Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 26. März 2014 - 6a L 297/14.A
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 6a K 917/14.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Februar 2014 wird angeordnet.
Die Kosten des (gerichtskostenfreien) Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag ist zulässig und begründet.
3Die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2014 hat gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich bei summarischer Betrachtung heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach Erfolg haben wird, hat das öffentliche Vollziehungsinteresse hinter dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller zurückzustehen.
4Dies ist hier der Fall. Der Bescheid vom 7. Februar 2014, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragsteller nach Polen angeordnet hat, wird sich im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtswidrig erweisen.
5Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
6Vorliegend ist nach der (auf den Fall noch anwendbaren) Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, (sog. „Dublin II-Verordnung“) vom 18. Februar 2003 zunächst die Republik Polen der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat geworden, weil die Antragsteller dort ihren ersten Asylantrag gestellt haben. Inzwischen dürfte jedoch die Antragsgegnerin für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden sein, weil sich die nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 343/2003 gegebene Möglichkeit des Selbsteintritts wegen des erheblichen Zeitraums zwischen der Stellung des Asylantrags in der Bundesrepublik und dem Wiederaufnahmeersuchen an die Republik Polen sowie der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet hat.
7Eine ausdrückliche Regelung über die einzuhaltende Frist enthält die VO (EG) Nr. 343/2003 allerdings nur für den Fall, dass ein anderer Mitgliedstaat um die „Aufnahme“ des Asylbewerbers ersucht werden soll (Art. 17 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 343/2003). Für das vorliegend einschlägige Verfahren der „Wiederaufnahme“ gibt es eine entsprechende Regelung hingegen nicht. Eine analoge Anwendung des Art. 17 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 343/2003 auf das Wiederaufnahmeverfahren dürfte wegen der bewussten und deutlichen Trennung zwischen beiden Verfahrensarten in der Verordnung ausscheiden. Zu berücksichtigen ist indes, dass das Verfahren der VO (EG) Nr. 343/2003 – ausweislich ihres 18. „Erwägungsgrundes“ – nicht nur dem Interesse der Mitgliedstaaten an einer effizienten Durchführung von Asylverfahren in der Europäischen Union dient, sondern auch der Gewährleistung der uneingeschränkten Wahrung des in Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta verankerten Rechts auf Asyl. Dieses Grundrecht verschafft dem einzelnen Asylbewerber unter anderem den Anspruch auf ein zur Durchsetzung des Asylrechts geeignetes Verfahren, bei dessen Regelung der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Auge behalten muss.
8Vgl. Jarass, EU-Grundrechtecharta, Kommentar, 2010, Art. 18 Rdnr. 11 und 14.
9Der Grundrechtsbezug klingt auch im vierten „Erwägungsgrund“ der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 an, in dem es über die dem Dublin-Verfahren zugrunde liegende „Formel“ heißt: „Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden“.
10Dem entsprechend hat der Europäische Gerichtshof unter Hinweis auf die Grundrechtsrelevanz entschieden, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, darauf zu achten hat, dass die Situation des Asylbewerbers nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird; erforderlichenfalls müsse er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 der VO (EFG) Nr. 343/2003 selbst prüfen.
11Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C 411/10 und andere -, juris, Randnummer 108; in Bezug genommen auch in dem Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdnr. 35.
12In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist infolgedessen angenommen worden, dass der Staat, in dem der Asylbewerber sich befindet, zum Selbsteintritt verpflichtet ist, wenn sich das Verfahren ohne besonderen Grund unangemessen lange verzögert.
13So etwa VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. August 2012 - 22 L 1158/12.A -, juris, und vom 3. Februar 2014 - 24 L 68/14.A -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 30. Dezember 2013 - 5a L 1726/13.A -, juris, und vom 11. März 2014 - 4a L 167/14 -; VG Göttingen, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 A 652/12 -, juris; VG Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2014 - 5 V 2102/13.A -; VG Ansbach, Beschluss vom 17. Februar 2014 - AN 4 S 14.30100 -, juris; anderer Ansicht etwa VG München, Beschluss vom 15. Januar 2014 - M 4 S 13.31316 -, juris, und VG Berlin, Beschluss vom 27. November 2013 - 33 L 500.13 A -, juris; vermittelnd, nämlich eine Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer „jedenfalls“ bei der Ausübung des Selbsteintrittsermessens fordernd VG Würzburg, Beschluss vom 6. Februar 2014 - W 7 S 14.30089 -, juris.
