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| Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. |
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| Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffern 2 - 4 rechtswidrig und verletzt die Kläger insoweit in ihren Rechten ( §113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten. |
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| Der begehrten Asylanerkennung steht die Drittstaatenregelung (§ 26a AsylVfG) entgegen, da die Kläger ihre behauptete Einreise auf dem Luftweg mangels Vorlage von Belegen und substantiierter Angaben nicht glaubhaft gemacht haben. Die Klage auf Aufhebung der Ziff. 1 des Bescheids und auf Verpflichtung der Beklagten zur Asylanerkennung ist daher zurückzuweisen. |
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| Die Kläger haben aber einen Anspruch (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG). |
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| Nach Anhörung der Klägerin Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sie im Zusammenhang mit den Unruhen in Urumqi im Juli 2009 von der chinesischen Polizei vier Tage lang inhaftiert, geschlagen und zu den Aktivitäten ihres bei den antichinesischen Protesten getöteten Ehemannes verhört worden ist, dann unter der Auflage wöchentlicher Meldung bei der Polizei und der Erbringung von Spitzeldiensten entlassen wurde, dieser Auflage etwa zwei Monate lang nachkam und schließlich unter Missachtung der Meldeauflage über Kasachstan nach Deutschland geflohen ist. |
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| Das stellt eine bereits erlittene Vorverfolgung von asylerheblichem Gewicht dar (§ 3a AsylVfG; siehe auch Art. 9 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - v. 13.12.2011 - 2011795/EU), welche die Klägerin in Anknüpfung an ihre uigurische Volkszugehörigkeit und vermeintliche antichinesische Einstellung erlitten hat, weil sie sich nach dem Verbleib ihres bei den Demonstrationen getöteten Ehemannes erkundigen wollte, bzw. weil die Sicherheitskräfte diesem und auch ihr staatsfeindlichen Separatismus unterstellten (§ 3b Abs. 1 Nrn. 3 und 5, Abs. 2 AsylVfG; siehe auch Art. 10 Abs. 1 c, e und Abs. 2 QRL). |
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| Mit der Einstellung weiterer Denunziantentätigkeit und dem Abbruch der Erfüllung der Meldeauflage sowie der illegalen Ausreise aus China hat die Klägerin in den Augen der chinesischen Sicherheitskräfte diesen Verdacht bestätigt und schließlich durch ihr - wenngleich auf nur sehr niedrigem Niveau liegendes - exilpolitisches Engagement in Deutschland für eine freies Uigurien auch noch erhärtet, welches den chinesischen Sicherheitsbehörden nicht entgangen ist, weil sie die kleine Schar der exilpolitisch antichinesisch aktiven Uiguren in Deutschland intensiv und argwöhnisch durch ihre in Deutschland tätigen Spione überwachen. |
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| Vor diesem Hintergrund ist die Furcht der Klägerin vor einer Wiederholung einer solchen Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach China der Klägerin wohlbegründet, denn die einmal erlittene Verfolgung ist ein ernsthafter Hinweis auf diese Wiederholungsgefahr und stichhaltige Gründe, die dagegen sprechen, liegen nicht vor (Art. 4 Abs. 4 QRL). Vielmehr droht der Klägerin, dass sie - diesmal längerfristig - inhaftiert, unter Folter zu ihrem Verhalten verhört und wegen Unterstützung des uigurischen Separatismus angeklagt, verurteilt und in Strafhaft genommen wird. |
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| Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem: |
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| Die Angaben der Klägerin sind glaubhaft, denn sie sind in sich stimmig, plausibel, detailreich, und enthalten keine Steigerungen, Widersprüche oder ersichtliche Übertreibungen. Zudem decken sich ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung mit den beim Bundesamt gemachten Angaben. |
