38 Abs. 1 AsylVfG erlassen. Da das Bundesamt diese Abschiebungsandrohung mit seinem Ergänzungsbescheid vom 13.09.2004 aufgehoben und durch eine neue hinsichtlich Nigerias ersetzt hat, handelt es sich auch bei der neuen Abschiebungsandrohung um eine Abschiebungsandrohung in einem sonstigen Fall im Sinne des § 38 Abs. 1 AsylVfG, bei dem einer Klage gemäß § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung zukommt. Der Umstand, dass das Bundesamt entgegen der zwingend vorgeschriebenen Ausreisefrist von einem Monat lediglich eine Ausreisefrist von einer Woche angeordnet hat, steht der Anwendung des § 75 AsylVfG nicht entgegen. Denn insoweit kommt es nicht auf die tatsächlich angeordnete Ausreisefrist, sondern darauf an, ob ein Fall des § 38 Abs. 1 AsylVfG, nämlich eine einfach unbegründete Ablehnung des Asylantrags, vorliegt.
Eine andere Einschätzung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass das Bundesamt möglicherweise lediglich eine Auswechslung des Zielstaats bezweckt hat, worauf die Ausführungen in der Begründung unter III. Ziff. 2 möglicherweise hindeuten. Hätte sich das Bundesamt auf eine schlichte Erweiterung oder Auswechslung der in der ursprünglichen Abschiebungsandrohung genannten Zielstaaten unter Aufrechterhaltung der Abschiebungsandrohung im Übrigen beschränkt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 25.07.2000, BVerwGE 111, 343), würde sich die Rechtslage wohl tatsächlich anders darstellen (vgl. Marx, AsylVfG, 5. Aufl., § 34 RdNr. 75). Das Bundesamt ist in seinem Ergänzungsbescheid jedoch darüber hinaus gegangen. Nach dem Tenor des Ergänzungsbescheids wurde die frühere Abschiebungsandrohung zweifelsfrei insgesamt zurückgenommen und durch eine neue ersetzt. Auch in den Gründen ist ausdrücklich von der Rücknahme der gesamten Abschiebungsandrohung und nicht lediglich von einer Rücknahme der früheren Zielstaatsbestimmung die Rede. Angesichts dieser eindeutigen Regelung ist für eine Auslegung des Ergänzungsbescheids kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.