14Dem schließt die Kammer sich an und geht im vorliegenden Fall von einer überlangen Verfahrensdauer in diesem Sinne aus. Die Antragsteller haben ihren Asylantrag in der Bundesrepublik am 27. Dezember 2012 gestellt. Am 3. Januar 2013 fand ihre Anhörung durch das Bundesamt statt, bei der die Antragsteller selbst angaben, sie hätten bereits Asylanträge in Polen gestellt. Am 8. Dezember 2013 hat die Antragsgegnerin die Republik Polen um die Wiederaufnahme der Antragsteller ersucht. Nachdem die Republik Polen sich am 11. Dezember 2013 zur Wiederaufnahme bereit erklärt hatte, erließ die Antragsgegnerin am 7. Februar 2014 den angefochtenen Bescheid. Besonderheiten des Verfahrens der Antragsteller, die zu einer Verzögerung des Verfahrensablaufs gerade in diesem Verfahren geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht benannt worden. Die Antragsgegnerin hat vielmehr in der Antragserwiderung zur Begründung der Verfahrensdauer auf die stark angestiegenen Asylbewerberzahlen verwiesen.
15Die Kammer ist der Auffassung, dass die zwischen der Anhörung der Antragsteller und dem Wiederaufnahmeersuchen verstrichene Zeitspanne von mehr als elf Monaten nicht mehr als angemessen betrachtet werden kann. Diese Zeitspanne beläuft sich auf mehr als das Dreifache der zur Orientierung herangezogenen Frist, die § 17 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 343/2003 dem Mitgliedstaat für das Aufnahmeersuchen setzt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in der inzwischen in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) für das Wiederaufnahmeersuchen sogar eine (regelmäßig) kürzere Frist von zwei Monaten gilt (Art. 23 Abs. 2 der Verordnung). Besonderheiten gerade des Wiederaufnahmeverfahrens, die zu einer im Vergleich zum Aufnahmeverfahren größeren Bearbeitungsdauer zu führen pflegen, sind aus Sicht des Verordnungsgebers also offenbar nicht gegeben. Dass durch die massiv angestiegenen Asylbewerberzahlen bei naturgemäß nur begrenzt vorhandenem Personal des Bundesamtes eine Verzögerung hat eintreten müssen, ist nachvollziehbar. Auch eine angespannte Personalsituation ändert aber nichts daran, dass es für die Antragsteller unzumutbar ist, über einen Zeitraum von insgesamt deutlich mehr als einem Jahr auf die Entscheidung über die bloße Zuständigkeit für ihren Asylantrag zu warten. Demgemäß dürfte die Antragsgegnerin zum Selbsteintritt verpflichtet und die Überstellung nach Polen unzulässig geworden sein.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der zum Aktenzeichen 24 K 228/14.A geführten Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid (0000000-144) der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2014 wird angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung der Antragsteller nach Belgien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte L. aus N. bewilligt.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragsteller, eine Mutter mit zwei minderjährigen Kindern, sind ausweislich mitgeführter, im April 2010 ausgestellter Nationalpässe, Geburtsurkunden und eines Personalausweises mazedonischer Staatsangehörigkeit und gehören dem Volke der Roma an.
4Sie stellten am 13. September 2012 einen Asylantrag und wurden dabei u.a. über den Abgleich ihrer Daten mit EURODAC sowie die Möglichkeit belehrt, nach Maßgabe der Dublin II-VO unter bestimmten Umständen zur Durchführung des Asylverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat überstellt werden zu können.
5Bei der Anfang September 2012 durchgeführten Anhörung gab die Antragstellerin zu 1) gegenüber dem Bundesamt zu Voraufenthalten und Reisewegen an, nach einem Aufenthalt in Belgien und Frankreich 2010 nach Mazedonien zurückgekehrt zu sein. Von dort habe man sich im Februar 2012 auf dem Landweg in die Schweiz begeben und einen Asylantrag angebracht. Aus der Schweiz sei dann am 24. August 2012 die Einreise ins Bundesgebiet erfolgt.Der Anhörungsniederschrift zu Ziffer 22 ist zu entnehmen, dass das Bundesamt die Angabe zu einem Voraufenthalt in Belgien in den ihm zugänglichen Datenbanken bestätigt fand („siehe Treffer in Eurodat“).