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| Dass die Klägerin tatsächlich an den genannten Orten in China in der uigurischen Provinz Xinjiang gelebt hat, nämlich in Tekes, Urumqi und Gulja, und nicht etwa in Wahrheit eine kasachische Staatsangehörige uigurischer Volkszugehörigkeit ist, die sich mit ihrem Vorbringen an Verfolgungsereignisse in China anhängt, um ein ihr anderweit nicht zustehendes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erlangen (siehe dazu, dass Uiguren mit kasachischer Staatsangehörigkeit in Kasachstan nicht politisch verfolgt werden: VG Ansbach, u. v. 18.5.2004 - AN 15 K 04.30491 -, juris), ergibt sich für das Gericht schon aus den sehr detaillierten Angaben der Klägerin, die sie bei der Anhörung vor dem Bundesamt spontan zu den einzelnen Wohnadressen an diesen Orten mit Straßennamen und Hausnummern gemacht hat. |
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| Dass die Klägerin tatsächlich vier Tage lang inhaftiert worden ist, ergibt sich aus ihren plausiblen, realistischen und stimmigen Angaben. Sie hat nicht etwa angegeben, dass ihr Ehemann ein aktiver Separatist oder Dissident gewesen sei, sondern ganz normal geschildert, dass ihr Ehemann am 5.7.2009 zu dem Ladengeschäft gegangen sei, um nach dem Rechten zu sehen, was angesichts der an diesem Tage stattfindenden antichinesischen Proteste ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Ferner erscheint plausibel, dass sie - wie viele andere Angehörige auch - dann nach Abebben der Unruhen versuchte, etwas über das Schicksal ihres Mannes herauszufinden und zunächst mit Tränengaseinsatz der Polizei daran gehindert wurde. Da es in diesen Tagen zu Massenprotesten und einem massiven Eingreifen chinesischer Truppen mit Hunderten von Toten, Massenverhaftungen, willkürlichen Hinrichtungen und so weiter gekommen war (siehe unter anderem AA, Lagebericht China, 18. Juni 2013, S. 16 wonach von 43 zu dieser Zeit verhafteten Uiguren seither jede Spur fehlt und Uiguren, die in Folge dieser Unruhen ins Ausland geflohen waren, nach ihrer Auslieferung an China zu hohen Haftstrafen bis hin zu lebenslanger Haft verurteilt wurden; GIGA - German Institute of Global and Area Studies, Pressemitteilung vom 14.7.2009), und auch Jahre später noch viele Angehörige nichts über den Verbleib ihrer Angehörigen von den chinesischen Behörden in Erfahrung bringen konnten, passt es zu den vorliegenden Berichten über die damalige Lage, wenn die Klägerin vorträgt, ihr Mann sei verschwunden, von einer Nachbarin habe sie erfahren, dass diese ihn unter den Toten gesehen habe, die Familie haben dann nur noch eine Totenfeier für ihn abhalten können, aber zu Gesicht bekommen habe sie ihn nie wieder. Denn es finden sich insoweit zahlreiche Meldungen, wonach - auch Jahre später noch - die Angehörigen von Personen, die bei diesen Unruhen in Urumqi seinerzeit im Jahre 2009 verschwunden sind, von den chinesischen Sicherheitskräften drangsaliert, inhaftiert, verfolgt und schikaniert werden, wenn sie es wagen, sich nach dem Schicksal ihrer Angehörigen zu erkundigen (z.B. von Radio Free Asia unter www.ecoi.net v. 24.1.2013, 5.2.2013, 6.9.2013 und 26.9.2013; siehe auch GfbV, http://www.gfbv.ch/de/news_service/factsheets_faq/factsheet_uiguren/: Meldung v. 4. 7. 2012: Drei Jahre nach Unruhen in Urumqi - Hackerangriffe aus China auf uigurische Menschenrechtler; Meldung vom 4.7.2011: Zwei Jahre nach den Unruhen von Urumqi - Massiver Druck auf uigurische Journalisten und Menschenrechtler; Meldung vom 5.7.2010: Uiguren - Ein Jahr nach der Niederschlagung der Proteste). |