6Nachdem sie in der Angelegenheit nichts weiter gehört hatte, hielt die Ausländerbehörde unter dem 12. Juli 2013 Nachfrage bei der Antragsgegnerin und bekam Ende des Monats die Auskunft, „das Verfahren [der Antragstellerin zu 1)] wird zur Zeit im Dublinreferat geprüft. Ein Übernahmeersuchen wurde noch nicht gestellt.“Ein unter dem 15. Oktober 2013 an die Schweiz adressiertes Rückübernahme ersuchen wurde von dort unter dem 18. Oktober 2013 zurückgewiesen; zwar hätten die Antragsteller dort im Februar 2012 einen Asylantrag gestellt, seien jedoch mit Blick auf die unter dem 15. März 2012 bekundete Rückübernahmebereitschaft von Belgien am 24. Juli 2012 dorthin überstellt worden.Unter dem 30. Oktober 2013 fragte die Antragsgegnerin in Belgien hinsichtlich einer Rückübernahme der Antragsteller. Die belgischen Behörden erklärten sich unter Bezugnahme auf Art 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 mit Schreiben vom 8. November 2013 zur Übernahme der Antragsteller bereit.
7Mit tags darauf zur Post gegebenem Bescheid (0000000-144) vom 8. Januar 2014 stufte das Bundesamt diese Anträge als unzulässig ein und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach Belgien an.
8Die Antragsteller haben am 14. Januar 2014 die zum Aktenzeichen 24 K 228/14.A geführte Klage erhoben und tragen vor, die Zeit zwischen ihrer Einreise und der Stellung des Übernahmeersuchens sei zu lang; zudem sei die Antragstellerin zu 1) schwangere und solle Mitte Februar 2014 niederkommen, so dass eine Abschiebung nicht angehe.Sie beantragen sinngemäß,
9Die aufschiebende Wirkung der zum Aktenzeichen 24 K 228/14.A geführten Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid (0000000-144) der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2014 anzuordnen.
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11den Antrag abzuweisen.
12Hinsichtlich der angeführten Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1) rügt sie den Mangel an Nachweisenn und verweist auf die noch verbleibende Zeitspanne bis zum Ablauf der Überstellungsfrist.Hinsichtlich der Frage der zeitnahen Anfrage an den Mitgliedstaat bittet sie um eine Entscheidung des Gerichts.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
14II.
15Der fristgerecht angebrachte Antrag hat in der Sache Erfolg.Die Abschiebungsanordnung leidet an einem ihre sofortige Vollziehbarkeit verbietenden rechtlichen Fehler.
16Der Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO steht nicht die Vorschrift des § 34 a Abs. 2 AsylVfG entgegen, denn in der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in verfassungskonformer Auslegung ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem Sonderfall betroffen ist, der von dem der gesetzlichen Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG zugrunde liegenden Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangen wird. So liegt es hier.
17Denn die die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auslösende Feststellung der Unzulässigkeit nach § 27a AsylVfG ist zu Unrecht getroffen worden; für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller ist kein anderer Staat zuständig, sondern nach Art 17 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003
18des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden Dublin II)
19die Bundesrepublik Deutschland.
20Diese Bestimmung gelangt hier zur Anwendung, obwohl der angefochtenen Verwaltungsakt erst im laufenden Jahr und mithin unter Geltung der Nachfolgeregelung ergangen ist. Denn nach Art 49 Unterabsatz 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013
21des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf Internationaler Schutz zuständig ist (im Folgenden Dublin III)
22erfolgt für vor Inkrafttreten von Dublin III eingereichte Anträge die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach den Kriterien von Dublin II.
23Die Antragsgegnerin hat die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art 17 Dublin II missachtet; damit einher geht die Verletzung der Antragsteller in ihren Rechten aus Art 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRC).
24Nach Art 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II ist das Übernahmeersuchen „so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags im Sinne von Artikel 4 Absatz 2“ zu stellen. Nach Art 4 Abs. 2 Dublin II gilt ein Asylantrag als gestellt, „wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Asylbewerber eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist.“
25Eine solche Antragstellung lag bei Absendung des Ersuchens an Belgien (30. Oktober 2013) mehr als ein Jahr zurück, gleich, ob man auf die Aufnahme der Niederschrift über die Anbringung des Asylantrages (13. September 2012) oder erst die – allem Anschein nach bereits datenbankbasierte Hinweise auf relevante Voraufenthalte in Belgien zu Tage fördernde – Anhörung (1. Oktober 2012) abstellt.
26Die Rechtsfolge des Ablaufs dieser Frist beschreibt Art 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II: „Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.“
27Soweit der damit offenkundigen Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns und der abschließenden Feststellung der Unzulässigkeit des Antrages nach § 27a AsylVfG entgegengehalten wird, es handele sich Art 17 Abs. 1 Dublin II um bloß objektives Recht,
28Verwaltungsgericht PotsdamUrteil vom 5. Februar 2013 – 6 K 2512/12.A – juris Rdnr. 24 m.w.N.;
29Verwaltungsgericht Düsseldorf,Beschluss vom 6. Februar 2013 -17 L 150/13.A – juris Rdnr. 46,
30dessen Verletzung im auf den Schutz subjektiv öffentlicher Rechte beschränkten Rechtsschutzsystem der VwGO keine Wirkung beikomme, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Denn Sinn und Zweck der Norm erschöpfen sich nicht in einer bloßen Zuständigkeitsbestimmung im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander, sondern begründet auch den Schutz des Vertrauens des Antragstellers darauf, dass zeitnah über sein Begehren entschieden wird.