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| Dass die Polizei bei der Klägerin auftauchte und sie persönlich festnahm, um sie zu ihrem Mann zu verhören, ist nicht unwahrscheinlich, sondern angesichts des Umstandes nachvollziehbar, dass dieser einen Personalausweis mit sich führte, als er im Zuge der Demonstrationen von Sicherheitskräften getötet wurde. Denn es passt in das Bild einer effizienten Unterdrückungspolitik, dass die Menschen in einer von den chinesischen Sicherheitskräften als Unruheprovinz eingestuften Provinz Xinjiang wegen der dort alltäglichen Kontrollen, Razzien und ähnlichen Maßnahmen immer einen Personalausweis mit sich führen müssen und dass deshalb auch der Ehemann der Klägerin, als er getötet wurde, seinen Personalausweis mit sich führte. Von daher aber verwundert es nicht, dass die Sicherheitsbehörden, nachdem sie die Leiche des Ehemannes der Klägerin vorgefunden und untersucht hatten, anhand seines dabei mit sich geführten Ausweises seine Identität und seinen Wohnsitz klären konnten. |
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| Die Klägerin hat auch einige lebensnahe Details geschildert, die auf die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben hinweisen. So hat sie offenbar aus eigener Erinnerung an selbst Erlebtes geschildert, dass sie eine Totenfeier für ihren Mann abgehalten hat, dass seinerzeit die Elektrizität gesperrt worden war, so dass alles stockdunkel war und keiner sehen konnte, wohin die Leichen der Erschossenen von der Polizei gebracht wurden, dass ihr eine Polizistin das T-Shirt über den Kopf zog, um ihr die Sicht zu nehmen, wie sie in einer dunklen Zelle saß, wie sie eine im Gesicht grün und blau geschlagene uigurische Studentin in der Polizeizelle gesehen hat, und dass sie - als frisch verwitwete Mutter - verständlicherweise Angst um ihre Kinder hatte und Todesangst verspürte, als sie geschlagen wurde. |
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| Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nichts beschönigt, sondern im Gegenteil sogar sich selbst belastet, als sie - ohne dass sie dazu einen äußeren Anlass gehabt hätte - angab, sie habe nach ihrer Freilassung im Rahmen der Meldeauflage der Polizei auch immer Bericht erstatten müssen, was im Stadtviertel so geredet werde und wer neu im Stadtviertel aufgetaucht sei und dergleichen, und habe dies aus Angst auch zwei Monate lang getan. |
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| Die Klägerin hat auch - in wirtschaftlicher Hinsicht durchaus nachvollziehbar - angegeben, dass sie das Stoffhandelsgeschäft unter dem Druck, fliehen zu müssen, dann „billig“, d.h. wahrscheinlich unter Preis, verkaufen musste, dass sie aus dem Erlös von ca. 15.000 Dollar verwendete, um davon und von Ersparnissen im Untergrund bei Verwandten in Gulja und später in Kasachstan zu leben und die jeweiligen Ausreisen für sich und ihre Kinder mit Schlepperhilfe zu finanzieren, wobei sie auch das Detail erwähnte, dass die Kinder ihr von einer Schlepperagentin hinterher gebracht wurden. |
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| Dass die Klägerin trotz ihres Aufenthalts in Kasachstan dort nicht etwa eine Sicherheit vor einer Rückschiebung nach China gefunden hatte, ergibt sich schon daraus, dass sie dort illegal eingereist war, sich dort ohne Aufenthaltserlaubnis aufhielt, offenbar nur eine Zeit lang im Untergrund mit Hilfe einer uigurischen Organisation aufhalten, aber nach allem schon aus rechtlichen Gründen nicht dauerhaft offiziell hat niederlassen können. Gegenüber illegal eingereisten Uiguren aber nehmen die kasachischen Behörden keine Rücksicht und schieben sie im Rahmen ihrer engen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit dem großen Nachbarstaat China auch ohne Weiteres wieder dorthin zurück ab (zum guten Verhältnis von Kasachstan zu China bei der Bekämpfung des uigurischen Separatismus siehe VG Ansbach, u. v. 18.5.2004 - AN 15 K 04.30491 -, juris, Rdnr. 52; dazu auch amnesty international, Jahresbericht 2006, Kasachstan - im internet unter www.amnesty.de; zur Zusammenarbeit unter anderem von Kasachstan mit China im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, einem Zusammenschluss der zentralasiatischen Staaten und Chinas zur Terrorismusbekämpfung, und zu der häufigen Verletzung der Flüchtlingskonvention durch Kasachstan gegenüber uigurischen Flüchtlingen aus China siehe auch GfbV, News 2011, 15.6.2011 - siehe http://www.gfbv.it/2c-stampa/2011/110615de.html). |