31Vgl. auch Verwaltungsgericht Düsseldorf,Beschluss vom 7. August 2012 – 22 L 1158/12.A – juris Rdnr. 17.
32In diesem Sinne ist die Antragstellerseite auch bereits bei Antragstellung in dem Formular „Belehrung gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung …“ aufgeklärt worden, wenn es dort heißt:Die Antragstellung in der Bundesrepublik Deutschland„bedeutet jedoch nicht zwingend, dass Ihr Asylverfahren auch in Deutschland durchgeführt wird. Vielmehr erfolgt in den nächsten Wochen [Hervorhebung des Gerichts]eine Prüfung, ob nicht ein anderer Staat in Europa …“.
33Ob eine öffentlichrechtliche Norm dem Bürger ein klagbares Recht auf Einhaltung einräumt, wird nach ihrem Sinn und Zweck bestimmt.Dass dieser sich sollte ändern können, je nach der Intensität der Missachtung,
34so wohl Verwaltungsgericht Düsseldorf,Beschluss vom 6. Februar 2013 -17 L 150/13.A – juris Rdnr. 47
35ist dem erkennende Gericht schwer vorstellbar, müsste man doch annehmen, leichte Verstöße seien hinzunehmen, erst besonders grobe Verletzungen seien abwehrbar. Der hinter einer solchen Auslegung stehende Gedanke kommt vielmehr mit der Annahme durchgängig subjektiven Charakters der Norm konstruktiv durch:
36im Ergebnis ebensoVerwaltungsgericht DüsseldorfBeschluss vom 10. Mai 2013 – 25 L 454/13.A , juris Rdnr. 25 ff.
37Der Verordnungsgeber hat gesehen, dass es eben auch um die – hier zudem supranational grundrechtlich aufgeladenen – Rechte des Antragsteller geht und sein legislatives Ermessen dahin ausgeübt, diese müssten bis zum Ablauf der Frist in Art 17 Abs. 1 Dublin II hintanstehen, seine danach aber vorrangig.
38Insbesondere Fristbestimmungen sind zudem ihrer Natur nach eindeutig; dies wird mit jedem Versuch einer Gewichtung der Fristüberschreitung nach ihrem Ausmaß unterlaufen. All dem wird man hingegen gerecht, wenn man Art 17 Abs. 1 Dublin II seinem Wortlaut gemäß anwendet.
39Dem zweifellos auch enthaltenen Zweck der Verfahrensbeschleunigung im Verhältnis der beteiligten Mitgliedstaaten tut es auch keinen Abbruch, wenn man die Fristüberschreitung klagbar lässt, denn eine solche Sanktionsbewehrung ist durchaus geeignet, die Beachtung zu fördern.
40Des Weiteren ist die Frist gemessen an dem Ausmaß der behördlichen Obliegenheit im Zeitalter der elektronischen Datenerfassung auch keineswegs besonders knapp, schon gar nicht im Vergleich mit den Fristen des § 74 Abs. AsylVfG.
41Schließlich lässt sich der Gedanke des § 44 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG fruchtbar machen: Wenn dort die Nichtigkeit wegen der Verletzung der Vorschriften sogar nur über die örtliche Zuständigkeit ausdrücklich ausgeschlossen wird, liegt dem zugrunde, dass dieser Verstoß zur Rechtswidrigkeit geführt hat; der subjektiv öffentlich rechtliche Charakter auch der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit tritt in § 46 VwVfG zu Tage, wenn die sonst eben bestehende Anfechtbarkeit des fehlerhaften Verwaltungsaktes eingeschränkt werden soll.
42Vor diesem Hintergrund schließt sich die die aufgezeigten konstruktionsbezogenen Bedenken vermeidende gegenteilige Annahme eines durchweg rein objektivrechtlichen Charakters mit entsprechender prozessualer Folgenlosigkeit auch der krassen Missachtung schon inhaltlich aus. Den dafür eintretenden Entscheidungen ist zudem eine über die Postulation des Ergebnisses hinaus gehende Herleitung nicht zu entnehmen.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz 2 RVG.
44Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.