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| Ganz abgesehen davon wäre hier die Vorschrift des § 27 AsylVfG über die Asylverweigerung bei anderweitiger Sicherheit nur auf die Asylberechtigung nach Art. 16a GG nicht aber auf die Flüchtlingsanerkennung anwendbar, während es nach der Rechtsprechung einen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts bei anderweitiger Sicherheit nicht gibt, weil das Flüchtlingsrecht und die Qualifikationsrichtlinie eine solche Konstruktion nur in Bezug auf einen nach der GFK von einem anderen Staat bereits gewährten Flüchtlingsschutz bzw. auf eine Schutzunterstellung unter die UNRWA kennen (siehe dazu BVerwG, U. v. 4.9.2012 - 10 C 13/11 -, juris, Rdnrn. 15 und 16). |
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| Schließlich hat sich die Klägerin, wenngleich auf bescheidenem Niveau, exilpolitisch betätigt. So war sie bei ein paar Demonstrationen der Ostturkestan Union und des Uigurischen Weltkongresses in München mit ihren Kindern dabei, wie die vorgelegten Bestätigungen und Fotos zeigen, und trug dabei auch eines von mehreren Plakaten mit regierungskritischen Parolen („Stoppt den Staatsterror“, „Uigurien wurde 1949 von China besetzt“, „Nein zum chinesischen Völkertransport“, „Uiguren wollen Demokratie und Menschenrechte“). Außerdem hat sie nach ihren glaubhaften Angaben Flugblätter gegen chinesische Atomtests in Uigurien verteilt und ist auch bei einer uigurischen Frauenorganisation aktiv. |
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| Diese exilpolitischen Aktivitäten werden schließlich ihr Gesamtbild aus Sicht der chinesischen Staatssicherheitsdienste noch abrunden und sie zusätzlich in die Nähe des in China strafbaren Unterstützten separatistischer Bestrebungen der Uigurischen Minderheit rücken und auch deshalb der Gefahr erneuter Verhaftung und Misshandlung aussetzen. |
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| Denn ganz generell rückt die chinesische Regierung jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stellt damit alle uigurischen Organisationen, auch die Ostturkestan Union in Europa e.V., unter den Generalverdacht eines solchen Separatismus, obwohl diese, anders als die East Turkestan Islamic Movement ETIM nicht auf der Liste der Vereinten Nationen als Terrororganisation geführt wird (siehe dazu AA Lagebericht China 18.6.2013, S. 17, wonach die chinesische Regierung Erkenntnisse über Verbindungen einzelner uigurischer separatistischer Splittergruppen zu den Taliban bzw. Al Qaida „zu einem Generalverdacht“ gegenüber allen uigurischen Organisationen „missbraucht“; zu den Einschüchterungsversuchen des Chinesischen Generalkonsulats in München gegenüber der Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags wegen dessen gemeinsamer Aktion mit dem - von chinesischer Seite der ETIM gleichgesetzten - Uigurischen Weltkongress zum chinesischen Nationalfeiertag am 1.10.2012 - siehe http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china). Die Beteiligung an einer von chinesischer Seite als staatsgefährdend angesehenen Organisation wie der Osturkestan-Bewegung reicht nach chinesischem Recht für eine Strafbarkeit aus, wobei auch gewaltfreies Eintreten für solche Ziele nicht vor harten Strafen schützt. Die Organisation wird trotz ihres überschaubaren Mitgliederkreises und der geringen Zahl der Teilnehmer genau beobachtet (so ausführlich VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 962/12 -, juris unter anderem auch unter Verweis auf den Briefwechsel zwischen der bayerischen Landtagsvizepräsidentin und dem chinesischen Generalkonsulat, das gefordert hatte, die „absurde“ Veranstaltung zu unterbinden; zur intensiven chinesischen geheimdienstlichen Beobachtung der uigurischen Exilszene in Deutschland, obwohl diese mit ca. 600 hauptsächlich in München lebenden Uiguren vergleichsweise klein und überschaubar ist, siehe unter anderem DER SPIEGEL Nr. 29/2009 v. 13.7.2009, S. 39 - im internet über google auffindbar -, wonach uigurische Aktivitäten, neben den Aktivitäten der Tibeter, der Demokratiebewegung in China, der Falun-Gong-Anhänger und der Aktivitäten Taiwans von der chinesischen Staatspropaganda bezeichnenderweise als eines der „fünf Gifte“ bezeichnet wird; zur Strafbarkeit von Aktivitäten für die Ostturkestan Bewegung nach chinesischem Strafrecht - § 103 Chin.StGB und zur verschärften, undifferenziert gewaltfreie wie gewalttätige Aktivitäten gleichsetzenden Anwendung dieser Norm, sowie der Abhängigkeit ihrer Anwendung durch die Sicherheitsbehörden und chinesischen Gerichte von den politischen Richtlinien amnesty international, Auskunft vom 29.4.2002 an BayVGH und amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München zur verschärften Anwendung des Separatismusstraftatbestandes nach dem Anschlag vom 11. September; eine ausführliche Darstellung der Auskunftslage zu diesem Fragenkreis und zur besonderen Empfindlichkeit der chinesischen Staatsführung gegenüber uigurischen Aktivitäten und zum Separatismusstraftatbestand findet sich auch in der Entscheidung des BayVGH, U. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris, Rdnrn. 27 - 39 und ThürOVG, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 - juris, Rdnrn. 42 - 51). |
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| Den vorliegenden Berichten zufolge sind auch immer wieder aus anderen Staaten nach China abgeschobene Uiguren dort inhaftiert und wegen Separatismus angeklagt worden oder gar spurlos (wahrscheinlich in einem der sogenannten „schwarzen“ Geheimgefängnisse) verschwunden. Selbst die von den USA aus der Haft in Guantanamo freigelassenen Uiguren, die immerhin als Terroristen verdächtigt worden waren, wurden nicht nach China zurück abgeschoben, sondern statt dessen zu ihrem Schutz vor chinesischer Strafverfolgung in jeweils kleineren Gruppen von einigen mit den USA verbündeten Staaten aufgenommen, wie etwa Albanien etc. (siehe zur Behandlung uigrischer Rückkehrer: AA Lagebericht China 18.6.2013 S. 17 unten; zur Verhaftung von Malaysia und auch Thailand aus nach China abgeschobener Uiguren unter Separatismusverdacht Human Rights Watch v. 14.3.2014 unter www.ecoi.net; GfbV, www.gfbv.ch - factsheets uiguren - dort die Meldungen v. 29.8.2011: China drängt Nachbarstaaten zur Auslieferung uigurischer Flüchtlinge, v. 18.12.2010 - Seit einem Jahr verschwunden: Von Kambodscha nach China abgeschobene Uiguren, v. 24.3.2010: Guantanamo Uiguren - Willkommen in der Schweiz; siehe auch Spiegel online v. 2.1.2014: China verlangt Auslieferung von Guantanamo Häftlingen). |
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| Wie empfindlich die chinesische Staatsführung auf alle auch gewaltfreien uigurischen Aktivitäten reagiert, zeigt sich bereits daran, dass sie Rebiy Kadeer, die gewählte Präsidentin des Uigurischen Weltkongresses (World Uyghur Congress - WUC), die schon 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, als Staatsfeindin Nr. 1 bezeichnete (http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china). |
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| Vom jeweiligen Grad der Spannungen zwischen der chinesischen Staatsführung und der uigurischen Minderheit hängt auch die Anwendung und Auslegung der Separatismusstraftatbestände durch die chinesischen Sicherheitsbehörden und die der staatlichen Kontrolle unterworfenen chinesischen Strafgerichte ab. Dass diese Spannungen seit den Vorfällen in Urumqi im Juli 2009 sich bis heute noch stetig weiter gesteigert haben, ist daher durchaus von Bedeutung für die Frage, inwieweit der Klägerin wegen ihres exilpolitischen Engagements für die zum Uigurischen Weltkongress zählende Osturkestanische Union in Europa e.V. bei einer Rückkehr nach China dort politisch motivierte Strafverfolgung droht. Insofern ist bedeutsam, dass die Situation seit 2009 immer weiter gefährlich eskaliert ist und die Nerven der chinesischen Führung aufgrund der zahlreichen im Folgenden dargestellten Ereignisse „blank liegen“ dürften, was regelmäßig die Gefahr auch von Überreaktionen gegenüber selbst nur geringfügig aktiven Uiguren begründen wird, die aus dem Exil zurückkehren und sich dort für Ostturkestan stark gemacht haben: So kam es am 19.8.2010 in Aksu/Xinjiang zu einem Sprengstoffanschlag mit 7 Toten und 14 Verletzten kam, im Juli 2011 zu einem Überfall auf eine Polizeistation in Hotan 19 Personen und bei Unruhen in Kashgar wurden am 30.7.2011 mehr als 20 Personen getötet. Im Februar 2012 kam es in Yengchen zu Zusammenstößen zwischen bewaffneten Uiguren und Sicherheitskräften und am 29.6.2012 zu einer von sechs Uiguren versuchten Flugzeugentführung in Hotan (AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16). Im Oktober verursachte eine uigurische Familie absichtlich einen Autounfall auf dem Platz des himmlischen Friedens und setzte dann sich und das Fahrzeug in Brand, im November 2013 kam es zu einer tödlichen Explosion vor der chinesischen KP-Zentrale und in Nordwestchina erschoss die Polizei acht Menschen im Dezember 2013 (siehe dazu spiegel-online v. 30.10., 6.11 und 30.12.2013). Zuletzt gab es am 2.3.2014 einen blutigen Anschlag mit Messern und Beilen auf die Reisenden eines Busbahnhofs in der chinesischen Stadt Kunming mit 29 Toten, und 130 Verletzten, den die Staatsführung sofort und - trotz der Tötung von vier Angreifern und Festnahme von drei weiteren bisher ohne Beleg - terroristischen uigurischen Separatisten anlastete (DER SPIEGEL online - 2.3.2014 - www.spiegel.de). Im Februar war zuvor am 20.2.2014 der uigurische Universitätsprofessor Ilham Tohti wegen mutmaßlichen Separatismus festgenommen worden, der die Webseite Uyghur Online gegründet hatte. Acht junge Uigurinnen, die entweder seine Studentinnen waren oder zu der Webseite beigetragen hatten, sind bereits im Januar 2014 verhaftet worden. Der Parteichef der Region Xinjiang gelobte, den Terrorismus mit äußerster Macht zu bekämpfen und der Vorsitzende der Region Xinjiang erklärte laut Bejing News Reports, dass „Kräfte von außen“ den Separatismus beeinflussen. Es gebe Leute außerhalb Chinas, die kein einiges, starkes kommunistisches China wollten (siehe zu alldem Reporters Sans Frontieres v. 12.3.2014 und BBC-News v. 3.3.2014 und v. 7.3.2014 sowie Congressional Executive Commission to China v. 4.3.2014 - alle über www.ecoi.net unter dem Stichwort China, Uiguren zu finden). |
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| Die chinesische Staatsführung hält vor diesem Hintergrund schon seit einigen Jahren die Provinz Xinjiang in ihrem dauernden Fokus, in jeder Ortschaft soll mindestens ein Polizist stationiert sein, zahlreiche uigurische Webseiten wurden blockiert, Telefon und Telekommunikationsverkehr wird überwacht. Obwohl die Provinz nur 2 % der Gesamtbevölkerung Chinas aufweist, werden 50 % aller chinesischen Staatsschutzstrafverfahren in Xinjiang geführt. Deren Zahl stiegt insoweit von 376 im Jahre 2010 um 10% auf 414 im Jahre 2011. Die Intensität der Repressionen gegenüber mutmaßlichen Separatisten, die aus dem Ausland nach China zurückkehren, wird durch offizielle Äußerungen deutlich, wonach schon 2005 zahlreiche solcher Rückkehrer unmittelbar bei Grenzübertritt festgenommen worden seien und selbst in Fällen einer unstreitigen ausländischen Staatsbürgerschaft eine konsularische Betreuung verweigert wird. Zum Verbleib und der Identität werden in der Regel keine Angaben gemacht, da es sich um innere Angelegenheiten Chinas handle (so zu alldem AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16 und 17). |
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| Für die Kläger Ziff. 2 und 3, die minderjährig sind und keine eigenen Verfolgungsgründe vorgetragen haben, ergibt sich ihr Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung aus der Vorschriften über den internationalen Schutz für Familienangehörige (§ 26 Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 und S. 2 AsylVfG), die ihnen diesen Status allerdings erst ab Eintritt der Rechtskraft der Flüchtlingsanerkennung ihrer Mutter, der Klägerin Ziff. 1, einräumen. |
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| Nach allem erweist sich schließlich aufgrund der gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden aktuellen Fassung des AsylVfG dieunter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids getroffene negative Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG als rechtswidrig. |
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| Denn für eine solche Feststellung fehlt es in diesem Zeitpunkt an einer Ermächtigungsgrundlage. Europarechtlicher subsidiärer Schutz, wie er bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG geregelt war und nunmehr unter § 4 AsylVfG geregelt ist, ist nämlich gem. Art. 2 f der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) nur subsidiär, d.h. nur einer Person zu gewähren, welche die Voraussetzungen der „Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt“. Deshalb sieht § 31 Abs. 2 AsylVfG auch nur vor, dass in der Entscheidung des Bundesamtes über einen (beachtlichen) Asylantrag festzustellen ist, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft „oder“ (falls dies nicht der Fall ist) der subsidiäre Schutz zuzuerkennen ist. |
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| Auch die unter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids außerdem enthaltene negative Feststellung zum Vorliegen des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG erweist sich im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt als rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Nach § 31 Abs. 3 AsylVfG „kann“ nämlich bei Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG von der Feststellung zum Vorliegen dieses nationalen Abschiebungsverbots abgesehen werden. Von dem damit der Beklagten eingeräumten Ermessen hat diese aber (entgegen § 40 1. HS VwVfG) keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr gar keine Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie den Bescheid auch hinsichtlich seiner Ziff. 3 hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit insoweit unter Kontrolle halten muss. |
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| Schließlich erweist sich die unter Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Asylanerkennung und Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylVfG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt ist. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, 83 b AsylVfG. Im Hinblick darauf, dass der Status eines anerkannten Asylberechtigten mittlerweile nahezu vollständig dem Status eines anerkannten Flüchtlings gleicht (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 21.12.2006 - 1 C 29.03 -, NVwZ 2007, 469 und B. v. 22.4.2008 - 10 B 88.07 -, InfAuslR 2008, 322; siehe auch BVerwG, Urt. v. 1.3. 2011 - 10 C 2/10 -, juris - Rdziff. 53), ist das Unterliegen der Kläger bezüglich ihrer Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen. |
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